Dokument 1.pdf (703 KB)
Dokument 1.pdf (703 KB)
Dokument 1.pdf (703 KB)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
phänomenologische skizzen: leib und architektur<br />
Auch die Angst vor einem hohen Turm oder einem tiefen<br />
Abgrund kann zu psychopathischer Besessenheit führen.<br />
Der Patient fürchtet, tödlich abzustürzen. Mit dieser Gefühlslage<br />
hat in der Architektur das Phänomen der Aufrichtung zu tun,<br />
das Bauen von unten nach oben, das Ideal der vertikalen<br />
Erhebung.<br />
Schließlich gehört die Angst vor dem Verlorensein in<br />
einer unendlichen Weite in diese Reihe. Der Patient fürchtet,<br />
in der Ortlosigkeit einer Wüste oder eines Meeres umzukommen.<br />
Als eines der Urphänomene des architektonischen Ausdrucks<br />
habe ich das Setzen des Ortes genannt, die Verankerung<br />
des Selbst in einen konkreten Hier.<br />
In den Erfahrungen der Psychopathologen zeigt sich,<br />
dass bei den raumbezogenen Phobien das gleiche Repertoire<br />
der Besessenheit vorliegt wie im Architekturerlebnis.<br />
Besessenheit heißt dabei Leib-Besessenheit. Der Leib sucht<br />
im gestalteten Raum nach dem Ausdruck, der ihm vertraut ist.<br />
Man könnte von Einverleibung sprechen. Und umgekehrt,<br />
der Architekt rüstet die gebauten Dinge mit Strukturen aus,<br />
die den Raumerfahrungen seines Leibes entsprechen.<br />
Offenbar gehört die Herausforderung des Leibes durch<br />
räumliche Spannungen (eng / weit, aufragend / stürzend etc.)<br />
zur Szenerie des Lebens als Bewegungsraum. Bei phobisch<br />
Kranken aber fehlt das Gleichgewicht des Handelns zwischen<br />
den Polen dieser Spannung, nicht aber die Empfindlichkeit.<br />
Ihre Körperbewegungen können ihre sensiblen Wahrnehmungen<br />
nicht mehr ausgleichen.<br />
145