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Theodor Fontane - Effi Briest

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<strong>Theodor</strong> <strong>Fontane</strong> − <strong>Effi</strong> <strong>Briest</strong><br />

<strong>Effi</strong> war ganz still geworden. Endlich sagte sie: »Crampas, das ist in seiner Art sehr schön, und weil es sehr<br />

schön ist, will ich es Ihnen verzeihen. Aber Sie könnten doch Besseres und zugleich mir Lieberes tun, wenn<br />

Sie mir andere Geschichten erzählten. Auch von Heine. Heine wird doch nicht bloß von Vitzliputzli und Don<br />

Pedro und Ihrem Rollo − denn meiner hätte so was nicht getan − gedichtet haben. Komm, Rollo! Armes Tier,<br />

ich kann dich gar nicht mehr ansehen, ohne an den Kalatravaritter zu denken, den die Königin heimlich liebte<br />

... Rufen Sie, bitte, Kruse, daß er die Sachen hier wieder in die Halfter steckt, und wenn wir zurückreiten,<br />

müssen Sie mir was anderes erzählen, ganz was anderes. «<br />

Kruse kam. Als er aber die Gläser nehmen wollte, sagte Crampas: »Kruse, das eine Glas, das da, das lassen<br />

Sie stehen. Das werde ich selber nehmen.«<br />

»Zu Befehl, Herr Major.«<br />

<strong>Effi</strong>, die dies mit angehört hatte, schüttelte den Kopf. Dann lachte sie. »Crampas, was fällt Ihnen nur<br />

eigentlich ein? Kruse ist dumm genug, über die Sache nicht weiter nachzudenken, und wenn er darüber<br />

nachdenkt, so findet er glücklicherweise nichts. Aber das berechtigt Sie doch nicht, dies Glas, dies<br />

Dreißigpfennigglas aus der Josefinenhütte ...«<br />

»Daß Sie so spöttisch den Preis nennen, läßt mich seinen Wert um so tiefer empfinden.«<br />

»Immer derselbe. Sie haben so viel von einem Humoristen, aber doch von ganz sonderbarer Art. Wenn ich Sie<br />

recht verstehe, so haben Sie vor − es ist zum Lachen, und ich geniere mich fast, es auszusprechen −, so haben<br />

Sie vor, sich vor der Zeit auf den König von Thule hin auszuspielen.«<br />

Er nickte mit einem Anflug von Schelmerei.<br />

»Nun denn, meinetwegen. Jeder trägt seine Kappe; Sie wissen, welche. Nur das muß ich Ihnen doch sagen<br />

dürfen, die Rolle, die Sie mir dabei zudiktieren, ist mir zu wenig schmeichelhaft. Ich mag nicht als Reimwort<br />

auf Ihren König von Thule herumlaufen. Behalten Sie das Glas, aber bitte, ziehen Sie nicht Schlüsse daraus,<br />

die mich kompromittieren. Ich werde Innstetten davon erzählen.«<br />

»Das werden Sie nicht tun, meine gnädigste Frau.« »Warum nicht?«<br />

»Innstetten ist nicht der Mann, solche Dinge so zu sehen, wie sie gesehen sein wollen.«<br />

Sie sah ihn einen Augenblick scharf an. Dann aber schlug sie verwirrt und fast verlegen die Augen nieder.<br />

Achtzehntes Kapitel<br />

<strong>Effi</strong> war unzufrieden mit sich und freute sich, daß es nunmehr feststand, diese gemeinschaftlichen Ausflüge<br />

für die ganze Winterdauer auf sich beruhen zu lassen. Überlegte sie, was während all dieser Wochen und Tage<br />

gesprochen, berührt und angedeutet war, so fand sie nichts, um dessentwillen sie sich direkte Vorwürfe zu<br />

machen gehabt hätte. Crampas war ein kluger Mann, welterfahren, humoristisch, frei, frei auch im Guten, und<br />

es wäre kleinlich und kümmerlich gewesen, wenn sie sich ihm gegenüber aufgesteift und jeden Augenblick<br />

die Regeln strengen Anstandes befolgt hätte. Nein, sie konnte sich nicht tadeln, auf seinen Ton eingegangen<br />

zu sein, und doch hatte sie ganz leise das Gefühl einer überstandenen Gefahr und beglückwünschte sich, daß<br />

das alles nun mutmaßlich hinter ihr läge. Denn an ein häufigeres Sichsehen en famille war nicht wohl zu<br />

denken, das war durch die Crampasschen Hauszustände so gut wie ausgeschlossen, und Begegnungen bei den<br />

benachbarten adligen Familien, die freilich für den Winter in Sicht standen, konnten immer nur sehr vereinzelt<br />

und sehr flüchtige sein. <strong>Effi</strong> rechnete sich dies alles mit wachsender Befriedigung heraus und fand schließlich,<br />

daß ihr der Verzicht auf das, was sie dem Verkehr mit dem Major verdankte, nicht allzu schwer ankommen<br />

würde. Dazu kam noch, daß Innstetten ihr mitteilte, seine Fahrten nach Varzin würden in diesem Jahre<br />

fortfallen: der Fürst gehe nach Friedrichsruh, das ihm immer lieber zu werden scheine; nach der einen Seite<br />

hin bedauere er das, nach der anderen sei es ihm lieb − er könne sich nun ganz seinem Hause widmen, und<br />

wenn es ihr recht wäre, so wollten sie die italienische Reise, an der Hand seiner Aufzeichnungen, noch einmal<br />

durchmachen. Eine solche Rekapitulation sei eigentlich die Hauptsache, dadurch mache man sich alles erst

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