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Jungen sind anders – Mädchen aber auch

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<strong>Jungen</strong> <strong>sind</strong> <strong>anders</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Mädchen</strong> <strong>aber</strong> <strong>auch</strong><br />

Prof. Dr. Annette Scheunpflug<br />

Universität Erlangen-Nürnberg /<br />

Lehrstuhl für Allgemeine Erziehungswissenschaft I


Überblick<br />

2<br />

1 Ausgewählte Befunde<br />

2 Erklärungsmodelle<br />

3 Pädagogische Reaktions- bzw.<br />

Interventionsmöglichkeiten


Überblick<br />

3<br />

1 Ausgewählte Befunde<br />

2 Erklärungsmodelle<br />

3 Pädagogische Reaktions- bzw.<br />

Interventionsmöglichkeiten


Befund: Geschlechtwahrnehmung<br />

4<br />

Geschlechtsschema: Mit spätestens 3 Jahren<br />

Identifikation des Geschlechts anhand sozialer Symbolen<br />

(Farbe der Kleidung, Frisur, Schmuck etc.) (vgl. Oerter<br />

1993).<br />

Geschlechtszugehörigkeit wird zu einem das<br />

Erleben und Handeln steuernden Schema.


Befund:<br />

Orientierung an gleichgeschlechtlichen<br />

Interaktionspartnern<br />

5<br />

Bevorzugung gleichgeschlechtlicher Interaktions- und<br />

Spielpartner (ca. ab 3); Zusammenschluss in<br />

gleichgeschlechtlichen Paaren oder Gruppen (vgl.<br />

Rohrmann 2008).<br />

Umgang mit gleichgeschlechtlichen Freunden stärkt das<br />

geschlechtstypische Verhalten (vgl. Martin & Fabes 2001).<br />

Zunehmend konsequente<br />

Geschlechtertrennung, zwischen 8 und 11<br />

Jahren am größten (vgl. Maccoby 2000).


Befund: Spielverhalten und Gruppenbildung<br />

6<br />

<strong>Jungen</strong><br />

• spielen häufiger in größeren Gruppen oder allein;<br />

• stärkere Ingroup-Identifikation und Abgrenzung sowie<br />

Ausschluss von <strong>Mädchen</strong> und Erwachsenen (vgl.<br />

Fagot 1985).<br />

• spielen häufiger im Freien, nehmen mehr Raum ein<br />

und entfernen sich weiter<br />

• häufiger Konstruktionsspiele, Bewegungs- und<br />

Wettkampfspiele, Präferenz von Werkzeugen und<br />

technischem Spielmaterial u.a. (vbw 2009)


Befund: Spielverhalten und Gruppenbildung<br />

7<br />

<strong>Mädchen</strong><br />

• spielen in kleineren Gruppen und dyadischen<br />

Beziehungen<br />

• spielen häufiger in offenen und weniger<br />

strukturierten Situationen<br />

• halten sich mehr im Haus auf, interagieren häufiger<br />

mit Erwachsenen als mit <strong>Jungen</strong><br />

• Bevorzugung von Fantasie- und Rollenspielen,<br />

Malen und Basteln, Tanz- und Ballspiele u.a. sowie<br />

Puppen und Spielhaushaltsgeräte (vgl. vbw 2009).


Befund: Interaktionsstile<br />

8<br />

<strong>Jungen</strong><br />

• Freundschaften basieren auf gemeinsamen<br />

Aktivitäten;<br />

• in Geschichten und Spielen geht es oft um<br />

Krafterprobung, Gefahr und Heldentaten;<br />

• in Interaktionen oft Toben, Wettbewerb u. Konflikt,<br />

Bildung von Hierarchien u. Dominanzstreben im<br />

Mittelpunkt (vgl. Maccoby 2000).


Befund: Interaktionsstile<br />

9<br />

<strong>Mädchen</strong><br />

• Freundschaften <strong>sind</strong> intimer; das Ende von<br />

<strong>Mädchen</strong>freundschaften ist emotional intensiver;<br />

• in Spielen geht es um soziale Beziehungen,<br />

häusliche und romantische Themen;<br />

• in Interaktionen oft Bestreben nach egalitären<br />

Strukturen, Entwicklung von gemeinschaftlichen<br />

Spielarrangements und reziproken Spielhandlungen<br />

(vgl. Maccoby 2000).


Befund: weitere Verhaltensbereiche<br />

10<br />

<strong>Jungen</strong><br />

• zeigen deutlich häufiger physische, offene<br />

Aggressivität;<br />

• zeigen geschlechtsspezifische Vorteile in<br />

Zahlensymbol-Vorwissen und zahlbezogene<br />

Arbeitsgedächtnisleistung;<br />

• besseres räumlich-visuelles Vorstellungsvermögen<br />

(vgl. Hyde u.a. 1990).


Befund: weitere Verhaltensbereiche<br />

11<br />

<strong>Mädchen</strong><br />

• bessere Feinmotorik und eine höhere altersbezogene<br />

Sprachkompetenz (größerer Wortschatz u.<br />

elaboriertere Kommunikationsfähigkeiten) (vgl. Mayr<br />

2000);<br />

• zeigen eher Formen von Beziehungsaggression (z.B.<br />

Gruppenausschluss);<br />

• bessere Dekodierung von Emotionen und dem<br />

nonverbalen Verhalten anderer (vgl. Hyde u.a. 1990) und<br />

bessere emotionale Regulationsfähigkeit (vgl. Mayr/Ulich<br />

2009).


12<br />

Befund:<br />

Einschätzung des Verhaltens durch<br />

Eltern<br />

SOEP (Sozioökonomisches Panel): Elterliche<br />

Einschätzung ihrer 2-3jährigen Kinder im Hinblick auf<br />

die Bewältigung alltäglicher Lebenssituationen:<br />

<strong>Mädchen</strong> werden im Vergleich zu <strong>Jungen</strong> hoch<br />

signifikant in allen Bereichen (sprachliche, motorische<br />

und soziale Entwicklung bzw. Entwicklungsaufgaben<br />

sowie Alltagsfertigkeiten) als kompetenter eingeschätzt<br />

(vgl. Muhler / Spies 2008).


13<br />

Befund:<br />

Einschätzung des Verhaltens durch<br />

Professionelle<br />

BiKS-Studie: Einschätzung des pädagogischen<br />

Fachpersonals in Kindergärten:<br />

<strong>Mädchen</strong> werden im Alter von 3 ½ Jahren im Vergleich<br />

signifikant für weniger aggressiv, für aufmerksamer,<br />

konzentrierter und kooperativer eingeschätzt.<br />

Zuschreibung besserer Fähigkeiten u.a. im Bereich der<br />

Sprache, Schriftsprache, Kreativität.<br />

Die Fähigkeiten von <strong>Jungen</strong> werden im Bereich des<br />

technisch-mathematischen Interesses besser<br />

eingeschätzt.


Befund:<br />

Weitere Entwicklung im Lebenslauf<br />

14<br />

<strong>Mädchen</strong>:<br />

- deutlich bessere Schulleistungen (durchschnittlich in<br />

der OECD 8 Punkte) (vgl. OECD 2001ff.)<br />

- In Deutschland: <strong>Jungen</strong> bessere Leistungen in<br />

Mathematik, Physik, Chemie; <strong>Mädchen</strong> bessere<br />

Leistungen im problembezogenem und kritischen<br />

Umgang mit Texten (Stanat/Kunter 2001)<br />

<strong>Jungen</strong>:<br />

deutlich bessere berufliche Verwertung


Achtung!<br />

Diese Befunde <strong>sind</strong> alles statistische Befunde,<br />

die sich auf große Gruppen beziehen.<br />

Die intergeschlechtlichen <strong>sind</strong> häufig <strong>aber</strong><br />

kleiner die intrageschlechtlichen Unterschiede!<br />

Im pädagogischen Alltag: Die Individualität des<br />

Einzelnen ist von Bedeutung!


<strong>Jungen</strong> <strong>sind</strong> <strong>anders</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Mädchen</strong> <strong>aber</strong> <strong>auch</strong><br />

Prof. Dr. Annette Scheunpflug<br />

Universität Erlangen-Nürnberg /<br />

Lehrstuhl für Allgemeine Erziehungswissenschaft I


Überblick<br />

17<br />

1 Ausgewählte Befunde<br />

2 Erklärungsmodelle<br />

3 Pädagogische Reaktions- bzw.<br />

Interventionsmöglichkeiten


2. Erklärungsmodelle<br />

18<br />

Sozialwissenschaftliche Modelle:<br />

Gelernte Rollen (aktive und implizite Erziehung)<br />

Biowissenschaftliche Modelle:<br />

Angepasstheit<br />

Anpassungsstrategien<br />

differenzielles Elterninvestment


Erklärungsmodelle<br />

19<br />

Lernen am Modell<br />

Heimlicher Lehrplan:<br />

unreflektierte Geschlechtsstereotype bestimmen im<br />

großen Maße den koedukativen Alltag<br />

Kinder als Agenten ihrer eigenen Sozialisation:<br />

Bedeutung der peers; gegenseitige Kontrolle auf<br />

geschlechtsangemessenes Verhalten<br />

(Breidenstein/Kelle; Rabe-Kleberg 2005).


Erklärungsmodelle<br />

20<br />

Biowissenschaftliche Erklärung:<br />

<strong>Mädchen</strong> und <strong>Jungen</strong> haben unterschiedliche<br />

Fähigkeiten aufgrund der evolutionären<br />

Vergangenheit und unterschiedlicher<br />

Verhaltensbilanzen<br />

Angepasstheit<br />

Anpassungsstrategien<br />

differenzielles Elterninvestment


Erklärungsmodelle<br />

21<br />

Biowissenschaftliche Erklärung:<br />

Differentielles Elterninvestment<br />

Eltern investieren unterschiedlich in <strong>Mädchen</strong> und<br />

<strong>Jungen</strong> je nach erwartetem<br />

Reproduktionspotential.<br />

Hoher Sozialstatus: in <strong>Jungen</strong><br />

Niedriger Sozialstatus: in <strong>Mädchen</strong><br />

Charles Robert<br />

Darwin


Erklärungsmodelle<br />

22<br />

Abb. 1: Anteil gestillter Söhne und Töchter nach Familieneinkommen in den USA<br />

(aus Gaulin und Robbins 1991)


Überblick<br />

23<br />

1 Ausgewählte Befunde<br />

2 Erklärungsmodelle<br />

3 Pädagogische Reaktions- bzw.<br />

Interventionsmöglichkeiten<br />

Achtung: nur wenig<br />

Forschung <strong>–</strong> vermutliche<br />

Möglichkeiten!


Pädagogische Reaktionsbzw.<br />

Interventionsmöglichkeiten<br />

24<br />

1. Männliche und weibliche Erziehungsvorbilder<br />

<strong>auch</strong> im frühen Kindesalter<br />

( Modellprojekt „Mehr Männer in Kitas“ 2010-<br />

2013)<br />

2. Heterogenitätssensible Strukturierung der<br />

Räume und des Materialangebots<br />

3. Geschlechtsbewusste Elternarbeit


Pädagogische Reaktionsbzw.<br />

Interventionsmöglichkeiten<br />

25<br />

4. Partizipation von Kindern<br />

5. Sensibilisierung und Förderung des<br />

pädagogischen Fachpersonals im Hinblick auf<br />

Gender-Kompetenz und Heterogenitätssensibilität<br />

6. Ergänzung koedukativer Angebote durch<br />

zeitweise geschlechtshomogene Angebote<br />

7. Leseförderung besonders von <strong>Jungen</strong>


Pädagogische Reaktionsbzw.<br />

Interventionsmöglichkeiten<br />

26<br />

8. Geschlechtersensibilisierung im Hinblick auf<br />

Sprache (Vermeidung von Floskeln wie „Indianer kennen keinen<br />

Schmerz“ oder „Die <strong>Mädchen</strong> <strong>sind</strong> unsere Vorturnerinnen“)<br />

9. Vielfältige körper- und bewegungsbetonte<br />

Angebote<br />

Heterogenitätssensible<br />

Pädagogik


27<br />

Herzlichen<br />

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