Theodor Fontane - Effi Briest
Theodor Fontane - Effi Briest
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<strong>Theodor</strong> <strong>Fontane</strong> − <strong>Effi</strong> <strong>Briest</strong><br />
»Ja, dumm ist es«, sagte Dagobert kleinlaut.<br />
»Dumm und unpassend und kann einem Berlin ordentlich verleiden. Da geht man nun aus Kessin fort, um<br />
wieder unter Menschen zu sein, und das erste, was man hört, ist ein Bibelwitz. Auch Mama schweigt, und das<br />
sagt genug. Ich will dir aber doch den Rückzug erleichtern ...«<br />
»Das tu, Cousine.«<br />
» ... den Rückzug erleichtern und es ganz ernsthaft als ein gutes Zeichen nehmen, daß mir, als erstes hier, von<br />
meinem Vetter Dagobert gesagt wurde: 'Leid soll mir nicht widerfahren.' Sonderbar, Vetter, so schwach die<br />
Sache als Witz ist, ich bin dir doch dankbar dafür.«<br />
Dagobert, kaum aus der Schlinge heraus, versuchte über <strong>Effi</strong>s Feierlichkeit zu spötteln, ließ aber ab davon, als<br />
er sah, daß es sie verdroß.<br />
Bald nach zehn Uhr brach er auf und versprach, am anderen Tage wiederzukommen, um nach den Befehlen<br />
zu fragen.<br />
Und gleich nachdem er gegangen, zog sich auch <strong>Effi</strong> in ihre Zimmer zurück.<br />
Am andern Tage war das schönste Wetter, und Mutter und Tochter brachen früh auf, zunächst nach der<br />
Augenklinik, wo <strong>Effi</strong> im Vorzimmer verblieb und sich mit dem Durchblättern eines Albums beschäftigte.<br />
Dann ging es nach dem Tiergarten und bis in die Nähe des »Zoologischen«, um dort herum nach einer<br />
Wohnung zu suchen. Es traf sich auch wirklich so, daß man in der Keithstraße, worauf sich ihre Wünsche von<br />
Anfang an gerichtet hatten, etwas durchaus Passendes ausfindig machte, nur daß es ein Neubau war, feucht<br />
und noch unfertig. »Es wird nicht gehen, liebe <strong>Effi</strong>«, sagte Frau von <strong>Briest</strong>, »schon einfach<br />
Gesundheitsrücksichten werden es verbieten. Und dann, ein Geheimrat ist kein Trockenwohner. «<br />
<strong>Effi</strong>, so sehr ihr die Wohnung gefiel, war um so einverstandener mit diesem Bedenken, als ihr an einer<br />
raschen Erledigung überhaupt nicht lag, ganz im Gegenteil: »Zeit gewonnen, alles gewonnen«, und so war ihr<br />
denn ein Hinausschieben der ganzen Angelegenheit eigentlich das Liebste, was ihr begegnen konnte. »Wir<br />
wollen diese Wohnung aber doch im Auge behalten, Mama, sie liegt so schön und ist im wesentlichen das,<br />
was ich mir gewünscht habe.« Dann fuhren beide Damen in die Stadt zurück, aßen im Restaurant, das man<br />
ihnen empfohlen, und waren am Abend in der Oper, wozu der Arzt unter der Bedingung, daß Frau von <strong>Briest</strong><br />
mehr hören als sehen wolle, die Erlaubnis gegeben hatte.<br />
Die nächsten Tage nahmen einen ähnlichen Verlauf; man war aufrichtig erfreut, sich wiederzuhaben und nach<br />
so langer Zeit wieder ausgiebig miteinander plaudern zu können. <strong>Effi</strong>, die sich nicht bloß auf Zuhören und<br />
Erzählen, sondern, wenn ihr am wohlsten war, auch auf Medisieren ganz vorzüglich verstand, geriet mehr als<br />
einmal in ihren alten Übermut, und die Mama schrieb nach Hause, wie glücklich sie sei, das »Kind« wieder so<br />
heiter und lachlustig zu finden; es wiederhole sich ihnen allen die schöne Zeit von vor fast zwei Jahren, wo<br />
man die Ausstattung besorgt habe. Auch Vetter <strong>Briest</strong> sei ganz der alte. Das war nun auch wirklich der Fall,<br />
nur mit dem Unterschied, daß er sich seltener sehen ließ als vordem und auf die Frage nach dem »Warum«<br />
anscheinend ernsthaft versicherte: »Du bist mir zu gefährlich, Cousine.« Das gab dann jedesmal ein Lachen<br />
bei Mutter und Tochter, und <strong>Effi</strong> sagte: »Dagobert, du bist freilich noch sehr jung, aber zu solcher Form des<br />
Courmachers doch nicht mehr jung genug.«<br />
So waren schon beinahe vierzehn Tage vergangen. Innstetten schrieb immer dringlicher und wurde ziemlich<br />
spitz, fast auch gegen die Schwiegermama, so daß <strong>Effi</strong> einsah, ein weiteres Hinausschieben sei nicht mehr gut<br />
möglich und es müsse nun wirklich gemietet werden. Aber was dann? Bis zum Umzug nach Berlin waren<br />
immer noch drei Wochen, und Innstetten drang auf rasche Rückkehr. Es gab also nur ein Mittel: Sie mußte<br />
wieder eine Komödie spielen, mußte krank werden.<br />
Das kam ihr aus mehr als einem Grunde nicht leicht an; aber es mußte sein, und als ihr das feststand, stand ihr<br />
auch fest, wie die Rolle, bis in die kleinsten Einzelheiten hinein, gespielt werden müsse.<br />
»Mama, Innstetten, wie du siehst, wird über mein Ausbleiben empfindlich. Ich denke, wir geben also nach<br />
und mieten heute noch. Und morgen reise ich. Ach, es wird mir so schwer, mich von dir zu trennen.«