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Mitten drin ... „Mitleid haben, aber nicht mitleiden“ Ein Bericht von Anja Worschech So lautet die Devise des 39-jährigen Notarztes Jürgen Auerhammer aus Wiedergeltingen. Anders wäre der Beruf wohl auch gar nicht zu schaffen, denn die Arbeit soll schließlich nicht belasten. „Es gibt schon Einsätze, die bleiben im Gedächtnis. Aber die muss man dann auch zum Abschluss bringen.“, sagt er. Unter der Woche arbeitet Auerhammer als Not- und Oberarzt in der Anästhesie im Mindelheimer Kreisklinikum, an den Wochenenden fährt er zusätzlich Einsätze für das Buchloer Krankenhaus. Freizeit bleibt da wenig. „Es gibt Monate da habe ich keinen freien Tag.“ Das ist eine besondere Belastung, die er aber in Kauf nimmt. Immerhin kann er trotzdem bei seiner Familie sein. Wenn auch immer auf Abruf und immer einsatzbereit. Auch während des Interviews im Mindelheimer Klinikum, hat Auerhammer gerade 24 Stunden Bereitschaftsdienst. Und tatsächlich ertönt der Piepser, der ihn zum nächsten Einsatz ruft. Schnell schlüpft er in seine leuchtende Notarztjacke und spurtet nach unten, wo ihn sein Kollege bereits mit dem Notarztwagen einsammelt. Los geht es, um Menschen in Notsituationen zu helfen. Das ist Auerhammers täglicher Antrieb. Teamwork ist in solchen Situationen entscheidend. Nach einer Stunde und zwei Einsätzen ist er wieder zurück. Ein älterer Herr sei gestürzt, ein Anderer habe einen epileptischen Anfall gehabt. 24 Stunden Bereitschaftsdienst Bei Bewusstseinsstörungen, Herz-, Kreislaufproblemen, Atemnot, Schlaganfall-Verdacht, bei Krampfanfällen und Vergiftungen wird immer ein Notarzt hinzugerufen. Für Auerhammer ist es ein Traumberuf, den er gerne ausführt. „Während meines Medizinstudiums wusste ich, das ist genau das Richtige.“ Sein Berufsalltag ist nie eintönig. „Jeder Einsatz ist eine persönliche Herausforderung. Die Diagnosen wiederholen sich zwar, aber die Situationen sind jedes Mal anders.“ Es geht darum, schnell und präzise zu handeln. Minuten sind entscheidend, wenn es um die richtige Diagnose und die daraus resultierenden Maßnahmen geht. Es kann schließlich - wenn auch selten - um Menschenleben gehen. Im Durchschnitt gibt es etwa vier bis sechs Einsätze in 24 Stunden. Für Nervosität sei wenig Platz, so Auerhammer. Blut oder schlimme optische Verletzungen machen ihm nichts aus. Die Rettungsmaßnahmen seien relativ standardisiert. „Die Einsätze werden mit der Zeit zur Routine.“ Aufgeregt ist Auerhammer also nicht, dennoch lastet auf ihm eine große Verantwortung. Denn er entscheidet, welche Medikamente, mit zum Teil großen Nebenwirkungen, eingesetzt werden. Extremsituationen gibt es dann allerdings doch, wo auch ein erfahrener Notarzt ins Schwitzen kommt. „Heikel wird es, wenn es um Kinder geht. Dann spielen einfach sehr viele Emotionen mit.“, wie der Vater dreier Kinder weiß. „Bei großen Verkehrsunfällen wird man auch mal nervös. Man weiß nie, wie viele Verletzte es tatsächlich gibt.“ 112 gilt in ganz Europa Schwierigkeiten sieht Auerhammer ganz woanders. „Die Leute haben oft Hemmungen in der Nacht anzurufen. Aber bei bestimmten Erkrankungen kommt es auf jede Sekunde an.“ Wichtig sei es, die europaweit standardisierte Notrufnummer 112 zu kennen und sich rechtzeitig zu melden. Oft seien auch falsche Einschätzungen der Patienten ein Problem. „Im Fernsehen werden Schlaganfälle immer so dramatisch dargestellt. Aber es könnte bereits bei Brustschmerzen, Sehstörungen oder Lähmungen ein solcher vorliegen.“ Das Abwarten ist risikoreich, denn weder Gehirn- noch Herzzellen wachsen nach. „Je länger man wartet, desto größer ist der bleibende Schaden.“ In Deutschland gibt es ein gutes Notfallsystem. Alles sei optimiert: Die Ausrüstung, die Einsatzfahrzeuge, die Medikamente, der Anfahrtsweg. „Nur auf den Anruf der Patienten haben wir keinen Einfluss.“ Probleme im Straßenverkehr Und auf die Straßenverkehrsteilnehmer ebenso wenig. Viele Autofahrer würden auf Blaulicht gar nicht mehr reagieren und die Straßen nicht frei Dr. Jürgen Auerhammer auf dem Weg zum nächsten Einsatz im Notarztwagen. 12 ■ Wiedergeltingen - Unsere Gemeinde ■ Ausgabe März 2013
Mitten drin … machen. Bei Staus wird oft auf die Rettungsgasse verzichtet. „Es gibt keine Einsatzfahrt, wo man einwandfrei durchkommt.“, sagt Auerhammer. So gehen wertvolle Sekunden verloren. Beherzteres Eingreifen wäre wünschenswert Und wie sieht es mit der Zivilcourage aus? „Die meisten haben hauptsächlich Angst, etwas falsch zu machen.“ Aber gerade bei einem Kreislaufstillstand sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit mit jeder Minute um 10 Prozent. Die Rettungssanitäter sind also auf das Eingreifen von Passanten mit Wiederbelebungsmaßnahmen angewiesen. „Besseres Verständnis und eine größere Bereitschaft für Erste-Hilfe wäre wünschenswert.“ Die Glücksgefühle und Sorgen der Ärzte Das zufriedenstellende Gefühl am Ende eines jeden Tages, keine Fehler gemacht zu haben, gehört zu den schönen Augenblicken seines Berufs. Trotzdem hat auch Auerhammer Sorgen, denn ab April ist die Bezahlung der Ärzte völlig ungewiss. Bisher heißt es, mehr Arbeit für weniger Geld zu erledigen. „Das ist sehr unbefriedigend.“, sagt der Notarzt, „Ich würde mich persönlich schon darüber freuen, zum Status quo zurückzukehren. Wir reden ja gar nicht mehr von einem Gehaltszuwachs.“ Dr. Jürgen Auerhammer an seinem Arbeitsplatz. Geburten in Wiedergeltingen für den Zeitraum 27.11.2012 – 28.02.2013 3 Sterbefälle in Wiedergeltingen für den Zeitraum 27.11.2012 – 28.02.2013 3 Eheschließungen in Wiedergeltingen für den Zeitraum 27.11.2012 - 28.02.2013 3 Lebenspartnerschaften in Wiedergeltingen für den Zeitraum 27.11.2012 - 28.02.2013 0 Wiedergeltingen - Unsere Gemeinde ■ Ausgabe März 2013 ■ 13
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