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2. Die derzeitige Qualität des Geographieunterrichts in Kursen der ...

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<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 10<br />

<strong>2.</strong> <strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> <strong>in</strong> <strong>Kursen</strong> <strong>der</strong><br />

gymnasialen Oberstufe<br />

In diesem Kapitel werden zunächst aus <strong>der</strong> Literatur herausgearbeitete allgeme<strong>in</strong>e Kriterien<br />

für guten Unterricht vorgestellt und aus <strong>der</strong> eigenen Unterrichtspraxis heraus kommentiert.<br />

Nach diesen Kriterien werden die empirischen Erhebungen aus dem Geographieunterricht<br />

beurteilt und e<strong>in</strong> Fazit zur <strong><strong>der</strong>zeitige</strong>n <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> Fachunterrichts <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>Kursen</strong> <strong>der</strong><br />

gymnasialen Oberstufe formuliert.<br />

<strong>2.</strong>1 Unterrichtsqualität als „Guter Unterricht“<br />

<strong>Die</strong> <strong>Qualität</strong> von Unterricht soll zunächst näher beschrieben werden. Hier s<strong>in</strong>d die Spielräume<br />

groß, da verschiedenste Auffassungen e<strong>in</strong>fließen können.<br />

„In die Formulierung von Zielen und Erwartungen für Schule und Unterricht gehen sowohl<br />

unterschiedliche, historisch geprägte Vorstellungen über kulturelle Traditionen (Bildungsverständnis,<br />

Menschenbild) als auch <strong>in</strong>teressenabhängige Sichtweisen bezogen auf wünschenswerte<br />

Tugenden, Qualifikationen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten <strong>der</strong> Absolventen<br />

unterschiedlicher Schulformen e<strong>in</strong>.“ (WENZEL 1999, S.32)<br />

Demzufolge unterliegen die Auffassungen zur Unterrichtsqualität e<strong>in</strong>em gesellschaftlichen<br />

Wandel, <strong>der</strong> <strong>in</strong> unterschiedlichen Konzepten und Lehrmethoden se<strong>in</strong>en Ausdruck f<strong>in</strong>det. Von<br />

<strong>der</strong>en <strong>Qualität</strong> und ihren Wirkungen (HELMKE 2004) hängt dann die E<strong>in</strong>schätzung ab, ob es<br />

sich um guten Unterricht handelt.<br />

E<strong>in</strong>e unter diesen Überlegungen durchgeführte Literaturanalyse ergab, dass e<strong>in</strong>e Reihe von<br />

Autoren Ziele guten Unterrichts nicht explizit formulieren. WENZEL (1998) und das FO-<br />

RUM BIDLUNG (2001) benennen die Selbststeuerung von Lernprozessen als Ziel <strong>des</strong> Unterrichts,<br />

für MILLER (2000a) s<strong>in</strong>d es das Erlernen von Fakten und das <strong>in</strong>dividuelle Lernen. In<br />

allen analysierten Veröffentlichungen werden aber Merkmale guten Unterrichts beschrieben,<br />

wie z.B. Lernen <strong>in</strong> Alltagszusammenhängen und Umgang mit Fehlern als Lernanlass<br />

(HELMKE 2000) o<strong>der</strong> Schüler e<strong>in</strong>beziehen und mitverantwortlich machen (BUHREN u.a.<br />

2000).<br />

Für die konkrete Schulsituation, auf <strong>der</strong> die empirischen Untersuchungen dieser Arbeit fußen,<br />

wird <strong>in</strong> die Betrachtung das im Rahmen <strong>des</strong> Modellversuches KES erstellte Schulprogramm


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 11<br />

<strong>des</strong> Gymnasiums Philanthrop<strong>in</strong>um e<strong>in</strong>bezogen. Der dort formulierte Leitbild-Schwerpunkt<br />

„Leistungsstärke“ ist <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Unterrichtsqualität zuzuordnen. Davon ausgehend<br />

ist Unterricht dann gut, wenn er die Fähigkeiten von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern entdecken<br />

hilft und sie diese e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können, Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler also gefor<strong>der</strong>t, aber auch geför<strong>der</strong>t<br />

werden.<br />

Das ist nur möglich, wenn Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler als Subjekte im Lernprozess verstanden<br />

werden, die e<strong>in</strong>e eigene Motivation für das Lernen entwickeln müssen. Wird akzeptiert, dass<br />

das Lernen e<strong>in</strong> konstruktiver, eigenaktiver und problemlösen<strong>der</strong> Prozess ist, muss <strong>der</strong> Unterricht<br />

dem Rechnung tragen. (JÜRGENS 2002)<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ist nicht davon auszugehen, dass unter den Bed<strong>in</strong>gungen schulischen Lernens<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern das Lernen vollkommen selbst überlassen werden kann. Lernen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schule muss ausgewogen erfolgen, ausgewogen <strong>in</strong> Selbst- und Fremdsteuerung. Da die<br />

gegenwärtige Schulpraxis - wie bereits festgestellt - nahezu ausschließlich fremdgesteuertes,<br />

lehrerzentriertes Lernen aufweist, ist es notwendig, <strong>der</strong> Schülerorientierung und damit <strong>der</strong><br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Selbststeuerung Raum zu geben.<br />

„Lehrerzentrierung und Schülerzentrierung s<strong>in</strong>d nicht gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> auszuspielen, son<strong>der</strong>n<br />

durch wechselseitige Verknüpfungen ermöglichen sie passungsfähige Lehr- und Lernarrangements.“<br />

( JÜRGENS 2002, S. 139)<br />

BUHREN u.a. gehen bei den Indikatoren für guten Unterricht von e<strong>in</strong>em gezielten Lehrerhandeln<br />

<strong>in</strong> den Bereichen Unterrichtsorganisation, Arbeitstechniken und Methoden, Unterrichtsgestaltung<br />

und Lernatmosphäre sowie Leistungsbewertung und För<strong>der</strong>ung von Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schülern aus. Auch diese Indikatoren zielen darauf ab, die Lernenden <strong>in</strong> allen genannten<br />

Bereichen aktiv e<strong>in</strong>zubeziehen und sie so für den Lernprozess mit verantwortlich zu<br />

machen.<br />

E<strong>in</strong>e konsequente Schülerorientierung bedeutet aus me<strong>in</strong>er praktischen Erfahrung heraus,<br />

sowohl Vorwissen als auch Interessen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler zu berücksichtigen.<br />

Durch Mitentscheidungen über Inhalte und Lernarrangements können Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

ihre Lernvorgänge selbst erfassen und möglicherweise auch steuern lernen. Über diese<br />

Arrangements ist es möglich, e<strong>in</strong> gutes Lernklima zu schaffen, das Kommunikationsmöglichkeiten<br />

für alle be<strong>in</strong>haltet.<br />

<strong>Die</strong>s wird im zweiten Schwerpunkt „Soziales Lernen“ <strong>des</strong> Leitbil<strong>des</strong> im Schulprogramm <strong>des</strong><br />

o.g. Gymnasiums berücksichtigt. Zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kommunikation bedarf es <strong>des</strong> E<strong>in</strong>satzes<br />

entsprechen<strong>der</strong> Sozialformen, Unterrichtskonzepte und –pr<strong>in</strong>zipien. <strong>Die</strong>s s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits Part-


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 12<br />

ner- und Gruppenarbeit, an<strong>der</strong>erseits Projektunterricht bzw. problemlösen<strong>der</strong> und schülerorientierter<br />

Unterricht.<br />

Betrachtet man das dritte Grundelement guten Unterrichts bei UNRUH und PETERSEN<br />

(2002), die konstruktive Atmosphäre, so wird auch diese durch Partner- und Gruppenarbeit<br />

geför<strong>der</strong>t. Gerade bei diesen Sozialformen ist es notwendig, Regeln für das geme<strong>in</strong>same Arbeiten<br />

aufzustellen, die für alle Beteiligten (Lehrer<strong>in</strong>nen, Lehrer, Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler)<br />

verb<strong>in</strong>dlich s<strong>in</strong>d. Während <strong>der</strong> Partner- o<strong>der</strong> Gruppenarbeit ist es für Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

nach me<strong>in</strong>er Erfahrung leichter, Fragen zu stellen und Fehler zu machen. Fehler als Anlass<br />

zum Lernen zu begreifen ist e<strong>in</strong> wichtiger Schritt zum selbstgesteuerten Lernen. Außerdem ist<br />

gegenseitige Hilfe möglich. Für die Lehrer<strong>in</strong>/ den Lehrer ist es <strong>in</strong> diesen Unterrichtsarrangements<br />

notwendig, als Lernpartner ihrer/ se<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler zu fungieren. Doch<br />

auch dabei gilt: es muss Konsequenz und Klarheit h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Aufgabenstellung und ihrer<br />

Lösung herrschen. Dazu müssen alle relevanten Schritte offen gelegt werden, e<strong>in</strong>schließlich<br />

<strong>der</strong> Bewertung. Werden die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong> das Aushandeln von Bewertungskriterien<br />

e<strong>in</strong>bezogen und diese dann ebenso konsequent, ehrlich und transparent zur Anwendung<br />

gebracht, ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Differenzierung entsprechend e<strong>in</strong>zelner Schülerleistungen verständlich<br />

und möglich. Daraus s<strong>in</strong>d wichtige Kenntnisse über Lernvorgänge und Lernerfolge (positiv<br />

und auch negativ) für und durch die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler zu gew<strong>in</strong>nen, so dass sie<br />

befähigt werden können, selbstgesteuert zu lernen. Auf diese Weise kann auch zum dritten<br />

Schwerpunkt <strong>des</strong> bereits zitierten Schulprogramm- Leitbil<strong>des</strong> „Zukunftsorientierung“ e<strong>in</strong> Beitrag<br />

geleistet werden. Mit <strong>der</strong> Befähigung zum selbstgesteuerten Lernen sollten die Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler ihren Platz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft leichter f<strong>in</strong>den und den Anfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>er<br />

weiterführenden Ausbildung o<strong>der</strong> <strong>des</strong> Berufslebens gerecht werden können.<br />

Als Fazit kristallisiert sich als wichtigstes, neues Ziel von Unterricht die Selbststeuerung von<br />

Lernprozessen heraus. <strong>Die</strong> Rangfolge <strong>der</strong> Merkmale ergibt sich aus <strong>der</strong> Häufigkeit <strong>der</strong> Nennung<br />

<strong>in</strong> den für die Analyse verwendeten Veröffentlichungen. (Abb.1)<br />

<strong>Die</strong>se Merkmale s<strong>in</strong>d für die gegenwärtige Situation formuliert worden (WENZEL 1999) und<br />

nicht an e<strong>in</strong>e Schulform gebunden. Gerade das selbstgesteuerte Lernen muss für Absolventen<br />

e<strong>in</strong>es Gymnasiums zu den Grundqualifikationen gehören, da dies e<strong>in</strong>e entscheidende ausbildungs-<br />

und berufsbezogene Kompetenz (MOEGLING 2000) darstellt.


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 13<br />

Merkmale guten Unterrichts<br />

1. Schülerorientierung <strong>in</strong> allen Lernprozessen<br />

<strong>2.</strong> Problemorientierung<br />

3. Handlungsorientierung<br />

4. methodische Vielfalt<br />

5. Verwendung neuer Medien<br />

6. Projektorientierung<br />

Abb.1: Merkmale guten Unterrichts (Ergebnis <strong>der</strong> Literaturanalyse)<br />

Vergleicht man diese Merkmale mit den bei WEINERT den Bildungszielen zugeordneten<br />

H<strong>in</strong>weisen zu Unterrichtsmethoden wird e<strong>in</strong>e hohe Übere<strong>in</strong>stimmung deutlich. Der Erwerb<br />

<strong>in</strong>telligenten Wissens wird durch lehrergesteuerten, aber schülerzentrierten Unterricht begünstigt,<br />

<strong>der</strong> Erwerb anwendungsfähigen Wissens wird erleichtert durch Projektarbeit, <strong>der</strong> Erwerb<br />

<strong>des</strong> Lernen lernens wird geför<strong>der</strong>t durch angeleitetes selbstständiges Lernen und Reflexionen<br />

über das Lernen usw. (HELMKE 2004)<br />

Selbstgesteuertes Lernen wird auch für den Modellversuch QUISS/ KES als Entwicklungsschwerpunkt<br />

angegeben, <strong>des</strong>halb orientiert sich die Analyse <strong>des</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong>n <strong>Geographieunterrichts</strong><br />

<strong>in</strong>sgesamt an diesen Merkmalen.<br />

<strong>2.</strong>2 Unterrichtskonzept – e<strong>in</strong>e Begriffsbestimmung<br />

Um den Begriff <strong>des</strong> Unterrichtskonzeptes näher zu beschreiben, wird von <strong>der</strong> folgenden Def<strong>in</strong>ition<br />

ausgegangen:<br />

„Unterrichtskonzepte s<strong>in</strong>d Gesamtorientierungen methodischen Handelns, <strong>in</strong> denen explizit<br />

ausgewiesene o<strong>der</strong> implizit vorausgesetzte Unterrichtspr<strong>in</strong>zipien, allgeme<strong>in</strong>- und fachdidaktische<br />

Theorieelemente und Annahmen über die organisatorisch-<strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

und die Rollenerwartungen an Lehrer und Schüler <strong>in</strong>tegriert werden.“<br />

Abb.2: Def<strong>in</strong>ition <strong>des</strong> Begriffs „Unterrichtskonzept“ ( MEYER 1994, S. 208)<br />

Unterrichtskonzepte werden somit als „normativ und präskriptiv geme<strong>in</strong>t“ (JANK, MEYER<br />

1994) beschrieben, <strong>der</strong>en Schwerpunkt auf <strong>der</strong> Unterrichtsmethodik liegt. Es wird davon ausgegangen,<br />

dass e<strong>in</strong> solches Konzept im Prozess <strong>der</strong> täglichen Arbeit von Lehrer<strong>in</strong>nen und<br />

Lehrern entwickelt wird und sich jeweils auf konkrete organisatorisch-<strong>in</strong>stitutionelle Rah-


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 14<br />

menbed<strong>in</strong>gungen bezieht. Entscheidungen zu Zielen, Inhalten und Methoden werden im Zusammenhang<br />

gesehen und auch so begründet. Dabei werden jeweils auch fachdidaktisch spezifische<br />

Unterrichtspr<strong>in</strong>zipien verfolgt.<br />

<strong>Die</strong> Didaktik <strong>der</strong> Geographie geht von Unterrichtspr<strong>in</strong>zipien aus, die dazu dienen sollen<br />

„... Lernvorgänge und Lernergebnisse je<strong>der</strong>zeit zu optimieren“. (HAUBRICH 1997, S. 248)<br />

Hier werden Pr<strong>in</strong>zipien benannt, wie z.B. Handlungsorientierung o<strong>der</strong> Schülerorientierung,<br />

die bei JANK/ MEYER zu den Unterrichtskonzepten gezählt würden. Für den handlungsorientierten<br />

Unterricht benennen beide lediglich Merkmale und ke<strong>in</strong>e Pr<strong>in</strong>zipien.<br />

Auch die weiteren Pr<strong>in</strong>zipien bei HAUBRICH wie Zielorientierung, Wissenschafts- und Praxisorientierung,<br />

Anschauung, Vernetztes Denken, Gestufte Lernfortschritte, Wertorientierung<br />

und Selbstreflexion s<strong>in</strong>d eher allgeme<strong>in</strong>-didaktisch e<strong>in</strong>zuordnen. Darüber h<strong>in</strong>aus gibt es weitere<br />

geographiespezifische didaktische Pr<strong>in</strong>zipien, auf die hier noch nicht näher e<strong>in</strong>gegangen<br />

werden soll, da sie sich aus den Inhalten ergeben.<br />

<strong>2.</strong>3 Empirische Untersuchungen zur <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong><br />

Im nächsten Schritt soll durch empirische Untersuchungen exemplarisch festgestellt werden,<br />

<strong>in</strong>wieweit die Unterrichtspraxis bereits den Merkmalen guten Unterrichts gerecht wird und<br />

mit welchen Unterrichtskonzepten Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer im Fach Geographie arbeiten.<br />

<strong>2.</strong>3.1 Befragung von Geographielehrer<strong>in</strong>nen und –lehrern<br />

Im Frühjahr 2003 wurde im Rahmen e<strong>in</strong>er Fortbildung für Geographielehrer<strong>in</strong>nen und –lehrer<br />

e<strong>in</strong>e Befragung 3 durchgeführt. Folgenden Fragestellungen wurde nachgegangen:<br />

1. Wie gut wissen Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer am Gymnasium darüber Bescheid, was Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler bei ihrem E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong>s Gymnasium bereits können?<br />

(Fragen 8-11)<br />

<strong>2.</strong> Wie klar s<strong>in</strong>d den Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern die Ziele <strong>der</strong> gymnasialen Oberstufe?<br />

(Fragen 12-15)<br />

3. Gibt es bevorzugte Unterrichtspraktiken <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sekundarstufe I und II? Wie s<strong>in</strong>d diese<br />

<strong>in</strong> Bezug auf die Merkmale guten Unterrichts e<strong>in</strong>zuschätzen? (Fragen 16-19)<br />

3 Fragebogen und detaillierte Auswertung <strong>der</strong> Befragung <strong>in</strong> Anlage 1


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 15<br />

4. Inwieweit verwenden Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer Methoden und Sozialformen, die das<br />

Selbststeuern von Lernprozessen beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sekundarstufe II för<strong>der</strong>n? (Fragen<br />

12-31)<br />

5. Wie gut haben Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer Ziele und Inhaltskonzept <strong>des</strong> „Aktionsraumes<br />

Erde“ ver<strong>in</strong>nerlicht? (Fragen 32-39) 4<br />

Da <strong>in</strong>sgesamt nur 50 Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer an <strong>der</strong> Befragung beteiligt waren, s<strong>in</strong>d die Ergebnisse<br />

zwar nicht repräsentativ im statistischen S<strong>in</strong>ne, bilden aber den Schulalltag erfahrungsgemäß<br />

ab.<br />

<strong>Die</strong>s s<strong>in</strong>d die wesentlichen Erkenntnisse:<br />

• Nach Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer haben sich <strong>in</strong> den letzten Jahren die<br />

Grundkenntnisse <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler im Fach beim E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong>s Gymnasium<br />

<strong>in</strong>sgesamt verschlechtert. Für die fachspezifischen Fertigkeiten wurde e<strong>in</strong>geschätzt,<br />

dass Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler zwar Methoden kennen, aber nicht mit ihnen umgehen<br />

können. Etwas mehr als 1/3 <strong>der</strong> Befragten besche<strong>in</strong>igte Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern Erfahrungen<br />

mit Gruppen- und Projektarbeit, mit an<strong>der</strong>en Verfahren, die <strong>der</strong> Selbststeuerung<br />

von Lernprozessen dienen, wurden kaum Erfahrungen festgestellt.<br />

• Es gibt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur für die allgeme<strong>in</strong>e Hochschulreife als Ziel <strong>der</strong> gymnasialen<br />

Oberstufe verschiedene Merkmalsbeschreibungen, daher verwun<strong>der</strong>t es nicht, dass<br />

von den Befragten als allgeme<strong>in</strong>stes Ziel nur Selbstständigkeit <strong>in</strong> verschiedensten Zusammenhängen<br />

mit Lernprozessen benannt wurde. Damit ist das wesentliche Merkmal<br />

für guten Unterricht vorhanden.<br />

• Der Beitrag <strong>des</strong> Faches Geographie zur Erlangung <strong>der</strong> Studierfähigkeit wird wegen<br />

<strong>der</strong> Vermittlung fachspezifischer und fächerübergreifen<strong>der</strong> Kenntnisse, Methoden und<br />

Arbeitsweisen hoch bewertet.<br />

• <strong>Die</strong> Unterrichtspraxis steht im Wi<strong>der</strong>spruch zu diesen Ergebnissen. Der Unterricht<br />

läuft sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sekundarstufe I als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sekundarstufe II meist lehrerzentriert<br />

ab. Schülerorientierte Verfahren und Sozialformen kommen nur selten zum E<strong>in</strong>satz.<br />

• Auch die Bewertung von Leistungen erfolgt hauptsächlich <strong>in</strong> Form von Kontrollen<br />

e<strong>in</strong>zelner Schülerleistungen, wie schriftlichen und mündlichen Tests o<strong>der</strong> Schülervorträgen.<br />

4 <strong>Die</strong> Erkenntnisse aus dieser Frage werden im Inhaltskonzept im Punkt 3.4.2 verarbeitet.


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 16<br />

• Methoden und Sozialformen, die selbstständiges (selbstgesteuertes) Lernen för<strong>der</strong>n,<br />

werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> SEK I mehr e<strong>in</strong>gesetzt als <strong>in</strong> <strong>der</strong> SEK II. Sie gehören noch nicht zum<br />

selbstverständlichen Repertoire <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer.<br />

<strong>2.</strong>3.2 Interview und Unterrichtsbeobachtung – Zwei Fallbeispiele<br />

Mit Hilfe e<strong>in</strong>es Leitfaden-Interviews 5 sollen Erkenntnisse zu den Kompetenzen <strong>der</strong> <strong>in</strong>terviewten<br />

Lehrkräfte <strong>in</strong> bezug auf das Formulieren, Umsetzen und Evaluieren von Lehr- und Lernzielen,<br />

auf die <strong>in</strong>haltliche und didaktisch-methodische Unterrichtsplanung und die Lerngruppenorientiertheit<br />

bei diesen Prozessen gewonnen werden. <strong>Die</strong> darauf folgende Unterrichtsbeobachtung<br />

wird auf die Merkmale guten Unterrichts h<strong>in</strong> überprüft. Aus beiden Ergebnissen<br />

werden Schlussfolgerungen für das von <strong>der</strong> Lehrkraft verfolgte Unterrichtskonzept formuliert.<br />

Fall 1: Lehrkraft A<br />

Lehrerkompetenzen:<br />

1. Lehr- und Lernziele formulieren, umsetzen und evaluieren<br />

Lehrkraft A orientiert sich <strong>in</strong>haltlich an den Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien, hat aber klare eigene<br />

Präferenzen zu den Inhalten. Sie sieht wegen <strong>der</strong> Zunahme <strong>des</strong> gesellschaftlichen Wissens<br />

ihre Aufgabe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vermittlung von immer mehr Stoff an die Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler. Daraus resultiert <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umsetzung das Bevorzugen frontaler Unterrichtsformen.<br />

Evaluiert wird <strong>der</strong> „Wissenszuwachs“ im Wesentlichen durch Wie<strong>der</strong>holungsfragen,<br />

schriftliche Tests und Klassenarbeiten. E<strong>in</strong>e Bewertung mündlicher Leistungen<br />

erfolgt eher unregelmäßig und spontan.<br />

<strong>Die</strong> Lehrkraft erwartet, dass die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler fächerübergreifende Kenntnisse<br />

anwenden und über methodische Fähigkeiten (z.B. Textanalyse) verfügen.<br />

<strong>2.</strong> <strong>in</strong>haltliche und didaktisch-methodische Unterrichtsplanung<br />

<strong>Die</strong> <strong>in</strong>haltliche Planung erfolgt nach den „Überthemen“ <strong>der</strong> Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien. Danach<br />

erstellt Lehrkraft A e<strong>in</strong>e Stoffe<strong>in</strong>heitenplanung, die sich beson<strong>der</strong>s auf den Term<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Klassenarbeit ausrichtet. E<strong>in</strong>e weitere Detailplanung ist nicht vorgesehen. Lediglich<br />

e<strong>in</strong>e Schwerpunktsetzung nach stofflichen Gesichtspunkten erfolgt. Ansonsten<br />

verlässt sich die Lehrkraft auf die seit <strong>der</strong> Ausbildungszeit entwickelten Rout<strong>in</strong>en, die<br />

5 Fragen zum Interview im Anhang 2


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 17<br />

seither kaum methodisch ergänzt wurden. Neuen Methoden und Unterrichtsformen<br />

steht sie eher ablehnend gegenüber. Demzufolge spielt die Ausbildung methodischer<br />

Fähigkeiten bei den Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern bestenfalls geographiespezifisch e<strong>in</strong>e<br />

Rolle.<br />

3. Lerngruppenorientiertheit<br />

We<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Zielformulierung noch bei <strong>der</strong> Planung wird die Lerngruppe durch<br />

Lehrkraft A e<strong>in</strong>bezogen. Das E<strong>in</strong>beziehen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler beschränkt<br />

sich für sie auf die Mitarbeit im Unterricht durch E<strong>in</strong>zelbeiträge, Vorlesen von Texten<br />

u.ä. Zu jedem Zeitpunkt steht die Lehrkraft im Zentrum.<br />

Unterrichtsqualität:<br />

Lehrkraft A versucht, mittels Frontalunterricht so viel Stoff als möglich zu vermitteln. Zur<br />

Sicherung <strong>des</strong> gleichen Faktenwissens für alle setzt sie vorbereitete Tafelbil<strong>der</strong> e<strong>in</strong>, die dann<br />

von ihr ergänzt werden. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Medien s<strong>in</strong>d Lehrbücher, Wandkarten und Schülerhefter.<br />

Der Hauptteil <strong>des</strong> Unterrichts verläuft im Unterrichtsgespräch, das <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung<br />

dient. Es schließen sich Vortragsphasen <strong>der</strong> Lehrkraft und fragend-entwickelnde Passagen an.<br />

Phasen mit Schülerstillarbeit (Abschreiben, Lesen) erfolgen unter ständiger Kontrolle durch<br />

die Lehrkraft.<br />

Fall 2: Lehrkraft B<br />

Lehrerkompetenzen:<br />

1. Lehr- und Lernziele formulieren, umsetzen und evaluieren<br />

Lehrkraft B orientiert sich für die Formulierung von <strong>in</strong>haltlichen Zielen an den Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien,<br />

wobei sie beson<strong>der</strong>en Wert auf aktuelle Bezüge und Fachbegriffe legt.<br />

Zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Interviews arbeitet sie daran, curricular aufsteigend Fachbegriffe<br />

systematisch mit den Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern zu erarbeiten. Außerdem ist B bemüht,<br />

die <strong>in</strong> den Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien vorgeschlagenen Methoden anzuwenden. Das <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Geographiefachschaft <strong>des</strong> Gymnasiums vere<strong>in</strong>barte Methodentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g wird bewusst<br />

umgesetzt, z.B. über das Führen e<strong>in</strong>es Methodenhefters durch die Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler. <strong>Die</strong> Evaluation erfolgt e<strong>in</strong>erseits durch mündliche Leistungskontrollen,<br />

Mitarbeitsnoten im Unterricht o<strong>der</strong> durch Bewerten von Text- o<strong>der</strong> Materialanalysen<br />

und an<strong>der</strong>erseits durch schriftliche Tests und Klassenarbeiten.<br />

<strong>2.</strong> <strong>in</strong>haltliche und didaktisch-methodische Unterrichtsplanung


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 18<br />

<strong>Die</strong> Planung <strong>des</strong> Unterrichts erfolgt zunächst nach zeitlichen Gesichtspunkten, die zu<br />

behandelnden Stoffgebiete werden auf das Schuljahr verteilt. Anhand <strong>des</strong> Inhaltes<br />

wird dann von <strong>der</strong> Lehrkraft e<strong>in</strong>e Abschnittsplanung vorgenommen. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

gibt es bei B ke<strong>in</strong>e Planungsrituale, e<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>planung erfolgt von Stunde zu Stunde.<br />

E<strong>in</strong>e Vorausplanung <strong>des</strong> Methodentra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs wird noch nicht vorgenommen, es wird<br />

eher situativ e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

3. Lerngruppenorientiertheit<br />

In die Planung von Unterricht fließen Spezifika <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Lerngruppen nicht e<strong>in</strong>.<br />

H<strong>in</strong> und wie<strong>der</strong> werden Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler spontan zu ihren Interessen befragt,<br />

aber nicht <strong>in</strong> Zielsetzung o<strong>der</strong> Planung <strong>in</strong>volviert. <strong>Die</strong> Lehrkraft steht <strong>in</strong> allen diesen<br />

Bereichen im Zentrum.<br />

Unterrichtsqualität:<br />

Lehrkraft B versucht, über e<strong>in</strong> gelenktes Unterrichtsgespräch vorhandenes Wissen, vor allem<br />

Fakten und Begriffe zu wie<strong>der</strong>holen und dann <strong>in</strong> fragend-entwickelndem Diskurs e<strong>in</strong>e Systematisierung<br />

mit den Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern zu erarbeiten. Gesprächsphasen werden unterbrochen<br />

durch Phasen, <strong>in</strong> denen die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler das an <strong>der</strong> Tafel entwickelte<br />

Merkbild abschreiben. Es ist e<strong>in</strong>e Rhythmisierung erkennbar. Während <strong>der</strong> ganzen Zeit erfolgt<br />

<strong>der</strong> Unterricht lehrerzentriert.<br />

<strong>2.</strong>3.3 Analyse von Hospitationsprotokollen <strong>des</strong> Kursunterrichts <strong>in</strong> Geographie<br />

Zur Auswertung liegen 30 Stundenprotokolle vor, die von Lehramtsstudenten im Fach Geographie<br />

im W<strong>in</strong>tersemester 2003/04 angefertigt wurden. Es handelt sich dabei um Protokolle<br />

von Geographiestunden <strong>der</strong> Klassen 11,12, und 13, umfassen also die <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> gymnasiale<br />

Oberstufe. In ihrer Aussagekraft s<strong>in</strong>d die Protokolle sehr unterschiedlich, da sie nicht standardisiert<br />

wurden. Folgende Angaben f<strong>in</strong>den sich daher nicht durchgängig <strong>in</strong> allen Aufzeichnungen:<br />

- Zeitangaben zur Dauer bestimmter Unterrichtsphasen<br />

- Angaben zum didaktisch- methodischen Vorgehen<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d auch unterschiedliche Textformen gewählt worden. E<strong>in</strong>erseits wurden<br />

fast wörtliche Verlaufsprotokolle angefertigt, es f<strong>in</strong>den sich Tabellenformen und an<strong>der</strong>erseits<br />

gibt es zusammengefasste, ungeglie<strong>der</strong>te Texte.


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 19<br />

<strong>Die</strong> Untersuchung nach den o.g. <strong>Qualität</strong>skriterien (Ziele und Merkmale guten Unterrichts)<br />

wird zusätzlich erschwert, da für e<strong>in</strong>ige Stunden nicht e<strong>in</strong>mal das Stundenthema notiert wurde,<br />

selten f<strong>in</strong>den sich Aufgabenstellungen, aus denen Schlussfolgerungen über e<strong>in</strong>e eventuelle<br />

Problemorientierung gezogen werden könnten.<br />

Folgende Erkenntnisse werden für den Unterricht <strong>in</strong> <strong>Kursen</strong> <strong>der</strong> gymnasialen Oberstufe deutlich:<br />

- Es werden vorwiegend schriftliche Tests mit e<strong>in</strong>er Dauer von 25 bis 45 m<strong>in</strong>. als Lernkontrollen<br />

e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

- An<strong>der</strong>e Bewertungsformen, z.B. für Gruppenarbeit, Stundennoten, Präsentationen o.ä.,<br />

werden nicht dokumentiert.<br />

- <strong>Die</strong> übergroße Mehrheit <strong>der</strong> untersuchten Stunden läuft <strong>in</strong> allen Bereichen von <strong>der</strong><br />

Aufgabenstellung bis zur Ergebniskontrolle lehrerzentriert ab. Auch <strong>in</strong> Phasen von<br />

Schülerselbsttätigkeit erfolgt e<strong>in</strong>e permanente Kontrolle durch die jeweilige Lehrer<strong>in</strong>/<br />

den Lehrer.<br />

- Zwei Stundentypen kommen beson<strong>der</strong>s häufig vor:<br />

a) <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler erhalten e<strong>in</strong>e detaillierte Aufgabenstellung, bearbeiten<br />

diese häufig <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelarbeit und stellen dann ihre Ergebnisse vor, welche im<br />

anschließenden Unterrichtsgespräch noch e<strong>in</strong>mal diskutiert werden.<br />

b) <strong>Die</strong> Lehrer<strong>in</strong>/ <strong>der</strong> Lehrer führt das Unterrichtsgespräch, z.T. fragend-entwickelnd,<br />

häufiger gelenkt zur Wie<strong>der</strong>holung und Darstellung bereits gelernten Wissens.<br />

<strong>Die</strong>se Gespräche ersche<strong>in</strong>en oft kurzschrittig und nicht durch längere Schülerantworten<br />

geprägt. Selten dokumentiert wird e<strong>in</strong>e von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern<br />

vorgenommene zusammenhängende Darstellung von Erkenntnissen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es<br />

Schülervortrages o<strong>der</strong> als Beantwortung e<strong>in</strong>er Aufgabenstellung.<br />

- Neben dem Frontalunterricht s<strong>in</strong>d an<strong>der</strong>e Sozialformen kaum vertreten, nur zweimal<br />

wird von Gruppenarbeit und e<strong>in</strong>mal von Partnerarbeit gesprochen.<br />

<strong>2.</strong>4 Zusammenfassung <strong>der</strong> Erkenntnisse aus den empirischen Untersuchungen zur<br />

<strong><strong>der</strong>zeitige</strong>n <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong><br />

<strong>Die</strong> Befragung <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer ergab:<br />

Obwohl das Ziel guten Unterrichts den Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern durchaus bekannt ist, wird<br />

noch häufig lehrerzentriert gearbeitet. Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> gymnasialen Oberstufe werden die<br />

dargestellten Merkmale guten Unterrichts nur selten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis verwirklicht.<br />

Aus den Interviews und <strong>der</strong> Unterrichtsbeobachtung ist festzustellen:


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 20<br />

Nach den Merkmalen guten Unterrichts beurteilt wird deutlich, dass ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Kriterien von<br />

<strong>der</strong> Lehrkraft A auch nur ansatzweise erfüllt wird. Für das von ihr verfolgte Unterrichtskonzept<br />

ergibt sich, dass sich die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildungszeit erlernte Strukturierung von Unterricht,<br />

die an <strong>der</strong> Didaktik Kl<strong>in</strong>gbergs orientiert war, bei Lehrkraft A zur Rout<strong>in</strong>e entwickelt hat. <strong>Die</strong><br />

lehrerzentrierte Vermittlung von Stoff steht im Mittelpunkt, Nebeneffekte für die Fähigkeitsentwicklung<br />

werden von ihr erwartet. Ihr Bestreben ist darauf ausgerichtet, den eigenen Arbeitsaufwand<br />

ger<strong>in</strong>g zu halten.<br />

Auch für die Lehrkraft B sieht es nicht an<strong>der</strong>s aus. Nach den Merkmalen für guten Unterricht<br />

s<strong>in</strong>d hier ke<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Kriterien erfüllt worden. Beim Unterrichtkonzept hat Lehrkraft B Rout<strong>in</strong>en<br />

entwickelt, <strong>in</strong> denen Rudimente <strong>der</strong> Ausbildungszeit deutlich werden. Darüber h<strong>in</strong>aus ist das<br />

Bemühen erkennbar, die Vere<strong>in</strong>barungen <strong>der</strong> Geographiefachschaft umzusetzen und verstärkt<br />

Methodentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g durchzuführen. E<strong>in</strong> eigenes, durchstrukturiertes Konzept hat B noch nicht<br />

gefunden, die Vere<strong>in</strong>barungen dienen als Anleitung Neues auszuprobieren.<br />

<strong>Die</strong> Schlussfolgerungen aus den Hospitationsprotokollen können etwas detaillierter dargestellt<br />

werden.<br />

Zur Unterrichtsqualität:<br />

Kriterium Selbststeuerung: Es wird viel Anleitung zur selbsttätigen Arbeit von Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schülern durch vorgegebenes Material, e<strong>in</strong>e detaillierte Aufgabenstellung und e<strong>in</strong>e Zeitvorgabe,<br />

aber noch nicht zur Selbststeuerung von Lernprozessen gegeben. In ke<strong>in</strong>em Fall<br />

wurden Lernmethoden o<strong>der</strong> –techniken im Unterricht thematisiert.<br />

Kriterium Schülerorientierung: Abgesehen davon, dass durch frontales Wie<strong>der</strong>holen für alle<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>des</strong> jeweiligen Kurses diese <strong>in</strong> gewisser Weise dort abgeholt werden<br />

sollten wo sie stehen, wird we<strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>e differenzierte Aufgabenstellung noch durch<br />

e<strong>in</strong> differenziertes methodisches Herangehen für die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler e<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />

eröffnet, sich ihrem persönlichen Entwicklungsstand entsprechend <strong>in</strong> den Unterricht e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />

Weitere Kriterien: E<strong>in</strong>e Problemorientierung <strong>der</strong> Kurse wurde nicht dokumentiert, Handlungsorientierung<br />

ist nicht erkennbar, Projektorientierung nicht vorhanden. <strong>Die</strong> Methodik ist<br />

eher e<strong>in</strong>seitig e<strong>in</strong>zuschätzen, da Stunden bei <strong>der</strong>selben Lehrer<strong>in</strong>/ demselben Lehrer stets nach<br />

gleichem Muster abliefen. Neue Medien wurden nur e<strong>in</strong>mal als Auftrag <strong>in</strong> die Hausaufgabe<br />

e<strong>in</strong>bezogen.<br />

Der durch die Hospitationsprotokolle dokumentierte Unterricht entsprach nicht den Kriterien<br />

für guten Unterricht.


<strong>Die</strong> <strong><strong>der</strong>zeitige</strong> <strong>Qualität</strong> <strong>des</strong> <strong>Geographieunterrichts</strong> 21<br />

Zu Unterrichtskonzepten:<br />

In Anlehnung an die Def<strong>in</strong>ition nach MEYER (1999) ist festzustellen, dass alle diese Geographiestunden<br />

den organisatorisch- <strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> gymnasialen Oberstufe<br />

<strong>in</strong> Sachsen- Anhalt unterliegen, also als Wahlpflichtkurse auf Grundkursniveau mit zwei<br />

Wochenstunden ablaufen. <strong>Die</strong> Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien geben <strong>in</strong>haltlich die mündlichen Prüfungsthemen<br />

vor, z.Z. ist auch noch e<strong>in</strong>e schriftliche Prüfung im Rahmen <strong>des</strong> Zentralabiturs möglich.<br />

Aus dem außerdem gültigen Bewertungserlass (KULTUSMINISTERIUM Sachsen-<br />

Anhalt 2004) resultiert die Bevorzugung von schriftlichen Lernkontrollen zur Bewertung.<br />

Erkennbar s<strong>in</strong>d als grundlegende didaktische Strukturen Zielorientierung, Wie<strong>der</strong>holung,<br />

Erstaneignung, seltener Anwendung o<strong>der</strong> Transfer. Das <strong>in</strong> den Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien vorgegebene<br />

Unterrichtspr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> gestuften Lernfortschritte wird durchgesetzt. Das methodische Vorgehen<br />

ist gekennzeichnet durch Lehrervorträge, Unterrichtsgespräche, Schülerselbsttätigkeit<br />

und z.T. Schülervorträge.<br />

Fast ausschließlich war die Form <strong>des</strong> Lehrgangs im Frontalunterricht zu beobachten. Nur e<strong>in</strong><br />

Beispiel zeigt, dass nicht alle Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler die gleichen Texte und Materialien<br />

verwenden müssen, um e<strong>in</strong>e Problematik adäquat zu bearbeiten. In ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> dokumentierten<br />

Stunden gab die Lehrer<strong>in</strong>/ <strong>der</strong> Lehrer die Rolle als Führen<strong>der</strong> und Kontrolleur <strong>des</strong> Lernvorgangs<br />

auf.<br />

<strong>Die</strong> erkennbaren Merkmale e<strong>in</strong>es Unterrichtskonzeptes zeigen, dass es sich nicht um Konzepte<br />

handelt, die e<strong>in</strong>en mo<strong>der</strong>nen, guten Unterricht ermöglichen und die Aufgabe <strong>der</strong> gymnasialen<br />

Oberstufe <strong>der</strong> Vorbereitung auf Studium und Berufsleben erfüllen könnten.<br />

Insgesamt ist also festzustellen, dass <strong>der</strong> Unterricht <strong>in</strong> <strong>Kursen</strong> im Fach Geographie <strong>in</strong> den exemplarischen<br />

Erhebungen nicht den Kriterien für guten Unterricht nach mo<strong>der</strong>nen Unterrichtskonzepten<br />

entspricht. Damit lässt sich die Notwendigkeit <strong>der</strong> Entwicklung und Erprobung<br />

e<strong>in</strong>es entsprechenden Unterrichtkonzeptes für die gymnasiale Oberstufe im Fach begründen.

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