Neurologie - Skript - RadarContact.de
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1<br />
<strong>Neurologie</strong> - <strong>Skript</strong><br />
Amyotrophische Lateralsklerose (ALS)<br />
Aphasie<br />
BROWN-SÉQUARD-Syndrom<br />
Chorea HUNTINGTON<br />
Dystone Syndrome<br />
Epilepsie<br />
FRIEDREICH-Ataxie<br />
Funikuläre Myelose<br />
Gesichtsschmerz<br />
Herpes-simplex-Enzephalitis<br />
Kopfschmerz<br />
LAMBERT-EATON-Syndrom<br />
Morbus WILSON<br />
Multiple Sklerose (MS)<br />
Muskeldystrophie<br />
Myasthenie<br />
Myositis<br />
Myotone Dystrophie<br />
Olivopontozerebelläre Atrophie (OPCA)<br />
PARKINSON-Syndrom<br />
Poliomyelitis<br />
Polyneuropathie (PNP)<br />
Schlaganfall<br />
Schwin<strong>de</strong>l<br />
Spastische Spinalparalyse<br />
Spinale Muskelatrophie (SMA)<br />
Spinalis-anterior-Syndrom<br />
Subarachnoidalblutung (SAB)<br />
Syringomyelie<br />
Zervikale Myelopathie<br />
ANHANG<br />
Liquordiagnostik<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
Quellenangaben<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
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2<br />
Amyotrophische Lateralsklerose (ALS)<br />
Amyotrophe / myatrophische Lateralsklerose, Motor Neuron Disease (MND), Morbus CHARCOT<br />
Definition<br />
Progressive <strong>de</strong>generative Erkrankung <strong>de</strong>s 1. und 2. motorischen Neurons unbekannter Ätiologie, die zu<br />
<strong>de</strong>generativen Verän<strong>de</strong>rungen motorischer Anteile <strong>de</strong>s zentralen (Gyrus precentralis, motorischer Hirnnervenkerne,<br />
Pyrami<strong>de</strong>nbahn, Vor<strong>de</strong>rhorn) und peripheren Nervensystems (motorischer Nerv) sowie zu neurogener<br />
Muskelatrophie führt und unter <strong>de</strong>m Bild progredienter atrophischer Paresen regelmäßig einen letalen Ausgang<br />
nimmt.<br />
Formen:<br />
• sporadische Form (häufigste Form)<br />
• familiäre Form (5-10%)<br />
• en<strong>de</strong>mische Form (sog. Westpazifik-Form)<br />
• symptomatische Formen<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
• Inzi<strong>de</strong>nz: 1-1,8 Erkrankungen / 100.000 Einwohner / Jahr<br />
• Prävalenz: 5 Erkrankungen / 100.000 Einwohner<br />
• Bevorzugung <strong>de</strong>s männlichen Geschlechtes (Männer : Frauen = 1,2-2 : 1)<br />
• Altersgipfel: 56. Lebensjahr<br />
Ätiologie<br />
• weitgehend unbekannt<br />
o en<strong>de</strong>mische Form (Guam): gehäufte Assoziation mit präseniler Demenz und PARKINSON-Syndrom; Slowvirus-Infektion?<br />
o symptomatische Formen: paraneoplastisch, monoklonale Gammopathie, Lues spinalis, Elektrotrauma <strong>de</strong>s<br />
Rückenmarks<br />
Der <strong>de</strong>generative Prozeß bei ALS kann auf je<strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>s motorischen Systems (1. o<strong>de</strong>r 2. motorisches Neuron)<br />
beginnen.<br />
Pathologie<br />
• Atrophie von Gyrus precentralis und <strong>de</strong>r motorischen Hirnnervenkerne<br />
• Degeneration <strong>de</strong>r Pyrami<strong>de</strong>nbahn mit Verschmälerung von Medulla und Rückenmark<br />
• Degeneration <strong>de</strong>r ? -Motoneurone <strong>de</strong>s Rückenmarkvor<strong>de</strong>rhorns (? -Motoneurone wer<strong>de</strong>n später und schwächer<br />
betroffen), abnorm dünne Vor<strong>de</strong>rwurzeln<br />
• neurogene Muskelatrophie<br />
• selten: Befall nicht-motorischer Strangsysteme, <strong>de</strong>generative Verän<strong>de</strong>rungen von Stammganglien und Kleinhirn<br />
Klinik<br />
Die Symptomatik <strong>de</strong>r ALS ist gekennzeichnet durch eine Kombination aus zentralen Paresen, Bulbärparalyse<br />
und spinaler Muskelatrophie; es han<strong>de</strong>lt sich bei <strong>de</strong>r ALS jedoch nicht um ein zufälliges Zusammentreffen dieser<br />
Symptomenkomplexe, son<strong>de</strong>rn um eine eigenständige Erkrankung. Sensibilitätsstörungen gehören nicht zum Bild<br />
<strong>de</strong>r ALS.<br />
Symptom<br />
spastische Paresen (v.a. <strong>de</strong>r unteren Extremität),<br />
gesteigerte Eigenreflexe, pathologische Fremdreflexe<br />
(BABINSKI-Zeichen)<br />
Dysarthrie, Dysphagie, gesteigerter Masseterreflexes,<br />
Ausfall <strong>de</strong>r mimischen Muskulatur, Faszikulieren<br />
schlaffe Parese, Ausfall von Eigenreflexen,<br />
Muskelatrophie, Faszikulieren<br />
Ursache<br />
zentrale Paresen (Schädigung <strong>de</strong>s 1. motorischen<br />
Neurons)<br />
Bulbärparalyse (Schädigung <strong>de</strong>s 2. motorischen<br />
Neurons)<br />
spinale Muskelatrophie (Schädigung <strong>de</strong>s 2.<br />
motorischen Neurons)<br />
Verlauf<br />
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3<br />
Am Anfang <strong>de</strong>r Erkrankung stehen häufig fokale atrophische Paresen <strong>de</strong>r Muskulatur v.a. <strong>de</strong>r oberen (40%) o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r unteren (30%) Extremität, wobei distale Gliedmaßenabschnitte bevorzugt befallen wer<strong>de</strong>n (typisch: Befall <strong>de</strong>r<br />
kleinen Handmuskeln). Diese machen sich initial oft nur in Form einer Muskelschwäche bemerkbar, ohne daß die<br />
Atrophien selbst bemerkt wer<strong>de</strong>n. Der Befall ist zunächst normalerweise einseitig, beim selteneren proximalen<br />
Beginn dagegen beidseitig; ein Rumpfmuskelbefall ist selten Erstsymptom. Unabhängig von <strong>de</strong>r<br />
Primärlokalisation breiten sich Schwäche und Atrophien in <strong>de</strong>r Folge in benachbarte, noch intakte<br />
Muskelgruppen aus. Bei distalem Beginn an <strong>de</strong>n Extremitäten folgt auf die Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s Prozesses nach<br />
proximal ein Überspringen auf die Muskeln <strong>de</strong>r kontralateralen Gliedmaße, die in analoger Reihenfolge paretisch<br />
wird, bevor schließlich auch an<strong>de</strong>re Körperregionen ergriffen wer<strong>de</strong>n. In 25% <strong>de</strong>r Fälle beginnt die Erkrankung mit<br />
Zeichen <strong>de</strong>r Bulbärparalyse, wobei anfänglich insbeson<strong>de</strong>re Zungen-, Pharynx- und Gaumenmuskulatur betroffen<br />
sind, meist in symmetrischer Ausprägung. Zentrale (kortikospinale) Symptome stehen zu Beginn selten im<br />
Vor<strong>de</strong>rgrund, sind aber obligat zum Nachweis einer ALS, v.a. zur Abgrenzung gegenüber <strong>de</strong>r spinalen<br />
Muskelatrophie. So ist in nur 2% eine isolierte spastische Parese Erstsymptom <strong>de</strong>r Erkrankung. Im Verlauf <strong>de</strong>r<br />
Erkrankung wird allerdings bei 20% <strong>de</strong>r Erkrankten eine merkliche spastische Tonuserhöhung <strong>de</strong>r Muskulatur<br />
nachweisbar, 30-40% zeigen pathologische Reflexe (BABINSKI-Zeichen). Das empfindlichste Zeichen für eine<br />
zentrale Beteiligung sind gesteigerte Eigenreflexe, zunächst evtl. beschränkt auf paretische Regionen. Im<br />
Krankheitsverlauf kann ebenso eine anfängliche Abschwächung <strong>de</strong>r Eigenreflexe (Schädigung <strong>de</strong>s 2. Neurons)<br />
von einer Reflexsteigerung (Schädigung <strong>de</strong>s 1. motorischen Neurons) abgelöst wer<strong>de</strong>n wie auch umgekehrt. Im<br />
Verlauf kann sich außer<strong>de</strong>m eine Pseudobulbärparalyse (= Schädigung zentraler Neurone, die die motorischen<br />
Hirnnervenkerne innervieren) einstellen, die sich durch Dysarthrie und Dysphagie bei gut erhaltener<br />
Zungentrophik und durch einen gesteigerten Masseterreflex äußern kann. In diesem Zusammenhang können sich<br />
auch Symptome wie pathologisches Lachen, Weinen o<strong>de</strong>r Gähnen als Zeichen einer enthemmten motorischen<br />
Hirnstammfunktion einstellen. Je nach Progredienz tritt <strong>de</strong>r Tod, meist infolge respiratoris cher Insuffizienz, nach 6<br />
Monaten bis zu 30 Jahren ein. Die durchschnittliche Krankheitsdauer beträgt ungefähr 7 Jahre. Das Auftreten <strong>de</strong>r<br />
Bulbärparalyse ist ein prognostisch ungünstiges Zeichen und limitiert die Lebenserwartung auf durchschnittlich 2<br />
Jahre.<br />
Elektrophysiologie<br />
• Riesenpotentiale (> 10 mV): Folge <strong>de</strong>r Bildung größerer motorischer Einheiten aufgrund <strong>de</strong>r<br />
Aussprosssung von Kollateralen verbliebener intakter ? -Motoneurone; charakteristisch, aber nicht<br />
pathognomonisch<br />
• pathologische Spontanaktivität, Faszikulationen<br />
• Elektroneurographie: geringe Reduktion <strong>de</strong>r Leitgeschwindigkeit motorischer Nerven bei normaler<br />
Leitgeschwindigkeit sensibler Nerven<br />
Therapie<br />
• eine kausale Therapie ist nicht bekannt<br />
• Anfangsstadium: Krankengymnastik, Anabolika<br />
• Lockerung <strong>de</strong>r Spastik<br />
o Baclofen (Lioresal ® )<br />
o Tizanidin (Sirdalud ® )<br />
• transiente Besserung <strong>de</strong>r Symptomatik bei Gabe von Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) o<strong>de</strong>r<br />
Pyridostigminbromid (Mestinon ® )<br />
• Steigerung <strong>de</strong>r Überlebenszeit durch Gabe <strong>de</strong>s Glutamatantagonisten Riluzol (Rilutek ® )<br />
• bei fortgeschrittener bulbärer Symptomatik: Magenson<strong>de</strong><br />
• bei Ateminsuffizienz: Beatmung<br />
• psychologische Betreuung<br />
Prognose<br />
• durchschnittliche Krankheitsdauer: ca. 7 Jahre<br />
• beim Eintreten bulbärer Symptome ist die Prognose infaust (Lebenserwartung: 2 Jahre)<br />
• Komplikation: Entwicklung einer Aspirationspneumonie infolge Schluckstörung<br />
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4<br />
Definition<br />
Aphasie<br />
Zentrale Sprachstörung nach (weitgehend) abgeschlossener Sprachentwicklung als Folge einer Schädigung <strong>de</strong>r<br />
Sprachregion in <strong>de</strong>r sprachdominanten Hemisphäre (bei <strong>de</strong>n meisten Menschen: linke Hemisphäre).<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
• etwa 250.000 Schlaganfälle/Jahr<br />
Ätiologie<br />
• akute Durchblutungsstörungen im Versorgungsgebiet <strong>de</strong>r A. cerebri media (75-80%)<br />
• Trauma, Tumor, Abszeß (20-25%)<br />
Klinik<br />
BROCA-Aphasie (bei Ischämie im vor<strong>de</strong>ren Anteil <strong>de</strong>s Mediastromgebietes; typischerweise mit einer Hemiparese<br />
kombiniert)<br />
• verlangsamte Sprachproduktion, große Sprechanstrengung<br />
• häufig Dysarthrie<br />
• Prosodie oft nivelliert<br />
• einfache Satzstrukturen, Funktionswörter fehlen (Agrammatismus, "Telegrammstil")<br />
• eng begrenztes Vokabular<br />
• oft phonematische Paraphasien<br />
• selten semantische Paraphasien<br />
• leicht gestörtes Sprachverständnis<br />
WERNICKE-Aphasie (bei Ischämie im hinteren Anteil <strong>de</strong>s Mediastromgebietes; in <strong>de</strong>r Regel ohne Hemiparese,<br />
evtl. jedoch Quadrantenanopsie; häufige Fehldiagnose: akuter Verwirrtheitszustand)<br />
• flüssige Sprachproduktion<br />
• ungestörte Artikulation<br />
• Verdopplung und Verdrehung einzelner Satzteile (Paragrammatismus)<br />
• viele phonematische Paraphasien, Neologismen bis hin zum phonematischen Jargon<br />
• viele semantische Paraphasien bis hin zum semantischen Jargon<br />
• Sprachverständnis stark eingeschränkt<br />
Globale Aphasie<br />
• spärliche bis fehlen<strong>de</strong> Sprachproduktion<br />
• meist dysarthrische Artikulation<br />
• Prosodie oft nivelliert<br />
• nur Einzelworte, Floskeln, Sprachautomatismen<br />
• grob abweichen<strong>de</strong> semantische Paraphasien<br />
• stark gestörtes Sprachverständnis<br />
Amnestische Aphasie<br />
• oft flüssige Artikulation<br />
• meist gut erhaltene Prosodie<br />
• kaum gestörter Satzbau<br />
• Wortfindungsstörungen mit Ersatzstrategien<br />
• einige semantische Paraphasien<br />
• einige phonematische Paraphasien<br />
• leicht gestörtes Sprachverständnis<br />
Störung <strong>de</strong>s Sprachverständnisses<br />
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5<br />
globale Aphasie > WERNICKE-Aphasie > BROCA-Aphasie > amnestische Aphasie<br />
Therapie<br />
• viele Aphasien sind behandlungsbedürftig und einer Therapie zugänglich:<br />
o zunächst stimulieren<strong>de</strong> und <strong>de</strong>blockieren<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n (Ziel: relativ intakte Fähigkeiten zur<br />
Reaktivierung gehörter Sprachleistungen heranziehen)<br />
o bei stabilisiertem Krankheitszustand (nach 3-4 Wochen): störungsspezifische Therapie für 6-12<br />
Monate (Ziel: Besserung stabilisieren, Anwendung zurückgewonnener Sprachleistungen auf<br />
nicht geübtes Material, Einbau erreichter Besserungen in soziale Situationen)<br />
Spinales Halbseitensyndrom (BROWN-SÉQUARD)<br />
Definition<br />
BROWN-SÉQUARD-Syndrom<br />
Seltene neurologische Symptomatik nach halbseitiger Rückenmarkschädigung.<br />
Klinik<br />
Symptom<br />
ipsilaterale spastische Parese unterhalb <strong>de</strong>r<br />
Läsionshöhe<br />
ipsilaterale Störung <strong>de</strong>r Tiefensensibilität (Berührungsund<br />
Lageempfindung)<br />
kontralaterale Störung <strong>de</strong>r Schmerz- und<br />
Temperaturempfindung*<br />
Ursache<br />
Pyrami<strong>de</strong>nbahnschädigung<br />
Hinterstrangschädigung<br />
Schädigung <strong>de</strong>r spinothalamischen Fasern nach<br />
Kreuzung in <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>ren Kommissur<br />
* führt zum Symptom einer halbseitigen dissoziierten Sensibilitätsstörung, da die Hinterstränge (→<br />
Tiefensensibilität) <strong>de</strong>r nicht betroffenen Rückenmarkshälfte intakt sind<br />
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6<br />
Definition<br />
Chorea HUNTINGTON<br />
Chorea major HUNTINGTON, Morbus HUNTINGTON<br />
Autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die neuropathologisch mit einer Hirnatrophie in Form einer rasch<br />
fortschreiten<strong>de</strong>n Degeneration von Kortexstrukturen, <strong>de</strong>s Dienzephalons und v.a. <strong>de</strong>r Basalganglien einhergeht<br />
und klinisch zu choreatischer Hyperkinese und psychiatrischen Verän<strong>de</strong>rungen führt.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
• Inzi<strong>de</strong>nz: 4-8 Erkrankungen / 100.000 Einwohner / Jahr<br />
• Manifestationsalter: 35.-55. Lebensjahr<br />
• keine Geschlechtsbevorzugung<br />
Ätiologie<br />
• autosomal-dominant vererblicher Gen<strong>de</strong>fekt (abnormes HUNTINGTON-Gen auf Chromosom 4p mit<br />
vermehrtem Auftreten von CAG-Trinukleotid-Repeats) → Untergang kleiner Interneurone v.a. im Caput<br />
nuclei caudati und in <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>ren Putamenanteilen, geringer auch im Cortex (Störung <strong>de</strong>s<br />
Neurotransmitterstoffwechsels <strong>de</strong>r ? -Aminobuttersäure?)<br />
• Folge: Affektion <strong>de</strong>r GABAergen Anteile <strong>de</strong>r striatalen Efferenzen, wobei es zu einem Verlust <strong>de</strong>r vom<br />
Striatum normalerweise gegenüber <strong>de</strong>m Pallidum ausgeübten Hemmung kommt ("Enthemmung" <strong>de</strong>r<br />
Motorik)<br />
Klinik<br />
• Bewegungsstörungen:<br />
o Grimmassieren <strong>de</strong>r mimischen Muskulatur<br />
o verwaschene Sprache<br />
o gestörte Kau- und Schluckbewegungen<br />
o Hyperkinese beim Gehen<br />
o Muskelhypotonie<br />
o okulomotorische Störungen (in 50% <strong>de</strong>r Fälle; z.B. vertikale Blickparese)<br />
• psychische Verän<strong>de</strong>rungen: gesteigerte Reizbarkeit, Unverträglichkeit, affektive Enthemmung,<br />
Depressionen<br />
• paranoische I<strong>de</strong>en, paranoi<strong>de</strong> Psychosen (5% <strong>de</strong>r Erkrankten entwickeln eine Schizophrenie)<br />
• Demenz<br />
• Anorexie<br />
Therapie<br />
• keine kausale Therapie bekannt<br />
• symptomatische Behandlung (allenfalls vorübergehen<strong>de</strong> Besserung):<br />
o Hyperkinese: Tiaprid (Dopaminrezeptorantagonist, Tiapri<strong>de</strong>x ® ), Haloperidol (Haldol ® )<br />
o PARKINSON-Syndrom: L-Dopa + Benserazid bzw. Carbidopa<br />
o Anorexie: hochkalorische Ernährung (3.000-4.000 kcal/d o<strong>de</strong>r mehr)<br />
o schizoaffektive Psychosen: Neuroleptika, z.B. Haloperidol<br />
o Depressionen: Maprotilin<br />
Prognose<br />
• Tod nach einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von 12-15 Jahren<br />
• aber: auch Krankheitsverläufe von über 30 Jahren kommen vor<br />
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7<br />
Definition<br />
Dystonien<br />
Störung <strong>de</strong>s Wechsels zwischen Muskelkontraktion und -relaxation mit langanhalten<strong>de</strong>n Muskelkontraktionen,<br />
die sich bei <strong>de</strong>r Initiierung von Willkürbewegungen verstärken.<br />
Formen (nach Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>r Symptomatik):<br />
• generalisierte Dystonien (= Dystonien, die Rumpf und Extremitäten erfassen; rumpfbetonte<br />
Torsionssymptome)<br />
• segmentale Dystonien (= Dystonien, die Kopf und Arm bzw. Arm und Bein einer Seite betreffen)<br />
• fokale Dystonien (= Dystonien in umschriebenen Muskeln bzw. Muskelgruppen, v.a. im Bereich von<br />
Hals - und Gesichtsmuskulatur und <strong>de</strong>r oberen Extremitäten)<br />
o konstante Dystonien: Blepharospasmus, Torticollis spasmodicus<br />
o beschäftigungsinduzierte Dystonien: Schreibkrampf, Musikerkrampf<br />
Formen (nach Ätiologie):<br />
• primäre Dystonien<br />
• sekundäre Dystonien (= Dystonien als Begleitphänomen einer an<strong>de</strong>ren Erkrankung)<br />
Torticollis spasmodicus<br />
Toticollis spasticus<br />
Definition<br />
Kopfschiefstellung infolge Dystonie <strong>de</strong>r Halsmuskulatur (v.a. Mm. sternocleidomastoi<strong>de</strong>us, splenius capitis,<br />
trapezius).<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
• Prävalenz: 250 Fälle / 1.000.000 Einwohner (damit häufigste Dystonie)<br />
• Altersgipfel: 30.-50. Lebensjahr<br />
Ätiologie<br />
• unklar<br />
• Nervenzellschädigung im Bereich <strong>de</strong>s Nucleus caudatus und <strong>de</strong>s Putamen?<br />
Klinik<br />
• anfangs zumeist Schmerzen in <strong>de</strong>r Nackenmuskulatur<br />
• abrupter Beginn o<strong>de</strong>r schleichen<strong>de</strong> Entwicklung <strong>de</strong>r Kopfschiefstellung innerhalb Wochen bis Monaten<br />
Verlauf<br />
Zumeist progrediente Verschlechterung in <strong>de</strong>n ersten Jahren. In 30% <strong>de</strong>r Fälle zeitweise spontane Remissionen<br />
von Tagen bis Jahren Dauer. Auf lange Sicht jedoch Neigung zur Chronifizierung <strong>de</strong>r Symptomatik.<br />
Therapie<br />
• Injektion von Botulinustoxin in die betroffenen Muskeln (Effekt hält etwa ¼ Jahr an, dann erneute<br />
Injektion erfor<strong>de</strong>rlich)<br />
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8<br />
Definition<br />
Epilepsie<br />
Ätiologisch und klinisch heterogene zerebrale Funktionsstörungen mit paroxysmalen Störungen <strong>de</strong>s Sensoriums<br />
und <strong>de</strong>r Motorik, <strong>de</strong>s subjektiven Befin<strong>de</strong>ns und <strong>de</strong>s objektiven Verhaltens, die durch eine plötzliche abnorme<br />
Aktivitätssteigerung <strong>de</strong>s ZNS entstehen.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
• Prävalenz: 0,5-1% <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />
• 5% <strong>de</strong>r Bevölkerung erlei<strong>de</strong>n zumin<strong>de</strong>st einmal im Leben einen Gelegenheitsanfall<br />
• 10% <strong>de</strong>r Gesun<strong>de</strong>n zeigen im EEG Zeichen einer gesteigerten neuronalen Erregbarkeit<br />
Ätiologie<br />
• Klassifikation <strong>de</strong>r Epilepsien:<br />
o idiopathisch: spontane Entstehung ohne erkennbare Ursache<br />
o symptomatisch: Epilepsie als Begleitsymptom einer Grun<strong>de</strong>rkrankung<br />
o kryptogenetisch: Ursache muß vorhan<strong>de</strong>n sein, ist jedoch unbekannt<br />
• anfallsauslösen<strong>de</strong> Faktoren:<br />
o Schlafentzug<br />
o Alkohol und <strong>de</strong>ssen Entzug<br />
o Fieber (im Kleinkindalter)<br />
o Stoffwechselstörungen<br />
o Medikamente o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Entzug<br />
o akute intrazerebrale Prozesse: Trauma, Blutung<br />
Klinik<br />
Einfach-fokale Anfälle<br />
• keine Bewußtseinsstörungen<br />
• keine Amnesie<br />
• fokale motorische, sensible, sensorische (Aura) o<strong>de</strong>r psychische (z.B. „<strong>de</strong>javu“) Symptome<br />
• plötzlicher Beginn und plötzliches En<strong>de</strong><br />
• fokale Symptome von lokalisierter Be<strong>de</strong>utung<br />
o Herd im Gyrus precentralis → motorische Anfälle<br />
o frontaler Herd → Adversivanfälle<br />
Komplex-fokale Anfälle<br />
• mit o<strong>de</strong>r ohne Aura (sensorische o<strong>de</strong>r psychische Symptome)<br />
• Bewußtseinsstörungen<br />
• Amnesie<br />
• Automatismen: Grimassieren, Nesteln, Schmatzen<br />
• plötzlicher Beginn und allmähliches En<strong>de</strong><br />
• oft temporal, aber auch extratemporal<br />
• wenn frontal: eher aggressives Verhalten<br />
Absencen<br />
• starrer, leerer Blick<br />
• Bewußtseinsstörunge, Amnesie<br />
• evtl. Augenbewegung nach oben, Augenblinzeln<br />
• Automatismen<br />
• plötzlicher Beginn und plötzliches En<strong>de</strong><br />
Tonisch-klonische Anfälle<br />
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9<br />
• evtl. fokaler Beginn<br />
• Bewußtseinsverlust<br />
• Sturz<br />
• tonische Phase (ca. 30 sec)<br />
• klonische Phase<br />
• Zungenbiß (eher lateral), Einnässen, Vokalis ation („Initialschrei“)<br />
• plötzlicher Beginn und allmähliches En<strong>de</strong> (Müdigkeit, Nachschlaf, Muskelkater)<br />
Diagnose<br />
• exakte Anamneseerhebung:<br />
o Eigen- und Familienanamnese<br />
o Fremdanamnese<br />
• EEG, evtl. mit Provokation: Schlafentzug, optischer Reiz („Flackerlicht“)<br />
• Bildgebung (CT, MRT): bei je<strong>de</strong>m Patienten mit Verdacht auf epileptischen Anfall<br />
• EKG: Rhythmusstörungen?<br />
• Labordiagnostik: metabolische Störungen (v.a. Diabetes mellitus)<br />
Therapie<br />
• medikamentös<br />
• operativ: bei primär fokalen Epilepsien mit nachweisbarem konstantem epileptogenem Herd (zuvor<br />
Lokalisation)<br />
• Lebensführung:<br />
o regelmäßiger, ausreichen<strong>de</strong>r Schlaf<br />
o kein Alkohol<br />
Standardtherapie mit Antiepileptika<br />
fokal (partiell)<br />
einfach-fokal komplex-fokal tonischklonisch<br />
Phenytoin, Carbamazepin<br />
Phenobarbital, Primidon<br />
Valproinsäure<br />
generalisiert<br />
tonisch atonisch Myoklonien Absencen<br />
Ethosuximid<br />
Wirkstoff<br />
Phenytoin<br />
Carbamazepin<br />
Phenobarbital, Primidon<br />
Valproinsäure<br />
Nebenwirkungen<br />
Gingivahyperplasie (nach 10-20 Jahren)<br />
kosmetische Verän<strong>de</strong>rungen (vergröberte Gesichtszüge)<br />
Kleinhirnatrophie<br />
Schwin<strong>de</strong>l, Gangunsicherheit (innerhalb <strong>de</strong>r ersten 2 Wochen)<br />
Müdigkeit<br />
Tremor, Haarausfall, Gewichtszunahme (10-20 kg)<br />
Neue Antiepileptika<br />
Wirkstoff Vorteile Nachteile<br />
Vigabatrin<br />
wirksame Zusatztherapie partieller und<br />
sekundär generalisierter Anfälle;<br />
nur geringe allergische NW<br />
Lamotrigin<br />
Gabapentin<br />
wirksame Mono- und Zusatztherapie<br />
beson<strong>de</strong>rs generalisierter Anfälle;<br />
geringe ZNS-Nebenwirkungen<br />
wirksame Zusatztherapie partieller und<br />
sekundär generalisierter Anfälle;<br />
geringe NW<br />
relativ unwirksam;<br />
KI: primär generalisierte Anfälle;<br />
Toleranzentwicklung<br />
eingeschränkte Zulassung<br />
relativ schwach wirksam<br />
Oxcarbazepin Mono- und Zusatztherapeutikum in Deutschland nicht zugelassen<br />
Grundsätzliches Vorgehen bei <strong>de</strong>r Epilepsie-Medikation (Abfolge <strong>de</strong>s Vorgehens, wenn die Therapie jeweils<br />
nicht zu Anfallsfreiheit führt):<br />
1. Monotherapie mit einem Medikament <strong>de</strong>r 1. Wahl<br />
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10<br />
2. Monotherapie mit einem Medikament <strong>de</strong>r 2. Wahl<br />
3. Kombinationstherapie mit Medikamenten <strong>de</strong>r 1. Wahl<br />
4. Kombinationstherapie mit Medikamenten <strong>de</strong>r 2. Wahl<br />
Status epilepticus<br />
• je<strong>de</strong>r nichtkonvulsive Status kann in einen konvulsiven Status übergehen<br />
• Mortalität rund 10%<br />
• sollte möglichst innerhalb 1-2 h durchbrochen sein<br />
• Therapie: Phenytoin, Valproinsäure (im Extrem: Diazepam + Barbituratnarkose)<br />
Spinozerebelläre Heredoataxie<br />
FRIEDREICH-Ataxie<br />
Definition<br />
Auf einen autosomal-rezessiv vererblichen Gen<strong>de</strong>fekt zurückgehen<strong>de</strong> <strong>de</strong>generative Erkrankung von Kleinhirn und<br />
Rückenmark, die klinisch u.a. mit sensibler Ataxie einhergeht.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
• Altersgipfel bei Manifestation im Kin<strong>de</strong>salter: 9.-14. Lebensjahr<br />
• aber: auch Erwachsene zeigen <strong>de</strong>n Gen<strong>de</strong>fekt, jedoch mit schwächeren Effekten<br />
Ätiologie<br />
• autosomal-rezessiv vererblicher Gen<strong>de</strong>fekt auf Chromosom 9 (9p22)<br />
Klinik<br />
Symptom<br />
Gangunsicherheit, die durch Augenkontrolle gebessert<br />
wird; Parästhesien in Füßen und Unterschenkeln;<br />
Muskelhypotonie (v.a. an <strong>de</strong>n Beinen); Erlöschen von<br />
Eigenreflexen; strumpfförmig abgegrenzte<br />
Sensibilitätsstörungen <strong>de</strong>r distalen<br />
Extremitätenabschnitte; vermin<strong>de</strong>rtes<br />
Vibrationsempfin<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Beinen<br />
Dysdiadochokinese, grober Intentionstremor,<br />
Nystagmus, skandieren<strong>de</strong>s Sprechen<br />
Lebhafterwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r zuvor abgeschwächten Reflexe,<br />
pathologische Reflexe, spastisch-ataktischer Gang<br />
distale Muskelatrophien (Hand, Unterschenkel)<br />
FRIEDREICH-Fuß (Hohlfuß mit Überstreckung<br />
im Grundgelenk und Beugung in <strong>de</strong>n<br />
Interphalangealgelenken <strong>de</strong>r Zehen);<br />
FRIEDREICH-Hand (Krallenstellung <strong>de</strong>r Finger bei<br />
überstreckten Grundgelenken), Kyphoskoliose<br />
Ursache<br />
Degeneration von Hinterwurzeln und Hintersträngen<br />
Degeneration <strong>de</strong>r CLARKschen Säule, <strong>de</strong>s Tractus<br />
spinocerebellaris und Kleinhirnatrophie<br />
Degeneration von Pyrami<strong>de</strong>nbahnseiten- und<br />
-vor<strong>de</strong>rsträngen<br />
Vor<strong>de</strong>rhornzell<strong>de</strong>generation<br />
Muskelhypotonie<br />
• weitere Symptomatik:<br />
o Kardiomyopathie (häufig)<br />
o Diabetes mellitus (40%)<br />
o Endstadium: Demenz<br />
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11<br />
Funikuläre Myelose<br />
Funikuläre Spinalerkrankung, DANA-LICHTHEIM-Krankheit<br />
Definition<br />
Rückenmarkschädigung bei Vitamin-B 12 - (= Cobalamin-) Mangel durch unsystematische Demyelinisierung<br />
markhaltiger Nervenfasern v.a. im Bereich <strong>de</strong>r Seiten- und Hinterstränge infolge Störung <strong>de</strong>r Myelinsynthese.<br />
Ätiologie<br />
• Vitamin-B 12 -Mangel → Störung von Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel → Demyelinisierung?<br />
• gestörte Resorption von Cobalamin:<br />
o Mangel an Intrinsic factor<br />
• Antikörperbildung bei perniziöser Anämie<br />
• Magenoperationen (Gastrektomie)<br />
• alkoholbedingte Gastritis<br />
• Magenkarzinom<br />
o Pankreasinsuffizienz (fehlen<strong>de</strong> Proteasen erschweren die Bildung <strong>de</strong>s Intrinsic-factor-<br />
Cobalamin-Komplexes)<br />
o Parasiten (z.B. Fischbandwurm)<br />
o <strong>de</strong>fekte Resorption im Ileum:<br />
• schwere familiäre Anämie <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s (IMERSLUND-GRÄSBECK)<br />
• chirurgische Entfernung eines größeren distalen Ileumabschnittes<br />
• Medikamente (z.B. Biguani<strong>de</strong>, Zytostatika)<br />
• ungenügen<strong>de</strong> Cobalaminzufuhr<br />
• Erschöpfung <strong>de</strong>r Cobalaminspeicher in Leber und Muskulatur (z.B. bei Schwangerschaft, Kachexie)<br />
Die perniziöse Anämie wird in 60% <strong>de</strong>r Fälle von einer funikulären Myelose begleitet.<br />
Klinik<br />
• initial: Parästhesien in <strong>de</strong>n Extremitäten (Brennen), gesteigerte Ermüdbarkeit beim Gehen<br />
• später: Ausfälle <strong>de</strong>r Tiefensensibilität in <strong>de</strong>n Beinen,Verlust <strong>de</strong>s Vibrationsempfin<strong>de</strong>ns<br />
• mögliche Folgesymptome:<br />
o spastische Paraparese <strong>de</strong>r Beine<br />
o sensible Ataxie<br />
o pathologische Reflexe<br />
o Störungen <strong>de</strong>r Blasen- und Mastdarmfunktion, Potenzstörungen<br />
• Enstadium: partielle Querschnittslähmung<br />
Die Symptomatik <strong>de</strong>r funikulären Myelose ist Folge <strong>de</strong>r Degeneration <strong>de</strong>r Hinterstränge, <strong>de</strong>r<br />
Kleinhirnseitenstränge und <strong>de</strong>r Pyrami<strong>de</strong>nbahnseitenstränge. Diese Verän<strong>de</strong>rungen fin<strong>de</strong>n sich v.a. in Hals -<br />
und Brustmark. Auch periphere Nerven zeigen eine (reversible) Marschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>generation (→ periphere<br />
Neuropathie). Das Großhirn kann in geringem Umfang mitbetroffen sein, im wesentlichen beschränkt sich die<br />
Erkrankung aber auf das Rückenmark.<br />
Diagnostik<br />
• Klinik (s.o.)<br />
• Bestimmung <strong>de</strong>s Cobalaminspiegels im Serum: < 150 pg/ml<br />
• Nachweis einer möglichen Resorptionsstörung: SCHILLING-Test (Beurteilung <strong>de</strong>r Ausscheidung<br />
radioaktiv markierten Cobalamins im Urin)<br />
Therapie<br />
• parenterale Substitution von Cobalamin<br />
o initial: 500g/die (über 3 Wochen)<br />
o nach Besserung <strong>de</strong>r Symptomatik: 2 × 500g/Woche (über 1 Jahr)<br />
o Erhaltungsdosis: 1000g/Monat (lebenslang)<br />
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12<br />
Trigeminusneuralgie<br />
Trigeminusneuropathie, „Tic douloureux“<br />
Definition<br />
Gesichtsschmerz<br />
Heftigste, akut einschießen<strong>de</strong> Schmerzen im Ausbreitungsgebiet eines o<strong>de</strong>r mehrerer Trigeminusäste, die fast<br />
immer einseitig auftreten und durch Reizung bestimmter Haut- und Schleimhautareale (→ Triggerzonen) ausgelöst<br />
wer<strong>de</strong>n können.<br />
Formen:<br />
? idiopathische Trigeminusneuralgie (bei weitem die häufigste Form)<br />
? symptomatische Trigeminusneuralgie<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? häufigste Hirnnervenneuralgie<br />
? Altersgipfel: meist 2. Lebenshälfte<br />
? Bevorzugung <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechtes (Frauen : Männer = 2 : 1)<br />
Ätiologie<br />
? idiopathische Trigeminusneuralgie: Druck arteriosklerotisch verhärteter Gefäße (v.a. A. cerebelli superior)<br />
auf die Trigeminuswurzel?<br />
? symptomatische Trigeminusneuralgie:<br />
? N. ophthalmicus (V 1 ): Glaukom, Rhinitis, Sinusitis, Orbitafraktur<br />
? Nn. maxillaris und mandibularis (V 2/3 ): Sinusitis, Otitis media, Zahn- und Knochenkrankheiten von Ober- und<br />
Unterkiefer<br />
Klinik<br />
? blitzartig einschießen<strong>de</strong>r, brennen<strong>de</strong>r Schmerz im Ausbreitungsgebiet eines o<strong>de</strong>r mehrerer Trigeminusäste<br />
? meist sind <strong>de</strong>r 2. (N. maxillaris) o<strong>de</strong>r/und 3. Ast (N. mandibularis) betroffen, nur in 5% <strong>de</strong>r 1. Ast (N.<br />
ophthalmicus)<br />
? meist einseitig (95%)<br />
? wenige Sekun<strong>de</strong>n, selten auch einige Minuten Dauer (begleitet von tonischen o<strong>de</strong>r klonischen Kontraktionen<br />
<strong>de</strong>r mimischen Muskulatur)<br />
? nach <strong>de</strong>m Schmerzanfall:<br />
? vegetative Reizerscheinungen: Hautrötung, Sekretion von Tränen-, Nasen- o<strong>de</strong>r Speicheldrüsen<br />
? Schmerzrefraktärität <strong>de</strong>r betroffenen Zone (→ sensible Reize lösen keine Schmerzattacke mehr aus) für<br />
Sekun<strong>de</strong>n bis Minuten<br />
Ast<br />
Schmerzsymptomatik<br />
N. ophthalmicus (V 1 ) Ausstrahlung in Stirn, Scheitelgegend, Auge, Rötung <strong>de</strong>r Stirn, konjunktivale<br />
Injektion, Lichtscheu, Tränenfluß<br />
N. maxillaris (V 2 ) Ausstrahlung in Oberlippe, Nasenflügel, Nasenschleimhaut, Gaumen, Zähne <strong>de</strong>s<br />
Oberkiefers<br />
N. mandibularis (V 3 ) Ausstrahlung in Unterlippe, Zunge, Unterkiefer<br />
Verlauf<br />
Zunächst sporadisches Auftreten, später im Abstand von Wochen bis Monaten und weitere<br />
Häufigkeitszunahme, bis schließlich mehrere Attacken an einem Tag beobachtet wer<strong>de</strong>n. Die Schmerzsymptomatik<br />
neigt mit zunehmen<strong>de</strong>r Krankheitsdauer zur Ausbreitung, wobei <strong>de</strong>r N. ophthalmicus nur selten und<br />
normalerweise zuletzt befallen wird. Zunehmend wer<strong>de</strong>n die Anfälle durch äußere Reize getriggert (Berührung,<br />
kalter Luftzug, Kauen, Trinken, Sprechen, Schlucken). Im fortgeschrittenen Stadium zeigen 25% <strong>de</strong>r Patienten<br />
geringfügige Sensibilitätsstörungen im betroffenen Trigeminusareal.<br />
Therapie<br />
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13<br />
? medikamentös:<br />
? Carbamazepin (Tegretal ® ) 600-1.200 mg/die<br />
? alternativ: Kominationen von Carbamazepin + Imipramin o<strong>de</strong>r Amitriptylin<br />
? Neuroleptika: z.B. Haloperidol (Haldol ® )<br />
? Phenothiazine (Neurocil ® , Aolept ® )<br />
? operativ (nur bei Unwirksamkeit <strong>de</strong>r konservativen Behandlung): neurovaskuläre Dekompression nach<br />
JANETTA (Lösung vaskulärer Kompressionen <strong>de</strong>r Trigeminuswurzel, Erfolgsquote 80%)<br />
Atypischer Gesichtsschmerz<br />
Definition<br />
Psychogen ausgelöster, nichtneuralgischer Gesichtsschmerz mit unbestimmtem Charakter.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
>meist sind Frauen im mittleren o<strong>de</strong>r höheren Lebensalter betroffen<br />
Ätiologie<br />
>psychogen (somatisierte Depression?)<br />
Klinik<br />
? unbestimmbarer, dumpfer Schmerzcharakter ohne typische Schmerzausstrahlung, Dauerschmerz<br />
? Lokalisation: häufig beidseitig (in <strong>de</strong>r Tiefe <strong>de</strong>s Gesichtes empfun<strong>de</strong>n)<br />
? Oberkiefer<br />
? Perioralregion<br />
? Nasenwurzel<br />
? fehlen<strong>de</strong> Beeinflußbarkeit durch äußeren Faktoren:<br />
? keine Triggerung<br />
? häufig kein Ansprechen auf medikamentöse Therapie (gelegentlich aber auch Besserung durch<br />
Thymoleptika)<br />
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14<br />
Herpes-simplex-Enzephalitis<br />
akute nekrotisieren<strong>de</strong> hämorrhagische Enzephalitis vom Herpes-simplex-Typ, Encephalitis herpetica<br />
Definition<br />
Durch das Herpes-simplex-Virus (HSV) ausgelöste Entzündung <strong>de</strong>s Zentralnervensystems, die sich meist in Form<br />
einer nekrotisieren<strong>de</strong>n, hämorrhagischen Meningoenzephalitis manifestiert, mit einer hohen Letalität und einer<br />
hohen Rate persistieren<strong>de</strong>r zerebraler Defektzustän<strong>de</strong> behaftet ist.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Häufigkeit:<br />
? BRD (Durchseuchung mit HSV > 95%): ca. 100 Fälle / Jahr<br />
? aller Enzephaliti<strong>de</strong>n<br />
? aller sporadischen, nekrotisieren<strong>de</strong>n Enzephaliti<strong>de</strong>n (damit häufigste sporadische Enzephalitis)<br />
? die Durchscuchung steigt in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn durchweg viel früher an als in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn mit hohem<br />
Lebensstandard<br />
Ätiologie<br />
? Infektion mit <strong>de</strong>m Herpes-simplex-Virus (HSV; DNA-Virus aus <strong>de</strong>r Herpes-Gruppe)<br />
? fast ausschließlich Typ 1 beim Erwachsenen<br />
? in 80% Typ 2 beim Säugling<br />
? Übertragung: von Mensch zu Mensch (Kontagiosität allerdings nicht sehr hoch)<br />
Klinik<br />
? Prodromalstadium: einige Tage<br />
? Fieber<br />
? Kopfschmerzen<br />
? Erbrechen<br />
? fakultativ: freies Intervall<br />
? Phase mit neurologischen Herdzeichen: 1 Woche<br />
? hohes Fieber<br />
? hirnorganische Anfälle<br />
? neurologische Herdzeichen: z.B. Hemiparese,<br />
? Tetraspastik, Aphasie (seltener Hirnnervenausfälle, vestibuläre o<strong>de</strong>r zerebelläre Symptome)<br />
? Meningitis<br />
? Komaphase:<br />
? zunehmen<strong>de</strong> Eintrübung, Bewußtseinsverlust<br />
? Tod unter <strong>de</strong>n Zeichen <strong>de</strong>r Hirnstammeinklemmung<br />
Diagnostik<br />
? Klinik (s.o.)<br />
? Liquor:<br />
? lymphozytäre Pleozytose: 100 / 3 - 1500 / 3 Zellen<br />
? Glucose und Laktat normal<br />
? Eiweiß normal o<strong>de</strong>r gering erhöht<br />
? EEG:<br />
? Allgemeinverän<strong>de</strong>rungen: verlangsamtes EEG<br />
? Herdzeichen, v.a. temporal<br />
? FIRDA = frontale intermittieren<strong>de</strong> rhythmische Delta-Aktivität<br />
? CCT: normal o<strong>de</strong>r diffuses Ö<strong>de</strong>m und/o<strong>de</strong>r hypo<strong>de</strong>nse Areale<br />
Therapie<br />
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15<br />
? virustatische Therapie: Aciclovir (Zovirax ® )<br />
? Thromboseprophylaxe: Heparin<br />
? Anfallsfallsprophylaxe: Phenytoin<br />
? Hirndrucktherapie:<br />
? Flüssigkeitsbilanzierung<br />
? Osmodiuretika, Saluretika<br />
? Hochlagerung <strong>de</strong>s Oberkörpers<br />
? beim beatmeten Patienten: Hyperventilation<br />
? bei drohen<strong>de</strong>r Einklemmung: Kortikoi<strong>de</strong><br />
Prognose<br />
? unbehan<strong>de</strong>lt:<br />
? in 70% letal (meist innerhalb 10-15 Tagen)<br />
? > 50% <strong>de</strong>r Patienten behalten gravieren<strong>de</strong> Defekte (symptomatische Anfallslei<strong>de</strong>n, Halbseitensyndrome,<br />
Aphasie,<br />
? <strong>de</strong>mentielle Syndrome, organisch bedingte Wesensän<strong>de</strong>rung)<br />
? behan<strong>de</strong>lt:<br />
? Letalität: 10-20%<br />
? geringere Defektrate<br />
Spannungskopfschmerz<br />
Tension headache<br />
Definition<br />
Kopfschmerz<br />
Auf muskulären und vasomotorischen Ursachen beruhen<strong>de</strong>r Kopfschmerz.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Bevorzugung <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechtes (Frauen : Männer = 2 : 1)<br />
>Erstmanifestation meist mit 15-20 Jahren<br />
Ätiologie<br />
>ständige Anspannung <strong>de</strong>r Kopf- und Nackenmuskulatur<br />
>Konstriktion <strong>de</strong>r Kopfschwarterarterien auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n einer abnormen vasomotorischen Reagibilität<br />
Klinik<br />
? meist beidseitiges Druck- o<strong>de</strong>r Schweregefühl entwe<strong>de</strong>r über <strong>de</strong>m gesamten Kopf o<strong>de</strong>r bevorzugt frontal bzw.<br />
okzipital<br />
? Begleiterscheinungen:<br />
• Angstgefühle, Schwin<strong>de</strong>l, leichte Übelkeit<br />
• Berührungsempfindlichkeit von Kopfhaut und Haarwurzeln<br />
• verspannte, schmerzhafte Druckpunkte in <strong>de</strong>r Nackenmuskulatur<br />
• leichte, schmerzbedingte Bewegungseinschränkung <strong>de</strong>s Kopfes<br />
Therapie<br />
>Entspannungsübungen<br />
>medikamentöse Therapie (nur wenn an<strong>de</strong>rs keine Besserung zu erreichen ist): Dihydroergotamin<br />
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16<br />
LAMBERT-EATON-Syndrom<br />
Myasthenisches Syndrom LAMBERT -EATON, LAMBERT -EATON-ROOKE-Syndrom<br />
Definition<br />
Paraneoplastisch bzw. im Zusammenhang mit Autoimmunkrankheiten auftreten<strong>de</strong> myasthenische Symptomatik.<br />
Ätiologie<br />
? Assoziation mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom (60%) bzw. mit Autoimmunkrankheiten (40%)<br />
Klinik<br />
? Schwäche und vorzeitige Ermüdbarkeit v.a. <strong>de</strong>r proximalen Muskulatur<br />
Differentialdiagnose: LAMBERT-EATON-Syndrom - Myasthenia gravis<br />
Merkmal LAMBERT -EATON-Syndrom Myasthenia gravis<br />
Ptose, Doppeltsehen,<br />
Schluckstörungen<br />
Antikörper gegen<br />
Acetylcholinrezeptoren<br />
Muskelkraft (wie<strong>de</strong>rholte<br />
Belastung)<br />
EMG (frequente repetitive<br />
Reizung)<br />
spät<br />
fehlen<br />
zunächst Besserung, später<br />
Verschlechterung<br />
Inkrement <strong>de</strong>r Amplitu<strong>de</strong><br />
früh<br />
meist vorhan<strong>de</strong>n<br />
zunehmen<strong>de</strong> Verschlechterung<br />
Dekrement <strong>de</strong>r Amplitu<strong>de</strong><br />
Therapie<br />
? bei Assoziation mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom: Tumorresektion<br />
? Guanidinhydrochlorid (→ Acetylcholinfreisetzung↑)<br />
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17<br />
hepatolentikuläre Degeneration<br />
Morbus WILSON<br />
Definition<br />
Autosomal-rezessiv vererbliche Kupferstoffwechselstörung, die zu vermehrter Ablagerung von Kupfer v.a. in<br />
Leber und Gehirn führt.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Manifestationsalter: 5.-37. Lebensjahr (im Mittel 16. Lebensjahr)<br />
? Inzi<strong>de</strong>nz: 3 / 100.000<br />
? keine Geschlechtsbevorzugung<br />
Ätiologie<br />
? autosomal-rezessiv vererblicher Gen<strong>de</strong>fekt (Chromosom 13), <strong>de</strong>r eine unzureichen<strong>de</strong> Bildung <strong>de</strong>s Kupfer-<br />
Transportproteins und Oxidationsenzyms Coeruloplasmin bewirkt<br />
? Kupferinkorporationsrate in Coeruloplasmin (normalerweise Bindung von 95% <strong>de</strong>s Serumkupfers)<br />
? heterozygoter Genträger: ↓<br />
? homozygoter Genträger: ↓↓<br />
Klinik<br />
? hepatische Manifestation: Fettleber → chronische Hepatitis → Leberzirrhose<br />
? neurologisch-psychiatrische Manifestation:<br />
? PARKINSON-ähnliche Symptome: Akinese, Rigor, Tremor<br />
? Chorea<br />
? Dystonie<br />
? Myoklonie<br />
? Ataxie<br />
? Dysarthrie<br />
? Nystagmus<br />
? spastischer Muskeltonus, Steigerung <strong>de</strong>r Muskeleigenreflexe, pathologische Reflexe<br />
? psychiatrische Symptome:<br />
? paranoi<strong>de</strong> Psychosen<br />
? <strong>de</strong>pressives, schizoaffektives Verhalten<br />
? manisch gefärbte Psychosen (mit erheblicher Libidosteigerung)<br />
? Augensymptome: KAYSER-FLEISCHER-Kornealring (goldbraungrüne Kornealrandverfärbung durch<br />
Kupferablagerung)<br />
Diagnose<br />
? Plasma: Cu 2+ ↑, Coeruloplasmin↓<br />
? Urin: Cu 2+ ↑<br />
? Radiokupfertest: orale Gabe von 64 Cu führt normalerweise zu einem doppelgipfligen Anstieg <strong>de</strong>r<br />
Radioaktivität im Serum; <strong>de</strong>r 2. Gipfel, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Einbau von Cu 2+ in Coeruloplasmin markiert, fehlt beim<br />
Morbus WILSON<br />
? Leberbiopsie<br />
Therapie<br />
? Erhöhung <strong>de</strong>r Cu 2+ -Ausscheidung durch <strong>de</strong>n Chelatbildner D-Penicillamin<br />
? evtl. kupferarme Diät<br />
? bei terminaler Leberinsuffizienz: Lebertransplantation<br />
Prognose<br />
? unbehan<strong>de</strong>lt: letal<br />
? bei rechtzeitiger Therapie: normale Lebenserwartung<br />
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18<br />
Multiple Sklerose (MS)<br />
Encephalomyelitis disseminata, Polysklerose, Morbus CHARCOT<br />
Definition<br />
Schubweise o<strong>de</strong>r chronisch progredient verlaufen<strong>de</strong> herdförmig disseminierte Entmarkungskrankheit <strong>de</strong>s<br />
Zentralnervensystems (selten auch <strong>de</strong>s peripheren Nervensystems) auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n autoaggressiver<br />
Immunprozesse.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Manifestationsalter: 15.-40. Lebensjahr (selten auch nach <strong>de</strong>m 60. o<strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m 10. Lebensjahr)<br />
? Bevorzugung <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechtes (Frauen : Männer = 1,8 : 1)<br />
? Inzi<strong>de</strong>nz (BRD): 2-2,5 Neuerkrankungen / 100.000 Einwohner / Jahr<br />
? Prävalenz (BRD): 80 Erkrankungen / 100.000 Einwohner<br />
? Zunahme <strong>de</strong>r Inzi<strong>de</strong>nz mit wachsen<strong>de</strong>r Entfernung vom Äquator<br />
? Migrationsstudien:<br />
? Umzug aus Gebieten mit niedriger in Gebiete mit höherer Prävalenz führt zu einer Erhöhung <strong>de</strong>s<br />
Krankheitsrisikos<br />
? Emigranten neigen dazu, das Risiko <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s beizubehalten, in <strong>de</strong>m sie bis zum 15. Lebensjahr gelebt<br />
haben<br />
Ätiologie<br />
? unbekannt<br />
? Hypothese: abnorme Immunreaktion auf ein in früher Jugend aufgenommenes Agens (z.B. Virus)?<br />
Hinweise für autoaggressive Immunreaktion<br />
ℵ postmortaler Nachweis zellulärer Infiltrate (CD8 + -/CD4 + -Zellen, Makrophagen) in frischen MS-Her<strong>de</strong>n<br />
I Lymphopleozytose und Immunglobulinanstieg (u.a. verschie<strong>de</strong>ne virusspezifische Antikörper) im Liquor<br />
R HLA-Assoziation (HLA -A3, -B7, -DR2)<br />
℘ Ansprechen auf immunsuppressive Therapie<br />
⊗ Bevorzugung <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechtes (typisch für Autoimmunerkrankungen)<br />
Klinik<br />
Die multiple Sklerose kann praktisch alle aus Läsionen im Zentralnervensystem begründbaren neurologischen<br />
und neuropsychologischen Ausfälle verursachen. Es gibt daher keine typische Symptomkonstellation. Ein<br />
System ist aber umso häufiger betroffen, je ausgebreiteter es ist.<br />
? diagnostische Hauptkriterien zur Diagnose <strong>de</strong>r MS :<br />
? polytope Läsionen (min. 2)<br />
? schubweiser Verlauf (min. 2 Schübe) o<strong>de</strong>r chronisch progredienter Verlauf (min. 1 Jahr)<br />
? Liquorbefund:<br />
? Pleozytose ( 15 / 3 - 100 / 3 Zellen)<br />
? ? -Globulin (v.a. IgG)↑<br />
? oligoklonale Fraktionen<br />
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19<br />
? motorische Ausfälle:<br />
? asymmetrische spastische Paraparesen mit lebhaften bis unerschöpflich kloniformen Reflexen und positivem BABINSKI -<br />
Zeichen<br />
? sensible Symptome:<br />
? Kribbelparästhesien, Spannungsgefühl, Engeempfin<strong>de</strong>n<br />
? diskrete Hypästhesien<br />
? Störung von Vibrations- und Lageempfindung<br />
? LHERMITTE-Zeichen = Parästhesien in Rücken und Extremitäten bei forciertem Vorbeugen <strong>de</strong>s Kopfes<br />
? Störungen <strong>de</strong>s visuellen Systems:<br />
? Retrobulbärneuritis (Optikusneuritis): anfänglich retrookulärer Schmerz, innerhalb von Stun<strong>de</strong>n bis Tagen Entwicklung von<br />
Sehstörungen (vermin<strong>de</strong>rte Farbintensitäten, Skotome, Amaurose)<br />
? Augenmotilitätsstörungen:<br />
? internukleäre Ophthalmoplegie<br />
? Blickparese<br />
? Nystagmus<br />
? an<strong>de</strong>re Hirnnervenstörungen:<br />
? Fazialisparese<br />
? Vestibularis-/Statoakkustikusausfall<br />
? Trigeminusneuralgie<br />
? zerebelläre Symptome (CHARCOT-Trias = Nystagmus + skandieren<strong>de</strong> Sprache + Intentionstremor):<br />
? Stand-/Gangataxie<br />
? Intentionstremor<br />
? Dysdiadochokinese<br />
? Dysmetrie<br />
? skandieren<strong>de</strong> Sprache<br />
? vegetative Symptome:<br />
? imperativer Harndrang<br />
? Inkontinenz<br />
? Harnverhalt<br />
? Überlaufblase<br />
? Obstipation<br />
? Sexualstörungen<br />
? Hirnleistungsstörungen, evtl. <strong>de</strong>mentielle Entwicklung<br />
? affektive Störungen: <strong>de</strong>pressive Symptomatik, Euphorie<br />
? generalisierte o<strong>de</strong>r fokale epileptische Anfälle (2-4mal so häufig wie in <strong>de</strong>r Normalbevölkerung)<br />
Symptom Erstmanifestation weiterer Verlauf<br />
Paresen 44% 81%<br />
Spastik, BABINSKI-Zeichen 28% 79%<br />
sensible Störungen 42% 83%<br />
Optikusstörungen 53% 60%<br />
Gleichgewicht, Koordination 24% 75%<br />
Augenmotilität 14% 34%<br />
Trigeminus, Fazialis 10% 29%<br />
Blase, Darm, Sexualfunktion 9% 57%<br />
Hirnleistung, Affekt 4% 36%<br />
Verlauf<br />
Etwa 80% <strong>de</strong>r MS-Erkrankungen beginnen mit Schüben. Man unterschei<strong>de</strong>t verschie<strong>de</strong>ne Verlaufsformen, die<br />
häufig nacheinan<strong>de</strong>r durchlaufen wer<strong>de</strong>n:<br />
ℵ schubförmig mit vollständiger Remission<br />
I schubförmig mit unvollständiger Remission<br />
R schubförmig mit unterlagerter Progredienz<br />
℘ sekundär chronisch progredient Nur 10-<br />
20% <strong>de</strong>r Patienten zeigen einen stetigen, mehr o<strong>de</strong>r weniger schnell progredienten Verlauf (primär chronisch<br />
progredienter Verlauf). Die mittlere Krankheitsdauer beträgt etwa 30 Jahre.<br />
Diagnose<br />
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20<br />
? Liquor:<br />
? oligoklonale Ban<strong>de</strong>n (90-95%)<br />
? autochthones IgG (80-85%)<br />
? Pleozytose (30-50%)<br />
? Kernspintomographie (MRT): Entmarkungsher<strong>de</strong> in Gehirn und/o<strong>de</strong>r Rückenmark<br />
? evozierte Potentiale:<br />
? MEP (durch Magnetstimulation transkraniell evozierte motorische Potentiale, 80-90%)<br />
? VEP (visuell evozierte Potentiale, 80%)<br />
? SEP (somatosensorisch evozierte Potentiale, 60%)<br />
? AEP (akustisch evozierte Potentiale, 30-50%)<br />
Therapie<br />
? eine kausale Therapie ist nicht bekannt (<strong>de</strong>r Therapieeffekt besteht in einer Verzögerung, nicht jedoch<br />
in einer Heilung <strong>de</strong>r Erkrankung)<br />
? Krankheitsschub: Kortikosteroi<strong>de</strong> (Prednisolon 500-1.000 mg/d für 5-8 Tage, danach ausgehend von 100<br />
mg/d ausschleichen<strong>de</strong> Dosierung für 4-8 Wochen)<br />
? Intervalltherapie:<br />
? Azathioprin (Imurek ® ) 2-3 mg/kg/d<br />
? Cyclophosphamid (Endoxan ® ) 2 mg/kg/d<br />
? Mitoxantron (Novantron ® ) alle 3 Monate<br />
? Methotrexat: wegen erheblicher Nebenwirkungen heute eher nicht mehr<br />
? Cyclosporin A<br />
? ? -Interferon: 8 Mio. E/2 Tage s.c. o<strong>de</strong>r 6 Mio. E/Woche i.m.<br />
? anfängliche Nebenwirkungen in Form einer schweren Grippesymptomatik (Fieber, Schüttelfrost,<br />
Muskelschmerz, Krankheitsgefühl), Besserung unter Gabe von ASS o<strong>de</strong>r Paracetamol<br />
? Wirkung: Verlängerung <strong>de</strong>s Schubintervalls, Vermin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Symptomatik im nächsten Schub,<br />
Vermin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Herdgröße, Vermin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong> mit Schrankenstörung<br />
(Schrankenstörung = Zeichen für frische Her<strong>de</strong>)<br />
? Copolymer 1 = synthetisches Polypeptid, Ähnlichkeiten mit <strong>de</strong>r Aminosäuresequenz <strong>de</strong>s basischen<br />
Myelinproteins (MBP)<br />
? symptombezogene Therapie:<br />
? Spastik:<br />
? Baclofen (Lioresal ® )<br />
? Tizanidin (Sirdalud ® )<br />
? Memantin (Akatinol ® )<br />
? Benzodiazepine (z.B. Musaril ® )<br />
? Dantrium (Dantramacrin ® )<br />
? zerebellärer Tremor: (Tetrahydrocannabrol), Stereotaxie<br />
? Paroxysmen (= ungezielte Streuung aktivieren<strong>de</strong>r Impulse in <strong>de</strong>r Nachbarschaft <strong>de</strong>myelinisieren<strong>de</strong>r Areale <strong>de</strong>s<br />
Hirnstamms o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Rückenmarks): Phenytoin, Carbamazepin (Tegretal ® )<br />
? Blasenstörungen: Phenoxybenzamin, Distigminbromid, Carbachol<br />
? Krankengymnastik (BOBATH, VOJTA, BRUNHO, PNF)<br />
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21<br />
Definition<br />
Muskeldystrophie<br />
Hereditäre Muskelerkrankung, die zu Muskelfaseruntergang und konsekutiv zu je nach Typ unterschiedlich<br />
ausgeprägter Muskelschwäche und -atrophie <strong>de</strong>r großen proximalen Muskelgruppen im Bereich <strong>de</strong>r Becken- und<br />
Schultergürtelmuskulatur und angrenzen<strong>de</strong>r Extremitätenanteilen führt.<br />
Formen:<br />
? progressive Muskeldystrophie Typ DUCHENNE<br />
? progressive Muskeldystrophie Typ BECKER-KIENER<br />
? Glie<strong>de</strong>rgürteldystrophie<br />
? Faszioskapulohumerale Muskeldystrophie<br />
Progressive Muskeldystrophie Typ DUCHENNE<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Häufigkeit: 300 / 1.000.000<br />
? Altersgipfel: 1.-3. (5.) Lebensjahr<br />
? 2 / 3 aller Muskeldystrophien<br />
? fast ausschließlich das männliche Geschlecht betroffen (X-chromosomal rezessiver Erbgang)<br />
Ätiologie<br />
? X-chromosomal-rezessiv vererblicher Gen<strong>de</strong>fekt (Xp21) <strong>de</strong>r ein Fehlen/Mangel <strong>de</strong>s Proteins Dystrophin<br />
bewirkt (dieses ist normalerweise assoziiert mit <strong>de</strong>r Membran <strong>de</strong>s T-Tubulus-Systems <strong>de</strong>r Muskelfaser)<br />
? aufgrund <strong>de</strong>s X-chromosomalen Erbgangs erkranken praktisch ausschließlich männliche Neugeborene<br />
? 1 / 3 <strong>de</strong>r Erkrankungen beruhen auf Spontanmutationen<br />
Klinik<br />
? Symptomatik:<br />
? proximale, Beckengürtel-betonte, atrophische Paresen<br />
? Pseudohypertrophie (= Vakatfettwucherung) <strong>de</strong>r Wa<strong>de</strong>n<br />
? Kontrakturen (v.a. Beugekontrakturen <strong>de</strong>r großen Gelenke)<br />
? Verlust von Muskeleigenreflexen<br />
? hormonelle Störungen (Adipositas, Hypogenitalismus, Nebennierenrin<strong>de</strong>ninsuffizienz)<br />
? Labor:<br />
? CK↑<br />
? GOT↑<br />
? GPT↑<br />
? LDH↑<br />
? Prognose:<br />
? Lebenserwartung: 15-30 Jahre<br />
? Tod meist infolge Bronchopneumonie o<strong>de</strong>r Herzversagen<br />
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22<br />
Progressive Muskeldystrophie Typ BECKER-KIENER<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Altersgipfel: 6.-20. Lebensjahr<br />
? fast ausschließlich das männliche Geschlecht betroffen (X-chromosomal rezessiver Erbgang)<br />
Ätiologie<br />
? wie Typ DUCHENNE<br />
Klinik<br />
? Symptomatik:<br />
? Hyperlordose (Parese <strong>de</strong>r Rückenstrecker)<br />
? „Watschelgang“ (Schwäche <strong>de</strong>s M. gluteus medius)<br />
? erschwertes/unmögliches Aufrichten aus <strong>de</strong>m Liegen (Schwäche <strong>de</strong>s M. iliopsoas und <strong>de</strong>r<br />
Bauch<strong>de</strong>ckenmuskulatur)<br />
? Wa<strong>de</strong>npseudohypertrophie<br />
? Gehunfähigkeit meist erst im 5. Lebensjahrzehnt<br />
? Prognose: Lebenserwartung leicht verkürzt<br />
Glie<strong>de</strong>rgürtelform<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? keine Geschlechtsbevorzugung<br />
? Krankheitsbeginn: 2.-50. Lebensjahr<br />
Ätiologie<br />
? autosomal-rezessiv vererblicher Gen<strong>de</strong>fekt<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Symptomatik:<br />
? Dystrophie beginnend an Becken- o<strong>de</strong>r Schultergürtelmuskulatur<br />
? Pseudohypertrophien, Facies myopathica: selten<br />
? Prognose: verkürzte Lebenserwartung<br />
Fazio-skapulo-humerale Muskeldystrophie<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? keine Geschlechtsbevorzugung<br />
? Krankheitsbeginn: 7.-25 (-50.) Lebensjahr<br />
Ätiologie<br />
? autosomal-dominant vererblicher Gen<strong>de</strong>fekt<br />
Klinik<br />
? Symptomatik:<br />
? Dystrophie <strong>de</strong>r proximalen Arm- und Schultergürtelmuskulatur (erschwertes Heben), asymmetrischer<br />
Muskelbefall<br />
? Facies myopathica (leichte Ptosis, fehlen<strong>de</strong> Faltenbildung auf <strong>de</strong>r Stirn und in <strong>de</strong>r Nasolabialregion, leicht<br />
geöffneter Mund)<br />
? Augen- und Mundschluß schwach („Tapirschnauze“), Pfeifen o<strong>de</strong>r Aufblasen <strong>de</strong>r Backen nicht möglich<br />
? herabhängen<strong>de</strong>s Schultergelenk<br />
? doppelseitige Scapula alata<br />
? später: am Rumpf absteigen<strong>de</strong> bzw. sich an <strong>de</strong>n Extremitäten von proximal nach distal aus<strong>de</strong>hnen<strong>de</strong><br />
Dystrophie, Kontrakturen, selten Pseudohypertrophien<br />
? Prognose: Lebenserwartung meist normal<br />
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23<br />
Definition<br />
Myasthenie<br />
Meist belastungsabhängig auftreten<strong>de</strong> Schwäche <strong>de</strong>r Willkürmuskulatur, die durch Störungen <strong>de</strong>r<br />
neuromuskulären Erregungsübertragung hervorgerufen wird.<br />
? Formen:<br />
? Myasthenia gravis<br />
? konnatale Myastheniesyndrome<br />
? kongenitale Myastheniesyndrome<br />
? symptomatische Myasthenie<br />
Myasthenia gravis<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Inzi<strong>de</strong>nz: 2-4 / 1.000.000<br />
? Prävalenz: 40 / 1.000.000<br />
? Bevorzugung <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechtes (Frauen : Männer = 2 : 1)<br />
? Altersgipfel: 20.-40. Lebensjahr (Erkrankung aber grundsätzlich in je<strong>de</strong>m Lebensalter möglich)<br />
Ätiologie<br />
? Autoimmunreaktion gegen Acetylcholinrezeptoren (Acetylcholinrezeptor-Autoantikörper vom IgG-Typ);<br />
Wirkmechanismen:<br />
? lokale Aktivierung <strong>de</strong>s Komplementsystems → Zerstörung <strong>de</strong>r postsynaptischen Membran<br />
? vermehrter Abbau von Acetylcholinrezeptoren<br />
? Curare-ähnliche Wirkung einiger Antikörper<br />
? Assoziation mit HLA -B8 und -DR3<br />
Klinik<br />
? Augensymptome (in 90% vorhan<strong>de</strong>n, bei 70% als Erstsymptom):<br />
? ein- o<strong>de</strong>r doppelseitige Ptose, die im Tagesverlauf zunimmt<br />
? Doppelbil<strong>de</strong>r<br />
In 20% <strong>de</strong>r Fälle bleibt die Krankheit auf die äußeren Augenmuskeln und die Lidheber beschränkt (okuläre<br />
Myasthenie). Diese Form hat eine gute Prognose.<br />
? Fazio-pharyngeale Symptome:<br />
? Facies myopathica: kraftloser Mundschluß, Unfähigkeit zu Pfeifen o<strong>de</strong>r die Backen aufzublasen<br />
? Kau- und Schluckstörungen, Regurgitation von Nahrung<br />
? näseln<strong>de</strong> Stimme (mangeln<strong>de</strong> Abdichtung <strong>de</strong>s Nasen-Rachenraums), erschwerte Artikulation<br />
? Rumpf- und Extremitätenbefall: proximaler Beginn, Ausbreitung nach distal<br />
? watscheln<strong>de</strong>r Gang, Treppensteigen erschwert/unmöglich<br />
? später auch Feinmotorik (z.B. Schreiben) beeinträchtigt<br />
? bei Interkostalmuskelbefall: Gefahr <strong>de</strong>r Atemlähmung<br />
Verlauf<br />
Okuläre Symptomatik → fazio-pharyngeale Symptomatik → Rumpf- und Extremitätenbefall.<br />
Im Endstadium <strong>de</strong>r Krankheit entwickelt sich eine in Ruhe nicht mehr rückbildungsfähige Muskelschwäche, die<br />
nur noch geringe Bewegungen zuläßt. Plötzlicher Tod durch Atemlähmung.<br />
Diagnose<br />
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24<br />
? Nachlassen <strong>de</strong>r Muskelkraft bei repetitiven Bewegungen: z.B. Verstärkung einer Ptose bei mehrmaligem<br />
schnellem Augenöffnen-/schließen (→ belastungsabhängige Muskelschwäche)<br />
? schubweiser Krankheitsverlauf<br />
? EMG: Amplitu<strong>de</strong>nabnahme (Dekrement) bei repetitiver Reizung<br />
? Tensilontest:<br />
? i.v.-Injektion von 10 mg Tensilon ® (Edrophoniumhydrochlorid = reversibler Acetylcholinesterase-Hemmstoff)<br />
→ Besserung <strong>de</strong>r Muskelkraft für 1-2 Minuten, die innerhalb von Sekun<strong>de</strong>n eintritt<br />
? nicht spezifisch<br />
>Antikörper gegen Acetylcholinrezeptoren bzw. gegen Skelettmuskulatur<br />
>Röntgen/CT Thorax: Thymom?<br />
Therapie<br />
? Immunsuppression:<br />
? Thymektomie<br />
? Kortikosteroi<strong>de</strong><br />
? Azathioprin (Imurek ® ) 2-3 mg/kg/die<br />
? Cholinesterasehemmstoffe: Pyridostigminbromid (Mestinon ® )<br />
? evtl. Plasmapherese<br />
Eine Thymektomie ist auch <strong>de</strong>shalb indiziert, da die Myasthenie häufig mit einer Thymushyperplasie bzw. einem<br />
Thymom (15-20%) assoziiert ist. Dabei sind 10% <strong>de</strong>r Thymome maligne (Thymuskarzinome).<br />
Prognose<br />
? weitgehend normale Lebenserwartung bei geeigneter Therapie<br />
? bei 20% <strong>de</strong>r Patienten ist <strong>de</strong>r Krankheitsverlauf therapeutisch nicht beeinflußbar<br />
? z.T. foudroyante Verläufe → Tod innerhalb weniger Monate<br />
? Verschlechterung <strong>de</strong>r Prognose mit <strong>de</strong>m Erkrankungsalter<br />
Konnatale Myasthenie<br />
? transitorische Myasthenia gravis <strong>de</strong>s Neugeborenen, hervorgerufen durch diaplazentar übertragene<br />
Anti-Acetylcholinrezeptor-Antikörper <strong>de</strong>r Mutter<br />
? Bestehen <strong>de</strong>r Myastheniesymptomatik von Geburt an für einige Monate<br />
Kongenitale Myasthenie<br />
? Gruppe seltener, hereditärer Myastheniesyndrome<br />
? Fehlen von Acetylcholinrezeptor-Antikörpern<br />
? bekannte Formen:<br />
? Defekt <strong>de</strong>r Acetylcholinsynthese<br />
? Mangel an Acetylcholinesterase<br />
? Defekt <strong>de</strong>s Acetylcholinrezeptor-assoziierten Ionenkanals<br />
? an<strong>de</strong>re Funktionsstörungen <strong>de</strong>s Acetylcholinrezeptormoleküls<br />
Symptomatische Myasthenie<br />
? myasthenes Syndrom bei Polymyositis<br />
? myasthenes Syndrom nach Behandlung mit D-Penicillamin<br />
? myasthenes Syndrom bei Hyperthyreose o<strong>de</strong>r Lupus erythemato<strong>de</strong>s<br />
? LAMBERT -EATON-Syndrom<br />
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25<br />
Definition<br />
Myositis<br />
Akute, subakute o<strong>de</strong>r chronische entzündliche Erkrankung <strong>de</strong>r Muskulatur auf <strong>de</strong>r Grundlage autoaggressiver<br />
o<strong>de</strong>r infektiöser Prozesse, die klinisch mit Muskelschwäche bis hin zur Parese, Muskelschmerzen, in fortgeschrittenen<br />
Stadien auch mit Muskelatrophie und Kontrakturen einhergeht.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Inzi<strong>de</strong>nz: 1 / 100.000<br />
? Prävalenz: 6 / 100.000<br />
Polymyositis und Dermatomyositis<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Bevorzugung <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechtes (Frauen : Männer = 2 : 1)<br />
? Altersgipfel:<br />
? 3.-15. Lebensjahr<br />
? 50. Lebensjahr<br />
? Inzi<strong>de</strong>nz: 0,5 / 100.000<br />
Ätiologie<br />
? unbekannt, jedoch Hinweise auf autoimmunologische Genese:<br />
? Antimyoglobin-Antikörper<br />
? antinukleäre Antikörper<br />
? zytotoxische T-Lymphozyten mit Sensibilisierung gegen Skelettmuskulatur<br />
? Koinzi<strong>de</strong>nz mit Malignomen (v.a. <strong>de</strong>s Gastrointestinaltraktes): kreuzreagieren<strong>de</strong> Antikörper gegen Tumorzellen sowie Haut<br />
und Muskelantigene?<br />
? gelegentliche Assoziation mit weiteren Autoimmunerkrankungen (rheumatisches Fieber, Lupus erythemato<strong>de</strong>s, Sklero<strong>de</strong>rmie,<br />
Panarteriitis nodosa)<br />
? Ansprechen auf immunsuppressive Therapie<br />
? vermehrtes Auftreten beim weiblichen Geschlecht (typisch für Autoimmunerkrankungen)<br />
? gehäufte Assoziation mit HLA-B8 und -DR3<br />
Klinik<br />
? Muskelschwäche bis hin zur Parese<br />
? muskelkaterartige Muskelschmerzen (50-70%): spontan o<strong>de</strong>r auf Druck<br />
? umschriebene Muskelverhärtungen (Myogelose)<br />
? Dysphagie (50%): Störung v.a. <strong>de</strong>s „Anschluckaktes“<br />
? kardiale Beteiligung (bis 50%)<br />
? EKG-Verän<strong>de</strong>rungen, Arrhythmie, Tachykardie<br />
? interstitielle Myokarditis (30%)<br />
? Kardiomyopathie<br />
? Hauterscheinungen (bei Dermatomyositis)<br />
? symmetrische, flächenhafte Gesichtserytheme<br />
? livi<strong>de</strong>s Erythem <strong>de</strong>r Augenli<strong>de</strong>r (gilt als pathognomonisch für Dermatomyositis)<br />
? Poikilo<strong>de</strong>rmie: Nebeneinan<strong>de</strong>r von De-/Hyperpigmentierung, Atrophie, Teleangiektasien, v.a. im Bereich <strong>de</strong>s vor<strong>de</strong>ren<br />
Halsdreiecks und <strong>de</strong>r Unterarmstreckseiten<br />
? kleine run<strong>de</strong>, porzellanfarbene atrophische Hautfel<strong>de</strong>r, v.a. an <strong>de</strong>n Fingergelenkstreckseiten<br />
? Teleangiektasien und Hyperkeratosen am Nagelfalz<br />
? im fortgeschrittenen Stadium: Muskelatrophie, Kontrakturen<br />
Muskelbefall (nach absteigen<strong>de</strong>r Häufigkeit):<br />
ℵ Muskulatur <strong>de</strong>r proximalen oberen und unteren Extremitäten<br />
I Flexoren und Extensoren <strong>de</strong>r Halsmuskulatur<br />
R Muskulatur <strong>de</strong>r distalen oberen und unteren Extremitäten<br />
℘ Atemmuskulatur<br />
⊗ bulbäre Muskeln<br />
Labor<br />
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26<br />
? Muskelenzyme:<br />
? CK↑↑ (bis auf das 30-60fache erhöht; geeignet auch zur Verlaufsbeurteilung)<br />
? Aldolase↑<br />
? GOT↑, GPT↑<br />
? Kreatin-Ausscheidung im Urin↑<br />
? vereinzelt: Myoglobinurie<br />
? unspezifische Entzündungsparameter: Leukozytose, BSG↑<br />
? Autoantikörper: ANA (50%), anti-Jo1 (20%), anti-PM1<br />
Elektromyographie<br />
? myopathietypisches Muster mit pathologischer Spontanaktivität, insbeson<strong>de</strong>re Fibrillationen<br />
Therapie<br />
? hochdosierte Glukokortikoidtherapie: Prednison 60-100 mg/d für 3-6 Monate<br />
? evtl. zusätzlich Immunsuppressiva: Azathioprin (Imurek ® ) 2-3 mg/kg/d<br />
? in Einzelfällen: Plasmapherese<br />
? bei Myasthenie: Pyridostigminbromid (Mestinon ® )<br />
? Thromboseprophylaxe<br />
? Krankengymnastik zur Behandlung sich entwickeln<strong>de</strong>r Kontrakturen (Cave: Überbeanspruchung <strong>de</strong>r<br />
Muskulatur unbedingt vermei<strong>de</strong>n, da die Muskulatur ohnehin durch ein begleiten<strong>de</strong>s Ö<strong>de</strong>m bereits<br />
gefähr<strong>de</strong>t ist)<br />
Prognose<br />
? 5-Jahres-Überlebensrate: 70-80%<br />
? lebensgefährliche Komplikationen:<br />
? Befall <strong>de</strong>r Atemmuskulatur<br />
? Befall <strong>de</strong>s Myokard<br />
? Lungenfibrose (selten)<br />
Achtung: Die Dermatomyositis ist bei Patienten über 40 Jahren in 60-70% mit einem Malignom assoziiert!<br />
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27<br />
Myotone Dystrophie<br />
Dystrophia myotonica CURSCHMANN-STEINERT , CURSCHMANN-STEINERT -Krankheit, dystrophische Myotonie<br />
Definition<br />
Autosomal-dominant vererbliche Erkrankung, <strong>de</strong>ren Symptomatik in einer Kombination aus <strong>de</strong>generativer<br />
Muskeldystrophie, myotoner Membranstörung, einem typischen Habitus und psychischen Verän<strong>de</strong>rungen<br />
besteht.<br />
Formen:<br />
? kongenitale Form<br />
? juvenile / adulte Form<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? zweithäufigste <strong>de</strong>generative Myopathie (nach <strong>de</strong>r progressiven Muskeldystrophie Typ DUCHENNE)<br />
? Frequenz: 1 / 10.000<br />
? Bevorzugung <strong>de</strong>s männlichen Geschlechtes<br />
Ätiologie<br />
? autosomal-dominant vererblicher Gen<strong>de</strong>fekt auf Chromosom 19q<br />
? die kongenitale Form wird immer von <strong>de</strong>r Mutter übertragen<br />
? häufig Zunahme <strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>r Erkrankung von Generation zu Generation (Antezipation)<br />
Klinik<br />
? juvenile und adulte Form: atrophische Paresen mit faziozervikodistalem Verteilungsschwerpunkt<br />
? ausgeprägte Facies myopathica mit Ptose<br />
? evtl. Mitbeteiligung <strong>de</strong>s weichen Gaumens und <strong>de</strong>s Pharynx: dysarthrische Sprache, selten Dysphagie<br />
? zervikal: Mitbeteiligung <strong>de</strong>s M. sternocleidomastoi<strong>de</strong>us<br />
? im Bereich <strong>de</strong>r Extremitäten: Paresen v.a. <strong>de</strong>r Unterarmextensoren und <strong>de</strong>r Fußheber<br />
? Manifestationen außerhalb <strong>de</strong>r Skelettmuskulatur:<br />
? frühzeitige Stirnglatze (Männer), struppiges Haar (Frauen)<br />
? Auge: Cataracta myotonica (98%)<br />
? Ohr: Innenohrschwerhörigkeit<br />
? Herz: Rhythmusstörungen, Repolarisationsstörungen<br />
? Magen: Anazidität<br />
? Motilitätsstörungen von Gallenwegen, Gallenblase und <strong>de</strong>s Magen-Darm-Trakts<br />
? endokrin: Ho<strong>de</strong>natrophie bzw. Ovarialinsuffizienz<br />
? hirnorganische Psychosyndrome: Schwäche <strong>de</strong>s vitalen Antriebs, affektive Indifferenz (fehlen<strong>de</strong>s „soziales<br />
Gewissen“), Oligophrenie (50%)<br />
Verlauf<br />
Die Erkrankung beginnt in <strong>de</strong>r Pubertät zunächst mit myotonen Funktionsstörungen, bevor sich im 3. Lebensjahrzehnt<br />
die Muskeldystrophie und endokrine Symptomatik einstellt. Der Verlauf ist langsam progredient,<br />
Arbeitsunfähigkeit tritt häufig schon vor <strong>de</strong>m 40. Lebensjahr ein. Tod meist infolge interkurrenter Infekte o<strong>de</strong>r<br />
Herzversagen im mittleren Lebensalter.<br />
? kongenitale Form:<br />
? ausgeprägtes Floppy-infant-Syndrom<br />
? Ateminsuffizienz<br />
? hochgradige Saug- und Trinkschwäche<br />
? leises/heiseres Schreien<br />
? Gesicht: längsovales Gesicht, antimongoloi<strong>de</strong> Lidachse, dreiecksförmiger, offenstehen<strong>de</strong>r Mund<br />
? Spitzfuß<br />
Diagnose<br />
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28<br />
? elektromyographischer Myotonienachweis<br />
? Perkussionsmyotonie: v.a. an Zunge, Thenarmuskulatur, Unterarmextensoren<br />
? myotone Delle bei Perkussion mit <strong>de</strong>m Reflexhammer<br />
? Aktionsmyotonie:<br />
? verlangsamte Öffnung <strong>de</strong>r fest geballten Faust<br />
? verlangsamte feine Fingerbeweglichkeit (z.B. Klavierspielen)<br />
Therapie<br />
? keine kausale Therapie bekannt<br />
? symptomatische Behandlung:<br />
? Myotonie: Phenytoin 3 × 100 mg/die<br />
? endokrine Symptomatik: Sexualhormone (Depotpräparate)<br />
? Schrittmacherimplantation bei Herzrhythmusstörungen<br />
? maschinelle Beatmung bei Ateminsuffizienz<br />
? Krankengymnastik<br />
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29<br />
Definition<br />
Neuroborreliose<br />
Neurologische Symptomatik nach Infektion mit parasitär übertragenen Borrelien.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? in Deutschland wesentlich häufiger als die ebenfalls über Zecken übertragene Frühsommer-<br />
Meningoenzephalitis (FSME)<br />
? Verbreitung <strong>de</strong>r übertragen<strong>de</strong>n Zeckenart Ixo<strong>de</strong>s ricinus und <strong>de</strong>r Borrelien v.a. in Süd<strong>de</strong>utschland,<br />
Oberösterreich, Elsaß, Balkan, Rußland (evtl. bis zum Ural)<br />
? Durchseuchung <strong>de</strong>r Bevölkerung mit Borrelien (Deutschland): ca. 10%<br />
Ätiologie<br />
? Infektion meist mit Borrelia burgdorferi (Übertragung durch die Zeckenart Ixo<strong>de</strong>s ricinus)<br />
? günstig für Zecken ist eine feucht-warme Witterung (Häufung <strong>de</strong>r Borreliose im Frühjahr/Frühsommer,<br />
evtl. auch im Spätsommer/Herbst)<br />
? Zecken zeigen eine Taxis für Rauhes (Kleidung)<br />
? bevorzugte Stichstelle: die weniger verhornte Haut (Ellenbeugen, seitliche Halspartie, Ohren,<br />
Inguinalregion, Skrotum)<br />
? die in Europa verbreitete Form <strong>de</strong>r Borreliose ist nicht i<strong>de</strong>ntisch mit <strong>de</strong>r Lyme-Borreliose<br />
? <strong>de</strong>r europäische Erreger besitzt mehr Geißeln, ist etwas länger, zeigt mehr Spiralwindungen und<br />
unterschei<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r Antigenität (7 Serotypen)<br />
? die hervorgerufenen Krankheitsbil<strong>de</strong>r unterschei<strong>de</strong>n sich<br />
Entwicklungszyklus von Ixo<strong>de</strong>s ricinus<br />
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30<br />
Klinik<br />
? Stadium I (nach 3 Tagen bis 3 Wochen)<br />
? sich konzentrisch ausbreiten<strong>de</strong> Hautrötung mit zentraler Abblassung im Bereich <strong>de</strong>s Zeckenbisses (Erythema chronicum<br />
migrans); bei ausgeprägter Entzündungszellinfiltration an <strong>de</strong>r Bißstelle kann ein benignes Lymphozytom entstehen (v.a. im<br />
Bereich <strong>de</strong>s Ohrläppchens)<br />
? Allgemeinerscheinungen: Fieber, Kopfschmerzen,<br />
? Lympha<strong>de</strong>nopathie, Muskelschmerzen, Hepatomegalie, Splenomegalie, Konjunktivitis,<br />
? Hämaturie<br />
? Stadium II (nach 1-4 Monaten)<br />
? lymphozytäre Meningitis<br />
? Meningopolyneuritis, Meningopolyradikulitis: Schmerz, gefolgt von Paresen und oft auch sensiblen Störungen (häufig<br />
gutartiges Verhalten, d.h. Rückbildung ohne schwere Residuen)<br />
? Hirnnervenlähmungen (häufig beidseitiger Befall <strong>de</strong>s N. facialis = Diplegia facialis)<br />
? Karditis (10%)<br />
? selten: Enzephalitis, Myelitis, Plexusneuritis<br />
? Stadium III (nach 5-6 Monaten o<strong>de</strong>r später): progrediente Enzephalomyelitis<br />
Schmerzphänomene bei Neuroborreliose<br />
Erythemschmerz (15%)<br />
radikulärer Schmerz (90%): in <strong>de</strong>r Ausbreitung einer Nervenwurzel<br />
meningitischer Schmerz (12%)<br />
Arthralgie/Myalgie (12%)<br />
? Nachkrankheit: Acro<strong>de</strong>rmatitis chronica atrophicans<br />
? teigig-ö<strong>de</strong>matös geschwollene, livid-rot verfärbte Haut, v.a. im Bereich von Knien, Streckseiten<br />
<strong>de</strong>r Unterschenkel, Ellenbogen und Streckseiten <strong>de</strong>r Unterarme<br />
? spricht auf Antibiose an<br />
Labor<br />
? Liquor:<br />
? mäßige Pleozytose: 200 / 3 ( 30 / 3 - 1000 / 3 ) Zellen<br />
? Lymphozyten: 75% (60-95%)<br />
? Plasmazellen: 6% (1-90%)<br />
? Eiweiß: 140 mg/dl (50-1000 mg/dl)<br />
? IgG: 1,6 (0,7-5,3)<br />
? oligoklonale Ban<strong>de</strong>n (in 95% <strong>de</strong>r Fälle)<br />
Diagnose<br />
? Kultur: nur spezielle Medien<br />
? Antikörper:<br />
? IgM (für etwa 6 Wochen): eher akute Infektion<br />
? IgG: eher chronische Infektion<br />
? evtl. Western Blot o<strong>de</strong>r PCR<br />
Therapie<br />
? Stadium I: Doxycyclin 200 mg/d für 3 Wochen<br />
? Stadium II und III: Cephalosporin <strong>de</strong>r 3. Generation<br />
? Cefotaxim 3 x 2 g/d für 2-4 Wochen<br />
? Ceftriaxon 2 x 2 g/d für 2-4 Wochen<br />
? evtl. Penicillin G 20 Mio. IE/d für 2 Wochen<br />
Prävention<br />
? wenn die Zecke weniger als 48 h an <strong>de</strong>r Stelle saugt → 70%igen Alkohol auftragen → 1 Minute warten:<br />
Abtötung <strong>de</strong>r Zecke → Zecke inkl. Kopf herausdrehen und entfernen<br />
? wenn die Zecke schon viel Blut gesaugt hat und schon länger auf <strong>de</strong>r Haut → Zecke entfernen (s.o.) →<br />
evtl. direkt Antibiose (da die Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>r Übertragung mit <strong>de</strong>r Zeit zunimmt)<br />
? Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wahl zur Vermeidung von Borrelieninfektionen ist das sorgfältige Absuchen <strong>de</strong>s Körpers<br />
nach Zecken möglichst unmittelbar nach Exposition (Aufenthalt in Waldgebieten)<br />
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31<br />
Definition<br />
Olivopontozerebelläre Atrophie (OPCA)<br />
Progrediente, hereditär o<strong>de</strong>r spontan auftreten<strong>de</strong> Multisystem<strong>de</strong>generation von Kleinhirn, Brücke, Medulla und<br />
Rückenmark (daneben auch z.T. <strong>de</strong>r Stammganglien sowie vegetativer Zentren von Zwischenhirn und Thalamus),<br />
die klinisch u.a. mit Symptomen einer zerebellären Ataxie einhergeht.<br />
Formen:<br />
? Typ I (MENZEL): autosomal-dominant<br />
? Typ II (FICKLER-WINKLER): autosomal-rezessiv<br />
? Typ III: autosomal-dominant<br />
? Typ IV (SCHUT-HAYMAKER): autsomal-dominant<br />
? Typ V: autosomal-dominant<br />
? Typ VI (DEJÉRINE-THOMAS): sporadisch<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Altersgipfel: 20.-50. Lebensjahr<br />
? keine Geschlechtsbevorzugung<br />
Ätiologie<br />
? unbekannt (in 75% <strong>de</strong>r Fälle sporadisch)<br />
? bei <strong>de</strong>n hereditären Formen sind Gen<strong>de</strong>fekte auf Chromosom 6 bzw. 12 beschrieben<br />
Klinik<br />
Allen klinischen Formen <strong>de</strong>r OPCA gemeinsam ist, allerdings in wechseln<strong>de</strong>r Ausprägung, die zerebelläre<br />
Symptomatik sowie okulomotorische Störungen. Insbeson<strong>de</strong>re die über die Kleinhirnsymptome hinausgehen<strong>de</strong>n<br />
klinischen Kennzeichen sind aber typspezifisch.<br />
? zerebelläre Symptomatik:<br />
? Gang- und Standataxie<br />
? Dysmetrie<br />
? Intentionstremor<br />
? Dysdiadochokinese<br />
? Dysarthrie<br />
? pontine Symptomatik:<br />
? Sakka<strong>de</strong>nverlangsamung<br />
? Ophthalmoplegie<br />
? extrapyramidale Symptomatik:<br />
? Rigor<br />
? Bradykinese<br />
? choreatische/ballistische Hyperkinesen<br />
? pyramidale Symptomatik<br />
? spastische Paresen<br />
? positives BABINSKI-Zeichen<br />
? spinale Symptomatik: gestörte Vibrations- und Lageempfindung<br />
? vegetative Symptomatik: Blasen- und Mastdarmstörungen<br />
? Demenz (nicht regelmäßig)<br />
Therapie<br />
? keine kausale Therapie bekannt<br />
? symptomatische Therapie:<br />
? Krankengymnastik<br />
? Rigor, Akinese: L-Dopa, Dopaminrezeptoragonisten<br />
? zerebelläre Symptome: 5-Hydroxytryptophan (Vorstufe <strong>de</strong>s zerebellären Transmitters Serotonin; allenfalls<br />
leichte Besserung)<br />
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32<br />
Definition<br />
PARKINSON-Syndrom<br />
Durch die drei Kardinalsymptome Akinese, Rigor und Tremor gekennzeichnetes Krankheitsbild, das meist auf<br />
einem <strong>de</strong>generativen Prozeß <strong>de</strong>r Stammganglien beruht (Morbus PARKINSON), aber auch symptomatisch im<br />
Rahmen an<strong>de</strong>rer Erkrankungen auftreten kann.<br />
Ätiologie<br />
? idiopathisches PARKINSON-Syndrom (= Morbus PARKINSON)<br />
? symptomatisches PARKINSON-Syndrom:<br />
? enzephalitisches PARKINSON-Syndrom<br />
? vaskulär o<strong>de</strong>r ischämisch bedingtes PARKINSON-Syndrom<br />
? Hirntraumen (v.a. häufige Hirnkontusionen → Boxerparkinsonismus)<br />
? Lues cerebrospinalis<br />
? intrakranielle Raumfor<strong>de</strong>rungen<br />
? Normaldruckhydrozephalus<br />
? Morbus WILSON (= hepatolentikuläre Degeneration)<br />
? Hypoparathyreoidismus (→ Morbus FAHR = symmetrische Stammganglienverkalkung)<br />
? chronische Schwermetallintoxikation (Mangan, Blei, Quecksilber)<br />
? akute CO-Intoxikation<br />
? medikamentös induziertes PARKINSON-Syndrom:<br />
? Neuroleptika<br />
? Reserpin<br />
? ? -Methyldopa<br />
? Valproinat<br />
? Vitamin-B 6 bei L-Dopa-Therapie<br />
? Flunarizin<br />
? Cinnarizin<br />
Morbus PARKINSON<br />
Paralysis agitans<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Prävalenz: 0,5-0,8%<br />
? Erkrankungsalter: meist 40.-60. Lebensjahr<br />
? Bevorzugung <strong>de</strong>s männlichen Geschlechtes<br />
Ätiologie<br />
? Dopaminmangel in Neuronen <strong>de</strong>s Corpus striatum und v.a. in <strong>de</strong>r Substantia nigra (unzureichen<strong>de</strong><br />
Dopaminsynthese)<br />
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33<br />
Klinik<br />
? Akinesie bzw. Hypokinesie (Bewegungsarmut) und Rigor (wächserne Muskeltonuserhöhung,<br />
Zahnrandphänomen)<br />
? Hypomimie, Amimie (vermin<strong>de</strong>rte bis fehlen<strong>de</strong> Mimik, Maskengesicht)<br />
? monotone, heisere, aphone, leise Aussprache<br />
? kleinschrittiger, schlurfen<strong>de</strong>r Gang mit mangeln<strong>de</strong>r/fehlen<strong>de</strong>r Mitbewegung <strong>de</strong>r Arme<br />
? Mikrographie (kleine, zittrige Schrift, verlangsamter Schriftablauf)<br />
? Dysphagie (→ Pseudohypersalivation)<br />
? Fallneigung<br />
? Tremor (4-7 Hz, in 80% <strong>de</strong>r Fälle vorhan<strong>de</strong>n, betrifft die distalen Extremitätenabschnitte früher und<br />
stärker, beruht auf rhythmisch alternieren<strong>de</strong>r Aktivierung antagonistischer Muskeln)<br />
? Ja-/Nein-Tremor <strong>de</strong>s Kopfes<br />
? Pillendreher-/Münzzählertremor <strong>de</strong>r Hän<strong>de</strong><br />
? vegetative Störungen:<br />
? Seborrhoe („Salbengesicht“)<br />
? nächtliches Schwitzen<br />
? Blasen-/Sexualfunktionsstörungen<br />
? Bradyphrenie (= Verlangsamung geistiger Abläufe)<br />
? <strong>de</strong>pressive Verstimmung<br />
Diagnose<br />
? klinisch (s.o.)<br />
? apparative Zusatzuntersuchungen:<br />
? EEG: Grundrhythmusverlangsamung<br />
? CT/MRT: Zeichen <strong>de</strong>r Hirnatrophie<br />
? EMG:<br />
? Tremor: regelmäßige reziproke Innervation von Agonist und Antagonist<br />
? Rigor: Hintergrundaktivität, Ent<strong>de</strong>hnungsaktivität (sog. Release-Phänomen)<br />
? VEP, AEP, SEP: Nachweis systemübergreifen<strong>de</strong>r Degenerationen bzw. von Begleiterkrankungen<br />
Therapie<br />
? Kombinationspräparate (z.B. Madopar ® ) aus L-Dopa (= Dopaminvorläufer) + Benserazid bzw. Carbidopa<br />
(= Dopamin<strong>de</strong>carboxylasehemmer)<br />
? Anticholinergika (gut wirksam gegen Rigor und Tremor):<br />
? Biperi<strong>de</strong>n (Akineton ® )<br />
? Metixen (Tremarit ® )<br />
? Amantadin (Symmetrel ® , Adamantin-ratiopharm ® , PK-Merz ® , Contenon ® )<br />
? Monoaminooxidase-B-Hemmer: Selegilin (Movergan ® )<br />
? Dopaminagonisten:<br />
? Bromocriptin (Pravi<strong>de</strong>l ® )<br />
? Lisurid (Dopergin ® )<br />
? Krankengymnastik<br />
? stereotaktische Hirnoperation: obsolet<br />
Beurteilungskriterien <strong>de</strong>r therapeutischen Beeinflußbarkeit <strong>de</strong>s PARKINSON-Syndroms<br />
ℵ Ausmaß <strong>de</strong>r Hirnatrophie im CCT/MRT<br />
I IBZM-SPECT<br />
R L-Dopa- / F-Glucose-PET (zeigt postsynaptisch vermin<strong>de</strong>rten Dopaminstoffwechsel)<br />
℘ Apomorphin-Test (Apomorphin = Dopaminagonist; Symptombesserung nach Apomorphin i.v., wenn nicht<br />
postsynaptisch bedingt)<br />
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34<br />
Poliomyelitis<br />
Poliomyelitis acuta anterior, Poliomyelitis epi<strong>de</strong>mica anterior acuta, HEINE-MEDIN-Krankheit,epi<strong>de</strong>mische spinale<br />
Kin<strong>de</strong>rlähmung<br />
Definition<br />
Viral bedingte entzündliche Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Rückenmarksvor<strong>de</strong>rhorns, die pathologisch-anatomisch mit<br />
Ganglienzellnekrosen (Tropismus <strong>de</strong>s Virus für ? -Motoneurone) einhergeht, klinisch häufig inapparent bleibt,<br />
leichte katharrhalische Symptome zeigt o<strong>de</strong>r sich als Meningitis manifestiert, selten aber auch zu Lähmungen<br />
führt.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Inzi<strong>de</strong>nz (weltweit): 10 / 1.000.000<br />
? Verbreitung in Nordamerika und Europa wegen <strong>de</strong>s hohen Immuniserungsgra<strong>de</strong>s durch Schutzimpfung<br />
drastisch zurückgegangen, jedoch in tropischen Län<strong>de</strong>rn noch relativ häufig<br />
? Zielgruppe: v.a. Kleinkin<strong>de</strong>r, zunehmend auch ältere Kin<strong>de</strong>r und Erwachsene<br />
Ätiologie<br />
? Infektion durch Poliomyelitis -Viren (RNA-Viren <strong>de</strong>s Genus Enterovirus <strong>de</strong>r Picornaviridae)<br />
? Typ I (Brunhil<strong>de</strong>, häufigster Erreger)<br />
? Typ II (Lansing)<br />
? Typ III (Leon)<br />
? Reservoir: Nasenrachenraum<br />
? Übertragung: fäkal-oral<br />
Gleichartige Krankheitszustän<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n u.U. auch durch an<strong>de</strong>re Viren (ECHO-, Coxsackie-, Arboviren)<br />
hervorgerufen.<br />
Klinik<br />
90-95% <strong>de</strong>r Infektionen verlaufen inapparent. Außer<strong>de</strong>m sind abortive Verläufe mit leichten, katharrhalischen<br />
Symptomen ("minor illness"), sowie Verläufe mit Meningitis, jedoch ohne Lähmungen ("aseptische Meningitis")<br />
möglich. Eine Manifestation <strong>de</strong>r paralytischen Form ist somit eine Seltenheit (ca. 0,1%).<br />
? Prodromalstadium:<br />
? katharrhalische Erscheinungen <strong>de</strong>r oberen Luftwege o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Darmkanals (→ Durchfall)<br />
? mäßiger Temperaturanstieg<br />
? Kopf-, Rücken- und Glie<strong>de</strong>rschmerzen<br />
? allgemeine Hyperästhesie<br />
? freies Intervall (1-5 d)<br />
? meningitisches Stadium: meningitische Zeichen, EEG-Verän<strong>de</strong>rungen (in 50%)<br />
? paralytisches Stadium (kann auch akut einsetzen!)<br />
? asymmetrische schlaffe Paresen unterschiedlicher Ausprägung (z.B. Klauen-, Flaggenhand) und Verteilung<br />
(v.a. Paraplegien <strong>de</strong>r unteren Extremität)<br />
? Areflexie in <strong>de</strong>n gelähmten Partien<br />
? keine Sensibilitätsstörungen bei <strong>de</strong>r spinalen Form<br />
? nach Entfieberung keine Progression <strong>de</strong>r Lähmungen<br />
Therapie<br />
? symptomatisch: Intensivtherapie und Beatmung bei Atemmuskelbefall sowie bei <strong>de</strong>r bulbären Form<br />
? Isolation <strong>de</strong>s Poliomyelitiskranken<br />
Prognose<br />
? bei Beteiligung v.a. <strong>de</strong>r Kerne <strong>de</strong>s IX. und X. Hirnnerven (= bulbopontine Form) o<strong>de</strong>r rasch aufsteigen<strong>de</strong>r<br />
Lähmung (= LANDRY-Paralyse) schlechte Prognose (Letalität 20-60%)<br />
? häufig Rückbildung <strong>de</strong>r Lähmungen innerhalb eines Jahres<br />
? Residualschä<strong>de</strong>n:<br />
? atrophische Lähmungen (Paresen bleiben in 30% <strong>de</strong>r Fälle zurück)<br />
? trophische und vasomotorische Störungen<br />
? Skelett- und Gelenkverän<strong>de</strong>rungen<br />
? Zurückbleiben <strong>de</strong>s Knochenwachstums einzelner Extremitäten<br />
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35<br />
Definition<br />
Polyneuropathie (PNP)<br />
Gruppe ätiologisch unterschiedlicher Erkrankungen <strong>de</strong>s peripheren Neurons bzw. seiner Hüllen, die mit schlaffen<br />
Lähmungen, sensiblen Reiz- und Ausfallserscheinungen sowie vegetativen Störungen einhergehen und viele<br />
bzw. alle Nerven betreffen.<br />
Ätiologie<br />
? toxisch (2% bzw. 15% bei Hinzurechnung alkoholtoxischer Polyneuropathien)<br />
? Medikamente:<br />
? Chloroquin: hochdosiert<br />
? Disulfiram: 1-1,5 g<br />
? Isoniazid: 400-800 mg/d (irreversibel, jedoch verhin<strong>de</strong>rbar durch Vitamin-B 6 -Substitution)<br />
? Nitrofurantoin > 400 mg/d<br />
? Phenytoin: hochdosiert und langfristig<br />
? Sulfonami<strong>de</strong>: 30-40 g<br />
? Vincristin: > 10 mg<br />
? Amiodaron: 200-400 mg<br />
? Schwermetalle<br />
? Lösungsmittel<br />
? Bakteriengifte<br />
? metabolisch (34%):<br />
? Diabetes mellitus, Urämie: 30%<br />
? Porphyrie, Amyloidose, Makroglobulinämie: 4%<br />
? Kollagenosen-assoziiert (3%):<br />
? Panarteriitis nodosa<br />
? Lupus erythemato<strong>de</strong>s<br />
? Sklero<strong>de</strong>rmie<br />
? zirkulatorisch:<br />
? arterielle Verschlußkrankheit<br />
? Ergotismus<br />
? entzündlich:<br />
? Coxsackie-Viren<br />
? Borrelien<br />
? idiopathisch: GUILLAIN-BARRÉ-Syndrom<br />
? Krankheitserreger-bedingt:<br />
? Zoster<br />
? Lepra<br />
? Lues<br />
? alimentär:<br />
? Malabsorption<br />
? Beri-Beri<br />
? Vitamin-B 12 -Mangel<br />
? hereditär<br />
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36<br />
Klinik<br />
sensibel<br />
Motorisch<br />
Vegetativ<br />
Reizsymptome<br />
Parästhesien<br />
Schmerz<br />
Hitzegefühl/Brennen<br />
Hyperpathie<br />
Crampi<br />
Faszikulationen<br />
Hyperhidrose<br />
Hyperkeratose<br />
Bin<strong>de</strong>gewebsproliferation<br />
Tachykardie<br />
Ausfallssymptome<br />
Hyp-/Anästhesie<br />
Hyp-/Analgesie<br />
Parese/Paralyse<br />
Atrophie<br />
Hypo-/Areflexie<br />
Anhidrose<br />
Rubeosis (Vasomotorenlähmung)<br />
Hautatrophie, Ulzera, Wundheilungsstörungen<br />
neurogene Osteoarthropathie<br />
Darm-, Blasen-, Sexualfunktionsstörungen<br />
Kreislauf-/Herzfunktionsstörungen<br />
Zusatzsymptomatik bei bestimmten PNP-Formen<br />
Polyneuropathie-Ursache Symptome<br />
Arsen<br />
Hyperkeratosen, Nagelstreifen (MEES-Streifen)<br />
Thallium<br />
Haarausfall, Psychosen, „burning feet“, Hirnnervenbeteiligung<br />
Blei<br />
Radialisparese<br />
Triarylphosphat (TAP) Wa<strong>de</strong>nmuskelschmerz, Atrophien („Storchenbeine“), Myopathie,<br />
Eigenreflexe ↑<br />
Triorthocresylphosphat (TOCP) Fußheberparese<br />
GUILLAIN-BARRÉ-Syndrom (GBS)<br />
Idiopathische Polyneuritis GUILLAIN-BARRÉ-STROHL<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Inzi<strong>de</strong>nz: 1,7 / 100.000<br />
? Erkrankung kann in je<strong>de</strong>m Lebensalter auftreten<br />
Ätiologie<br />
? unbekannt (in 80% <strong>de</strong>r Fälle geht allerdings ein Infekt <strong>de</strong>s Gastrointestinal- bzw. Respirationstraktes<br />
voraus)<br />
Klinik<br />
? anfangs mil<strong>de</strong> sensible Ausfälle, häufig Kribbelparästhesien<br />
? folgend: motorische Störungen (innerhalb von 14 Tagen, selten bis 4 Wochen, aufsteigen<strong>de</strong><br />
symmetrische Lähmungen)<br />
Diagnose<br />
? Klinik (s.o.)<br />
? verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit (Markschei<strong>de</strong>nschädigung): < 30 m/s<br />
? isolierte Liquoreiweißvermehrung (entzündlich verän<strong>de</strong>rte Nervenwurzeln): > 80-150 mg%<br />
Therapie<br />
? Immunglobulingabe und/o<strong>de</strong>r Plasmaseparation<br />
Prognose<br />
? in > 80% <strong>de</strong>r Fälle: gute Prognose mit vollständiger Abheilung nach 3-5 Monaten<br />
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37<br />
Apoplexie, Apoplexia cerebri<br />
Schlaganfall<br />
Definition<br />
Durch Ischämie o<strong>de</strong>r Blutung bedingte Nekrose von Hirnarealen.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Häufigkeit (BRD): 250.000 / Jahr<br />
Risikofaktor Alter<br />
45-54 Jahre: 1faches Risiko<br />
55-64 Jahre: 2,5faches Risiko<br />
65-74 Jahre: 6,5faches Risiko<br />
75-80 Jahre: 11,9faches Risiko<br />
Ätiologie<br />
? Ischämie (80%):<br />
? Myxom, Aneurysma, paradoxe Embolie bei offenem Foramen ovale<br />
? arterio-arterielle Embolisation (60%): Plaquematerial aus <strong>de</strong>r Aorta o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Karoti<strong>de</strong>n<br />
? hämodynamisch (20%): Carotis -interna-Stenose/-Verschluß bei fehlen<strong>de</strong>r/mangeln<strong>de</strong>r Kollateralisation<br />
? Blutung (20%):<br />
? Parenchymblutungen: z.B. Tumorblutungen,<br />
? Blutungen bei Antikoagulation<br />
? Subarachnoidalblutung<br />
? Subdural-/Epiduralblutung<br />
? Sinusvenenthrombosen<br />
Ursachen ischämischer Schlaganfälle<br />
ℵ Arteriosklerose<br />
I Gefäßdissektion (meist traumatisch: Schlag auf Karoti<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Vertebralisarterien)<br />
R Vaskuliti<strong>de</strong>n: autoimmun (SLE, Panarteriitis nodosa), erregerbedingt (Syphilis, Tbc, Viren)<br />
℘ Moya-Moya: ätiologisch unklarer Verschluß basaler Hirnarterien bei jungen Patienten (schlechte Prognose)<br />
Risikofaktoren <strong>de</strong>r Arteriosklerose <strong>de</strong>r Hirnarterien<br />
ℵ arterielle Hypertonie (6-8faches Risiko)<br />
I periphere arterielle Verschlußkrankheit (2-3faches Risiko)<br />
R Diabetes mellitus (2-3faches Risiko)<br />
℘ koronare Herzkrankheit (2-3faches Risiko)<br />
⊗ Alkohol (2-3faches Risiko)<br />
⊕ Fettstoffwechselstörungen (2faches Risiko)<br />
∅ Rauchen (1,5-2faches Risiko)<br />
∩ Adipositas, Kontrazeptiva (Risikofaktoren, <strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>rzeit aber noch unbekannt ist)<br />
Klinik<br />
? Hemiparese<br />
? Hemihypästhesie<br />
? Hemiataxie<br />
? neuropsychologische Ausfälle: Aphasie, Akalkulie, Agraphie, Alexie<br />
? Kopfschmerzen<br />
? Vigilanzmin<strong>de</strong>rung (auch Folge <strong>de</strong>s perifokalen Ö<strong>de</strong>ms)<br />
Diagnose<br />
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38<br />
? Vitalzeichen<br />
? RR<br />
? Blutzucker<br />
? EKG (Vorhofflimmern? Alter Herzinfarkt?)<br />
? CCT (Blutung?)<br />
? Blutbild<br />
? Gerinnung<br />
? weitere Diagnostik zur Sekundärprophylaxe:<br />
? Ultraschall: extrakraniell/transkraniell (Stenose, die zu operieren ist?)<br />
? 24-h-EKG<br />
? Echokardiographie: transthorakal, TEE<br />
? Foramen-ovale-Diagnostik<br />
? Syphilisdiagnostik (TPHA)<br />
? ANA (antinukleäre Antikörper), anti-DNA-Antikörper (Vaskulitis?)<br />
? Protein C, Protein S, erweiterte Gerinnnung<br />
? MR-Angiographie<br />
? Angiographie<br />
Therapie<br />
? allgemeine Maßnahmen:<br />
? RR nur senken, wenn > 230 mmHg (Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r Hirnperfusion!)<br />
? Hkt senken, wenn erhöht<br />
? Hypo-/Hyperglykämien ausgleichen<br />
? Fibrinolyse (gebräuchlich beim Basilarisinfarkt, im vor<strong>de</strong>ren Stromgebiet eher nicht bzw. nur im Rahmen von<br />
Studien angewandt)<br />
? fibrinolytische Behandlung <strong>de</strong>s intrakraniellen Gefäßverschlusses innerhalb maximal 6 h, eher sogar nur 3 h<br />
nach Beginn <strong>de</strong>r Symptomatik lokal o<strong>de</strong>r systemisch<br />
? Cave: Blutungsrisiko<br />
? fraglich: therapeutischer Effekt o<strong>de</strong>r Spontanverlauf?<br />
? Thrombozytenaggregationshemmer als Sekundärprophylaxe<br />
? signifikante Risikoreduktion durch ASS<br />
? notwendige ASS-Dosis <strong>de</strong>rzeit noch umstritten (30-300 mg/die)<br />
? Tiklopidin: gleiche Wirksamkeit wie ASS, jedoch erheblich teurer<br />
? Antikoagulation:<br />
? Heparin, Heparinoi<strong>de</strong><br />
? Vitamin-K-Antagonisten (low-dose-Marcumarisierung wegen hohem Blutungsrisiko)<br />
? Behandlung einer symptomatischen Karotisstenose:<br />
? Endarteriektomie bei symptomatischer Stenose > 70%<br />
? Operation bei symptomatischen Stenosen < 30% jedoch unterlegen<br />
? Senkung/Beseitigung von Risikofaktoren<br />
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39<br />
Schwin<strong>de</strong>l<br />
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwin<strong>de</strong>l<br />
Definition<br />
Durch eine bestimmte Kopfbewegung ausgelöste, auf einer Kupulolithiasis beruhen<strong>de</strong> Form <strong>de</strong>s peripheren<br />
Lagerungsschwin<strong>de</strong>ls mit guter Prognose.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Altersgipfel: 6.-8. Lebens<strong>de</strong>ka<strong>de</strong><br />
? Bevorzugung <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechtes<br />
Ätiologie<br />
? Anlagerung spontan-<strong>de</strong>generativ o<strong>de</strong>r traumatisch losgelöster anorganischer Partikel <strong>de</strong>s<br />
Utrikulusotolithen an die Kupula <strong>de</strong>s hinteren Bogenganges (→ Kupulolithiasis)<br />
? Folge: die normalerweise das gleiche spezifische Gewicht wie die Endolymphe besitzen<strong>de</strong> Kupula wird<br />
durch die Partikelanlagerung schwerer und damit auf Drehbeschleunigungen überempfindlich<br />
Klinik<br />
? kurzdauern<strong>de</strong> Schwin<strong>de</strong>lanfälle, oft mit rotieren<strong>de</strong>r Scheinbewegung und Übelkeit, Schweißausbruch,<br />
Angstgefühl (jedoch ohne Ohrgeräusch), die durch eine bestimmte Kopfbewegung ausgelöst wer<strong>de</strong>n<br />
Diagnose<br />
? Untersuchung <strong>de</strong>s Patienten unter FRENZEL-Brille im abgedunkelten Raum:<br />
? Patient wird aufgefor<strong>de</strong>rt, die anfallsauslösen<strong>de</strong> Lage einzunehmen (meist Seitenlage)<br />
? nach wenigen Sekun<strong>de</strong>n Latenz → rotieren<strong>de</strong>r Nystagmus zum untenliegen<strong>de</strong>n Ohr (20 sec bis 1 min<br />
Dauer)<br />
? nach <strong>de</strong>m Aufrichten → gegenläufiger, schwächerer Nystagmus mit geringem Schwin<strong>de</strong>l<br />
Therapie<br />
? physikalisches Lagerungstraining (→ Auflösung/Verteilung <strong>de</strong>r Partikel)<br />
Prognose<br />
? gut (spontane Rückbildung innerhalb Wochen bis Monaten)<br />
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40<br />
Morbus MENIÈRE<br />
MENIÈRE-Krankheit<br />
Definition<br />
Erkrankung <strong>de</strong>s peripheren Hör- und Gleichgewichtsapparates, gekennzeichnet durch einseitigen, anfangs<br />
fluktuieren<strong>de</strong>n Hörverlust, Ohrensausen (Tinnitus) und Attacken von Drehschwin<strong>de</strong>l mit o<strong>de</strong>r ohne Erbrechen.<br />
Ätiologie<br />
? Endolymphhydrops <strong>de</strong>s Labyrinths infolge entzündlich (Labyrinthitis), traumatisch o<strong>de</strong>r akzi<strong>de</strong>ntell bedingter<br />
Resorptionsstörung im Saccus endolymphaticus durch perisakkuläre Fibrose bzw. Obliteration <strong>de</strong>s Ductus<br />
endolymphaticus<br />
? typische Drehschwin<strong>de</strong>lattacken sind durch Rupturen <strong>de</strong>s Endolympheschlauches, Austritt von Endolymphe<br />
und vorübergehen<strong>de</strong> Kaliumintoxikation eines Bogengangnervs bedingt<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Manifestation bevorzugt in <strong>de</strong>r 4.-6. Lebens<strong>de</strong>ka<strong>de</strong><br />
? geringe Bevorzugung <strong>de</strong>s männlichen Geschlechtes<br />
Klinik<br />
? Tinnitus und fluktuieren<strong>de</strong> Hörstörungen<br />
? häufig schon Jahre vor <strong>de</strong>r Krankheitsmanifestation Druckgefühl im betroffenen Ohr<br />
? einseitiger Beginn mit unregelmäßiger, zunächst zunehmen<strong>de</strong>r, dann wie<strong>de</strong>r abfallen<strong>de</strong>r Frequenz <strong>de</strong>r<br />
Drehschwin<strong>de</strong>lattacken (minuten- bis stun<strong>de</strong>nlange Dauer; im Verlauf u.U. Übergriff auf das an<strong>de</strong>re Ohr)<br />
? im Intervall (d.h. zwischen <strong>de</strong>n Anfällen) zunächst Beschwer<strong>de</strong>freiheit, dann zunehmend Ohrensausen und<br />
Hörmin<strong>de</strong>rung<br />
Therapie<br />
? Durchblutungsför<strong>de</strong>rung: Betahistidin (Vasomotal ® , Aequamen ® )<br />
? Antivertiginosa: Dimenhydrinat (Vomex A ® )<br />
? operativ:<br />
? kochleäre endolymphatische Shuntoperation<br />
? intratympanale Instillation ototoxische Substanzen<br />
? transtemporale Vestibularisneurektomie<br />
? translabyrinthäre Vestibularisneurektomie<br />
? Labyrinthektomie<br />
Prognose<br />
? Sistieren <strong>de</strong>r Drehschwin<strong>de</strong>lattacken innerhalb von 5 Jahren in 80-90% <strong>de</strong>r Fälle (auch unbehan<strong>de</strong>lt;<br />
Ausbildung einer permanenten Fistel <strong>de</strong>s membranösen Labyrinths?)<br />
Akuter peripherer Vestibularisausfall<br />
Akute periphere Vestibularisstörung, „Neuronitis vestibularis“<br />
Definition<br />
Akut o<strong>de</strong>r subakut einsetzen<strong>de</strong>r, peripher bedingter Schwin<strong>de</strong>l mit <strong>de</strong>r Symptomatik eines einseitigen<br />
Labyrinthausfalls.<br />
Ätiologie<br />
? virale Infektion <strong>de</strong>s Ganglion vestibulare<br />
? Durchblutungsstörungen (z.B. Apoplexia labyrinthi)<br />
? toxische Faktoren (z.B. Streptomycin)<br />
? traumatische Faktoren<br />
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41<br />
Klinik<br />
? Drehschwin<strong>de</strong>l mit Fallneigung und vegetativer Begleitsymptomatik (Übelkeit, Brechreiz)<br />
? heftiger horizontaler Spontannystagmus zur intakten Seite<br />
? Rumpfataxie mit Fallneigung zur Seite<br />
? kalorische Un- o<strong>de</strong>r Untererregbarkeit <strong>de</strong>s betroffenen Labyrinths<br />
? Auslösung kurzer Schwin<strong>de</strong>lphasen durch schnelle Kopfbewegungen<br />
Verlauf<br />
Gutartig. Nach wenigen Tagen vermin<strong>de</strong>rt sich die Symptomatik und setzt nach Tagen (selten erst nach Wochen)<br />
vollständig aus. Dies beruht entwe<strong>de</strong>r auf einer Herstellung <strong>de</strong>r normalen Labyrinthfunktion o<strong>de</strong>r auf zentraler<br />
Kompensation.<br />
Therapie<br />
>Antivertiginosa (nur in <strong>de</strong>n ersten 3-5 Tagen sinnvoll, da sie eine zentrale Kompensation verzögern):<br />
!Dimenhydrinat (Vomex A ® )<br />
!Sulpirid (Dogmatil ® )<br />
? Übungsbehandlung (ab <strong>de</strong>m 3. Tag)<br />
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42<br />
Definition<br />
Spastische Spinalparalyse<br />
Sehr seltene, meist hereditär bedingte <strong>de</strong>generative Erkrankung <strong>de</strong>s 1. motorischen Neurons.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
>Bevorzugung <strong>de</strong>s männlichen Geschlechtes (Männer : Frauen = 2 : 1)<br />
Ätiologie<br />
>hereditär (75%): autosomal-dominanter, -rezessiver o<strong>de</strong>r X-chromosomal-rezessiver Erbgang<br />
>spontan (25%)<br />
Pathologie<br />
>Verschmälerung <strong>de</strong>s Gyrus precentralis, Degeneration <strong>de</strong>r Pyrami<strong>de</strong>nbahn<br />
>Degneration <strong>de</strong>s Tractus reticulospinalis<br />
>in späteren Krankheitsstadien: geringe <strong>de</strong>generative Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Hinterstränge<br />
Klinik<br />
>Beginn <strong>de</strong>r Erkrankung meist im Kin<strong>de</strong>s- o<strong>de</strong>r Jugendalter (im Extrem erst ab <strong>de</strong>m 50. Lebensjahr): Steifigkeit in<br />
<strong>de</strong>n Beinen<br />
>später:<br />
? Paraspastik <strong>de</strong>r Beine (charakteristisch: Adduktorenspasmus → Beine wer<strong>de</strong>n aneinan<strong>de</strong>rgepreßt)<br />
? gesteigerte Eigenreflexe<br />
? pathologische Reflexe<br />
>keine wesentlichen Sensibilitätsstörungen<br />
Verlauf<br />
Langsame Progredienz über 20-30 Jahre. Armmuskulatur und bulbäre Muskeln wer<strong>de</strong>n erst spät betroffen. Im<br />
Endstadium Bettlägerigkeit mit spastischen Kontrakturen.<br />
Therapie<br />
>eine kausale Therapie ist nicht bekannt<br />
>Krankengymnastik (v.a. nach BOBATH)<br />
>orthopädische Behandlung<br />
>Behandlung <strong>de</strong>r Spastik: z.B. Baclofen, Dantrolen<br />
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43<br />
Definition<br />
Spinale Muskelatrophie (SMA)<br />
Degenerative Erkrankung <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rhornzellsystems, die in unterschiedlichen Manifestationsformen in Kin<strong>de</strong>s-,<br />
Jugend- und Erwachsenenalter vorkommt und sekundär zu einer Muskelatrophie führt.<br />
Formen:<br />
? SMA im Kin<strong>de</strong>salter (SMA-K)<br />
? infantile akute SMA (SMA 1)<br />
? infantile intermediäre SMA (SMA 2): WERDNIG-HOFFMANN<br />
? juvenile chronische SMA (SMA 3): KUGELBERG-WELANDER<br />
? juvenile Bulbärparalyse: FAZIO-LONDE<br />
? juvenile proximale SMA<br />
? SMA im Erwachsenenalter (SMA-E)<br />
? chronisch progrediente sporadische SMA<br />
? benigne fokale SMA<br />
? postpoliomyelitische SMA<br />
? hereditäre Formen <strong>de</strong>r SMA<br />
Ätiologie<br />
? unklar; vermutlich han<strong>de</strong>lt es sich um einen einfachen <strong>de</strong>generativen Prozeß, z.B. aufgrund eines<br />
genetischen Defektes<br />
Klinik<br />
? Leitsymptome (→ nukleäres motorisches Syndrom)<br />
? Muskelatrophie<br />
? Parese<br />
? Faszikulationen<br />
? Muskeltonus↓<br />
? Reflexmin<strong>de</strong>rung bis -verlust<br />
? Vergrößerung <strong>de</strong>r motorischen Einheiten (Folge <strong>de</strong>r Neuron<strong>de</strong>generation mit anschließen<strong>de</strong>r Reinnervation<br />
durch Kollateralenbildung verbliebener intakter Motoneurone)<br />
? Nebensymptome:<br />
? NLG↓<br />
? bei Kin<strong>de</strong>rn: kontinuierliche Entladung motorischer Einheiten<br />
SMA <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>salters<br />
Infantile akute SMA (SMA 1; 0.-3. Lebensjahr, autosomal-rezessiver Erbgang)<br />
? vermin<strong>de</strong>rte intrauterine Kindsbewegungen<br />
? Bewegungsarmut, Schlaffheit, Abduktionshaltung <strong>de</strong>r Extremitäten<br />
? Trinkschwäche<br />
? paradoxe Atmung (inspiratorische Bauchvorwölbung und Thoraxeinsenkung)<br />
? Fehlen von Eigenreflexen<br />
Rasche Progredienz, Tod an <strong>de</strong>n Folgen von Aspiration bei Atem- und Schluckschwäche (in 95% vor <strong>de</strong>m 18.<br />
Lebensmonat).<br />
Infantile intermediäre SMA (SMA 2; 3.-12. Lebensjahr, autsomal-rezessiver Erbgang): WERDNIG-HOFFMANN<br />
? generalisierte Schwäche <strong>de</strong>r Muskulatur (betont in <strong>de</strong>n proximalen Beinmuskeln)<br />
? Fehlen <strong>de</strong>r Kniereflexe, die übrigen Reflexe erlöschen etwa ab <strong>de</strong>m 2. Lebensjahr<br />
? Faszikulationen, Fingertremor<br />
? „lernen nie gehen“<br />
? Entwicklung schwerer Skoliosen<br />
Lebenserwartung 4-8 Jahre, in Einzelfällen bis 15 Jahre.<br />
Juvenil chronische SMA (SMA 3; 2.-8. Lebensjahr, autosomal-rezessiver Erbgang): KUGELBERG-WELANDER<br />
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44<br />
? verzögerte motorische Entwicklung<br />
? anfangs Schwäche v.a. <strong>de</strong>r proximalen Beinmuskulatur (z.B. Aufstehen aus <strong>de</strong>m Sitzen, Treppensteigen)<br />
? lumbale Hyperlordose<br />
? Pseudohypertrophie <strong>de</strong>r Wa<strong>de</strong>n<br />
? Reflexmin<strong>de</strong>rung, später Reflexverlust<br />
? Faszikulationen<br />
Gehunfähigkeit je nach vorliegen<strong>de</strong>r Unterform <strong>de</strong>r Erkrankung nach 15-20 o<strong>de</strong>r bis zu 40 Jahren.<br />
Juvenile Bulbärparalyse (2.-10. Lebensjahr, autosomal-rezessiver Erbgang): FAZIO-LONDE<br />
? Schwäche <strong>de</strong>r mimischen Muskulatur, evtl. Ptose<br />
? Schluckstörungen<br />
? verwaschene Sprache<br />
? später absteigen<strong>de</strong> Parese von Hals -, Interkostal, Rumpf- und Extremitätenmuskulatur<br />
Tod nach wenigen Jahren (Aspirationspneumonie).<br />
Juvenile proximale SMA (6.-14. Lebensjahr, autosomal-dominanter Erbgang)<br />
Klinik wie SMA 3 (Verlauf allerdings etwas günstiger).<br />
SMA <strong>de</strong>s Erwachsenenalters<br />
Chronische progrediente sporadische SMA (48. [20.-60.] Lebensjahr): DUCHENNE-ARAN / VULPIAN-BERNHARD<br />
? anfangs Muskelsteife, „Ungeschicklichkeit“ (v.a. in Kälte)<br />
? Schwäche bzw. Muskelatrophien häufig auch einseitig an Hän<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Schultergürtel, gelegentlich am<br />
Unterschenkel<br />
? Ausbreitung <strong>de</strong>r Paresen am ganzen Arm, Übergriff auf <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Arm und schließlich auf <strong>de</strong>n ganzen<br />
Körper<br />
? Reflexverlust (parallel zur Atrophie/Parese)<br />
? Faszikulationen<br />
Verlauf 5-22 Jahre.<br />
Benigne fokale SMA (15.-40. Lebensjahr, fast nur Männer betroffen)<br />
? meist nur einseitig<br />
? umschriebene Atrophien, Parese<br />
? Reflexmin<strong>de</strong>rung bis -verlust<br />
1-2 Jahre raschere Entwicklung, dann weitgehend stationär.<br />
Postpoliomyelitische SMA<br />
Spiales nukleäres Syndrom an <strong>de</strong>r Schädigungslokalisation <strong>de</strong>r abgelaufenen Poliomyelitis<br />
Langsame Progredienz, gute Prognose.<br />
Hereditäre Formen <strong>de</strong>r SMA<br />
Diagnose<br />
? Klinik (nukleäres motorisches Syndrom, s.o.)<br />
? EMG<br />
? Muskelbiopsie<br />
Therapie<br />
? bislang keine kausale Therapie möglich<br />
? Krankengymnastik (we<strong>de</strong>r unterfor<strong>de</strong>rn noch überlasten!)<br />
? orthopädis che Apparateversorgung<br />
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45<br />
Spinalis-anterior-Syndrom<br />
Arteria-spinalis -anterior-Syndrom, Syndrom <strong>de</strong>r Thrombose <strong>de</strong>r A. spinalis anterior<br />
Definition<br />
Neurologische Symptomatik bei ischämischer Durchblutungsstörung ventraler Rückenmarksanteile im<br />
Versorgungsgebiet <strong>de</strong>r A. spinalis anterior (meist ist das Brust- und Len<strong>de</strong>nmark betroffen).<br />
Ätiologie<br />
? meist kurzstreckige Thrombosen mit Verschluß funktioneller Endarterien (Sulkokommissuralarterien) im<br />
Zusammenhang mit<br />
? Aneurysma dissecans, an<strong>de</strong>ren Aneurysmen, Atherosklerose o<strong>de</strong>r Thrombose <strong>de</strong>r Aorta abdominalis<br />
? Kompression/Verletzung einer Radikulararterie bzw. <strong>de</strong>r A. spinalis anterior (Diskushernie, Tumor, epiduraler<br />
spinaler Abszeß)<br />
? systemische Einflüsse: Intoxikation, Hypoxämie, akute Blutdrucksenkung<br />
Klinik<br />
Symptom<br />
schlaffe Parese auf Läsionsniveau<br />
Dissoziierte Empfindungsstörung (vermin<strong>de</strong>rte/<br />
aufgehobene Schmerz- und Temperaturempfindung bei<br />
intakter Oberflächen- und Tiefensensibilität) auf<br />
Läsionshöhe<br />
fakultativ: dissoziierte Empfindungsstörung auch<br />
unterhalb <strong>de</strong>s Läsionsniveaus<br />
spastische Parese unterhalb <strong>de</strong>s Läsionsniveaus<br />
Ursache<br />
Schädigung <strong>de</strong>r motorischen Vor<strong>de</strong>rhornzellen<br />
Schädigung <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m Zentralkanal kreuzen<strong>de</strong>n<br />
Fasern <strong>de</strong>s Tractus spinothalamicus lateralis bei<br />
intakten Hintersträngen<br />
Schädigung <strong>de</strong>s im Vor<strong>de</strong>rseitenstrang nach oben<br />
ziehen<strong>de</strong>n Tractus spinothalamicus lateralis<br />
Schädigung <strong>de</strong>r Pyrami<strong>de</strong>nbahn<br />
Das Symptom <strong>de</strong>r „aufgehängten“ dissoziierten Sensibilitätsstörung (d.h. oberhalb und unterhalb <strong>de</strong>r Läsion ist<br />
die Sensibilität intakt) tritt u.a. bei folgen<strong>de</strong>n Erkrankungen auf:<br />
? Spinalis -anterior-Syndrom<br />
? Syringomyelie<br />
? BROWN-SÉQUARD-Syndrom<br />
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46<br />
Subarachnoid hemorrhage (SAH)<br />
Definition<br />
Subarachnoidalblutung (SAB)<br />
Akute Blutung in <strong>de</strong>n Subarachnoidalraum, die meist auf ein basales Aneurysma, seltener auf ein Angiom<br />
zurückzuführen ist.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Inzi<strong>de</strong>nz: 10-13 / 100.000<br />
? aller Schlaganfälle<br />
? aller intrakraniellen Blutungen<br />
Ätiologie<br />
? Ursachen:<br />
? sackförmige Aneurysmen (70%)<br />
? arteriosklerotische Aneurysmen<br />
? arteriovenöse Malformationen (5-10%)<br />
? Tumorblutungen (2%)<br />
? Traumen<br />
? Sinusvenenthrombose<br />
? Risikofaktoren:<br />
? Hypertonie<br />
? Alkoholabusus<br />
? Rauchen<br />
Lokalisation von Aneurysmen (häufig multipel)<br />
ℵ A. communicans anterior (34%) → bei Blutung häufig Okulomotoriusparese!<br />
I A. carotis interna (26%)<br />
R A. cerebri media (17%)<br />
℘ A. cerebri anterior (5%)<br />
⊗ vertebrobasiläres Stromgebiet (3%)<br />
⊕ spinales Stromgebiet (1-3%)<br />
Klinik<br />
? plötzliche, intensive, meist okzipital betonte Kopfschmerzen, häufig gefolgt von Meningismus<br />
? Übelkeit, Erbrechen, an<strong>de</strong>re vegetative Symptome<br />
? fokalneurologische Zeichen<br />
Einteilung nach HUNT und HESS<br />
Grad I: Kopfschmerzen, leichter Meningismus<br />
Grad II: schwerste Kopfschmerzen, <strong>de</strong>utlicher Meningismus, Hirnnervenparesen (oft N. oculomotorius)<br />
Grad III: Somnolenz, Psychosyndrom, leichte Herdsymptome<br />
Grad IV: Sopor, Hemiparese, vegetative Dysregulation (Schwitzen, zentrales Fieber)<br />
V: Koma<br />
Grad<br />
Diagnose<br />
? Anamnese (s.o.)<br />
? CCT (in 95% positiv am 1., in 75% am 3. und in 50% nach 1 Woche)<br />
? Lumbalpunktion (falls CCT negativ o<strong>de</strong>r fraglich):<br />
? Blut im Liquor (später: Hämosi<strong>de</strong>rophagen)<br />
? Xanthochromie (= Gelbfärbung) <strong>de</strong>s Liquors nach Zentrifugation (6 h bis 14 d nach <strong>de</strong>r Blutung):<br />
pathognomonisch für SAB<br />
? TCD (transkranieller Doppler): falls Symptomatik älter als 24 h<br />
? Angiographie<br />
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47<br />
Therapie<br />
? akuter Hydrozephalus: externe Ventrikeldrainage<br />
? Vasospamusprophylaxe:<br />
? bereits in <strong>de</strong>r Notaufnahme und für 14 Tage: Nimodipin 2 mg/h i.v.<br />
? Flüssigkeitszufuhr<br />
? Blutkoagelentfernung noch experimentell<br />
? Vasospasmusbehandlung:<br />
? Nimodipin<br />
? hypervolämisch-hypertensive Therapie<br />
? 3-5×250 ml Humanalbumin 5%/24 h<br />
? Dopamin, Dobutamin<br />
? Reblutungsprophylaxe: Aneurysma-Clipping (Therapiealternative: Coiling)<br />
? bei HUNT-HESS I-III (-V): Früh-OP (innerhalb <strong>de</strong>r ersten 72 h nach Blutung, jedoch niemals in <strong>de</strong>r Phase<br />
<strong>de</strong>s Vasospasmus zwischen <strong>de</strong>m 3. und 14. Tag)<br />
? bei HUNT-HESS IV und V: OP nach 14 Tagen<br />
Prognose<br />
? Letalität:<br />
? Erstblutung (präklinisch): 15%<br />
? Erstblutung (im Krankenhaus, ohne OP): 26%<br />
? Erstblutung (im Krankenhaus, nach Früh-OP): 15%<br />
? Reblutung (präklinisch): 78%<br />
? Reblutung (im Krankenhaus): 50%<br />
? Reblutungsrisiko:<br />
? rupturiertes Aneurysma ohne OP: 50% in 6 Monaten, danach 3%/Jahr (davon 70% innerhalb von 14 d)<br />
? rupturiertes Aneurysma nach Früh-OP: 6%<br />
? rupturiertes Aneurysma nach Spät-OP: 22%<br />
? SAB unbekannter Ätiologie: 1%/Jahr<br />
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48<br />
Definition<br />
Syringomyelie<br />
Langsam progrediente zentrale Hohlraumbildung <strong>de</strong>s Rückenmarks mit neurologischer Ausfallssymptomatik<br />
infolge <strong>de</strong>r Kompression von Rückenmarksstrukturen (zentromedulläres Syndrom).<br />
? Aus<strong>de</strong>hnung über 5-10 Segmente, bevorzugt im Bereich <strong>de</strong>s unteren Zervikal- und oberen<br />
Thorakalmarks, selten auch bis in Medulla oblongata und Pons (→ Syringobulbie) o<strong>de</strong>r ins Mittelhirn<br />
reichend; Lumb almark selten und niemals isoliert betroffen<br />
? Formen:<br />
? primäre Syringomyelie (90%): angeboren, Kommunikation mit <strong>de</strong>m Zentralkanal<br />
? sekundäre Syringomyelie (10%): erworben im Rahmen an<strong>de</strong>rer Erkrankungen, meist keine Kommunikation mit<br />
<strong>de</strong>m Zentralkanal<br />
Von einer Hydromyelie spricht man, wenn die Hohlraumbildung in einer Erweiterung <strong>de</strong>s beim Erwachsenen<br />
normalerweise auf weiten Strecken obliterierten Zentralkanals besteht.<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
? Inzi<strong>de</strong>nz: 5 / 1.000.000<br />
? Prävalenz: 60-90 / 1.000.000<br />
? Manifestationsalter: 20.-40. Lebensjahr<br />
? Bevorzugung <strong>de</strong>s männlichen Geschlechtes (Männer : Frauen = 2 : 1)<br />
Ätiologie<br />
? primäre Syringomyelie: embryonale Fehlbildung <strong>de</strong>s Neuralrohres, häufig assoziiert mit weiteren<br />
Fehlbildungen:<br />
? ARNOLD-CHIARI-Syndrom (Tiefstand <strong>de</strong>r Kleinhirntonsillen)<br />
? Spina bifida<br />
? basiläre Impression<br />
? Blockwirbel<br />
? Skoliose<br />
? Nävus <strong>de</strong>r Haut<br />
? sekundäre Syringomyelie:<br />
? Trauma<br />
? Arachnitis<br />
? intramedulläre Tumoren<br />
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49<br />
Klinik<br />
Symptom<br />
leichte, flüchtige bis heftige, z.T. brennen<strong>de</strong>, dauerhafte<br />
Schmerzen, meist im Bereich <strong>de</strong>s Schultergürtels (in 25%<br />
Erstsymptom)<br />
Dissoziierte Empfindungsstörung (vermin<strong>de</strong>rte/<br />
aufgehobene Schmerz- und Temperaturempfindung bei<br />
intakter Oberflächen- und Tiefensensibilität) auf<br />
Läsionshöhe<br />
vegetative Störungen (Hypo-/Anhidrose, akrodistale<br />
Zyanose, Nagel-/Hautverän<strong>de</strong>rungen, neurogene<br />
Osteoarthropathie mit Gelenkkapselverkalkung,<br />
Knochenentkalkungen)<br />
schlaffe Parese auf Läsionsniveau<br />
spastische Paraparese unterhalb <strong>de</strong>s Läsionsniveaus<br />
bulbäre Symptome (horizontaler Nystagmus, Zungenatrophie,<br />
Dysphagie, Dysarthrophonie, abgeschwächter<br />
Kornealreflex, „zwiebelschalenförmige“ dissoziierte<br />
Empfindungsstörung <strong>de</strong>s Gesichtes etc<br />
HORNER-Syndrom (= Miosis + Ptosis)<br />
Kyphoskoliose<br />
Ursache<br />
Reizung von Hinterhornzellen durch Infiltration /<br />
Begleitgliose?<br />
Schädigung <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m Zentralkanal kreuzen<strong>de</strong>n<br />
Fasern <strong>de</strong>s Tractus spinothalamicus lateralis bei<br />
intakten Hintersträngen<br />
Schädigung sympathischer Neurone <strong>de</strong>s<br />
Rückenmarkseitenhorns<br />
Schädigung von Neuronen <strong>de</strong>s<br />
Rückenmarkvor<strong>de</strong>rhorns<br />
Schädigung <strong>de</strong>r Pyrami<strong>de</strong>nbahn (nur bei großer<br />
Syrinxhöhle)<br />
Schädigung von bulbären Hirnnervenkernen bei<br />
Syringobulbie<br />
Schädigung zentraler sympathischer Fasern<br />
Skelettanomalie bei Status dysraphicus? Trophische<br />
Störungen an Wirbelkörpern und Rippen bei<br />
verän<strong>de</strong>rter Durchblutung? Lähmung/Atrophie <strong>de</strong>r<br />
langen Rückenmuskeln? Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Statik<br />
durch schlaffe Lähmungen im Schultergürtelbereich?<br />
Achtung: Aufgrund <strong>de</strong>s Ausfalls von Schmerz- und Temperaturempfindung und gleichzeitiger gesteigerter<br />
Verletzlichkeit <strong>de</strong>r atrophen Haut kommt es häufig zu unbemerkten Verletzungen, die sich infizieren und in eine<br />
Sepsis übergehen können.<br />
Diagnose<br />
? MINORscher Schweißversuch zum Nachweis einer (segmentalen bzw. quadrantenförmigen) Anhidrose<br />
? CCT + Myelographie<br />
? MRT<br />
Therapie<br />
? operativ:<br />
? syringo-arachnoidaler o<strong>de</strong>r syringo-peritonealer Shunt<br />
? Foramen-magnum-Dekompression bei ARNOLD-CHIARI-Syndrom<br />
? bei sekundärer Syringomyelie: ggf. Tumorexstirpation, Wirbeloperation etc.<br />
? präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Wun<strong>de</strong>n, Ulzera, Sepsis:<br />
? Verwendung von Schutzhandschuhen bei Arbeiten mit Verletzungsrisiko<br />
? intensive Hautpflege<br />
? Schmerztherapie: Carbamazepin, Amitriptylin<br />
? Krankengymnastik<br />
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50<br />
Definition<br />
Zervikale Myelopathie<br />
Neurologische Symptomatik infolge mechanischer Kompression <strong>de</strong>s Zervikalmarks.<br />
Ätiologie<br />
? Einengung <strong>de</strong>s Spinalkanals<br />
? primär: anlagebedingt<br />
? sekundär: ausgeprägte Spondylose, abnorme Beweglichkeit durch Mikrotraumen, medialer<br />
Bandscheibenvorfall<br />
? vaskuläre Faktoren (Beeinträchtigung <strong>de</strong>r Blutzufuhr durch die spinalen Aa. radiculares)<br />
Klinik<br />
? langsam progrediente spastische Paraparese (Schwere-/Schwächegefühl <strong>de</strong>r Beine)<br />
? Parästhesien und Sensibilitätsstörungen v.a. <strong>de</strong>r unteren Extremitäten<br />
? radikuläre Schmerzausstrahlung in die Arme (20-30%)<br />
Verlauf<br />
Charakteristisch ist ein langsames Aufsteigen sensibler und motorischer Ausfälle von <strong>de</strong>n unteren Extremitäten<br />
bis auf das Niveau <strong>de</strong>r Kompression.<br />
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51<br />
Liquordiagnostik<br />
Liquorgewinnung<br />
Liquor wird durch Punktion <strong>de</strong>s Subarachnoidalraumes gewonnen, wobei prinzipiell zwei Verfahren angewandt<br />
wer<strong>de</strong>n:<br />
ℵ Lumbalpunktion: Punktion zwischen <strong>de</strong>m 3. und 4. o<strong>de</strong>r 4. und 5. Len<strong>de</strong>nwirbelkörper<br />
I Subokzipitalpunktion: technisch einfacher, jedoch risikoreicher (<strong>de</strong>shalb nicht routinemäßig angewandt)<br />
Eine Liquorentnahme ist bei gesteigertem intrakraniellem Druck kontraindiziert, da die hierdurch bewirkte<br />
plötzliche Druckentlastung zur Einklemmung <strong>de</strong>s Hirnstammes im Tentoriumschlitz o<strong>de</strong>r im Foramen magnum<br />
führen kann.<br />
Normwerte<br />
Physikalische Parameter<br />
Farbe<br />
Wasserklar<br />
Volumen Säuglinge 40-60 ml<br />
jüngere Kin<strong>de</strong>r<br />
60-100 ml<br />
ältere Kin<strong>de</strong>r<br />
80-120 ml<br />
Erwachsene<br />
135 (100-160) ml<br />
Produktionsrate<br />
0,35 ml / min<br />
Druck Kin<strong>de</strong>r 40-100 mmH 2 O<br />
Erwachsene<br />
60-195 mmH 2 O<br />
Biochemische Parameter<br />
Erythrozyten* Neugeborene 120 (0-675) / µl<br />
ältere Kin<strong>de</strong>r/ Erwachsene 0<br />
Leukozyten* Neugeborene 0-15 / µl<br />
Erwachsene 0-5 / µl<br />
Gesamtprotein Neugeborene 430-1030 mg/l<br />
Säuglinge<br />
150-450 mg/l<br />
ältere Kin<strong>de</strong>r/Erwachsene 200-400 mg/l<br />
Glucose<br />
2,7-4,1 mmol/l bzw. 65 (61-89)% <strong>de</strong>r Blutglucose<br />
Lactat ½-15 Jahre 1,1-1,8 mmol/l<br />
16-50 Jahre 1,5-2,1 mmol/l<br />
pH-Wert 7,31<br />
* Der Zellgehalt <strong>de</strong>s Liquors wird nach Anfärbung <strong>de</strong>r Zellen mit Karbolfuchsinlösung in <strong>de</strong>r FUCHS-<br />
ROSENTHAL-Kammer bestimmt. Da diese ein Volumen von 3.2 mm 3 (µl) hat, erfolgt im <strong>de</strong>utschen Schrifttum die<br />
Angabe in „/3 Zellen“. „15/3 Zellen“ z.B. entsprechen somit 5 Zellen pro µl.<br />
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52<br />
Pathologische Normabweichungen<br />
Parameter Verän<strong>de</strong>rung Ursache<br />
Farbe<br />
Rotfärbung<br />
(Erythrochromie)<br />
Blutbeimischung im Verlauf <strong>de</strong>r Punktion o<strong>de</strong>r höchstens 5-6 h<br />
vorher<br />
Gelbfärbung<br />
(Xanthochromie)<br />
Beimischung von Blutzerfallsprodukten (Blutung älter als 6 h),<br />
starke Eiweißvermehrung, schwerer Ikterus (Bilirubin > 15 mg%),<br />
erhöhte Permeabilität <strong>de</strong>r Meningealschranke für Bilirubin o<strong>de</strong>r<br />
Carotine (z.B. bei Meningitis, Liquorzirkulationsblock)<br />
Braunfärbung Melanosarkom von ZNS o<strong>de</strong>r Meningen<br />
Trübung<br />
Pleozytose > 800/3 Zellen<br />
eitrige Verfärbung Pleozytose > 3000/3 Zellen<br />
Gesamtprotein* ↑↑↑↑ Sperrliquor, hypertone Dehydratation, Melanom <strong>de</strong>s ZNS, Mykosen<br />
<strong>de</strong>s ZNS, eitrige Meningitis<br />
↑↑↑<br />
GUILLAIN-BARRÉ-Syndrom, diabetische Polyneuritis,<br />
Akustikusneurinom, Aliquorrhoe<br />
↑↑<br />
tuberkulöse Meningitis, parasitärer Befall <strong>de</strong>s ZNS, Neurolues,<br />
Subduralhämatom<br />
↑<br />
Hirntumor, Tabes dorsalis, Virusmeningoenzephalitis,<br />
Nachbarschaft eines Diskusprolaps<br />
oligoklonale Ban<strong>de</strong>n<br />
bakterielle Meningitis, mykotische/parasitäre Infektionen,<br />
Neuroborreliose, Herpes-simplex-Meningitis, Herpes-zoster-<br />
Meningitis, Meningitis bei Zytomegalie / Mumps / Masern,<br />
Hirnabszeß, Neurolues <strong>de</strong>s ZNS, subakute sklerosieren<strong>de</strong><br />
Panenzephalitis, Myleom, liquornahe ZNS-Tumoren, Meningeosis<br />
carcinomatosa<br />
Glucose ↑ Diabetes mellitus<br />
↓<br />
bakterielle Meningits, Pilzmeningitis, virale Meningoenzephalitis<br />
(Mumps, Herpes simplex), Meningeosis carcinomatosa, Sarkoidose<br />
<strong>de</strong>s ZNS<br />
Lactat ↑ bakterielle Meningitis, zerebrovaskuläre Erkrankungen, diabetische<br />
Azidose<br />
* Bei stark erhöhtem Eiweißgehalt kann <strong>de</strong>r entnommene Liquor gerinnnen.<br />
Liquorimmunglobuline<br />
An<strong>de</strong>rs als im Serum spielt sich die Immunglobulinproduktion im ZNS nicht so ab, daß einer frühen IgM-Synthese<br />
eine spätere, anhalten<strong>de</strong> IgG-Synthese folgt. IgM und IgA wer<strong>de</strong>n hierbei nur bei einzelnen Krankheitsbil<strong>de</strong>rn<br />
beobachtet, wobei sie in <strong>de</strong>r Regel parallel zum IgG gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Ein Nachweis einer lokalen (autochthonen)<br />
Immunglobulinproduktion im ZNS kann durch die Bestimmung <strong>de</strong>s IgG-In<strong>de</strong>x erfolgen:<br />
Werte > 0,7 sind pathologisch und <strong>de</strong>uten auf eine lokale IgG-Synthese hin.<br />
Ein qualitativer Nachweis einer lokalen Immunglobulinproduktion kann durch oligoklonale Subfraktionierung im<br />
Liquor mit Hilfe einer empfindlichen elektrophoretischen Technik (isoelektrischen Fokussierung) erfolgen. Die<br />
hohe Auflösungskraft dieser Metho<strong>de</strong> erlaubt die Darstellung von oligospezifischem IgG, das sich in Form eines<br />
Ban<strong>de</strong>nmusters („oligoklonale Ban<strong>de</strong>n/Fraktionen“) aus <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>s polyklonalen IgG heraushebt.<br />
Paresen<br />
schlaff spastisch<br />
Amyotrophische<br />
+ +<br />
Lateralsklerose<br />
BROWN-SÉQUARD-<br />
+<br />
Syndrom<br />
FRIEDREICH-Ataxie + +<br />
Funikuläre Myelose +<br />
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53<br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
Quellenangaben<br />
[01] Vorlesung <strong>Neurologie</strong> B<br />
[02] Kunze: Lehrbuch <strong>de</strong>r <strong>Neurologie</strong>, Thieme, 1992.<br />
[03] Fröscher: <strong>Neurologie</strong>, <strong>de</strong> Gruyter, 1990.<br />
[04] Poeck: <strong>Neurologie</strong>, 9. Auflage, Springer, 1994.<br />
[05] Trepel: Neuroanatomie, Urban & Schwarzenberg, 1995.<br />
[06] Kahle: dtv-Atlas <strong>de</strong>r Anatomie, Bd. 3: Nervensystem und Sinnesorgane, 6. Auflage, dtv, 1991.<br />
[07] Rauber, Kopsch: Anatomie <strong>de</strong>s Menschen, Bd. 3: Nervensystem, Sinnesorgane, Thieme, 1987.<br />
[08] Herold: Innere Medizin, Gerd Herold, 1997.<br />
[09] Wissenschaftliche Tabellen Geigy, Teilband Körperflüssigkeiten, 8. Auflage, Geigy, 1977.<br />
[10] Dörner: Klinische Chemie, 2. Auflage, Enke, 1992.<br />
[11] Forth, Henschler, Rummel, Starke: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 6. Auflage,<br />
BI-Wiss.- Verlag, 1992.<br />
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