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Tro§zdem Nr. 43, November2010 - Justizvollzugsanstalt Oldenburg ...

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„Sehnsucht nach straffreiem Leben wecken“<br />

JVA INTERN<br />

Ein Interview mit dem Leiter der <strong>Justizvollzugsanstalt</strong> <strong>Oldenburg</strong> Gerd Koop zum Filmfest 2010.<br />

Der Leiter der JVA <strong>Oldenburg</strong><br />

Gerd Koop.<br />

Frage: Wie kommt das<br />

Projekt in der JVA und bei<br />

den Insassen an?<br />

Koop: 2010 nehmen wir<br />

zum vierten Mal am Filmfest<br />

teil. Die Idee entwickelten<br />

Torsten Neumann und ich am<br />

Rande einer Benefizveranstaltung<br />

für den <strong>Oldenburg</strong>er<br />

Präventionsrat 2005, dessen<br />

Vorsitzender ich bin. Mir<br />

gefiel die hierdurch entstehende<br />

Möglichkeit, der Öffentlichkeit<br />

das Thema Strafvollzug<br />

näher zu bringen und<br />

eine Verbindung herzustellen<br />

zu einem gesellschaftlichen<br />

Reizthema. Zudem hatte ich<br />

die Vision, unser Leitbild<br />

„und Morgen sind sie wieder<br />

unsere Nachbarn« hierdurch<br />

wirkungsvoll in die Öffentlichkeit<br />

zu tragen. Die Insassen<br />

selbst waren von der Idee<br />

überrascht und natürlich beeindruckt<br />

von den vielen<br />

Stars, die in die JVA kommen<br />

wollten. Torsten Neumann<br />

ist es mit dem ersten<br />

Film „Mein Freund der Mörder«<br />

gelungen, eine unglaublich<br />

spannende Diskussion<br />

zwischen Kinobesuchern von<br />

Draußen und Insassen der<br />

JVA auszulösen. Sowohl<br />

Insassen wie auch das Personal<br />

sind inzwischen begeistert<br />

vom Filmfest. Seit einem<br />

Jahr kommen sogar weibliche<br />

Inhaftierte aus der JVA für<br />

Frauen in Vechta zum Filmfest.<br />

Frage: Gibt es einen<br />

Gast, an den Sie sich besonders<br />

gerne erinnern?<br />

Koop: Ja natürlich. Marius<br />

Müller-Westernhagen. Das<br />

Treffen mit ihm und seiner<br />

zauberhaften Ehefrau war ein<br />

ganz besonderes Highlight.<br />

Er suchte das direkte Gespräch<br />

mit den Insassen und<br />

war tief beeindruckt und berührt.<br />

Seine soziale Kompetenz<br />

und seine differenzierte<br />

Haltung zum Strafvollzug<br />

haben mich bewegt. Aber<br />

eigentlich sind alle Gäste<br />

wirklich intensiv am Strafvollzug<br />

interessiert und stellen<br />

sich der Diskussion. Das<br />

ist wunderbar.<br />

Frage: Inwiefern trägt die<br />

Zusammenarbeit mit dem<br />

Filmfest dazu bei, den Insassen<br />

den Weg zurück in die<br />

Gesellschaft zu erleichtern?<br />

Koop: Unser Leitbild von<br />

den Nachbarn von morgen<br />

wird durch das Filmfest mit<br />

Leben gefüllt. Die Insassen<br />

spüren, dass man nicht nur<br />

einseitig auf sie herabschaut,<br />

sondern dass die Gesellschaft<br />

die Erwartung an sie hat, dass<br />

Der Justizvollzug von Morgen<br />

BUCH: Ein Einblick in den praxisorientierten Justizvollzug von Morgen.<br />

H<br />

at der Strafvollzug in seiner<br />

bestehenden Form eine Zukunft<br />

oder müssen neue Strategien<br />

her, um ihn der Zeit anzupassen? Welche<br />

Probleme entstehen mit zunehmender<br />

Globalisierung und steigender Gefahr<br />

des Terrorismus? Brauchen wir ein separates<br />

Anti-Terror Gesetz, der den Terroristen<br />

nicht mehr als Staatsbürger betrachtet,<br />

sondern als Staatsfeind und diesen<br />

dementsprechend nicht gemäß des<br />

Strafrechts, sondern des kriegerischen<br />

Feindrechts behandelt? Und welche<br />

Konsequenzen würden daraus für die<br />

normalen Delinquenten wie Sexualverbrecher<br />

oder organisierte Kriminelle<br />

folgen? Würden sie dann je nach aktueller<br />

Hysterie und Gefahrenlage ebenfalls<br />

von der Person zur Unperson, zum Feind<br />

degradiert - zum Kriegsgegner eines<br />

asymmetrischen Krieges im Inland? Diese<br />

und viele andere Fragen werden im<br />

16. Band der Schriftreihe der Kriminalpädagogischen<br />

Praxis die die Vorträge<br />

zu der bundesweiten Fachtagung „Wohin<br />

fährt der Justizvollzug? Strategien für<br />

der Justizvollzug von morgen“, die vom<br />

16.-18. November 2008 in Cloppenburg<br />

stattfand, veröffentlicht. Das durchgehende<br />

Credo lautet wohl, dass Resozialisierung<br />

auch in Zukunft ein „Soll-<br />

Regelung“ bleiben wird. Das zeigt sich<br />

besonders dadurch, dass die Haftform<br />

des offenen Vollzuges weiterhin auf dem<br />

Rückzug ist. Obwohl die Behandlungsforschung<br />

eindeutige Hinweise liefert,<br />

dass aus dem offenen Vollzug Entlassen<br />

eine bessere Legalprognose haben, und<br />

diese Vollzugsform an sich eine billigere<br />

Unterbringung der Gefangene bietet,<br />

lässt sich die Politik<br />

von solchen Argumenten<br />

nicht beidrucken.<br />

Die Politik ist<br />

der Weichenstellen<br />

Wohin fährt der Justizvoll-Zug?<br />

Herausgegeben von<br />

G. Koop & B. Koppenberg<br />

Verlag Lingen<br />

16,00 €<br />

§<br />

sich in ihrem Leben deutlich<br />

etwas ändert. Unsere Insassen<br />

haben Straftaten begangen,<br />

daran gibt es nichts zu<br />

deuteln. Es nützt aber nichts,<br />

Menschen nur wegzusperren,<br />

sondern wir müssen die<br />

Sehnsucht nach einem straffreien<br />

Leben wecken. Das<br />

geht nicht mit Isolation, sondern<br />

nur mit Kommunikation.<br />

Üben, üben, üben, lautet<br />

daher unsere Devise. Die<br />

Öffentlichkeit lernt durch<br />

ihre Besuche in der JVA,<br />

dass das Leben hinter Gittern<br />

völlig anders abläuft, als sie<br />

erwarten.<br />

Frage: Aufweichen JVA-<br />

Film freuen Sie sich am<br />

meisten?<br />

Koop: Spontan würde ich<br />

sagen „Blond bringt nix“. Ein<br />

wunderbarer sozialkritischer<br />

Film aus dem Leben mit tollen<br />

Darstellern und einer in<br />

jeder Hinsicht realistischen<br />

Geschichte. Der Film geht<br />

trotz des witzigen Titels unter<br />

Haut.<br />

für den zukünftigen Weg des „Voll-<br />

Zuges“, doch dieser Weichensteller lässt<br />

sich nicht von wissensbasierter Kriminalpolitik<br />

leiten, sondern viel mehr von<br />

emotionsgeladenen Stimmungen. Denn<br />

in vielen Köpfen ist noch weiterhin der<br />

Gedanke verankert, dass Strafvollzug mit<br />

Leiden verbunden sein muss. Aber auch<br />

durch die Einführung der Landesgesetze<br />

hat sich in den Ländern Bayern, Hamburg<br />

und Niedersachsen eine nachweisbare<br />

Verschlechterung der Liberalität<br />

und Aufgeschlossenheit hinsichtlich des<br />

Resozialisierungs- und Behandlungsgedanken<br />

im Vergleich zum Stand des<br />

StVollzG von 1977 ergeben. Auch wenn<br />

der anfangs befürchtete „Wettbewerb der<br />

Schäbigkeit“ bis dato noch nicht zu verzeichnen<br />

ist. Grundsätzlich sind viele<br />

gute Ansätze in der Debatte um die Zukunft<br />

des Vollzuges zu verzeichnen,<br />

es braucht nur noch mutige Menschen<br />

die die Theorie in die Praxis<br />

umsetzen und dabei bereit sind ein<br />

gewisses Risiko zu tragen. Text:AS<br />

www.jva-oldenburg.de<br />

Tr§tzdem 11/2010 17

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