Dokument 1.pdf (703 KB)
Dokument 1.pdf (703 KB)
Dokument 1.pdf (703 KB)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
phänomenologische skizzen: leib und architektur<br />
Atmosphäre hat das Fühlen des Leibes angeregt, noch<br />
bevor der Verstand sich die Gründe dafür deutlich macht.<br />
Gebaute Idylle sind deshalb auch Liebesinseln, ähnlich wie<br />
die irdischen Paradiese in den antiken Hirtengedichten –<br />
bei Vergil und Hesiod zum Beispiel. Die berühmteste von ihnen<br />
ist vielleicht Kythera, die glückliche Insel im Liebestraum<br />
des Polifilo, einem Roman, der 1499 für den Fürsten Colonna<br />
in Venedig gedruckt wurde. Seitdem hat die Architektur<br />
immer wieder versucht, der Poesie solcher zärtlichen Orte<br />
nachzuempfinden, so entstanden bis heute kostbare Einbrüche<br />
der Literatur in den architektonischen Raum, vielleicht<br />
„Architextur”. Dazu gehören zum Beispiel das Zypressenrondell<br />
der Villa d’Este in Tivoli, das Boskett La Colonnade in den Gärten<br />
von Versailles, auch aber – in unserer Zeit – die Piazza d’Italia<br />
von Charles Moore und dergleichen träumerische Architektur.<br />
Tief im Gefühlshintergrund der Idylle, der zarten Orte<br />
der Sympathie des Leibes, liegt vielleicht eine andere Sehnsucht,<br />
die nach Verzicht auf das Leben, die nach dem Tod.<br />
115