Leseprobe - Lesewelt
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96 Bausteine zum Wortschatz<br />
Modell des mentalen<br />
Lexikons<br />
syntaktische<br />
Informationen<br />
Semantisch-lexikalische Störungen können rezeptiv Sprachverständnis-<br />
(Kap. 9) und Leseverständnisstörungen bedingen.<br />
Grundlegend für das Verstehen dieses Störungsbildes sind Modellvorstellungen,<br />
die den Aufbau und Prozesse im „mentalen Lexikon“ beschreiben,<br />
also jenen Teil des Langzeitgedächtnisses, in dem unser Wortwissen<br />
gespeichert ist (Dannenbauer 1997a). Dieses darf man sich nicht im Sinne<br />
eines herkömmlichen Wörterbuchs als linear geordnete Liste vorstellen:<br />
Vielmehr steht hier Wissen zu vielfältigen Aspekten in hoch organisierter,<br />
netzwerkartig verknüpfter Weise zur Verfügung (Levelt 1989; Luger 2006).<br />
Ziel ist es, einen flexiblen und effizienten Wortabruf sowie eine vernetzte<br />
Speicherung zu ermöglichen. Abbildung 25 verdeutlicht die Komplexität<br />
eines Lexikoneintrags am Beispielwort „fahren“.<br />
Zu jedem Eintrag sind sowohl Informationen zur Form (Lexem) als<br />
auch zum Inhalt (Lemma) gespeichert. Ein Eintrag ist umso schneller abrufbar,<br />
umso besser vernetzt und umso präsenter im aktiven Wortschatz, je<br />
ausführlicher die gespeicherten Informationen sind.<br />
Eine Besonderheit stellen syntaktische Informationen dar: Sie fungieren<br />
quasi als Schnittstelle zwischen Lexem und Lemma. Beispielsweise gibt die<br />
LEXEM<br />
FORM<br />
Schreibweise<br />
mit ,<br />
am Wortende<br />
Beispiel: „fahren“<br />
graphemische<br />
Information<br />
prozedurale<br />
Information<br />
automatisiertes Wissen<br />
zum Radfahren, Autofahren, ...<br />
LEMMA<br />
INHALT<br />
bestehend aus<br />
den Wortbausteinen<br />
|fahr| und |en|,<br />
starke Verbkonjugation, ...<br />
morphologische<br />
Information<br />
episodische<br />
Information<br />
Erinnerungen und Emotionen zu<br />
meiner ersten Autofahrt,<br />
zur Radtour letzten Sommer,<br />
zum Fahrgefühl, ...<br />
gesprochen<br />
als [],<br />
geklatscht in zwei Silben,<br />
reimt sich auf „Waren“,<br />
„sparen“, ...<br />
phonologische<br />
Information<br />
syntaktische<br />
Information<br />
semantische<br />
Information<br />
Wortbedeutung von „fahren“:<br />
Fortbewegung mit einem Gefährt,<br />
schneller als gehen, ...<br />
zu gebrauchen als einstelliges („ich fahre“) oder<br />
zweistelliges („ich fahre einen Lastwagen“) Verb<br />
Abb. 25: Modell eines Lexikoneintrags (in Anlehnung an Luger 2006, 30)