19.11.2013 Aufrufe

Tro§zdem Nr. 43, November2010 - Justizvollzugsanstalt Oldenburg ...

Tro§zdem Nr. 43, November2010 - Justizvollzugsanstalt Oldenburg ...

Tro§zdem Nr. 43, November2010 - Justizvollzugsanstalt Oldenburg ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

RECHT & SOZIALES<br />

§<br />

künftige Leid seiner fünf Brüder, die ein<br />

ähnliches Leben in Blindheit und Bequemlichkeit<br />

führen. In erster Linie sind<br />

sie durch ihre geistige Armut mit ihm<br />

verwandt. Abraham verweist ihn aber<br />

auf den, jedem Menschen gegebenen<br />

gesunden Verstand. Auf die Fähigkeit<br />

zur selbstkritischen Betrachtung und<br />

richtigen Selbsteinschätzung, die Fähigkeit<br />

zum logischen Denken.<br />

All unser blindes übermäßiges Verlangen<br />

ist körperlicher Art. Es ist die<br />

Gier des Körpers nach exzessiven Erlebnissen<br />

bei einem schwachen Geist.<br />

Auch die Völlerei ist eine Sünde.<br />

Fresssucht, Alkoholsucht, Spielsucht,<br />

Drogensucht, Nikotinsucht sind keine<br />

Krankheiten, sondern Schwächen. Wir<br />

machen uns selbst zu Sklaven unserer<br />

Begierden. Diese selbst erzeugten Leiden<br />

werden verursacht durch geistige Armut.<br />

Das ist meine eigene Meinung und diese<br />

vertrete ich argumentativ.<br />

„Arm ist nicht wer wenig hat, sondern<br />

wer viel braucht.“<br />

Jeder Mensch hat die Wahl. Und<br />

auch wer im Überfluss lebt, kann arm<br />

sein. Selbstverschuldet, geistig arm.<br />

Arm an Bildung: „Wissen ist Macht“,<br />

das ist eine Tatsache. Wir leben hier im<br />

Luxus. Unser Luxus ist das Übermaß an<br />

Freizeit. Die Freizeit richtig zu nutzen ist<br />

eine Sache der richtigen Einsicht und<br />

Einstellung. Die Zeit ist aber auch nicht<br />

unendlich. Bevor man Zeit vergeudet mit<br />

Karten- oder Computerspielen, mit TV-<br />

Shows oder Zappen durch die Unterhaltungsmedien,<br />

mit immer gleichen sinnlosen<br />

Gesprächen auf der Basis von glorreichen<br />

Legenden auf der Station; und<br />

noch schlimmer am Fenstergitter oder<br />

mit stundenlangem Gedröhne aus den<br />

Musikboxen, sollte man sich der Erweiterung<br />

eigener geistiger Fähigkeiten widmen,<br />

dem Erwerb von Wissen.<br />

Arm an Bescheidenheit. Bescheidenheit<br />

ist eine Tugend. Der Gegensatz von<br />

Maßlosigkeit. Wie tugendhaft ist jemand,<br />

der kaum im Strafanstalt angekommen,<br />

nach sozialen Leistungen aller<br />

Art verlangt. Warum hatte derjenige<br />

nicht selbst für die Notzeiten vorgesorgt.<br />

Aus naiver Überzeugung, dass er nie<br />

erwischt und belangt werden wird. Viele<br />

kommen hier an mit einer Fülle von Erwartungen<br />

wie Taschengeld, Sozialfernseher,<br />

Sozialradio, Sozialtabak. Sozial<br />

heißt hier auf Kosten der Gemeinschaft.<br />

Doch mit welchem Recht? Was hat man<br />

der Gemeinschaft vorher gegeben?<br />

www.jva-oldenburg.de<br />

Nichts! Eher genommen oder gestohlen.<br />

Viele erinnern sich gleich an die Pastoren,<br />

wobei sie die Kirche und den Glauben<br />

nie im Sinn hatten und sogar uncool<br />

und lächerlich fanden. Hier erwarten sie<br />

aber von den Seelsorgern Tabak, Feuerzeug<br />

und Kaffe. Wo nichts hingegeben,<br />

kann auch nichts genommen werden. Die<br />

Kirche ist in erster Linie für den Seelenheil<br />

zuständig und nicht für die Erfüllung<br />

von körperlichen Begierden. Die Kirche<br />

ist auch keine Almosenstelle für die,<br />

denen es am wichtigsten zum Wohlbefinden<br />

nicht fehlt. „Wem genug zu wenig<br />

ist, dem ist nichts genug“.<br />

Arm an Verantwortung für seine Mitmenschen:<br />

Können wir sicherstellen,<br />

dass die Folgen unserer Taten nur uns<br />

und nicht auch unsere Angehörigen treffen?<br />

Nein, das können wir nicht. Wir<br />

verlieren die Kontrolle und werden<br />

fremdbestimmt. Viel schlimmer ist es<br />

aber die nahen Menschen an den eigenen<br />

üblen Taten zu beteiligen. Ist es den kein<br />

Armutszeugnis wenn jemand die Erwartung<br />

an seine Frau oder Schwester stellt<br />

ihm Drogen in den Knast zu schmuggeln?<br />

Wenn erwachsene Männer ihre<br />

Frauen finanziell ausnehmen um den<br />

neuesten Sportanzug oder einen Flachbildfernseher<br />

zu besitzen. Wenn modische<br />

Extravaganzen auf Kosten von in<br />

Armut lebenden Kindern erfüllt werden.<br />

Wenn man die eigene Familie in Abhängigkeit<br />

von Sozialleistungen gebracht hat<br />

und dieses Existenzminimum für eigene<br />

Begierden schmälert.<br />

Die geistige Armut sähet reichlich<br />

Unglück. Wer dafür blind bleibt und<br />

fleißig weiter sähet wird reichlich davon<br />

ernten. Verspieltes Glück ist selbstverschuldetes<br />

Unglück.<br />

Die finanzielle Armut<br />

Wenn wir über Armut reden, sollten<br />

wir uns öfters fragen, wie es unseren<br />

Familien draußen geht und wie die klar<br />

kommen. Ich persönlich denke, dass es<br />

uns doch ganz gut geht, hier in <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Wir bekommen hier das rundum<br />

Sorglospaket. Meine Familie muss augrund<br />

meiner Inhaftierung jetzt von Harz<br />

IV leben und ich weiß, dass es ihnen viel<br />

schlechter geht als sie mir das sagen;<br />

damit ich mir keine Sorgen und Vorwürfe<br />

mache. Wo kommt den das<br />

Geld her für die Fahrkarten,<br />

wenn sie mich hier jede Woche<br />

besuchen, oder mir Geld einzahlen,<br />

für den Zusatzeinkauf,<br />

oder ich wieder mal neue<br />

Klamotten haben möchte.<br />

Dass müssen sie anderswo<br />

einsparen, dass heißt sie verzichten<br />

für mich auf etwas obwohl ich<br />

doch Schuld an der Situation bin.<br />

Das sollten wir alle einmal überdenken,<br />

wenn wir von unseren Familien<br />

wieder einmal etwas verlangen oder erwarten.<br />

Meine Kinder z.B. gehen in einen<br />

Sportverein, was jeden Monat 15 € kostet.<br />

Ich kann hier jeden Tag zum Sport<br />

gehen, ohne etwas dafür zu bezahlen. Ist<br />

das selbstverständlich?<br />

Vor ein paar Wochen wollten meine<br />

Kinder ins Kino. Meine Frau sagte:<br />

“Dass geht diesen Monat nicht“. Wir<br />

sehen hier jedes Wochenende drei aktuelle<br />

Filme ohne etwas dafür zu zahlen.<br />

Ist das gerecht?<br />

Wir bekommen hier täglich dreimal<br />

etwas zu essen. Immer wieder wird kommentiert:<br />

„Wie, schon wieder das gleiche“<br />

oder „so etwas esse ich nicht“.<br />

Manche Frauen und Kinder währen sehr<br />

glücklich darüber, wenn sie nicht einmal<br />

„Wem genug zu wenig ist, dem ist<br />

nichts genug.“<br />

die Woche zur Tafel gehen müssten, um<br />

für Essen anstehen. Habt ihr auch mal<br />

überlegt wie erniedrigend so etwas für<br />

eure Familie ist.<br />

Meine Tochter kommt mit der Situation<br />

nicht klar; dass ihr Papa nicht mehr<br />

für sie da ist. Meine Frau ging mit ihr<br />

zum Doktor und fragte, ob es nicht möglich<br />

wäre, dass meine Tochter Gespräche<br />

mit einem Kinderpsychologen führen<br />

könnte. Der sagte: „Sicher ist das möglich,<br />

aber die Krankenkasse zahlt das<br />

nicht. Und so muss meine Tochter allein<br />

damit klar kommen, dass ihr Papa nicht<br />

mehr für sie da sein kann. Ist das gerecht?<br />

Das was uns hier fehlt ist die Freiheit,<br />

aber daran sind wir selbst schuld. Ich<br />

möchte euch bitten, jedes Mal wenn ihr<br />

hier sagt „das wäre mir lieber“, zuerst<br />

einmal darüber nachzudenken wie es<br />

eurer Familie geht.<br />

Text: Frau Pastorin Menz, Manfred V.,<br />

Niklas B.<br />

Tr§tzdem 11/2010 33

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!