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die gestischen wirkungen der architektur<br />
Senkrechte Gebäudekanten sind normal, wir erzeugen<br />
unzählige Wiederholungen davon – nicht nur aus<br />
konstruktiven Gründen, sondern um im Sehraum<br />
den ständig schwankenden Körper zu korrigieren.<br />
In der Architekturgeschichte finden sich zwar schräge<br />
und kurvige Abwandlungen der Vertikale,<br />
– der Mensch kann auch in Kurven leben und die Baulasten<br />
schräg abtragen –, aber in den Kulturen des städtischen<br />
Lebens, zum mindesten in allen Hochkulturen der Erde,<br />
wurde die Senkrechte als unbestrittene Elementargeste<br />
verwandt. Im Repertoire bestimmter Hochformen –<br />
in der Gotik, beim modernen Hochhausbau usw. –<br />
wird die elementare Gestik des Leibes selbstverständlich<br />
durch andere ideenhafte Kriterien überhöht. Der christliche<br />
Himmel zum Beispiel, dem man sich im mittelalterlichen<br />
Bauen annähern und öffnen wollte, wurde oben vorgestellt.<br />
Hochhaustürme stellen Beispiele vertikaler Multiplikation<br />
von Nutzflächen und auch Demonstrationen von politischer<br />
Macht dar usw.<br />
Die vertikale Aufrichtung, das Bauen von Türmen,<br />
ist seit Babylon eine Demonstration von kulturellem Willen<br />
und von weitreichender Macht. Das deutliche Zeigemoment,<br />
die Selbstdarstellung darin wird tiefenpsychologisch seit<br />
Sigmund Freud auch als Darstellung männlicher Potenz<br />
gedeutet. Diese Geste, wenn man sie einmal sucht,<br />
findet sich auch in den Bauklötzchenspielen der Kinder.<br />
Nicht nur die Erwachsenen bauen Türme.<br />
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