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Unterauschuss Zwischenbericht - Toni Hofreiter

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Deutscher Bundestag<br />

16. Wahlperiode<br />

Nur zur dienstlichen Verwendung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong><br />

über die Tätigkeit des<br />

Unterausschusses Eisenbahninfrastruktur<br />

für die Zeit vom 28. März bis zum 31. Dezember 2007<br />

Vorsitz: Enak Ferlemann, MdB (CDU/CSU)<br />

vorgelegt dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung


Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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2<br />

1. Einleitung<br />

In seiner 34. Sitzung am 21. März 2007 hat der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

einstimmig beschlossen, einen Unterausschuss Eisenbahninfrastruktur einzusetzen.<br />

Aufgabe des Unterausschusses sollte sein, sich mit dem Zustand des Schienennetzes<br />

zu befassen und der Frage nachzugehen, wie eine leistungsfähige und sichere Schieneninfrastruktur<br />

für die Zukunft sichergestellt werden kann. Dem lag zugrunde, dass der<br />

Bundesrechnungshof in einem Entwurf seines Berichtes an den Haushaltsausschuss („Instandhaltung<br />

der Bundesschienenwege“) auf Mängel bei der Instandhaltung des Schienennetzes<br />

durch die DB Netz AG hingewiesen hatte. Die Aufgabe, sich eingehend


Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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3<br />

BD-90/GR (1) Winfried Hermann Dr. Anton <strong>Hofreiter</strong><br />

Zum Vorsitzenden des Unterausschusses wurde Enak Ferlemann, zum stellvertretenden<br />

Vorsitzenden Uwe Beckmeyer bestimmt.<br />

3. Themen<br />

Zu Beginn seiner Arbeit hat der Unterausschuss folgende Themen festgelegt, deren Bearbeitung<br />

er für vordringlich hält:<br />

Themenkomplex Netz:<br />

- Sachstandsbericht zum Netzzustandsbericht (Gespräch mit Vertreter DB Netz AG)<br />

- Erstellung eines Netzentwicklungsplanes<br />

- Erörterung von Fragen zur Unterhaltung des Netzes: Vorgaben, Prioritäten, sachgerechte<br />

Verwendung der Finanzierungsmittel<br />

- Prüfung der Ablaufverfahren bei Planung und Ausbau des Streckennetzes<br />

- Fragen der Netzgröße sowie Auswirkungen eines teilweisen Rückbaus<br />

- Bedarfsplanung bei den Schienenwegen in Bezug auf den Bundesverkehrswegeplan<br />

- Vorlage eines Netzbilanzberichts<br />

- Problematik des Wertes des Netzes: Was ist das Netz wert und welche Kriterien sind<br />

bei der Bewertung zugrunde zu legen?<br />

- Qualitätsmerkmale des Netzes<br />

Themenkomplex Eisenbahninfrastruktur allgemein:<br />

- Prüfung der Verwendung der Mittel für die Eisenbahninfrastruktur seit 1994<br />

- Problematik der Bilanzierung bei der Verwendung von Mitteln durch die Bahn<br />

- Sicherung einer leistungsfähigen und sicheren Infrastruktur (Problematik der<br />

Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung)


Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

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- Befassung mit Vorschlägen zu einer Vereinfachung und Beschleunigung der Zulassung<br />

europäischer Zugsicherungsssysteme (European Train Control System - ETCS)<br />

- Infrastrukturprüfung Bahnhöfe<br />

- Problematik der sachgerechten Zuordnung der Vermögenswerte (z. B. Abgrenzung zu<br />

Station und Service)<br />

- Fragen des Managements bei der Deutschen Bahn AG<br />

4<br />

4. Sitzungsverlauf<br />

Zur Klärung der oben genannten Sachthemen hat der Ausschuss folgende Sachverständige<br />

angehört:<br />

2. Sitzung am 25. April 2007 Expertengespräch zum Thema „Netzzustand<br />

und Netzzustandsbericht“ mit Dr. Volker<br />

Kefer und Oliver Kraft von der DB Netz AG<br />

3. Sitzung am 9. Mai 2007 Expertengespräch zum Thema „Erhalt, Entwicklung<br />

und Ausbau der Schienenwege“<br />

mit Dr. Wolf-Rüdiger Gorka, Mitglied des<br />

unabhängigen Netzbeirates bei der DB Netz<br />

AG<br />

4. Sitzung am 20. Juni 2007 Expertengespräch zum Thema „Erhalt, Entwicklung<br />

und Ausbau der Schienenwege“<br />

mit Dr. Martin Henke, Verband Deutscher<br />

Verkehrsunternehmen (VDV)<br />

5. Sitzung am 4. Juli 2007 Expertengespräch zum Thema „Netzzustandsbericht“<br />

mit Dr. Volker Kefer und Oliver<br />

Kraft von der DB Netz AG


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<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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5<br />

6. Sitzung am 19. September 2007 Expertengespräch zum Thema „Maßnahmen<br />

zur Beseitigung von Schienenengpässen“ mit<br />

Dr. Volker Kefer und Oliver Kraft von der<br />

DB Netz AG<br />

7. Sitzung am 10. Oktober 2007 Expertengespräch zum Thema „Hinterlandanbindung<br />

der Seehäfen“ mit Bingfried Belter<br />

von der DB Netz AG<br />

8. Sitzung am 24. Oktober 2007 Expertengespräch zum Thema „Zustand des<br />

Schienennetzes im Verkehrsgebiet des Verkehrsverbundes<br />

Berlin-Brandenburg (VBB)“<br />

mit Hans-Werner Franz, Geschäftsführer des<br />

VBB<br />

Ein für den 7. November 2007 geplantes Expertengespräch mit Prof. Dr.-Ing. Thomas Siefer<br />

vom Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und –betrieb der Leibniz Universität<br />

Hannover zu seiner Studie über die „Ertüchtigung des norddeutschen Eisenbahnnetzes für<br />

den wachsenden Schienengüterverkehr“ musste aufgrund terminlicher Engpässe auf Januar<br />

2008 verschoben werden.<br />

5. Kernaussagen der Experten<br />

Expertengespräch zum Thema „Netzzustand und Netzzustandsbericht“ mit Dr. Volker<br />

Kefer und Oliver Kraft von der DB Netz AG am 25. April 2007<br />

Gegenstand der 2. Sitzung des Unterausschusses „Eisenbahninfrastruktur“ war die Frage,<br />

in welchem Bearbeitungsstand sich der Netzzustandsbericht befindet, nachdem ein im vorangegangenen<br />

Jahr von der DB Netz AG vorgelegter Entwurf noch einmal überarbeitet<br />

werden musste. Von den Experten wurde dargelegt, dass grundsätzlich zwei Probleme bei<br />

der Aufbereitung des Datenmaterials vorhanden seien. So bestünde zum einen die Schwierigkeit,<br />

die Datenflut so aufzuarbeiten, dass sie verständlich und auswertbar sei und auch<br />

zu den richtigen Schlüssen und Ergebnissen führe. Zum anderen müsse geklärt werden,


Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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welches die Messgrößen seien, an denen man sich in der Zukunft orientieren könne, um<br />

von gleichen Maßstäben ausgehen zu können. Zwar umfasse die Zusammenfassung des<br />

Netzzustandsberichtes nur 70 Seiten, ihm lägen allerdings 1.600 Dateien zugrunde, was<br />

ausgedruckt etwa einem Umfang von 20.000 Seiten entspräche. Für die Zukunft sei die<br />

Frage von zentraler Bedeutung, wie man fortlaufend den Netzzustand abfragen könne,<br />

ohne dass es der Abgabe eines in einem formalisierten Verfahren abzugebenden Netzzustandsberichtes<br />

bedürfe.<br />

Die DB Netz AG habe ein Präventionsprogramm eingeführt, in dem das Schleifen der<br />

Schienen zwingend vorgeschrieben werde. Dies sei nicht nur kostenschonend, sondern<br />

auch qualitätssteigernd. Strecken würden hinsichtlich ihrer Belastung kategorisiert, um<br />

damit Mittel effektiver lenken zu können. Eine weitere Rolle spielte während des Gespräches<br />

die Frage, inwieweit einem Dritten die Möglichkeit zur Kontrolle des Netzes eingeräumt<br />

werden kann. Die Experten machten deutlich, dass die DB Netz AG zwar ihre in<br />

dieser Hinsicht bestehende Verantwortung keinem Dritten übertragen würde. Es besteht<br />

aber eine Zuständigkeit des EBA als Kontrollbehörde für die Sicherheit auf dem Netz, die<br />

diese durchaus aktiv wahrnimmt, in dem ein Mitarbeiter des EBA auf einem Messzug mitfährt.<br />

Expertengespräch zum Thema „Netzzustand und Netzzustandsbericht“ mit Dr. Volker<br />

Kefer und Oliver Kraft von der DB Netz AG am 4. Juli 2007<br />

Wie vereinbart hat die DB Netz AG vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause am<br />

5. Juli 2007 einen Netzzustandsbericht vorgestellt. Allerdings liegt der Netzzustandsbericht<br />

in seiner endgültigen Form zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor, da er noch einer<br />

weiteren, gemeinsamen Bearbeitung durch das BMVBS und der DB Netz AG bedarf. In<br />

der Sitzung des Unterausschusses am 5. Juli 2007 wurden Inhalt und Struktur des Netzzustandsberichtes<br />

in seiner zu diesem Zeitpunkt vorliegenden, vorläufigen Fassung erläutert.<br />

Zur Struktur des Berichtes erklärten die beiden Experten Dr. Volker Kefer und Oliver<br />

Kraft, dass in Teil 1 das Kataster mir 3 Mio. Datensätzen enthalten sei. Hierin enthalten<br />

seien die Strecken und der Anlagenbestand. Diese müssten jedes Jahr von Seiten des Eisenbahnbundesamtes<br />

verifiziert werden. Die Datenqualität sei noch nicht bei 100 %, werde<br />

aber jedes Jahr ein Stück besser. In Teil 2 seien die sogenannten Qualitätskennzahlen<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

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enthalten. Zu den Qualitätskennzahlen gehörten der theoretische Fahrzeitverlust, die Störbestehenszeiten<br />

bzw. die Anzahl der Störungen, das Anlagenalter, der Ausbaustandard der<br />

Bahnsteige, die Versorgungssicherheit mit Bahnenergie sowie die noch zu bestimmende<br />

Qualitätskennzahl für die Netzqualität. Weitere sechs bis acht Kennzahlen würden derzeit<br />

noch gemeinsam auch mit den technischen Experten hinsichtlich ihrer Aussagekraft und<br />

Verifizierbarkeit diskutiert.<br />

Bei dem theoretischen Fahrzeitverlust werde der mängelbedingte Normfahrzeitverlust<br />

gemessen. Mit dieser Kennzahl würden Strecken berücksichtigt, die entweder im Verzeichnis<br />

der zulässigen Geschwindigkeit enthalten seien oder aber sogenannte Mängellangsamfahrstellen<br />

seien, die länger als sechs Monate bestünden. Im Jahr 2006 sei ein<br />

theoretischer Fahrzeitverlust von 1.085 Minuten zu verzeichnen. Dies sei eine Verbesserung<br />

gegenüber 2005 von 1.040 Minuten. Zusätzlich sei als Kennzahl noch einmal berücksichtigt<br />

worden, dass sich eine Störung auf einer Strecke stärker auswirke, die extrem<br />

hoch belastet sei. Auch hier sei eine Verbesserung von 562 Minuten gegenüber 2005 mit<br />

615 Minuten festzustellen. Insgesamt gäbe es in der Bundesrepublik für 1.000 gefahrene<br />

Zugkilometer 30,25 Verspätungsminuten. Hiervon würden 5,56 Verspätungsminuten<br />

durch die Infrastruktur verursacht.<br />

Die zweite Kennzahl, die sogenannte Störbestehenszeit dokumentiere, wie lange es dauere,<br />

bis eine Störung behoben sei. Sie umfasse die Zeit vom Anfang einer Störungsmeldung<br />

bis zur Wiederfreigabe der Strecke. Hier sei festzustellen, dass es im Jahr 2006 einen Anstieg<br />

gegenüber dem Jahr 2005 gegeben habe. Ursächlich hierfür sei, dass es während der<br />

Fussball-WM weniger Bautätigkeit gegeben habe. Anschließend seien die Temperaturen<br />

zu hoch gewesen, um Schweißungen durchzuführen.<br />

Zu der dritten Kennzahl, dem Durchschnittsalter der Anlagen sei anzumerken, dass sich<br />

das Alter der Gleise von 19,6 auf 19,8 Jahre erhöht habe, das der Weichen von 16,5 auf<br />

16,9 Jahre. Diese Kennzahl sei allerdings nicht unproblematisch, da sie nichts über die<br />

Qualität der Anlagen aussage. Zudem seien lange Liegezeiten ausdrücklich erwünscht.<br />

Bei der vierten Kennzahl, dem Ausbaustandard der Bahnsteige würden Bahnsteige anhand<br />

bestimmter Kriterien wie Blindenleitsysteme, Dächer, Höhe der Bahnsteige usw. bepunktet.<br />

Maximal könne ein Bahnsteig ca. 4600 Punkte erreichen. Hier habe man gegenüber<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

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2005 zulegen können: So sei ein Anstieg von 2.517 Punkten auf 2.565 Punkten zu verzeichnen.<br />

Dies sei nicht nur auf die Investitionen des Bundes, sondern auch der Länder<br />

und einzelner Kommunen zurückzuführen.<br />

Die fünfte Kennzahl, die Versorgungssicherheit mit Bahnenergie habe für die elektrifizierten<br />

Strecken ebenfalls einen hohen Aussagewert. An dieser Kennzahl sei abzulesen, wie<br />

gut die Versorgungssicherheit mit Energie beherrscht werde. Durch vorhandene Redundanzen<br />

sei es grundsätzlich möglich, eine sehr hohe Versorgungssicherheit zu gewährleisten.<br />

Mit den weiteren Kennzahlen, die zurzeit noch in der Diskussion seien, gehe es – im Gegensatz<br />

zu den genannten Kennzahlen, mit denen die objektive Aufnahme eines Gesamtzustandes<br />

erfolgen solle – um die Erfassung von Zwischenzuständen, um Tendenz-<br />

Aussagen treffen zu können.<br />

Teil 4 des Berichtes umfasse neben den Instandhaltungs- auch die Investitionszahlen. Im<br />

Jahre 2006 sei eine Summe von 3,4 Mrd. Euro nur für das Bestandsnetz ausgegeben worden.<br />

Hiervon seien 2,7/2,75 Mrd. Bundesmittel und knapp über 600 Mio. Eigenkapital der<br />

Bahn. Damit seien 1.700 km Gleis, 1.450 Weichen, 128 Bahnsteige und 61 Fahrtreppen<br />

erneuert worden. Für Instandhaltung sei eine Summe von 1,8 Mrd. Euro ausgegeben<br />

worden. Davon würden 40 % in Eigen- und 60 % in Fremdleistung erbracht. Weitere<br />

knapp 30 % würden für Wartung, Inspektion und Entstörung ausgegeben. Der Rest werde<br />

für Erneuerung und Instandsetzung aufgewendet. Festzustellen sei, dass eine vermehrte<br />

Umschichtung in das Präventionsprogramm stattfinde. Gegenüber früheren Jahren sei daher<br />

ein Anstieg z. B. bei Vegetationsmaßnahmen und beim Schienschleifen zu verzeichnen.<br />

Im Rahmen von ProNetz sei eine Strategie entwickelt worden, bei der aufgrund einer<br />

Analyse des heutigen Zustandes und der Kenntnis der Wirkzusammenhänge Instandhaltungsstrategien<br />

abgeleitet worden seien. In der Planung für 2007 seien diese mittlerweile<br />

verankert worden. Für 2008 werde das Verfahren noch weiter verfeinert.<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

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Expertengespräch zum Thema „Erhalt, Entwicklung und Ausbau der Schienenwege“<br />

mit Dr. Wolf-Rüdiger Gorka, Mitglied des unabhängigen Netzbeirates bei der DB Netz<br />

AG am 9. Mai 2007<br />

In dem Expertengespräch zum Thema „Erhalt, Entwicklung und Ausbau der Schienenwege“<br />

am 9. Mai 2007 legte Dr. Wolf-Rüdiger Gorka, Mitglied des unabhängigen Netzbeirates<br />

der DB Netz AG dar, dass alle Eisenbahnverkehrsunternehmen mit erheblichen Problemen<br />

im Bestandsnetz zu kämpfen hätten, da Unterhaltungsrückstände zu Langsamfahrstrecken<br />

führten. Zum Teil erfolge sogar eine Sperrung einzelner Gleise im Verlade- und<br />

Rangierbereich. Dies habe zur Folge, dass die Produktivitätskosten der Unternehmen immer<br />

größer würden, da man bei langsamerer Fahrweise mehr Kapazitäten brauche. So<br />

käme es auch zu sog. Sprungkosten, da zusätzliche Fahrzeuge gebraucht würden.<br />

Insgesamt strebe der Netzbeirat eine engere Zusammenarbeit mit dem Eisenbahnbundesamt<br />

an, soweit es um die Reduzierung von Infrastrukturmaßnahmen gehe. In dieser Hinsicht<br />

sei es in der Vergangenheit vorgekommen, dass bei der Reduzierung von Abstellgleisen<br />

und ähnlichem Entscheidungen getroffen worden seien, die sich im Nachhinein als<br />

falsch erwiesen hätten, da eine Privatbahn diese durchaus gut hätte nutzen können.<br />

Der genaue Zustand des Netzes sei dem Netzbeirat nicht bekannt. Dabei existierten durchaus<br />

Messzüge sowie auch ein Infrastrukturkataster. Erfreulicherweise seien erstmalig seit<br />

der Bahnreform erfreuliche Zuwächse im Güter-, Fern- und Nahverkehr zu verzeichnen.<br />

Diese Zuwächse seien größer als die Zuwächse auf der Straße. Man stehe nun aber vor der<br />

Situation, dass die Zuwächse im Güterverkehr auf manchen Relationen sehr bald nicht<br />

mehr abgefahren werden könnten. Festzustellen sei, dass die Prioritäten für Schienenprojekte<br />

falsch gesetzt seien. Dringend erforderlich sei der Bau der Y-Trasse, der Strecke<br />

Fulda-Frankfurt, Karlsruhe-Basel und Dortmund-Emmerich. Fraglich sei dagegen, ob man<br />

mit einer Eisenbahninfrastruktur in einer Größe, die in Zukunft nicht gebraucht werde,<br />

Aufbauhilfe in den neuen Bundesländern leisten könne.<br />

Das Verfahren der Vorfinanzierung der Planungskosten durch die Bahn sei grundsätzlich<br />

nicht zu beanstanden. Wichtig sei dann aber, dass der Bund für diese Kosten garantiere.<br />

Zudem müssten mehr Mittel hierfür vom Bund bereitgestellt werden. Wichtig sei auch,<br />

dass man seitens des Bundes mit der Bahn eine Lösung finde, damit die Bahn, um Eigen-<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

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mittel zu sparen, mit Instandhaltungen nicht solange warte, bis es Ersatzinvestionen geworden<br />

seien, für die der Bund aufkomme.<br />

Expertengespräch zum Thema „Erhalt, Entwicklung und Ausbau der Schienenwege“<br />

mit Dr. Martin Henke, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) am 20. Juni<br />

2007<br />

Der Geschäftsführer des Geschäftsbereiches Eisenbahnverkehr des VDV, Dr. Martin Henke,<br />

führte in der Sitzung vom 20. Juni 2007 aus, dass die Ziele, die seinerzeit mit der<br />

Bahnreform hätten erreicht werden sollen, nämlich eine stärkere Beteiligung der Bahn am<br />

Verkehrswachstum zu erzielen, nun stärker verwirklicht würden. Dies stelle aber höhere<br />

Ansprüche an die Verkehrsinfrastruktur. Derzeit würden diese strukturellen Änderungen –<br />

insbesondere auch die Volumina - bei der Planung noch nicht hinreichend berücksichtigt.<br />

Es gäbe mehrere Möglichkeiten, um die Problematik anzugehen, vor allem was die Qualität<br />

und die Einstellung des Netzes auf die Bedürfnisse der Nutzer angehe.<br />

Eines dieser Mittel, das er für prioritär halte, sei eine vernünftige Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung<br />

mit der DB AG. Zurzeit erfolge die öffentliche Finanzierung des Bestandsnetzes<br />

projektorientiert. Hierbei könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Infrastrukturunternehmen<br />

die Investitionsprioritäten den Interessen der verbundenen Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />

unterordneten. Zudem würden mit der ausschließlichen Investitionsförderung<br />

falsche Anreize gesetzt. So werde bereits im PRIMON-Gutachten ausgeführt,<br />

dass ein Anreiz bestehe, die Instandhaltung auf Kosten kürzerer Lebenszeiten der<br />

Anlagen zu minimieren, da umfangreich werdende Ersatzinvestitionen vom Bund finanziert<br />

würden. Sinnvoller wäre es, wenn sich die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung<br />

nicht allein auf die Investitionsfinanzierung beschränke, sondern wenn ein Gesamtpaket<br />

geschnürt werde, bei dem ein Zustand eingekauft werde, für den eine Gegenleistung<br />

erbracht werde. Er schlage außerdem vor, dass sich der Abschluss einer Leistungs- und<br />

Finanzierungsvereinbarung zwischen den Netzunternehmen und dem Bund ausschließlich<br />

auf das Bestandsnetz beziehe. Neubau- und Ausbaumaßnahmen wären dann in gesonderten<br />

Einzelfinanzierungsvereinbarungen zu regeln. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung<br />

müsse bei Pflichtverletzungen Sanktionsmöglichkeiten dergestalt enthalten,<br />

dass die Bewirtschaftung von Strecken weggenommen und im Wettbewerb neu vergeben<br />

werde. Zudem wäre es zu begrüßen, wenn die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung<br />

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<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

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auf regionale Einheiten bzw. Netze zugeschnitten würde. Vorbild hierfür könnten die Regionalnetze<br />

sein, die die DB AG gebildet habe.<br />

Zentraler Bezugspunkt für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung müsse ein aussagekräftiger<br />

Netzzustandsbericht sein, der vernünftige Streckenkataster enthalte. Die<br />

Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung müsse als Vorgabe des Bundes unter Bezugnahme<br />

auf den Netzzustandsbericht klare Zielaussagen für die Entwicklung von Kennziffern<br />

enthalten. Sie müsse zudem Aussagen über den politisch gewünschten Umfang des<br />

Netzes treffen. Entwicklungsziele und Finanzierungsbeiträge seien langfristig festzulegen,<br />

um eine kontinuierliche Planbarkeit herzustellen. Bei der Formulierung von Netzentwicklungszielen<br />

müssten Unternehmen intensiv und systematisch beteiligt werden. Um den<br />

Unternehmen ein Mitspracherecht einzuräumen, sei es aus ihrer Sicht sinnvoll, den Netzbeirat<br />

in Zukunft nicht bei den Netzunternehmen, sondern gesetzlich beim Bund zu verankern.<br />

Um feststellen zu können, ob die Netzziele erreicht worden seien, müsse der Netzzustandsbericht<br />

jährlich fortgeschrieben werden.<br />

Es werde zurzeit an sehr unterschiedlichen Elementen zur Förderung der effizienten Ausnutzung<br />

des Netzes gearbeitet, sei es durch Pönale, anreizorientierte Trassenpreise oder<br />

Vereinbarungen zwischen Netzagentur und Netzbetreiber bzw. der Erlass von Verwaltungsakten,<br />

um besonders effizient arbeitende Infrastrukturunternehmen zu stärken. Anreizorientierte<br />

Trassenpreise setzten allerdings eine sehr delikate Feinsteuerung voraus.<br />

Denn durch eine Fehlsteuerung bei den Trassenpreisen könnten Fehlanreize gesetzt werden,<br />

wodurch dann falsche Strecken gefördert würden. Es sei zu erwarten, dass sich die<br />

nicht bundeseigenen Eisenbahnen vehement zu Wort melden würden, da der Zugang zum<br />

Beruf des Eisenbahninfrastrukturunternehmens von Seiten der bundeseigenen und nicht<br />

bundeseigenen Eisenbahnunternehmen extrem unterschiedlichen Finanzierungsgrundsätzen<br />

unterliege.<br />

Im Moment sei ein Zuwachs insbesondere bei Anlagen, aber auch bei der Infrastruktur erforderlich.<br />

Drei absolute Brennpunkte seien ein Engpass in Hamburg-Harburg, der Bereich<br />

des Zulaufes von den ARA-Häfen in Richtung Ruhrgebiet, vor allem im Bereich<br />

Oberhausen-Duisburg, und Rastatt. Wichtig sei, sich rechtzeitig darüber Gedanken zu machen,<br />

wo in fünf Jahren Engpässe im Bundesschienenwegenetz bestehen würden. Hier sei<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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insbesondere zu hinterfragen, ob man nicht durchgreifender auf Kapazität und weniger auf<br />

Großprojekte, bei denen gar keine Bestellungen vorlägen, setzen solle. Festzustellen sei,<br />

dass man zu streckenorientiert sei. Es sei von großer Bedeutung, die Anlagen – etwa die<br />

Umlegung von Weichen - stärker in den Focus zu nehmen.<br />

Expertengespräch zum Thema „Maßnahmen zur Beseitigung von Schienenengpässen“<br />

mit Dr. Volker Kefer und Oliver Kraft von der DB Netz AG am 19. September 2007<br />

Gegenstand des Expertengespräches am 19. September 2007 mit Dr. Volker Kefer und O-<br />

liver Kraft von der DB AG war der Wunsch des Unterausschusses, zu erfahren, welche<br />

Engpässe im Netz bestehen. Die Experten legten dar, dass es speziell im Güterverkehr ein<br />

erhebliches Wachstum gäbe. Ursächlich hierfür seien zum einen verstärkte Verkehre aus<br />

den ARA-Häfen über die Betuwe-Linie auf der Linie Oberhausen-Emmerich sowie auch<br />

auf der Strecke Mannheim – Karlsruhe bis nach Basel bzw. Genua. Zum anderen gäbe es<br />

eine zweite große Wachstumslinie aus der Nord-Süd-Richtung von den Häfen Hamburg<br />

und Bremen sowie von dem JadeWeserPort, die erhebliche Wachstumsraten erwarten lasse.<br />

Kleinere Zuwächse gäbe es auch in Ost-West-Richtung. Die Prognosen beruhten darauf,<br />

dass im Fernverkehr mit einem Wachstum bis 2015 von 17 % gerechnet werde. Auf<br />

den Hauptmagistralen würden überproportionale Steigerungsraten von deutlich über 20 %<br />

erwartet. Dies sei eine Mindestentwicklung, wenn man berücksichtige, dass es in den letzten<br />

zwei Jahren fast 11 % Wachstum im Güterverkehr gegeben habe. Das vorhandene<br />

Transportvolumen könne über die Straße nicht abgefahren werden. Wenn der Verkehr a-<br />

ber nicht mehr ausgefahren werde könne, werde das Wachstum der Häfen auf diese Art<br />

und Weisen begrenzt.<br />

Erforderlich sei daher die Beseitigung von folgenden Engpässen u. a. auf folgenden Strecken<br />

bzw. Knoten:<br />

Oberhausen – Emmerich<br />

Rhein/Main – Rhein/Neckar<br />

Karlsruhe - Basel<br />

Knoten Hamburg<br />

Knoten Bremen<br />

Zulauf JadeWeserPort Oldenburg - Wilhelmshaven<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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Fulda - Bebra<br />

Knoten Fürth - Nürnberg<br />

Hamburg - Bremen - Hannover („Ypsilon-Trasse“)<br />

Drittes Gleis Stelle - Lüneburg<br />

Hanau - Würzburg/Fulda („Mottgersspange“)<br />

Mit den in den nächsten Jahren zur Verfügung gestellten Bundesmitteln seien die aufgeführten<br />

Projekte nicht zeitnah zu realisieren. Für die Ypsilon-Trasse z. B. sei damit erst<br />

ein Inbetriebnahmezeitpunkt 2021 zu erreichen. Um diese Projekte im Sinne der verkehrlichen<br />

Entwicklungen und der Prognose auf das Jahr 2015 vorziehen zu können, bräuchte<br />

es eines Anstieges ab 2010 bis 2015/17 auf 1,5/1,6 Mrd. Euro jährlich. Es seien rund 15<br />

Milliarden Euro erforderlich, um die Schieneninfrastruktur den zukünftigen Erfordernissen<br />

anzupassen, derzeit sei aber nur ein Drittel hinterlegt. In den nächsten Jahren müssten<br />

die Projekte im Rahmen der Planfeststellung fixiert und es müssten dann – wenn das Geld<br />

zur Verfügung stünde – Finanzierungsvereinbarungen abgeschlossen werden. Für diesen<br />

Anstieg auf 1,5 Mrd. Euro jährlich sei eine Anschubfinanzierung für die großen Projekte<br />

vonnöten. Mit Blick auf die Laufzeit einer Planfeststellung von 8 Jahren und darauf, dass<br />

es noch keine Trassenerlöse für die Strecken gäbe, sei ein solches Volumen nicht vorzufinanzieren.<br />

Der angegebenen Schätzung lägen einige Risiken zugrunde. So sei es bei einer Vergabe<br />

möglich, dass man zu erheblich erhöhten Preisen komme. Fraglich sei auch, ob die angenommene<br />

Nominalisierung von 1,5 % ausreichend sei. Auch könnten im Rahmen der<br />

Planfeststellung noch Auflagen entstehen, die sich erhöhend auswirkten.<br />

Um Kleinvorhaben insbesondere zum Abfahren der Hinterlandverkehre bewältigen zu<br />

können, bräuchte man zunächst einmal 250 Mio. Euro für die nächsten fünf Jahre. Dies sei<br />

die erste Stufe für ein Sofortprogramm Seehafenhinterlandverkehr. Die zweite Stufe umfasse<br />

die großen Bedarfsplanmaßnahmen wie zum Beispiel das „Ypsilon“. Hieran solle<br />

sich für die Zeit nach 2020 eine dritte Stufe anschließen, ohne dass diese schon näher<br />

konkretisiert sei.<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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Expertengespräch zum Thema „Hinterlandanbindung der Seehäfen“ mit Bringfried<br />

Belter von der DB Netz AG am 10. Oktober 2007<br />

In dem Expertengespräch mit dem Projektleiter des Masterplans Seehafenhinterlandanbidung<br />

bei der DB AG, Bringfried Belder, am 10. Oktober 2007 bestätigte dieser die Aussage,<br />

dass der Güterverkehr in den kommenden Jahren stark zunehmen werde. Der Bundesverkehrswegeplan<br />

2003 habe für das Jahr 2015 eine Gesamtmenge von 624 Mrd. To n-<br />

nenkilometer vorgesehen. Diese Menge sei bereits im Jahre 2006 erreicht worden. Im Jahre<br />

2015 sei mit einem Auswuchs von rund 50 Prozent, von 2005/2006 an gerechnet, auszugehen.<br />

In Gesprächen mit Häfen, Transporteuren und Teilbetreibern sei festgestellt worden, dass<br />

jeder von einer eigenen Prognose ausgehe, die von der der anderen abweiche. Daraufhin<br />

habe man sich darauf verständigt, eine gemeinsame Prognose in Zusammenarbeit mit den<br />

großen Häfen Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Wilhelmshaven, Lübeck und Duisburg zu<br />

erarbeiten. Im Ergebnis sei festgestellt worden, dass insgesamt rund 400 Züge zusätzlich<br />

aus den großen Häfen der Nordsee herausfahren würden.<br />

Zurzeit führen in Hamburg im Schnitt 208 Züge pro Tag in oder aus dem Hafen heraus.<br />

Die Prognosen gingen davon aus, dass es 2015 394 Züge sein würden. Hinzu kämen weitere<br />

60 Züge durch den Ausbau des Hafen Steinwerder, der im Jahre 2015 abgeschlossen<br />

sein werde, sowie weitere 100 Züge, die durch eine zu bauende große Anlage für Containerentladung<br />

im Gebiet des Westhafens verursacht würden, so dass die Anzahl im Jahr<br />

2025 auf 560 Züge steige. In Bremen/Bremerhaven gehe City 4 2008 gesamthaft in Betrieb.<br />

Hierdurch würde die Containermenge von 3,7 Mio TEU (Standardcontainer) heute<br />

auf 8,7 Mio. anwachsen. Dies bedeute einen Anstieg um 106 Züge. In Wilhelmshaven<br />

komme der JadeWeserPort noch hinzu. Sie gingen davon aus, dass dieser 2011 in Betrieb<br />

gehen könne. Dort würden dann 2,7 Mio. TEU (Standardcontainer) umgeschlagen, was<br />

sich dann in 48 zusätzliche Züge ausdrücke. Auch der größte Binnenhafen Duisburg<br />

wachse. Einerseits nehme der Kohleverkehr zu. Andererseits werde Duisburg, so die<br />

Prognosen, eine neue Drehscheibe für die ARA-Häfen darstellen. Insgesamt führen etwa<br />

400 Züge aus den Häfen zusätzlich heraus. 75 Prozent davon seien in der Nord-Süd-<br />

Relation. Dies sei eine überraschende Erkenntnis gewesen, da man ursprünglich davon<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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ausgegangen sei, dass die Ströme Richtung Osten deutlich stärker zunehmen würden als<br />

in Richtung Süden.<br />

Um das vorhandene Netz besser nutzen zu können, seien kleinere Maßnahmen dringend<br />

erforderlich, die kurzfristig wirkten. Sie hätten eine Gesamtliste von etwa 100 Maßnahmen<br />

mit einem Volumen von 300 Mio. Euro zusammengestellt. Hierzu gehörten u. a. die<br />

Blockverdichtung zwischen Hamburg und Harburg und die Verbindungskurve Richtung<br />

Bremen. Sinnvoll sei eine Sammelfinanzierungsvereinbarung, damit dies schnell abgearbeitet<br />

werden könne. Bis 2015 würden 1,5 Mrd. Euro per anno benötigt. Es fehlten in den<br />

nächsten Jahren rund 500 Mio. Euro. Erforderlich sei auch eine Anschubfinanzierung für<br />

die Planung.<br />

Das „Ypsilon“ sei 2015 dringend erforderlich, da ansonsten kein Wachstum der Häfen<br />

mehr möglich sei. Eine vernünftige Alternative zum „Ypsilon“ gebe es nicht. Der<br />

mehrgleisige Ausbau über Lüneburg sei deshalb nicht sinnvoll, weil damit ignoriert würde,<br />

dass es einen Zuwachs in Bremerhaven, Bremen und Wilhelmshaven gäbe, wo dann<br />

aber keine Entlastung stattfinde. Zudem sei in einem Raumordnungsverfahren vor etwa<br />

acht bis zehn Jahren bei einem Vergleich der unterschiedlichen Varianten festgestellt worden,<br />

dass das „Ypsilon“ die am ehesten verträgliche Variante sei.<br />

Wenn man die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen nicht durchführe, sei mit Restriktionen<br />

was die Zugläufe anbelange zu rechnen. Dann könne nicht zu jeder Zeit, die der<br />

Markt fordere, gefahren werden. Es sei nicht absehbar, ob der Markt dies annehme. Alternativen<br />

seien geprüft aber verworfen worden. So bringe eine Harmonisierung der Geschwindigkeiten<br />

nicht die erforderliche Entlastung. Die Einführung eines alternierenden<br />

Haltens im Nahverkehr sei politisch nicht durchsetzbar, da der Bevölkerung dann nur<br />

noch 50 Prozent an Halten angeboten würden. Auf der Rheinachse sei nun ein Versuchsprogramm<br />

mit 1000-Meter-Zügen begonnen worden. Es seien aber weder 1000 Meter Ü-<br />

berholgleise noch Anlagen, um einen 100-Meter-Zug bilden zu können, vorhanden. Dies<br />

sei daher auch keine Maßnahme, die sich für eine kurzfristige Entlastung eigne, sondern<br />

möglicherweise eine langfristige Maßnahme auf internationaler Ebene.<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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Expertengespräch zum Thema „Zustand des Schienennetzes im Verkehrsgebiet des<br />

Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB)“ mit Hans-Werner Franz, Geschäftsführer<br />

des VBB am 24. Oktober 2007<br />

Der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) erläuterte in der<br />

Sitzung am 24. Oktober 2007 die Ergebnisse einer vom VBB durchgeführten Netzzustandsanalyse.<br />

Anlass für diese Analyse sei gewesen, dass in den letzten Jahren zunehmend<br />

Qualitätsmängel im Netz festgestellt worden seien, dass man aber von der DB Netz<br />

keine Informationen über das Netz habe bekommen können.<br />

Hans-Werner Franz führte aus, dass die Netzzustandsanalyse zu dem Ergebnis gelangt sei,<br />

dass auf 16 Prozent des Netzes 662 Langsamfahrstellen vorhanden seien. 7 Prozent der<br />

Strecke seien in einem schlechten Zustand. Damit bestehe ein Reisezeitverlust auf der<br />

Schiene in Berlin-Brandenburg von über 5000 Stunden und über 7 Prozent. Es bestünde<br />

ein krasser Widerspruch zu den Angaben der DB Netz AG. Diese gebe nämlich an, dass<br />

das Netz in Berlin-Brandenburg lediglich 35 Langsamfahrstellen aufweise und dass der<br />

Fahrzeitverlust nur 2,4 Prozent betrage. Aus Sicht des VBB werde der Zustand des Netzes<br />

durch die DB Netz AG beschönigt.<br />

Auf einzelnen Strecken gebe es extreme Verschlechterungen im Netz. Die größten Probleme<br />

seien bei den Verbindungen vorhanden, die in die Großstädte am Rande der Republik<br />

führten, wie etwa nach Cottbus, Dresden oder nach Frankfurt an der Oder. 1993 habe<br />

die Fahrzeit auf der Strecke Berlin-Dresden 1 Stunde und 51 Minuten betragen, heute<br />

betrage die Fahrzeit 2 Stunden und 5 Minuten. Ohne Mängel würde die Fahrt 1 Stunde<br />

und 42 Minuten dauern. Die Fahrzeitverlängerung habe höhere Betriebskosten zur Folge,<br />

die er auf 10 Prozent schätze.<br />

Probleme zeigten sich bei den Unterhaltungsmaßnahmen, die nicht in dem ausreichenden<br />

Maße erfolgten, am Oberbau, am Unterbau, an den Weichen, die nicht ausreichend gewartet<br />

seien, an der Signaltechnologie und auch an der Art, wie trassiert werde. Durch die<br />

mangelnde Weichenwartung entstünde ein Fahrtzeitverlust von zwanzig Prozent, mangelhafte<br />

Brücken hätten einen Fahrzeitverlust von zwölf Prozent zur Folge.<br />

Die DB lege eine andere Berechnungsweise als der VBB, nämlich den theoretischen Fahrzeitverlust,<br />

zugrunde. Hierbei würden tatsächlich gefahrene Geschwindigkeiten,<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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Abbrems- und Anfahrwege nicht berücksichtigt. Dies sei unrealistisch. Zudem würden bei<br />

der Berechnung der DB nur die Stellen einbezogen, die seit dem letzten Fahrplanwechsel<br />

entstanden seien. Schadhafte Stellen, die zum Teil bereits seit Jahren bzw. Jahrzehnten bestünden,<br />

blieben auf diese Weise unberücksichtigt. Problematisch hieran sei vor allem,<br />

dass die Bahn sich auch in öffentlichen Verlautbarungen hierauf beziehe und verkünde,<br />

dass der Gesamtfahrzeitverlust im deutschen Netz nur bei zwei Prozent liege. Irritierend<br />

sei zudem, dass die DB Netz selbst nur ein Pünktlichkeitsziel von 93 Prozent habe. Der<br />

Fahrplan müsse so kalkuliert werden, dass man zu 100 Prozent pünktlich fahre.<br />

Es sei nicht nachzuvollziehen, warum das öffentliche Eisenbahnnetz von der DB Netz AG<br />

als geheime Kommandosache behandelt werde und keine Informationen zu erhalten seien.<br />

Diese habe Probleme zur Folge, weil der Fahrplan vom VBB bereits ein Jahr vorher bestellt<br />

würde, man aber definitiv nicht sagen könne, in welchem Zustand dann der Fahrplan<br />

gefahren werde. Die Konsequenz hieraus sei gewesen, dass eine Strecke ein halbes Jahr<br />

mit Busersatzverkehr habe gefahren werden müssen, weil der Fahrplan nicht zu halten<br />

gewesen sei. Erschwerend käme hinzu, dass bei der DB Netz kaum noch jemand vorhanden,<br />

der einen Fahrplan rechnen könne. In den letzten 10 Jahren habe man dort rund 60<br />

Prozent des Personals abgebaut. Dadurch sei es bei Störungen kaum noch möglich,<br />

schnell darauf zu reagieren und Störungen abzustellen. In der Region seien die Mittel der<br />

DB Netz stark zurückgefahren worden. Die Unterhaltsmittel seien mehr als halbiert worden.<br />

Auch die Investitions- und Planungsmittel seien verringert worden, so dass die Aufgaben,<br />

die erforderlich wären, um die Qualität zu halten, gar nicht mehr durchgeführt<br />

werden könnten. Es sei bei ihnen der Eindruck entstanden, dass bei der DB nur wenig Interesse<br />

bestehe, die Nebenstrecken zu erhalten. Vielmehr habe in den letzen Jahren ein<br />

massiver Rückbau im Netz stattgefunden. Der Rückbau von Überholgleisen z.B. habe zur<br />

Folge, dass internationale Güterzüge Vorrang hätten und es hierdurch – mangels Überholgleise<br />

– zu erheblichen Verspätungen komme. Insgesamt bestehe der Eindruck, dass weniger<br />

Geld in das Netz in Brandenburg fließe, als an Trassennutzungsgebühren gezahlt<br />

werde.<br />

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Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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6. Zwischenergebnis<br />

18<br />

Ein aussagekräftiger Netzzustandsbericht ist zum einen wesentlicher Bezugspunkt für die<br />

mit der DB zu schließende Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Er hat aber auch<br />

für die nicht bundeseigenen Eisenbahnen zentrale Bedeutung, um einen gerechten Wettbewerb<br />

auf der Schiene herstellen zu können. Dies ist in den Gesprächen mit Dr. Martin<br />

Henke vom VDV und Hans-Werner Franz vom VBB noch einmal ausdrücklich unterstrichen<br />

worden.<br />

In einem konstruktiven Gespräch des Unterausschusses mit Vertretern der DB Netz AG<br />

und des BMVBS wurde die Problematik eines Netzzustandsberichtes intensiv erörtert. Die<br />

Vertreter der DB Netz AG, Dr. Volker Kefer und Oliver Kraft, gaben einen Einblick in<br />

die zu erwartende Struktur des Berichts, in wesentliche Zwischenergebnisse sowie auch in<br />

die noch bestehenden Divergenzen. In diesem Zusammenhang wurden von Seiten der<br />

Mitglieder des Unterausschusses Anforderungen an den Bericht formuliert. Das BMVBS<br />

hat zugesagt, dass in den nächsten Wochen der Netzzustandsbericht in einer veränderten<br />

Form vorgelegt wird. Sobald der Bericht in seiner endgültigen Fassung übermittelt worden<br />

ist, wird darüber zu diskutieren sein, ob dieser akzeptabel ist.<br />

Es bestand ein allgemeiner Konsens der befragten Experten, dass die bisher gesetzten Prioritäten<br />

neu überdacht werden müssen und dass eine Unterfinanzierung bei der Bahn besteht.<br />

Im Hafenhinterlandverkehr haben wir bereits heute die Prognosezahl erreicht, die<br />

für 2015 vorhergesagt war. Aufgrund der Beratungen des Unterausschusses „Eisenbahninfrastruktur“<br />

ist eine verbesserte Hinterlandanbindung der Seehäfen als vordringlich erkannt<br />

worden. Die sehr erfreuliche Entwicklung der Häfen macht es erforderlich, in erheblichem<br />

Umfang investive Mittel bereitzustellen. Konsequenzen sind bereits von den<br />

Fraktionen der großen Koalition gezogen worden. Diese haben im Hauptausschuss einen<br />

Antrag zum Haushalt 2008 vorgelegt, im dem die „Bottlenecks“, die Priorisierung und die<br />

Planung der zukünftigen Hinterlandverkehre thematisiert worden ist. Dies hat zur Folge<br />

gehabt, dass im Haushalt 2008 in einem neuen Titel erstmalig insgesamt 255 Millionen €<br />

für das Programm „Seehafenhinterlandverkehr zur Beseitigung von Engpässen im Güterverkehr“<br />

bereitgestellt worden sind. Da dies allerdings erst ein erster Schritt ist, um die


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<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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sogenannten „Bottlenecks“ zu beseitigen, wird es hier auch in Zukunft weiterer Anstrengungen<br />

zur Lösung der Probleme bedürfen.<br />

7. Ausblick<br />

19<br />

Für die zukünftige Arbeit sieht der Unterausschuss „Eisenbahninfrastruktur“ die Bearbeitung<br />

folgender Themen als vordringlich an:<br />

Thema „Bahnhöfe“: Hier bestehen deutschlandweit massive Probleme. Zum einen geht es<br />

um den Erhaltungszustand, zum anderen aber auch um die Vorgehensweise beim Verkauf<br />

der Bahnhöfe (wie etwa die Dauer eines Verkaufs). Diskutiert werden sollte in diesem Zusammenhang,<br />

ob der Stadtentwicklung beim Verkauf von bahneigenem Gelände eine höhere<br />

Priorität eingeräumt werden könnte. Wesentlich wäre aber auch eine Bedarfsabschätzung<br />

für die Zukunft. Das Thema sollte Bahnhöfe, Bahngelände, Empfangsgebäude und<br />

Haltepunkte umfassen.<br />

Thema Immobilienzuordnung und Gleise: Zu erörtern wird hier die Frage der Zuordnung<br />

der Immobilien sein, was man mit nicht mehr benötigten Gleisen macht und welcher Bedarf<br />

hier in Zukunft besteht.<br />

Thema „Energieversorgung“: Bei dem Thema wird es darum gehen, Grundinformationen<br />

über die Rahmenbedingungen sowie auch zur Preisberechnung zu erhalten. Es ist geplant,<br />

hierzu die DB Energie einzuladen.<br />

Thema „Netzzustand“: Hierbei wird es um die Fragen gehen, was aus der Initiative Pro<br />

Netz geworden ist und welche weiteren Maßnahmen von der DB Netz AG zur Behebung<br />

von Defiziten auf dem bestehenden Schienennetz ergriffen werden. Praktische Erkenntnisse<br />

sollen bei der Teilnahme der Unterausschussmitglieder an einer Testfahrt gewonnen<br />

werden.<br />

Thema Netzentwicklung: Es sollte die Frage diskutiert werden, wie man künftig Netzentwicklung<br />

steuern und kontrollieren will. Ziel könnte hierbei die Verständigung auf eine<br />

Entwicklungsstrategie Infrastruktur sein.


Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Zwischenbericht</strong> des Unterausschusses<br />

Eisenbahninfrastruktur<br />

15.01.2008<br />

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Thema „Trassen“: Zu erörtern wird bei diesem Thema sein, ob es eine stärke Transparenz<br />

bei der Verwendung der Trassenentgelte geben sollte, um hieraus Rückschlüsse für die<br />

Weiterentwicklung der Netzinfrastruktur ziehen zu können. Bei dem zu dem Thema<br />

„Trassen“ gehörenden Aspekt des Diskriminierungspotentials sollte die Bundesnetzagentur<br />

mit einbezogen werden.<br />

Thema „Priorisierung“: In Hinblick auf die Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes<br />

2009/2010 muss eine Priorisierung vorgenommen werden. Hier sollte die Hinterlandanbindung,<br />

wie im Unterausschuss besprochen, Berücksichtigung finden. Mit Blick auf die<br />

im Unterausschuss festgestellte Notwendigkeit, weitere investive Mittel für die Bahn bereitzustellen,<br />

muss an dieser Problematik weitergearbeitet werden.<br />

Thema „Lärmschutz“: Bei diesem Themenkomplex wird gemeinsam mit der DB AG die<br />

Frage zu erörtern sein, ob das bisher angewandte Verfahren noch gangbar ist.<br />

Thema „Bundesmittel für nichtbundeseigenen Bahnen“: Mit diesem Thema wird ein Sonderproblem<br />

angesprochen. Es geht um die Beschwerde von nichtbundeseigenen Bahnen,<br />

die eine eigene Infrastruktur betreiben, dass sie keine Bundesmittel erhalten.<br />

Verfassen eines gemeinsamen Abschlussberichtes: Ziel der Arbeit des Unterausschusses<br />

ist die Abfassung eines gemeinsamen Abschlussberichtes an den Hauptausschuss.<br />

20<br />

Enak Ferlemann, MdB

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