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phänomenologische skizzen: leib und architektur<br />
Ein groteskes Beispiel für ein solches Missverständnis ist<br />
die Auffassung vom Wohnen als ein Komposit bestimmter<br />
Arbeitsvorgänge, wie es der frühen, funktionalistischen<br />
Moderne, etwa Hannes Meier beim Bauhaus-Unterricht<br />
nahe lag, wenn er in seine Entwurfsanleitungen schrieb<br />
„Der Grundriss errechnet sich wie folgt...” Er ging offenbar<br />
davon aus, alle Architektursituationen seien rational<br />
beschreibbar, unterschiedlich nur im Grad der Komplexität<br />
innerhalb des Systems ihrer Elemente. Für diese Auffassung<br />
ist Architektur ein Ensemble von Objekten wie andere<br />
Objekte, die subjektiven Züge der Phänomene werden gar<br />
nicht angesprochen. Daraus spricht ein Reduktionismus,<br />
der immer noch an Cartesius’ Weltbild erinnert. Der letzte<br />
systematische Versuch, Architektursituationen rationalistisch<br />
zu interpretieren, war Christopher Alexanders Pattern<br />
Language, ein Katalog für die Komposition von räumlichen<br />
Atmosphären aus Elementarbausteinen des Gebrauchs. Bevor<br />
er noch wirksam werden konnte, war er schon philosophisch<br />
ad absurdum geführt und als Instrument durch die<br />
Computer-Entwicklung hoffnungslos überholt.<br />
Die Domestizierung des Leibes schreitet fort. Die meisten<br />
architektonischen Räume tragen durch rationalisierte<br />
Strukturen dazu bei, Wahrnehmung und Phantasie im Sinne<br />
bestimmter Lebensstile zu präparieren. Der Leib ist durch<br />
das Gebaute, aber auch durch Design, Fahrzeuge, Kleider<br />
und elektronische Medien einer Zensur unterworfen,<br />
die ihn selbst wie ein Gerät modelliert.<br />
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