18.11.2013 Aufrufe

(Montada) [pdf 78 kB, 19 Seiten] - Universität Trier

(Montada) [pdf 78 kB, 19 Seiten] - Universität Trier

(Montada) [pdf 78 kB, 19 Seiten] - Universität Trier

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Individualpsychologische und organisationale<br />

Akteurmodelle: Individualpsychologisches Akteurmodell<br />

für kommunale Entscheidungsträger<br />

Prof. Dr. Leo <strong>Montada</strong>, HD Dr. Elisabeth Kals,<br />

Dipl.-Psych. Frithjof Niegot, Dr. Ralf Becker<br />

Im Rahmen des Projekts C4 wurden zwei Teilstudien durchgeführt, die zwei<br />

unterschiedliche Handlungsfelder und daher jeweils unterschiedliche<br />

Operationalisierungen der Theorie fokussierten. Die beiden Teilprojekte werden<br />

im Folgenden beschrieben.<br />

1 Kenntnisstand bei der letzten Antragstellung und Ausgangsfragestellung<br />

Bereits seit längerem werden innerhalb der Umweltpsychologie die motivatio -<br />

nalen Grundlagen umweltrelevanten Handelns erforscht. Im Wesentlichen ste -<br />

hen soziodemographische Variablen, Persönlichkeitsvariablen und sozialpsy -<br />

chologische Modelle im Fokus der Aufmerksamkeit (vgl. ausführlicher Kals,<br />

<strong>19</strong>96):<br />

Soziodemographische Variablen werden häufig im Zusammenhang mit umweltrelevantem<br />

Handeln untersucht, obwohl sie keinen theoretischen Erklärungs -<br />

wert für Handlungen haben. Es zeigen sich regelmäßig nur geringe und insgesamt<br />

inkonsistente Zusammenhänge zwischen Umweltbewusstsein (in ver -<br />

schiedenen Konzeptionen erfasst) und soziodemographischen Variablen (vgl.<br />

Kals, <strong>19</strong>96).<br />

Auch der Versuch, Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsvariablen und<br />

umweltrelevantem Handeln zu finden, führte bislang nicht zu einem konsisten -<br />

ten Ergebnisbild.<br />

Mehr Erfolg bei der Erklärung und Vorhersage umweltrelevanten Handelns<br />

konnte bei der Anwendung spezifischer sozialpsychologischer Modelle verbucht<br />

werden. Insbesondere jene Modelle, die umweltspezifische Prädiktorvariablen<br />

berücksichtigen, führten zu einer guten Varianzaufklärung.<br />

Die Übernahme ökologischer Verantwortung, die an moralischen Normen orientiert<br />

ist, erwies sich als einflussreich (vgl. z.B. Kals & <strong>Montada</strong>, <strong>19</strong>94). Moralische<br />

Normen anderen Inhalts sind allerdings auch bedeutsam für eine Recht -<br />

fertigung umweltgefährdender Handlungen (vgl. Becker, <strong>19</strong>99). Im Gegensatz<br />

dazu sind Eigeninteressen, die in Wissenschaft und Common Sense – z.B. in<br />

326


der Rational-Choice-Theorie – als dominantes Motiv angesehen werden, nur<br />

von geringem Einfluss. Emotionale verantwortungsbasierte Bewertungen sind<br />

wichtige Prädiktoren.<br />

Kals und <strong>Montada</strong> (<strong>19</strong>94) wie auch andere (z. B. Fuhrer & Wölfing, <strong>19</strong>97) konnten<br />

das von Schwartz (<strong>19</strong>77) entwickelte Modell altruistischen Handelns erfolgreich<br />

auf den Umweltschutz übertragen und durch weitere Modellkomponenten<br />

erweitern.<br />

In vielen eigenen Studien zu den Themenbereichen Städtebau, Luftqualität,<br />

Hochwasser, Treibhauseffekt, Straßenverkehr, Gesundheitsschutz und Pro -<br />

duktion und Konsum von Nahrungsmitteln wurde das Modell bestätigt, erweitert<br />

und differenziert.<br />

Als schutzwürdig wurden teils globale, teils lokale Allmenden thematisiert.<br />

Über 20 Einzelstudien konvergieren zu folgender Theorie, die in Abbildung 1<br />

veranschaulicht ist.<br />

Verantwortungsbezogene Kognitionen<br />

Gefahrenbewusstsein<br />

Kontrollüberzeugungen<br />

Verantwortungszuschreibungen<br />

Situative<br />

Kontextbedingungen<br />

Wahrgenommene<br />

Ungerechtigkeiten<br />

Wahrgenommene Komplexität<br />

Bereitschaften<br />

zum Schutz<br />

der Umwelt<br />

Umweltschützendes<br />

Handeln<br />

Verantwortungsbezogene Emotionen<br />

Empörung<br />

Ärger<br />

Soziale<br />

Kontextbedingungen<br />

Abbildung 1: Das Verantwortungsmodell von Kals und <strong>Montada</strong><br />

Als Kriterium neben manifestem Handeln hat sich die Untersuchung von Engagementbereitschaften<br />

bewährt, die wiederum valide Prädiktoren für tatsächliche<br />

Engagements darstellen (vgl. <strong>Montada</strong> & Kals, <strong>19</strong>98).<br />

326


Die Bereitschaft zu mehr Umweltschutz basiert durchschnittlich<br />

• auf der Wahrnehmung von Risiken durch Umweltschädigungen<br />

• auf wahrgenommener eigener Verantwortung für die Eindämmung der Umweltschäden<br />

und damit Verantwortung<br />

o für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung<br />

o für die Lebensbedingungen künftiger Generationen<br />

o für die „Natur“<br />

• auf der Überzeugung der Wirksamkeit eigener Einflussmöglichkeiten, die direkt<br />

sein kann (z.B. durch eigenes umweltschonendes Handeln) oder indi -<br />

rekt (Aufklärung anderer über Risiken, politische Forderungen an einflussmächtige<br />

Akteure oder Instanzen). Dabei wissen die Menschen, dass sie<br />

alleine nichts bewirken, dass andere z.T. viel einflussmächtiger sind; aber<br />

man muss überzeugt sein, dass diese anderen zur Verantwortung gerufen<br />

werden können.<br />

• auf einem Gerechtigkeitsmotiv, das durch wahrgenommene Ungerechtigkeiten<br />

in der Verteilung von Nutzen und Kosten durch Umweltschädigungen<br />

(Emissionen, Verbrauch) angeregt wird. Umweltschäden sind ja Neben -<br />

effekte nützlicher und angenehmer Aktivitäten und Maßnahmen in der industriellen<br />

Produktion, in der Landwirtschaft, im Handel, im Verkehr, in der<br />

Hausklimatisierung, in der Straßenbeleuchtung usw. Nur ist der Nutzen und<br />

sind die Belastungen und Risiken nicht gerecht verteilt; diejenigen mit dem<br />

größten Nutzen haben selten die größten Belastungen und Risiken.<br />

• Wahrgenommene Komplexität der ökologischen Zusammenhänge, also<br />

Unsicherheiten z.B. über Ursachen der Klimaveränderungen, über Wirkun -<br />

gen und Effektivität von Maßnahmen, dämpfen das Engagement.<br />

• Wahrgenommene Ungerechtigkeiten von Umweltschutzmaßnahmen dämpfen<br />

das Engagement ebenfalls. Umweltschutz, hat nicht nur Gewinner, sondern<br />

auch Verlierer und auch das ist nicht immer gerecht.<br />

• Eigeninteressen (im Sinne der Beeinträchtigung der eigenen Gesundheit,<br />

des eigenen Wohlbefindens) spielen für die Bereitschaft<br />

o zum Schutz globaler Allmenden keine oder nur eine marginale<br />

Rolle,<br />

o zum Schutz lokaler Allmenden keine dominierende Rolle.<br />

Meist wurden mit den Prädiktoren 50 bis 70 % der Varianz der Kriterien – verschiedene<br />

Bereitschaftsvariablen, z.B. persönliche Verzichtbereitschaft, Bereitschaft<br />

zu politischen Aktionen, etwa zur Forderung strengerer Umweltgesetze<br />

oder lokaler Maßnahmen – aufgeklärt.<br />

326


Die Varianzaufklärung wird verbessert durch Erfassung verantwortungsbezogener<br />

Emotionen: Empörung über Umweltsünder und zu wenig Umweltschutz,<br />

aber auch Ärger über zuviel Umweltschutz oder über falschen, einseitigen Umweltschutz.<br />

Die Bereitschaft zum Umweltschutz ist als valider Prädiktor umweltschützenden<br />

Handelns nachgewiesen. Das tatsächliche Handeln hängt aber auch ab von den<br />

Angebotsstrukturen für umweltgerechtes Handeln sowie von Normen, Unter -<br />

stützungen und Barrieren im eigenen sozialen Umfeld. Der Verzicht auf das<br />

Auto wird durch ein gutes öffentliches Verkehrsangebot erleichtert und darf im<br />

persönlichen Umfeld nicht abqualifiziert werden.<br />

Zwar wurden in den bisherigen Studien die Bewertung und Unterstützung von<br />

politischen Maßnahmen mehrfach untersucht (vgl. <strong>Montada</strong> & Kals, 2000), aber<br />

es gibt kaum Untersuchungen, bei denen Entscheidungsträger im administrativen,<br />

politischen und unternehmerischen Bereich oder Multiplikatoren aus den<br />

Medien befragt wurden, obwohl deren Entscheidungen viel weiter reichende<br />

Auswirkungen haben als private Entscheidungen. Mögliche Gründe für die bislang<br />

fehlenden Untersuchungen könnten insbesondere pragmatischer Art sein.<br />

So ist die Grundgesamtheit der Entscheidungsträger relativ klein und die Rekrutierung<br />

gestaltet sich als schwierig (ausführlicher siehe Niegot, in Vorb.).<br />

Um die Forschungslücke zu schließen wurde im SFB 522 eine Befragungsstu -<br />

die mit Entscheidungsträgern durchgeführt. Als Handlungsfeld wurde der Stra -<br />

ßenverkehr in der Region <strong>Trier</strong> gewählt, da dies in Bezug auf die Allgemeinbevölkerung<br />

als ein gut beforschter Bereich gelten darf; zudem ist der regionale<br />

Straßenverkehr ein Feld, auf das die regionalen Akteure erheblichen Einfluss<br />

haben und das erhebliche Auswirkungen auf regionale ökologische, ökonomi -<br />

sche und soziale Belange haben kann.<br />

Die in vorherigen Untersuchungen bewährten Konstrukte (vgl. Abbildung 1)<br />

wurden ausschnittweise spezifisch für das Feld der städtischen und regionalen<br />

Verkehrspolitik operationalisiert. Einige weitere Fragestellungen wurden neu<br />

aufgegriffen, die für das Handeln in Politik, Organisationen und Betrieben be -<br />

deutsam erschienen.<br />

2 Methode<br />

2.1 Stichprobe<br />

Befragt werden sollten Personen, die in ihrer beruflichen oder politischen Funktion<br />

potentiell mit Entscheidungen zum Verkehr in der Region <strong>Trier</strong> befasst sind<br />

in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Medien. Eine umfangreiche Recherche<br />

326


ergab etwa 800 Namen, von denen 575 Personen persönlich, telefonisch oder<br />

brieflich kontaktiert wurden. 203 Personen schickten Fragebogen ausgefüllt zu -<br />

rück, fast ausschließlich Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung, so dass<br />

nur über die Gruppe Aussagen möglich sind.<br />

2.2 Erhebung<br />

Die Studie ist als Fragebogenerhebung realisiert worden. Thematisiert wurde in<br />

dieser Befragungsstudie Maßnahmen zur Förderung des Öffentlichen Verkehrs<br />

(ÖV) in Stadt und Region (Jobtickets im ÖV, Senkung der Tarife, Ausbau der<br />

Stadtbahn, besseres Marketing, Verkehrsberuhigung und Ausbau Radwege -<br />

netz, eine spezielle Busstraße von der Innenstadt zu den Wohnorten und zur<br />

<strong>Universität</strong>) sowie Maßnahmen zur Förderung, Erleichterung und Beschleunigung<br />

des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) in und um die Stadt (allgemein<br />

autofreundliche Stadtplanung, mehr Parkraum, grüne Wellen, weitere Auto -<br />

bahnzufahrt, Ausbau von weiteren Zufahrtstraßen).<br />

Als Kriteriumsvariablen wurden die Bereitschaften zur Förderung und zur Ver -<br />

hinderung von Maßnahmen zur Verbesserung des öffentlichen Personennah -<br />

verkehrs in Stadt und Land und zum Ausbau des Radwegenetzes (ÖV) sowie<br />

zur Förderung und Verhinderung des motori sierten Individualverkehrs MIV gewählt<br />

(vgl. Tabelle 1).<br />

Diese vier Kriteriumsvariablen wurden bei allen Probanden in aggregierter Form<br />

als durchschnittliche Bereitschaft zur Förderung bzw. zur Verhinderung von ÖV -<br />

bzw. MIV-Maßnahmen erfasst.<br />

326


Tabelle 1: Kriteriumsvariablen<br />

Bereitschaftsmaße<br />

1. pro ÖV: berufliche/politische Bereitschaft zur Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung<br />

des öffentlichen Personennahverkehrs in Stadt und Region sowie Ausbau des<br />

Radfahrnetzes (aggregiert über 7 Maßnahmen)<br />

2. contra ÖV: berufliche/politische Bereitschaft zur Verhinderung dieser 7 Maßnahmen<br />

(aggregierte Werte)<br />

3. pro MIV: berufliche/politische Bereitschaft zur Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung<br />

des motorisierten Individualverkehrs in der Stadt <strong>Trier</strong> (aggregiert über 5 Maßnahmen)<br />

4. contra MIV: berufliche/politische Bereitschaft zur Verhinderung dieser 5 Maßnahmen<br />

(aggregierte Werte)<br />

Zusätzliche Kriteriumsvariablen<br />

5. Tatsächliches Engagement pro ÖV (aggregierte Werte)<br />

6. Tatsächliches Engagement pro MIV (aggregierte Werte)<br />

7. Darüber hinaus haben alle Pbn diejenige Maßnahme X unter den insgesamt 12 Maßnahmen<br />

benannt, auf die sie persönlich in ihrer beruflichen/politischen Position den größten<br />

Einfluss auf Förderung oder Verhinderung ausüben zu können glaubten. Zu dieser<br />

Maßnahme X wurde dann eine Anz ahl spezifischer Fragen gestellt, die als<br />

Prädiktorvariablen behandelt wurden.<br />

Zur Vorhersage dieser Kriteriumsvariablen wurde eine große Zahl von Prädiktorvariablen<br />

erfasst: neben wenigen Variablen aus dem in Abbildung 1 darge -<br />

stellten Modell eine größere Zahl von bisher nicht untersuchten Variablen, die<br />

als potentiell einflussreich angesehen wurden (vgl. Niegot, in Vorb.).<br />

In der ersten, hier beschriebenen Erhebungswelle wurden einige der<br />

Modellvariablen (vgl. Abbildung 1) nicht für die Gruppe der Entscheidungsträger<br />

überprüft, um die Länge des Fragebogens und damit die Bearbeitungsdauer für<br />

die Probanden möglichst gering zu halten. In einer zweiten Erhebungswelle<br />

sollen gezielt diese Modellvariablen für die Population der Entscheidungsträger<br />

modifiziert und überprüft werden.<br />

326


2.3 Forschungsfragen<br />

1. Wie sind die Korrelationen zwischen den Kriteriumsvariablen?<br />

2. Wie gut lassen sich diese Kriteriumsvariablen aus den mutmaßlichen Prädiktoren<br />

vorhersagen?<br />

3. Wie lässt sich die Stichprobe bezüglich dieser Kriteriumsvariablen und<br />

einiger wichtiger Prädiktorvariablen beschreiben?<br />

3 Ergebnisse und ihre Bedeutung<br />

Im Folgenden sollen nur einige ausgewählte Ergebnislinien dargestellt werden<br />

(ausführlicher s. Niegot, in Vorb.).<br />

3.1 Ergebnisse bezogen auf die Kriteriumsvariablen 1 bis 6<br />

3.1.1 Engagementbereitschaften und tatsächliche Engagements<br />

Das Ausmaß des tatsächlichen Engagements in den letzten 6 Monaten ist<br />

substantiell und sinnvoll korreliert mit den geäußerten Engagementbereitschaften<br />

(vgl. Tabelle 2).<br />

Tabelle 2: Korrelationen einiger Kriteriumsvariablen<br />

Tatsächliches Engagement<br />

Pro ÖV Contra ÖV Pro MIV Contra MIV<br />

Pro ÖV .36 - .12 - .11 .28<br />

Engagementbereitschaft<br />

Contra MIV .28 - .35<br />

Pro MIV - .08 .22 .46 -<br />

.35<br />

Contra ÖV - .12 .22<br />

Die Engagementbereitschaften sind also spezifisch mit den jeweiligen tatsächlichen<br />

Aktivitäten korreliert. Die Bereitschaft contra ÖV ist positiv mit dem tat -<br />

sächlichen Engagement pro MIV korreliert. Umgekehrt ist eine Bereitschaft<br />

contra MIV positiv mit dem tatsächlichen Engagement pro ÖV korreliert. Das<br />

heißt, wir können schon individuelle Präferenzen für ÖV versus für MIV ausmachen,<br />

die zu einem konsistenten Korrelationsbild zwischen Bereitschaften und<br />

tatsächlichem Handeln führt. Allerdings ist das tatsächliche berufliche Engagement<br />

für die Förderung des ÖV und des MIV schwach positiv korreliert: r = .23.<br />

Also herrscht nicht die Frage „entweder – oder“ vor; für die Mehrzahl sind es nur<br />

graduelle Präferenzen oder ein „Sowohl – als auch“.<br />

326


3.1.2 Berufliche versus private Engagementbereitschaft<br />

Ist eine gesonderte Untersuchung für Entscheidungsträger nötig oder unter -<br />

scheiden sich die Engagementbereitschaften als beruflicher bzw. politischer<br />

Funktionsträger nicht von denen als Privatperson? Die Antworten der Entscheidungsträger<br />

auf diese Frage sind eindeutig: Die beruflichen bzw. politischen<br />

Engagementbereitschaften sind ausnahmslos signifikant höher ausgeprägt als<br />

die privaten (vgl. Tabelle 3). Dabei sind die Bereitschaften jedoch korreliert: Die<br />

beruflichen bzw. politischen und privaten Engagementbereitschaften korrelieren<br />

bezüglich einzelner Maßnahmen und über alle Maßnahmen aggregiert signifi -<br />

kant und teilweise recht hoch (.38 < r


3.1.3 Durchschnittlich ähnliche Ausprägungen von pro ÖV und pro<br />

MIV<br />

In der Gesamtstichprobe sind die Engagementbereitschaften und das tatsäch -<br />

liche Engagement für ÖV und für MIV durchschnittlich etwa gleich ausgeprägt,<br />

das Engagement für die Förderung von Maßnahmen ist wesentlich höher als für<br />

die Verhinderung von Maßnahmen (vgl. Tabelle 4, Abbildung 2).<br />

Tabelle 4: Durchschnittliche Ausprägung der Kriteriumsvariablen<br />

AM 1<br />

SD<br />

Pro ÖV (Bereitschaft) 4.61 0.91<br />

Pro MIV (Bereitschaft) 4.59 1.15<br />

Contra ÖV (Bereitschaft) 1.88 0.<strong>78</strong><br />

Contra MIV (Bereitschaft) 2.00 1.07<br />

Pro ÖV (tatsächl. Engagement) 3.59 1.30<br />

Pro MIV (tatsächl. Engagement) 3.23 1.52<br />

1<br />

Skala von 1 = geringe Ausprägung bis 6 = höchste Ausprägung<br />

Abbildung 2: Ausmaß der beruflichen bzw. politischen Engagementbereitschaften<br />

zur Förderung bzw. Verhinderung des Motorisierten Individualverkehrs bzw.<br />

Öffentlichen Verkehrs<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

4,59 4,61<br />

2,00 1,88<br />

Förderung<br />

Verhinderung<br />

1<br />

MIV<br />

ÖV<br />

3.1.4 Pro ÖV und pro MIV haben teilweise gleiche Prädiktoren<br />

Die tatsächlichen Engagements pro ÖV und pro MIV haben teilweise dieselben<br />

Korrelate (vgl. Tabelle 5).<br />

326


Tabelle 5: Korrelationen der beruflichen Engagements pro ÖV und pro MIV mit<br />

einigen Prädiktoren<br />

Einige Beispielkorrelate: Pro ÖV Pro MIV<br />

Wahrgenommene berufliche Einflussmöglichkeiten (allg.) 1 .39 .35<br />

Wahrgenommene berufliche Einflussmöglichkeiten zur Förderung von .28 .38<br />

MIV<br />

Wahrgenommene berufliche Einflussmöglichkeiten zur Förderung von .38 .31<br />

ÖV<br />

Ausmaß der beruflichen Beschäftigung mit Verkehr .36 .47<br />

1 Korrelation der wahrgenommenen beruflichen Einflussmöglichkeiten zur Förderung des MIV und<br />

ÖV: r = .80**<br />

3.1.5 Wertorientierungen als Prädiktoren ohne große Bedeutung<br />

Über emotionale und kognitive Maße wurde die Bedeutung verschiedener Ziele<br />

und sozialer Einheiten (vgl. Tabelle 6) erhoben. Welchen Einfluss haben diese<br />

auf die Engagementbereitschaften?<br />

Tabelle 6: In der Untersuchung erfasste Bedeutung verschiedener Ziele und<br />

sozialer Einheiten<br />

Bedeutung von Zielorientierungen:<br />

Karriere<br />

berufliche Anerkennung<br />

Familie<br />

eigene Organisation (Partei, Verwaltung, Betrieb)<br />

Umwelt/Natur der Region<br />

Harmonie, Konsens im Beruf<br />

Durchsetzung der eigenen Ziele<br />

Die schrittweise multiple Regression der beruflichen bzw. politischen Engagementbereitschaften<br />

auf die Bedeutung der untersuchten Zielorientierungen und<br />

sozialen Einheiten zeigt einen geringen Einfluss der eigennutzbezogenen Vari -<br />

ablen. Bei der Vorhersage der beruflichen bzw. politischen Eng agementbereitschaften<br />

zur Förderung des MIV qualifiziert sich als Prädiktor an erster Stelle die<br />

Verbundenheit mit der Region, ihrer Umwelt und Bevölkerung. An zweiter Stelle<br />

wird tatsächlich die subjektive Bedeutsamkeit der eigenen Karriere in die Reg -<br />

ressionsgleichung aufgenommen, wobei die Varianzaufklärung insgesamt lediglich<br />

R² = .12 erreicht (vgl. Tabelle 7).<br />

326


Tabelle 7: Schrittweise multiple Regression der beruflichen bzw. politischen<br />

Engagementbereitschaften zur Förderung des MIV auf die Bedeutung verschiedener<br />

Ziele und sozialer Einheiten<br />

Prädiktoren R² B SE B beta r F p<br />

Verbundenheit mit der Region, ihrer Umwelt .08 .37 .11 .24 .28 11.77 .00<br />

und Bevölkerung<br />

Subjektive Bedeutsamkeit der eigenen .12 .21 .07 .20 .25 8.42 .00<br />

Karriere<br />

Konstante 1.75 .6<br />

F gesamt = 12.54 Sig (F) = .00 df = 2/<strong>19</strong>3<br />

nicht signifikant wurden:<br />

Subjektive Bedeutsamkeit der eigenen Organisation, Fehlende persönliche Bindung zur<br />

Region, Subjektive Bedeutsamkeit der eigenen Familie, Ärger über und Belastung durch<br />

Kritik an und Behinderung der eigenen Arbeit, Wohlbefinden bei beruflichem Konsens<br />

und Unterstützung<br />

Bei der Vorhersage der beruflichen bzw. politischen Engagementbereitschaften<br />

zur Förderung des Öffentlichen Verkehrs qualifiziert sich als Prädiktor lediglich<br />

das Wohlbefinden bei beruflichem Konsens und Unterstützung, wobei die Varianzaufklärung<br />

mit R² = .04 gering bleibt (vgl. Tabelle 8).<br />

Tabelle 8: Schrittweise multiple Regression der beruflichen bzw. politischen<br />

Engagementbereitschaften zur Förderung des ÖV auf die Bedeutung verschiedener<br />

Ziele und sozialer Einheiten<br />

Prädiktoren R² B SE B beta r F p<br />

Wohlbefinden bei beruflichem Konsens und .04 .28 .09 .21 .21 8.59 .00<br />

Unterstützung<br />

Konstante 3.24 .47<br />

F gesamt = 8.59 Sig (F) = .004 df = 1/<strong>19</strong>5<br />

nicht signifikant wurden:<br />

Subjektive Bedeutsamkeit der eigenen Karriere, Verbundenheit mit der Region, ihrer Umwelt<br />

und Bevölkerung, Subjektive Bedeutsamkeit der eigenen Organisation, Fehlende persönliche<br />

Bindung zur Region, Subjektive Bedeutsamkeit der eigenen Familie, Ärger über und Belastung<br />

durch Kritik an und Behinderung der eigenen Arbeit<br />

Nimmt man die beruflichen bzw. politischen Engagementbereitschaften zur Verhinderung<br />

des Motorisierten Individualverkehrs als Kriterium (contra MIV), dann<br />

qualifiziert sich als Prädiktor erneut der Faktor Verbundenheit mit der Region,<br />

ihrer Umwelt und Bevölkerung – wiederum mit einer geringen Varianzaufklärung<br />

von R² = .04, aber in diesem Fall mit negativem Gewicht (vgl. Tabelle 9). Die<br />

Regression der beruflichen bzw. politischen Engagementbereitschaften zur<br />

Verhinderung des Öffentlichen Verkehrs auf die Bedeutung verschiedener Ziele<br />

und sozialer Einheiten ergibt überhaupt keine signifikanten Prädiktoren – keiner<br />

der berücksichtigten Faktoren wird in die Gleichung aufgenommen.<br />

326


Tabelle 9: Schrittweise multiple Regression der beruflichen bzw. politischen<br />

Engagementbereitschaften zur Verhinderung des MIV auf die Bedeutung verschiedener<br />

Ziele und sozialer Einheiten<br />

Prädiktoren R² B SE B beta r F p<br />

Verbundenheit mit der Region, ihrer Umwelt und .04 -.28 .11 -.<strong>19</strong> -.<strong>19</strong> 6.76 .01<br />

Bevölkerung<br />

Konstante 3.48 .57<br />

F gesamt = 6.76 Sig (F) = .01 df = 1/179<br />

nicht signifikant wurden:<br />

Subjektive Bedeutsamkeit der eigenen Karriere, Subjektive Bedeutsamkeit der eigenen<br />

Organisation, Fehlende persönliche Bindung zur Region, Subjektive Bedeutsamkeit der<br />

eigenen Familie, Wohlbefinden bei beruflichem Konsens und Unterstützung, Ärger über<br />

und Belastung durch Kritik an und Behinderung der eigenen Arbeit<br />

Lediglich bei der Vorhersage der beruflichen bzw. politischen Engagementbe -<br />

reitschaften zur Förderung des Motorisierten Individualverkehrs zeigt sich demnach<br />

ein signifikanter Einfluss einer eigennützigen Variablen. Werden „psychi -<br />

sche Kosten“ unter dem Konstrukt Eigennutz subsumiert, dann lässt sich auch<br />

die Regressionsgleichung zur Vorhersage der beruflichen bzw. politischen En -<br />

gagementbereitschaften zur Förderung des Öffentlichen Verkehrs so interpretieren,<br />

dass Eigennutz nicht ohne Einfluss ist, allerdings nur einen sehr geringen<br />

Einfluss hat (zur theoretischen Kritik an „psychischen Kosten“ als<br />

Eigennutzvariable s. Niegot, in Vorb.).<br />

3.1.6 Verantwortungsübernahme im Beruf ist nicht sehr hoch<br />

Eigene berufliche Verantwortungsübernahme ist weder mit beruflicher Enga -<br />

gementbereitschaft noch mit tatsächlichem Engagement pro ÖV substan ziell<br />

korreliert. Die Mittelwerte der Verantwortungsübernahme als Privatperson für<br />

eine der 12 Maßnahmen ist niedrig (AM = 2.13), die Verantwortungsübernahme<br />

als beruflicher Positionsträger bleibt mit AM = 3.74 deutlich hinter den Ver -<br />

antwortlichkeitszuschreibungen an andere Instanzen, etwa Land, Bund, EU (M =<br />

5.06) zurück.<br />

3.1.7 ÖV und MIV: Sowohl als auch, nicht Entweder-oder<br />

ÖV und MIV werden durchschnittlich in gleichem Maße gefördert. Das gilt für die<br />

Gesamtstichprobe, wo die durchschnittliche Engagementbereitschaft für die 5<br />

Maßnahmen für die Förderung des MIV (AM = 4.59) fast genau gleich hoch ist<br />

wie für die Förderung des ÖV (AM = 4.61; vgl. Abschnitt 3.1.3). Noch deutlicher<br />

wird dies belegt durch einen Vergleich jener, die sich besonders einsetzen<br />

wollen für eine konkrete Maßnahme der Förderung des MIV mit jenen, die sich<br />

für eine konkrete Maßnahme der Förderung des ÖV einsetzen wollen. Die über<br />

326


alle Maßnahmen zur Förderung des ÖV bzw. allen zur Förderung des MIV<br />

gemittelten Engagementbereitschaften unterscheiden sich nur wenig (vgl .<br />

Tabelle 10).<br />

Tabelle 10: Engagementbereitschaften in ausgewählten Substichproben<br />

Probanden, die sich für eine spezifische<br />

Maßnahme X pro ÖV einsetzen wollen<br />

Probanden, die sich für eine spezifische<br />

Maßnahme X pro MIV einsetzen wollen<br />

Probanden, die sich gegen eine spezifische<br />

Maßnahme X pro ÖV einsetzen<br />

wollen<br />

Probanden, die sich gegen eine spezifische<br />

Maßnahme X pro MIV einsetzen<br />

wollen<br />

AM Engagementbereitschaft<br />

für 7 Maßnahmen<br />

pro ÖV<br />

für 5 Maßnahmen<br />

pro MIV<br />

Differenz<br />

4.73 4.45 .28<br />

4.39 4.97 .58<br />

3.38 5.10 1.72<br />

5.08 2.87 2.21<br />

Während für die Förderer von ÖV und MIV keine klaren Präferenzen zwischen<br />

pro ÖV und pro MIV beobachtbar sind, sind die entsprechenden Präferenzen<br />

bei Verhinderern deutlich ausgeprägter.<br />

3.1.8 Einseitige Förderpräferenzen<br />

Wie werten und wie handeln Personen, die bezüglich der Förderung von MIV<br />

und ÖV eine entschiedene Position einnehmen, die also entweder einseitig MIV<br />

zu fördern und gleichzeitig ÖV zu verhindern versuchen oder u mgekehrt<br />

einseitig MIV zu verhindern und ÖV zu fördern versuchen?<br />

Die Extremgruppe Pro MIV (einseitig) wird gebildet aus Personen, die auf den<br />

Variablen pro MIV und contra ÖV mindestens 1 SD über dem Mittelwert liegen:<br />

N = 5. Pro ÖV (einseitig) wird analog gebildet (N = 5). Korrelationen sind wegen<br />

der kleinen Zahl nicht berechenbar, hier müssen Mittelwerte verglichen werden<br />

(vgl. Tabelle 11).<br />

Tabelle 11: Unausgewogenes Engagement ist selten<br />

Engagementbereitschaft<br />

Tatsächliches berufliches<br />

Engagement pro ÖV<br />

Tatsächliches berufliches<br />

Engagement pro MIV<br />

Pro ÖV N= <strong>78</strong> 3.90 2.89<br />

Pro ÖV (einseitig) N=5 5.40 2.37<br />

Pro MIV N=65 3.56 3.68<br />

Pro MIV (einseitig) N=5 2.00 4.53<br />

326


3.2 Ergebnisse bezogen auf die Kriteriumsvariable 7<br />

Bezogen auf die spezifische Maßnahme X, bei der die befragten Akteure die<br />

größten persönlichen Einflussmöglichkeiten sehen, wurden Korrelationen<br />

getrennt für ÖV-Förderungs- und MIV-Förderungs-Maßnahmen berechnet.<br />

3.2.1 Korrelate des Engagements für spezifische Einzelmaßnahmen<br />

Bei den Förderer des ÖV korrelieren insbesondere die Vorteile für die<br />

Gesundheit und Umwelt mit dem Engagement für die ÖV -Maßnahme. Die<br />

Förderer des MIV hingegen zeigen besonderes Engagement, wenn auch große<br />

Vorteile für das Zeitbudget und Einkommen bei D urchführung der MIV-<br />

Maßnahme gesehen werden. Für die Gruppe der Förderer des ÖV geht ein<br />

höheres Engagement für die gewählte Maßnahme einher mit mehr<br />

wahrgenommenen persönlichen Vorteilen; der Zusammenhang mit erwarteten<br />

moralischen Vorwürfen ist nur marginal. Nahezu umgekehrt stellen sich die<br />

Verhältnisse bei den Förderern des MIV dar – das Engagement für die<br />

Maßnahme ist höher bei hohen erwarteten moralischen Vorwürfen, während<br />

das Engagement nur in geringem Ausmaß mit persönlichen Vorteilen einhergeht<br />

(vgl. Tabelle 12).<br />

Tabelle 12: Differentielle Korrelate des Engagements für einzelne Maßnahmen<br />

X pro ÖV und X pro MIV<br />

X pro ÖV X pro MIV<br />

Begründungsargumente für X 1. 2.<br />

Vorteile von X für die Region .44 .32<br />

Vorteile von X für Gesundheit und Umwelt .44 .04<br />

Vorteile von X für Zeitbudget und Einkommen .33 .61<br />

Vorteile von X für den Akteur selbst .41 .14<br />

Erwartete moralische Vorwürfe bei Verfolgung von X .11 .35<br />

Unsicherheit über Folgen von X .02 .34<br />

1. Korrelationen für Förderer von ÖV-Maßnahmen X<br />

2. Korrelationen für Förderer von MIV-Maßnahmen X<br />

3.3 Zusammenfassung<br />

Ein Ziel der Akteurforschung ist es, das Handeln von Akteuren zu verstehen, um<br />

Ansatzpunkte zu haben, wie man deren Handeln verstehen und beeinflussen<br />

kann. Wie lassen sich die Politiker und Verwaltungsbeamten als Gruppe be -<br />

schreiben?<br />

326


1. Die Bereitschaft, Alternativen zum MIV zu fördern, ist durchaus verbreitet:<br />

Förderung des ÖV und Ausbau des Radwegenetzes ist durchschnittlich<br />

etwa gleich hoch ausgeprägt wie die Förderung des MIV.<br />

2. Diese Bereitschaft zur Förderung des ÖV ist für die meisten Akteure nicht<br />

unvereinbar mit der Bereitschaft, den MIV zu fördern. Das tatsächliche Engagement<br />

pro ÖV und das Engagement pro MIV sind sogar positiv korreliert.<br />

3. Nur eine kleine Minderheit scheint die Förderung von ÖV und MIV als Konflikt<br />

zu sehen und hat sich diesbezüglich eindeutig und einseitig positioniert,<br />

d.h., dass ÖV-Maßnahmen gefördert und MIV-Maßnahmen verhindert werden<br />

bzw. umgekehrt.<br />

4. Generell gilt, dass die Förderung von Maßnahmen gleich welcher Art durch -<br />

schnittlich deutlich gegenüber der Verhinderung von Maßnahmen präferiert<br />

wird. Man kann sagen: Mehrheitlich besteht eine Aversion gegen Verhinderung.<br />

Es gibt schon individuelle Präferenzen für die Förderung des ÖV oder<br />

die Förderung des MIV, wie aus dem konsistenten Korrelationsbild zwischen<br />

Bereitschaften zur Förderung bzw. zur Verhinderung von Maßnahmen hervorgeht:<br />

Wer Maßnahmen für den MIV zu verhindern bereit ist, ist für die<br />

Förderung von Maßnahmen für den ÖV und umgekehrt. Aber insgesamt<br />

sind die Verhinderer nicht häufig und die durchschnittlichen Verhinderungsbereitschaften<br />

sind weit geringer ausgeprägt als die Förderungsbereitschaften<br />

– Engagement für die Förderung ist etwa 12 mal häufiger.<br />

5. Wie nicht anders zu erwarten, ist die Wahrnehmung von Einflussmöglichkeiten<br />

generell und im Sinne der eigenen Ziele substanziell mit tatsächlichem<br />

Engagement für diese Ziele korreliert.<br />

6. Trotz einer großen Zahl potenzieller motivationaler Einflussfaktoren konnte<br />

in dieser Studie die Motivation der Entscheidungsträger nicht gut aufgedeckt<br />

werden. Es gibt jedoch einige interessante Korrelationen. Als eine Motivationsquelle<br />

für die berufliche/politische Arbeit wurde die „Verbundenheit mit<br />

der Bevölkerung der Region“ vermutet. Diese Variable ist insgesamt nur<br />

schwach, aber mit „pro MIV“ sogar höher korreliert als mit „pro ÖV“. Sogar<br />

die Verbundenheit mit der Umwelt der Region ist höher korreliert mit pro MIV<br />

als mit pro ÖV. Als zweiter motivationaler Faktor ist die Karriereorientierung<br />

zu nennen, die insbesondere mit der Förderung des MIV korreliert ist.<br />

Drittens ist zu sagen, dass die Harmonie im beruflichen Umfeld wie auch die<br />

Unterstützung für die eigenen Engagements im privaten Umfeld mit den jeweiligen<br />

Engagements korreliert.<br />

7. Was die Förderung oder Verhinderung einzelner Maßnahmen anbelangt,<br />

sind die Vorteile und Kosten für die Bevölkerung wichtige Korrelate, wobei<br />

die Förderung des MIV vor allem mit Vorteilen für Zeitbudget und Einkom -<br />

326


men, die Förderung des ÖV mit Vorteilen für die Gesundheit begründet werden.<br />

8. Wir haben in dieser Studie noch viele Variablen erfasst, deren Einfluss au f<br />

berufliche Engagements von Entscheidungsträgern plausibel erschien:<br />

1. Wertorientierungen wie beruflicher Erfolg, Familie, Naturverbundenheit,<br />

Identifikation mit der Organisation, in der oder für die man ar -<br />

beitet, die Bevölkerung der Region, die Umwelt der Region,<br />

2. Motive wie Durchsetzung der eigenen Zielvorstellungen, Aner -<br />

kennung in der Öffentlichkeit oder im beruflichen Kontext, Harmonie<br />

im beruflichen Umfeld,<br />

3. erwartete Kritik an dem eigenen Engagement aus verschiedenen<br />

Richtungen und verschiedenen Inhaltes,<br />

4. Verantwortlichkeitszuschreibungen an sich selbst und andere Ak -<br />

teure und Instanzen.<br />

In der Summe ist keine dieser Variablen mit dem eigenen Engage -<br />

ment hoch korreliert. Das heißt nicht, dass sie im Einzelfall nicht sehr<br />

einflussreich sein könnten – das müsste aber individuell diagnostiziert<br />

werden. Forschung dieser Art zielt nicht auf Einzelfalldiagnosen, sondern<br />

auf korrelative Zusammenhänge in einer Stichprobe bzw. auf die<br />

Identifizierung eines Typs. Für die Identifizierung eines Typs der <strong>Trier</strong>er<br />

Entscheidungsträger für Verkehrspolitik in Politik und Verwaltung<br />

haben sich diese Variablen nicht als sehr tauglich erwiesen, zumin -<br />

dest nicht mit der bisher eingesetzten Methodik; Clusteranalysen<br />

könnten ein anderes Bild ergeben.<br />

9. Die befragten Entscheidungsträger zeichnen sich nicht dadurch aus, dass<br />

sie im Beruf bzw. Politik viel persönliche Verantwortung übernehmen; d.h.<br />

sich selbst als sehr verantwortlich für die angesprochenen Maßnahmen se -<br />

hen. Die Verantwortungszuschreibung an andere Gruppierungen (Ö ffentlichkeit)<br />

oder an Instanzen sind durchschnittlich höher.<br />

10. Die berufliche/politische Engagementbereitschaft ist zwar hoch korreliert mit<br />

der privaten, wird aber nicht von der privaten getragen, die durchschnittlich<br />

in der Höhe der Ausprägung deutlich hinter den beruflichen zurückbleiben.<br />

11. Wie kann man Einfluss nehmen auf diese Entscheidungsträger? Aus den<br />

Daten lassen sich vier Hypothesen für Ansatzpunkte identifizieren:<br />

1. Man muss die Bevölkerung „mobilisieren“ für eine Maßnahme, dann<br />

werden die „Entscheidungsträger“ folgen (Ableitung aus dem Prädiktor<br />

„Verbundenheit mit der Bevölkerung“)<br />

326


2. Man braucht Mächtige in der Hierarchiespitze, die von einer Maß -<br />

nahme überzeugt sind, dann folgen die Karrieristen unter den „Ent -<br />

scheidungsträgern“.<br />

3. Positiv gewendet: Ausgewogenheit im Sinne einer abgestimmten<br />

gleichzeitigen Förderung des MIV und der Alternativen zum MIV findet<br />

in der Gruppierung, die wir befragt haben, wohl breite Zustim -<br />

mung. Nicht entweder-oder ist das Leitbild, sondern sowohl als auch.<br />

Nur die Verhinderer von Maßnahmen haben eindeutige Präferenzen<br />

für ÖV oder für MIV.<br />

4. Es könnte schwierig sein, Mitstreiter für die Verhinderung von Maß -<br />

nahmen zu suchen. Vielmehr sollten Alternativen ausgedacht und für<br />

Unterstützung geworben werden.<br />

4 Vergleiche mit Arbeiten außerhalb des Sonderforschungsbereichs<br />

und Reaktionen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit<br />

auf die eigenen Arbeiten<br />

4.1 Vergleich mit Arbeiten innerhalb des C-Clusters des SFB<br />

Siehe Abschnitt 4.1 im Bericht zu organisationalen Akteurmodellen.<br />

4.2 Reaktionen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit auf die<br />

eigenen Arbeiten<br />

Über den SFB 522 hinaus können die Befunde in einem Projekt des BMBF unter<br />

der Leitung von Prof. Dr. Monheim, Geographie <strong>Universität</strong> <strong>Trier</strong>, für die In -<br />

tervention nutzbar gemacht werden.<br />

Mit Unterstützung von Prof. Dr. Werner, Geobotanik, Teilprojekt B 4 und Dipl. -<br />

Geogr. Büker konnten Einschätzungen der <strong>Trier</strong>er Luftqualität durch die Allge -<br />

meinbevölkerung mit Experteneinschätzungen verglichen werden.<br />

Ergebnisse aus der vorliegenden Untersuchung wurden unter anderem in<br />

folgenden Vorträgen der Fachöffentlichkeit vorgestellt:<br />

Vortrag auf dem Kolloquium "Verant wortung, Gerechtigkeit und Moral" im<br />

Februar 2000 in <strong>Trier</strong><br />

Vortrag auf dem "42. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie" im<br />

September 2000 in Jena<br />

Vortrag auf der Tagung der Fachgruppe Umweltpsychologie der Deutschen Ge -<br />

sellschaft für Psychologie im September 2001 in Kassel<br />

Vortrag auf dem SFB-Symposium im Januar 2002 in <strong>Trier</strong><br />

326


5 Literatur<br />

5.1 Verzeichnis der im Text erwähnten Veröffentlichungen und<br />

weiterführende Literatur<br />

BECKER, R. (<strong>19</strong>99): Mobilität und Werte. Ein wertepluralistischer Ansatz zur Erklärung<br />

der Verkehrsmittelnutzung und der Zustimmung zu verkehrspolitischen<br />

Maßnahmen. Dissertation, <strong>Trier</strong>: <strong>Universität</strong> <strong>Trier</strong>.<br />

FUHRER, U. & WÖLFING, S. (<strong>19</strong>97): Von den sozialen Grundlagen des<br />

Umweltbewusstseins zum verantwortlichen Umwelthandeln. Bern: Huber.<br />

KALS, E. (<strong>19</strong>96): Verantwortliches Umweltverhalten. Umweltschützende Entscheidungen<br />

erklären und fördern. Weinheim: Psychologie Verlags Union.<br />

KALS, E. & MONTADA, L. (<strong>19</strong>94): Umweltschutz und die Verantwortung der<br />

Bürger. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 25(4), 326-337.<br />

MONTADA, L. & KALS, E. (<strong>19</strong>98): A theory of "willingness for continued<br />

responsible commitment": Research examples from the fields of pollution control<br />

and health protection. Berichte aus der Arbeitsgruppe "Verantwortung,<br />

Gerechtigkeit, Moral" (Vol. 114). <strong>Trier</strong>: <strong>Universität</strong> <strong>Trier</strong>.<br />

MONTADA, L. & KALS, E. (2000): Political implications of psychological<br />

research on ecological justice and proenvironmental behaviors. International<br />

Journal of Psychology, 35, 168-176.<br />

NIEGOT, F. (in Vorb.): Verantwortung in der Verkehrspolitik: Motivationale<br />

Grundlagen umweltschützenden Handelns lokaler Entscheidungsträger<br />

(Arbeitstitel). <strong>Trier</strong>: <strong>Universität</strong> <strong>Trier</strong>.<br />

SCHWARTZ, S. H. (<strong>19</strong>77): Normative influences on altruism. In L. BERKOWITZ<br />

(Ed.), Advances in experimental social psychology (pp. 221 -279). New York:<br />

Academic Press.<br />

5.2 Verzeichnis der Projektveröffentlichungen<br />

BECKER, R. (<strong>19</strong>99): Mobilität und Werte. Ein wertepluralistischer Ansatz zur<br />

Erklärung der Verkehrsmittelnutzung und der Zustimmung zu<br />

verkehrspolitischen Maßnahmen. Dissertation, <strong>Trier</strong>: <strong>Universität</strong> <strong>Trier</strong>.<br />

BECKER, R. (2000): Umwelt- und Gesundheitsschutz - ein streitbares Paar:<br />

Empirische Evidenz gegen Stereotype am Beispiel des Autoverkehrs.<br />

Umweltpsychologie, 4(2), 8-24.<br />

KALS, E. & RUSSELL, Y. (2000): Umweltschützendes Handeln: Eine rationale<br />

Entscheidung für den Gesundheitsschutz? Umweltpsychologie, 4(2), 44-59.<br />

Kals, E. Ittner, H. & <strong>Montada</strong>, L. (in press): Wahrgenommene Gerechtigkeit re -<br />

striktiver Umweltpolitiken. In W. LASS & F. REUSSWIG (Hrsg.), Kommunikation<br />

Nachhaltiger Entwicklung.<br />

326


KALS, E., SCHUMACHER, D. & MONTADA, L. (<strong>19</strong>99): Emotional affinity toward<br />

nature as a motivational basis to protect nature. Environment and Behavior,<br />

31(2), 1<strong>78</strong>-202.<br />

MONTADA, L. (<strong>19</strong>99): Umwelt und Gerechtigkeit. In V. LINNEWEBER & E.<br />

KALS (Hrsg.), Umweltgerechtes Handeln: Barrieren und Brücken. Heidelberg:<br />

Springer (pp. 71-91). Heidelberg: Springer.<br />

MONTADA, L. (2000): Psychologie der Gefühle und Umweltpsychologie. In E.<br />

Kals, N. Platz & R. Wimmer (Hrsg.), Emotionen in der Umweltdiskussion (S. <strong>19</strong>-<br />

37). Wiesbaden: Deutscher <strong>Universität</strong>s-Verlag.<br />

MONTADA, L. (in press): The many faces o f justice. In International<br />

Encyclopedia of Social and Behavioral Sciences. London: Elsevier.<br />

MONTADA, L. & KALS, E. (2000): Political implications of psychological<br />

research on ecological justice and proenvironmental behaviors. International<br />

Journal of Psychology .<br />

MONTADA, L. & KALS, E. (2001): Mediation. Lehrbuch für Psychologen und<br />

Juristen. Weinheim: PVU.<br />

MONTADA, L., KALS, E. & BECKER, R. (submitted). Willingness for Continued<br />

Responsible Commitment – a new concept in environmental research.<br />

RUSSELL, Y., BECKER, R. & KALS, E. (eingereicht und eingeladen): Wege aus<br />

der Allmendeklemme: Ein Interventionsansatz zur Förderung ökologischer<br />

Verantwortung. Umweltpsychologie.<br />

SAUERBORN, K., MUSCHWITZ, C. & BECKER, R. (eingereicht): Ökologisch<br />

Planen, Bauen und Wohnen: Ein interdisziplinärer Ansatz zur Erklärung der<br />

geringen Anwendung von umweltschützenden Kenntnissen und Techniken.<br />

ZAU.<br />

326

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!