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Nierasauenprjekt Fritzbruch

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Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Gutachten zum archäologischen Kulturgut<br />

Vorgelegt von<br />

Heike Baumewerd-Schmidt M.A.<br />

Beratende Archäologin<br />

Sankt Augustin, 06.12.2011


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung ........................................................................................................................................ 2<br />

Ziel der Untersuchung .................................................................................................................... 2<br />

Lage ................................................................................................................................................ 2<br />

Topographische, geologische und bodenkundliche Verhältnisse ................................................. 2<br />

Vorgehensweise ............................................................................................................................. 4<br />

Archäologische Quellen ................................................................................................................. 5<br />

Mesolithikum/Neolithikum ......................................................................................................... 5<br />

Bronzezeit ................................................................................................................................. 6<br />

Römische Epoche .................................................................................................................... 6<br />

Mittelalter und Neuzeit .............................................................................................................. 7<br />

Historisch-geographische Quellen ................................................................................................. 7<br />

Höfe .......................................................................................................................................... 8<br />

Brücken .................................................................................................................................. 11<br />

Eine frühneuzeitliche Schanze ............................................................................................... 14<br />

Historischer Niersverlauf ........................................................................................................ 16<br />

Archäobotanik .............................................................................................................................. 18<br />

Verlustflächen ............................................................................................................................... 19<br />

Auswirkungen des Projektes auf das archäologische Kulturgut ................................................. 19<br />

Planungsentwurf ..................................................................................................................... 19<br />

Eingriffsbreite und –tiefe des neuen Gewässers ................................................................... 20<br />

Verhältnisse zum Niersverlauf des 19. Jahrhundert .............................................................. 20<br />

Verdachtsflächen .................................................................................................................... 20<br />

Maßnahmenempfehlungen .......................................................................................................... 20<br />

Zusammenfassung....................................................................................................................... 21<br />

Literatur ......................................................................................................................................... 22<br />

Kartenwerke ................................................................................................................................. 23<br />

1


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Einleitung<br />

Der Niersverband plant östlich von Süchteln-Vorst, südlich des <strong>Fritzbruch</strong>s, eine großflächige<br />

Veränderung des Niersverlaufs. 156.000 m² sollen mehrere Nebenarme in engen Schleifen und<br />

Windungen gegraben werden (Plan 5), dabei wird im östlichen Abschnitt das vorhandene<br />

Niersbett weiter genutzt. Die Planung sieht zudem eine Umwallung einiger Teilabschnitte vor.<br />

Ziel der Untersuchung<br />

Durch das hier vorliegende Gutachten soll das derzeit bekannte, im Bodenarchiv des<br />

Plangebiets zu erwartende Kulturgut dargestellt und erläutert werden. Dabei wird dieses<br />

Kernareal deutlich weiter gefasst, um auch mögliche, im Randbereich des Plangebiets oder<br />

seiner unmittelbaren Umgebung befindliche Bodendenkmäler erfassen zu können. Im<br />

Folgenden wird daher zwischen eigentlichem Plangebiet und erweiterten Untersuchungsgebiet<br />

unterschieden (Plan 1).<br />

Ziel dieses Fachbeitrags ist es, aus archäologischen Fundstellenkartierungen und historischgeographischen<br />

Quellen mögliche Fundplätze zu ermitteln und eine Prognose über das<br />

archäologische Potential zu erstellen. Die konkret von Bodeneingriffen betroffenen<br />

Bodendenkmäler sollen hierbei benannt und als mögliche Konfliktbereiche aufgezeigt werden.<br />

Lage<br />

Das fast 583.000 m² umfassende Untersuchungsgebiet liegt ca. 200 m nordöstlich von<br />

Süchteln unmittelbar östlich des Stadtteiles Vorst, Kreis Viersen, und umfasst die Aue<br />

beiderseits der Niers, wobei der Teil rechts des Flusses schon zur Gemeinde Oedt, Kreis<br />

Kempen-Krefeld gehört. Innerhalb des Untersuchungsgebietes liegt rechts der Niers der so<br />

genannte Niershof, direkt vis-à-vis am jenseitigen Ufer ein Pumpwerk mit seinen verschiedenen<br />

Becken sowie am Südrand des Untersuchungsgebietes der Hof „Villa Keusen“. Die östliche<br />

Grenze bildet der parallel zur Niers am rechten Ufern fließende Zweigkanal IIIC, die westliche<br />

Grenze ist die von Süchteln-Vorst nach Norden strebende Bruchstraße. Das nördliche Ende<br />

wird vom Krähwinkel, einem Bruchwald, markiert (Plan 1).<br />

Topographische, geologische und bodenkundliche Verhältnisse<br />

Das eigentliche Plangebiet liegt in der Aue der heutigen, kanalisierten Niers. Die in Erkelenz-<br />

Kuckum entspringende Niers durchfließt ein vom Rhein in der vorletzten Eiszeit (Saale-Eiszeit,<br />

300.000-130.000 B.C.) geschaffenes, bis 500 m breites Urstromtal, dessen Abgrenzungen<br />

auch heute noch in Form der bis etwa 2 m hohen Terrassenkanten als deutliche Abstufung am<br />

Rande der Niersaue zu erkennen ist 1 . Während der letzten Eiszeit füllte die Niers diesen<br />

Talbereich als weit verzweigtes, verwildertes Stromsystem aus und zog sich zu Beginn des<br />

Holozäns in einen Hauptstrom zurück. Der mäandrierende Fluss bildete zum Teil sehr schmale<br />

Schlingen aus. Aufgrund permanent hoher Grundwasserstände sind die mit organischem<br />

Materialien angereicherten Sedimente der Flussaue im Laufe der Jahrtausende nicht abgebaut<br />

worden, sondern in Form von Niedermoortorfen in den bis zu einem Kilometer breiten<br />

Feuchtgebieten, den so genannten Brüchen, gewachsen.<br />

1 www.niersverband.de, www.de.wikipedia.org/wiki/Niers, Mackes 1996, 41<br />

2


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Abb. 1: Ausschnitt aus der Bodenkarte L4704 Krefeld mit Lage des Untersuchungsgebietes, ohne Maßstab<br />

3


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Auf der Bodenkarte 2 (Abb. 1) sind fast für das gesamte Untersuchungsgebiet im direkten<br />

Auenbereich diese Niedermoortorfe unter geringmächtigen, jüngeren Flussablagerungen<br />

verzeichnet. Paas weist eine Bedeckung mit 0,30-1,00 m Bach- und Hochflutsedimenten aus 3 .<br />

In den Randbereichen des Plangebietes stehen dagegen großflächig Gleye und Nassgleye aus<br />

holozänen Flussablagerungen an, die stellenweise von flachen Sandrücken aus Flug- und<br />

Hochflutsand durchzogen sind. Nur am südwestlichen Rand des Untersuchungsgebietes sind<br />

Braunerden aus Löß der angrenzenden Niederterrassenflächen kartiert.<br />

Besonders die Niedermoortorfe sind aus archäobotanischer Sicht bedeutend, da in den<br />

durchnässten Horizonten organische Relikte wie Pollen und Makroreste sehr gut konserviert<br />

werden. Daneben besitzt dieses Bodenarchiv aber auch eine hohe archäologische Relevanz,<br />

da durchaus mit Holzerhaltung wasserbaulicher Relikte wie Anleger oder Brücken zu rechnen<br />

ist.<br />

Vorgehensweise<br />

Ausgangspunkt zur Darstellung des im Boden erhaltenen Kulturguts im Untersuchungsgebiet<br />

ist die Kartierung der archäologischen Fundstellen, die seit dem frühen 20. Jahrhundert im<br />

Rheinischen Landesmuseum Bonn, heute im Ortsarchiv des LVR – Amt für<br />

Bodendenkmalpflege im Rheinland (ABR), zusammengetragen ist. Die Daten sind allerdings<br />

sehr heterogen und dementsprechend unterschiedlich zu gewichten. Sie reichen von der<br />

Meldung eines zufälligen Einzelfundes, über systematische Fundaufsammlungen von<br />

Heimatkundlern und ehrenamtlichen Mitarbeitern bis hin zu gezielten Prospektionen und<br />

Grabungen von Fachamt und Fachfirmen. Der Großteil der so erfassten Fundstellen bezieht<br />

sich dabei auf Einzelfunde oder Fundkonzentrationen. Sie erlauben jedoch keine oder kaum<br />

Aussagen zur exakten Ausdehnung eines Fundplatzes oder zur Art und zum<br />

Erhaltungszustand von möglichen Befunden. Bei vielen der Zufallsfundmeldungen ist darüber<br />

hinaus oft eine recht ungenaue Angabe zum Fundort zu verzeichnen. Teilweise werden<br />

Beschreibungen angeführt, die sich auf temporäre Verhältnisse am Fundort beziehen, eine<br />

exakte Lokalisierung ist somit nur in den seltensten Fällen möglich. Lediglich gezielte<br />

Prospektionsmaßnahmen weisen mit tachymetrischer Einmessung eine hohe Lagegenauigkeit<br />

in Bezug auf das Gauß-Krüger- oder heutige UTM-Messnetz auf.<br />

Die archäologische Bewertung für den Bereich einer Aue ist insofern schwierig, als dass es sich<br />

zumeist nicht um landwirtschaftlich bearbeitete Flächen handelt, auf denen Fundmaterial durch<br />

die Bewirtschaftung an die Oberfläche gelangt. Daher liegen Oberflächenfunde aus<br />

Begehungen hier nur in geringem Umfang vor, zudem sind diese nur unter Vorbehalt zu<br />

bewerten, da sie durch die hochdynamischen Prozesse in der Flusslandschaft aus ihrem<br />

ursprünglichen Kontext gerissen und verlagert worden sein können. Die Aue bietet somit eine<br />

archäologisch schlecht erschlossene Landschaft. Um die limitierenden Faktoren<br />

abzuschwächen wurden daher auch Fundstellen berücksichtigt, die außerhalb des<br />

Plangebietes liegen und die indirekt Auskunft über die Befunderwartung in der Aue liefern<br />

können.<br />

Über die Fundstellenkartierung hinaus, die das Ortsarchiv des ABR liefert, liegt für den Kreis<br />

Kempen-Krefeld die archäologische Landesaufname der 1960er Jahre durch Gudrun Loewe,<br />

W. Jaensch und A. Dransfeld vor, die eine Reihe von Oberflächen- und Bodenfunden im<br />

fraglichen Gebiet auswies, und die im Ortsarchiv des ABR nicht erfasst waren 4 .<br />

2 Bodenkarte von NRW, Blatt L4704, Krefeld, © Geologischer Dienst, Krefeld 1980<br />

3 Paas 1998, 184<br />

4 Loewe 1971<br />

4


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Zur Ergänzung wurde darüber hinaus die Fundstellenaufnahme von M. Heinen für die Stadt<br />

Viersen herangezogen 5 .<br />

Neben archäologischen Quellen wurden auch die einschlägigen historisch-topographischen<br />

Kartenwerke sowie Urkarten der Gemeinden Süchteln und Oedt, die im Katasteramt Viersen<br />

vorlagen ausgewertet. Neben der Klärung des Verlaufs der Niers vor ihrer Begradigung stand<br />

die Frage nach wasserbautechnischen Einrichtungen wie Mühlen, Brücken, Wehre oder den<br />

Fluss begleitenden Wege in historischer Zeit im Mittelpunkt. Im weiteren Verlauf der<br />

Untersuchungen führte dies auch zu Recherchen im Stadtarchiv Viersen und dem Kreisarchiv<br />

Kempen.<br />

Alle bekannten Fundstellen bzw. Fundplätze wurden auf einer aktuellen topographischen Karte<br />

(DGK5) eingetragen (Plan 1). Ausschnitte aus historischen Kartenwerken sowie die historisch<br />

kartierten Verläufen der Niers im 19. Jahrhundert wurden zur Erläuterung beigefügt.<br />

Archäologische Quellen<br />

Da weder im Ortsarchiv des ABR noch bei der Landesaufnahme innerhalb des<br />

Untersuchungsgebietes Fundstellen bekannt sind, werden auch diejenigen, die in unmittelbarer<br />

Nähe liegen der Vollständigkeit halber aufgeführt, da immer die Möglichkeit besteht, dass sich<br />

Teilbereiche eines Fundplatzes bis in die Aue erstrecken können. Die vorliegenden Daten<br />

werden im Folgenden nach Zeitstufen geordnet vorgestellt, die Nummern beziehen sich auf<br />

Fundstellen aus dem Ortsarchiv (OA), auf die der archäologischen Landesaufnahme (ALA)<br />

und auf die Publikation zu den archäologische Funden (AF) von M. Heinen (Plan 1).<br />

Mesolithikum/Neolithikum<br />

Bei zwei urgeschichtlichen Fundstellen handelt es sich um Oberflächenfunde bei Begehungen<br />

der Äcker.<br />

OA 2262/002: Auf einem Acker an der Straße „<strong>Fritzbruch</strong>“ nördlich der Flur Schüttfeld wurden<br />

am 22.12.1979 von Heinrich und Margret Hesse mehrere Abschläge, eine Klinge und ein<br />

Rundschaber aufgelesen. Eine eindeutige Datierung konnte nicht vorgenommen werden.<br />

OA 2262/001: Im Jahr 1983 meldeten H.-P. Storch und R. Zimprich den Fund von vier<br />

neolithischen Feuersteinartefakten bei einer Begehung eines Ackers an der Mülhausener<br />

Straße nördlich des Hofes Schuipbend 6 .<br />

Die beiden Fundstellen liegen ca. 300 m voneinander entfernt, ein Zusammenhang ist daher<br />

nicht auszuschließen. Beide befinden auf der Kuppe eines flachen, nach Norden hin<br />

abfallenden Rückens mit einer Bedeckung von Braunerde aus Flug- oder Hochflutsand. Diese<br />

auffällige Lage könnte durchaus für einen mesolithischen Fundplatz sprechen, wie Thissen<br />

bereits 1991 und Gerlach et. al. darlegten 7 . Die flachen, trockenen Sandrücken entlang der<br />

Niers inmitten der Niersniederungen, haben demzufolge nachweislich im Mesolithikum als<br />

temporäre, periodisch genutzte Lagerplätze gedient. Insofern ist fraglich, ob die angesprochene<br />

Datierung der Artefakte durch Storch und Zimprich, die ins Neolithikum weisen, überhaupt<br />

stimmig ist. Da bisher keinerlei Untersuchungen beider Stellen durch Suchschnitte oder<br />

Grabungen vorliegen, die den Fundplatz bestätigen und seine Ausdehnung ausweisen würden,<br />

kann das Vorhandensein eines Fundplatzes ebenso wenig bestätigt werden, wie ein möglicher<br />

Bezug zur Aue.<br />

5 Heinen 1993<br />

6 Bonn Jahrbuch Bd. 183, 1983, 606<br />

7 Thiessen 1992, Gerlach et al. 1999<br />

5


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

OA 2261/008: Eine archäologische Bestandserhebung mit Feinbegehung zweier Äcker direkt<br />

westlich angrenzend an das Untersuchungsgebiet, nördlich und südlich der Feldstraße in<br />

Süchteln am 23.5.2005 durch das ABR erbrachte die typische durch Landwirtschaft<br />

aufgetragene mittelalterliche bis neuzeitliche Fundstreuung (sog. Dungschleier). Lediglich auf<br />

der nördlichen Begehungseinheit lokalisierte man einen Silex-Abschlag, der neolithisch bis<br />

metallzeitlich datiert werden konnte. Auch dieser Fund lag am Rand des Nierstals auf einem<br />

schmalen, mit geringmächtiger Braunerde bedeckten Bereich.<br />

Drei weitere, im Ortsarchiv des ABR nicht geführte neolithische Fundstellen sind durch die ALA<br />

erschlossen worden. Unter ALA, Süchteln 8 8 wird ein Einzelfund eines Feuersteinabschlags<br />

südlich des Krakenhofes angeführt. Weiter südlich, westlich des Horsthofes auf einem Acker<br />

fand man eine 6,4 cm lange Feuersteinspitze, die aus einer Klinge gefertigt war, (ALA,<br />

Süchteln 13) 9 . Noch weiter südlich auf einem Acker im Winkel zwischen Andreasstraße und<br />

Butschenweg konnten ein Klingenkratzer und ein klingenartiger Abschlag aufgesammelt<br />

werden (ALA Süchteln 3) 10 . Alle vier Funde stammen von der westlich der Niers liegenden<br />

Niederterrasse und sind in der Bestandserhebung OA 2261/008 erfasst. Inwiefern diese Funde<br />

eine neolithische Siedlung am Rand der Niederterrasse anzeigen, kann hier nur vermutet<br />

werden, da keine weitere Untersuchungen der Flächen erfolgten.<br />

Bronzezeit<br />

OA 2262/003: Im Ortsteil Hagen, an der Hagener Schule, etwa 2 km in Südostrichtung vom<br />

Untersuchungsgebiet entfernt, wurden in einer Sandgrube die Reste eines Urnengrabes<br />

angeschnitten. Albert Steeger meldete 1947, dass beim „auswerfen einer Sandgrube“ ca. 35<br />

cm unter der Bodenoberfläche eine beschädigte Urne mit Leichenbrand der niederrheinischen<br />

Grabhügelkultur (1200 - 800 v. Chr.) geborgen wurde. Der obere Teil war vom Pflug<br />

weggerissen, vom Rand nur noch ein Stück erhalten 11 . Diese Fundstelle wird ebenfalls bei G.<br />

Loewe dargestellt (ALA Oedt 2) 12 , darüber hinaus wird sie im Heimatbuch Kempen erwähnt 13 .<br />

Römische Epoche<br />

Drei Fundstellen aus römischer Zeit sind im Ortsarchiv kartiert. Dabei handelt es sich durchweg<br />

um Oberflächenfunde.<br />

OA 2262/004: Im Vorfeld des Baus der Straßenmeisterei in Hagen wurden auf einer leichten<br />

Erhebung neben elf Scherben römischer Keramik von einem Dolium, einem glattwandigen<br />

Krug, einer Reibschale, Firnisbechern mit Federmesserdekor und einem rot bemalten Teller je<br />

eine Randscherbe einer rauwandigen Schüssel, Typ Niederbieber 104, eines rauwandigen<br />

bauchigen Behälters, Typ Niederbieber 89, eines Teller mit Horizontalrand, Typ Arendtsburg<br />

94, 232a und eines tiefen Tellers mit gekehltem Rand, Typ Arendtsburg 94, 244 aufgelesen.<br />

Erstere datieren in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts, letztere lassen sich dem 2. -<br />

3. Jahrhundert zuordnen. Die Fundstelle ist auch bei G. Loewe (ALA Oedt 9) und Heinen (AF<br />

81) genannt 14 , sie liegt allerdings ca. 1 km südöstlich des Untersuchungsgebietes und wird<br />

sicher nicht bis in die Aue am Niershof reichen.<br />

8 Loewe 1971, 269<br />

9 Ebend., 269<br />

10 Ebend., 269<br />

11 Bonn Jahrbuch Bd. 148, Düsseldorf 1948, 365<br />

12 Loewe 1971, 236<br />

13 Kipp 1958, 112<br />

14 Loewe 1971, 236/237, Heinen 1993, 140, Fst. 81<br />

6


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Zwei weitere Fundstellen werden im Ortsarchiv genannt und beide unter der Nummer<br />

OA 2262/000 geführt, die genaue Lage im Gelände ist nicht bekannt.<br />

Bei der ersten handelt es sich um die Meldung von Oberflächenfunden römischer<br />

Keramikscherben und Ziegelbruchstücke, die bei einer Begehung der ehrenamtlichen<br />

Mitarbeiter H. und M. Hesse aus Viersen aufgesammelt wurden. M. Heinen erwähnt diese<br />

Funde unter Fundstelle 82 (AF 82) und weist ihnen eine Lage ca. 200 m nördlich der Bahnlinie,<br />

östlich der Mühlhausener Straße unweit der Flachsrösten zu 15 . Der Fundpunkt liegt daher weit<br />

außerhalb des Untersuchungsareals.<br />

Weitere, nicht näher benannte römische Keramikscherben lasen H. und M. Hesse östlich der<br />

Bruchstraße ca. 350 m nördlich des Flankhofes auf. Diese wurden bei Heinen als Fundstelle 83<br />

(AF 83) verzeichnet 16 und verblieben in Privatbesitz. Die Fundstelle lag zwar in der<br />

Niersniederung, allerdings über 300 m südlich unserer Untersuchungsfläche.<br />

Mittelalter und Neuzeit<br />

OA 2262/007: Am 20. Mai 1986 beschrieb Thomas Krüger eine Ansammlung von Flachsrösten<br />

etwa 1,9 km nordöstlich von Süchteln. Einige der elf Gruben in einem vernässten, etwa<br />

dreieckigen Waldstück direkt westlich des Vinnweg zwischen Mülhausener und Tönisvorster<br />

Straße waren mit Wasser gefüllt, andere bereits verschüttet. Da der Flachsanbau in Viersen<br />

schon für das Jahr 1246 nachgewiesen ist 17 , stehen die Flachsrösten unter Denkmalschutz und<br />

werden im Ortsarchiv des ABR unter der Bodendenkmalnummer BD VIE 109 geführt.<br />

Nach Recherchen von Thomas Krüger im Jahre 1986 sind allein im Kreis Viersen fünfzehn<br />

Flachsgrubenanlagen zu verzeichnen, von denen fünf als eingetragenes Bodendenkmal geführt<br />

werden 18 . Diese befinden sich in den von der Niers oder deren Nebenflüssen gebildeten<br />

sumpfigen Niederungen. Auch die unter BD VIE 109 geführten Rösten liegen laut Bodenkarte<br />

im vernässten Gley bis Nassgley der Niersaue, allerdings über einen Kilometer vom<br />

Untersuchungsgebiet entfernt, so dass deren Relevanz zu vernachlässigen ist.<br />

OA 2262/006: An der Nordostecke des Untersuchungsgebietes ist eine weitere Fundstelle<br />

kartiert. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um eine etwa rechteckige, frühneuzeitliche<br />

Schanzenanlage, die im Dezember 2008 von W. Wegener gemeldet wurde. Damals waren<br />

noch zwei Gräben im Gelände zu erkennen. Die Grabenanlage findet sich auch auf<br />

historischen Karten wieder (s. S. 14).<br />

Historisch-geographische Quellen<br />

Als ältestes Kartenmaterial wurden die Blätter 35 (Kempen, 1802) und 42 (Viersen, 1805/06)<br />

der Kartenaufnahmen der Rheinlande durch Tranchot und von Müffling herangezogen. Als<br />

weiteres historischen Kartenmaterial lagen die preußische Uraufnahme, Blätter 4604 (Kempen,<br />

1844) und 4704 (Viersen, 1844) und die preußische Neuaufnahme Blätter 4604 (Kempen,<br />

1892) und 4704 (Viersen, 1892) vor. Zudem konnten mit Hilfe von Urkatastern aus den Jahren<br />

1825 - 1869 der Gemeinde Oedt und 1857 - 1914 der Gemeinde Süchteln Erkenntnisse über<br />

die Bebauung in der Niersaue sowie den Verlauf der Niers in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

gewonnen werden.<br />

15 Heinen, 1993, 142, Fst. 82<br />

16 Ebend., 142, Fst. 83<br />

17 Krüger 1986, 523<br />

18 BD VIE 103, 104, 105, 109, 112<br />

7


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Höfe<br />

Abb. 2: Ausschnitt aus der Kartenaufnahmen von Tranchot und von Müffling mit Nerschhof und angrenzenden Gehöften, ohne<br />

Maßstab, © Landesvermessungsamt Düsseldorf. Vom Horsthof im Westen ausgehend ist der alte Fährweg zum Anleger an der<br />

Niers gut erkennbar.<br />

Innerhalb des Untersuchungsgebietes findet sich, direkt in der Niersaue gelegen, der Niershof.<br />

Dieser gehörte zur Honschaft Hagen des kurkölnischen Amtes Oedt, heute zur Gemeinde<br />

Oedt. Der Name wurde in den letzten 200 Jahren nur wenig verändert von Nerschhof<br />

(Tranchot) über Nershof (Uraufnahme und Urkataster) zu Neershof (Neuaufnahme) und dem<br />

heutigen Niershof. Auf dem Kartenwerk von Tranchot ist der Hof als Winkel mit angrenzendem<br />

Nebengebäude dargestellt (Abb. 2). Nach Norden und Osten hin schließt sich ein rechteckiger,<br />

wahrscheinlich von einem Graben umfriedeter Bereich an, in dem Gärten und Streuobstwiesen<br />

zu vermuten sind. Die Größe der Besitzung scheint sich bis 1869 nicht wesentlich verändert zu<br />

haben, da das Kataster für diese Zeit noch das umliegende Gelände als Pat (Paturages)<br />

bezeichnet, was hier auf eine großflächige Weidenlandschaft hinweist. Südlich angrenzend<br />

führte ein Weg zur Niers und endete dort an einer Brücke oder einem Steg (vgl. Kap. Brücken).<br />

Direkt östlich des Niershofes sind drei weitere Höfe, Gros Lohe, Feldhof und Horsthof, kartiert,<br />

die heute ebenfalls noch existieren, aber außerhalb des Untersuchungsgebietes liegen. Anders<br />

als die meisten Hofstätten, die auf den Donken 19 der beidseitigen Grenzsäume zwischen den<br />

trockenen Ackerflächen und der die Gewässer begleitenden Broiche und Benden angesiedelt<br />

wurden 20 , liegt der Niershof fast unmittelbar am Wasser. Diese außergewöhnliche Lage lässt<br />

sich möglicherweise aus der Geschichte des Hofes herleiten:<br />

K. Mackes stellte bei seinen Recherchen zur Schiff- und Fährfahrt zwischen Neersen und Oedt<br />

im späten Mittelalter und früher Neuzeit im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und Historischen<br />

Archiv Köln zahlreiche Dokumente und Karten zusammen 21 . Auf der östlichen Niersseite führte<br />

als Hauptweg eine alte Handels- und Poststraße von Köln entlang der Niersbrüche nach Hagen<br />

und Oedt, auf der westlichen Seite verlief eine mittelalterliche Heerstraße in nordwestlicher<br />

Richtung. K. Mackes weist darauf hin, dass in Mittelalter und früher Neuzeit eine Überquerung<br />

der Niers mit schweren Karren und Wagen nur in sehr trockenen Sommern gelang.<br />

19 Donken = sandiger Rücken, kleine Erhöhung<br />

20 Föhl, 1961, 170f.<br />

21 Mackes 1996<br />

8


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Abb. 3: Ausschnitt aus einer Karte von ca. 1700 mit Schifffahrtskanal (20), Hoher Niers (5), Alter Niers (4) und kleiner Fähre (23) im<br />

Bereich Süchteln, Hagen und Vorst, Original Hauptstaatsarchiv Düsseldorf: Karten 2627, aus Mackes 1996, Abb. 3<br />

9


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Auf den normalen Bruchwegen wären die Wagen in den Sümpfen der Brüche stecken<br />

geblieben. Daher stellten drei Schiffahrtskanäle und zwei Niersfähren, die die Brüche<br />

durchquerten, zwischen 1465 und 1795/96 die einzig sichere Verkehrsverbindung zwischen<br />

den beiderseits der Niers verlaufenden Straßennetzen her. Im Mittelalter hatten die Anwohner<br />

den Verlauf der „Alten Niers“ bei Neersen, Cloerath, Süchteln und Oedt so verändert, dass der<br />

neue Wasserlauf, der „Hohe Niers“ genannt wurde, zur Verbesserung ihrer Lebensumstände<br />

beitragen konnte 22 . Reste der drei ehemaligen Schiffahrtskanäle sind noch am südlichen Rand<br />

der Tranchotkarte, Blatt 35 eingetragen.<br />

Zur Verdeutlichung der Situation im 18. Jahrhundert, soll hier noch der Ausschnitt einer Karte<br />

von ca. 1700 gezeigt werden (Abb. 3) 23 . Bei dem mit Nr. 23 bezeichneten Gebäude rechts der<br />

Niers („Das Fährhauß“), das in der Legende als kleine Niersfähre beschrieben wird, kann es<br />

sich demnach nur um den Niershof handeln.<br />

Die „große Niersfähre“ verkehrte zwischen Hagen und Süchteln. Die für diese Untersuchung<br />

wichtigere „kleine Niersfähre“ verkehrte zwischen Süchteln-Vorst und dem Fährhaus in Hagen.<br />

Vom Horsthof in Süchteln-Vorst führte ein fester Fahrweg zum Anleger an der Niers, der<br />

demnach etwas nördlich und gegenüber des Niershofs gelegen haben muss (vgl. Abb. 2 und<br />

Plan 2). Von dort fuhr die Fähre Niersaufwärts in den Schiffsgraben ein, durchquerte das Hager<br />

Bruch und landete am Fährhaus in Hagen an. Der Inhaber des Neershofes pachtete das Schifffahrtsrecht<br />

für die „kleine Niersfähre“ von der Kellnerei Kempen. Dokumente aus dem<br />

Hauptstaatsarchiv Düsseldorf bezeugen wiederholte Streitigkeiten aufgrund der Konkurrenz<br />

zwischen großer und kleiner Fähre.<br />

Für das Jahr 1747 ist als Pächterin der kleinen Fähre und somit Inhaberin des Neershofes,<br />

Grietgen Neers, verbrieft, für das Jahr 1766 wird das Ehepaar Johann und Entgen Neersch als<br />

Pächter der Fähre genannt 24 .<br />

Es ist nicht überliefert, wie die Anlegestellen der Fähre aussahen, doch kann man zumindest<br />

mit hölzernen Pfählen rechnen, an denen die Fähre zum Be- und Entladen befestigt werden<br />

musste. Möglicherweise sind Reste dieser Poller oder ähnliche Bauteile (Uferbefestigungen,<br />

Stege etc.) im ehemaligen Uferschlick erhalten geblieben.<br />

Die Lage und der Verlauf des alten Fährwegs vom Horsthof zur Niers sind in Plan 2<br />

eingetragen.<br />

Am südlichen Rand des Untersuchungsgebietes liegt der Hof Villa Keusen, ehemals Villa<br />

Stempel, der erst seit der Berichtigung des Urkatasters von Süchteln 1867 verzeichnet ist. D.h.<br />

der Hof muss zwischen 1844 (Uraufnahme) und 1867 erbaut worden sein. Der kleine Winkelhof<br />

lag zu dieser Zeit noch direkt am Wasser im Bereich des Prallhanges einer engen Niersschleife<br />

(vgl. Plan 2). Außer einer Fotografie der Niers aus dem Jahre 1930, auf dem der Hof, mitsamt<br />

zweitem Namen, im Hintergrund noch randlich zu erkennen ist, war im Stadtarchiv Viersen<br />

nichts verzeichnet.<br />

22 Mackes 1996, 41f.<br />

23 Ebenda, 46, Abb. 3<br />

24 Ebenda, 50f.<br />

10


Abb. 4: Der Horst- oder Harsthof mit umgebendem Graben und gegenüberliegendem<br />

Gelände der Entwässerung. Ausschnitt aus dem Urkataster der<br />

Gemarkung Süchteln Nr. 254, Flur D, Blatt 1, © Katasteramt Viersen.<br />

Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Der außerhalb am Westrand des<br />

Untersuchungsgebietes liegende<br />

Horsthof oder Harsthof soll hier der<br />

Vollständigkeit halber erwähnt<br />

werden. Dieser Hof befand sich<br />

direkt am Rand des Riethbaches<br />

und wurde bereits auf der Übersichtskarte<br />

von 1812 25 als vollständig<br />

von einem Graben eingefasste<br />

Hofanlage kartiert und ist in<br />

diesem Zustand auch bis 1907<br />

nachweisbar 26 (Abb. 4). Auf dem Urkataster<br />

zwischen 1867 und 1907 ist<br />

deutlich eine Entwässerung des<br />

Riethbaches auf das Gelände, das<br />

östlich an den Hofbereich grenzt<br />

eingetragen. Auf der Kartenaufnahme<br />

von Tranchot zeigt sich für<br />

dieses Gelände aber schon eine<br />

Feuchtwiese, so dass man davon<br />

ausgehen kann, dass auch 1802 –<br />

und wahrscheinlich auch schon<br />

wesentlich früher, da die Höfe an der Niers mittelalterlichen Ursprungs sind – eine<br />

Entwässerung in diesen Bereich des Untersuchungsgebietes erfolgte (vgl. Abb. 2). Auch heute<br />

noch ist dieser Bereich mit einer Böschung umfasst und auf der DGK5 erkennbar (vgl. Plan 1).<br />

Ein solches, durchgehend durchnässtes Gebiet ist aus o.g. Gründen archäobotanisch von<br />

Interesse, kann aber auch archäologische Relevanz aufweisen, da in solchen Senken häufig<br />

Abfall – u.a. Keramikscherben und nicht mehr verwendbare Holzobjekte – entsorgt wurde.<br />

Brücken<br />

Laut Mackes besuchte am 1. Juli 1746 der kaiserliche Hauptmann Krevenich die Niersfähren<br />

und ordnete an, bei der „kleinen Fähre in Hagen“ eine Brücke über die Niers zu bauen. Die<br />

angrenzenden Moräste sollten durch einen mit Faschinen befestigten Weg durchquert<br />

werden 27 . Auf der Kartenaufnahme von Tranchot 1802 ist genau jene hölzerne Brücke<br />

eingetragen, die direkt beim Niershof über die Niers führt. Über eine Fahrstraße kommend, die<br />

südlich des ehemaligen Fährweges zur Niers strebte, konnte man so über trockene Wege, die<br />

südlich am Niershof vorbei und bei Gros Lohe nach Norden führten, die Nord-Süd verlaufenden<br />

Hauptwege auf beiden Niersufern verbinden (vgl. Abb. 2). Bereits auf der Uraufnahme von<br />

1844 wird diese Brücke nicht mehr dargestellt.<br />

Das Urkataster zeichnet grundsätzlich ein ungleich genaueres Bild der damaligen Situation,<br />

allerdings ist in diesem Fall die Darstellung schwieriger, da die Niers die Grenze zwischen zwei<br />

Gemeinden darstellt und kein durchgehendes Katasterkartenwerk, das beide Niersseiten zeigt<br />

vorhanden ist.<br />

25 Tableau d’Assemblage du Plan cadastual parcellaire de la Commune de Suchtelen, 1812 © Katasteramt Viersen<br />

26 Urkataster der Gemarkung Süchteln Nr. 254, Flur D, Blatt 1, 1867-1907, © Katsteramt Viersen<br />

27 Mackes, 1996, 51<br />

11


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Abb. 5: Der Weg südlich des Horsthofes strebt nach Osten zum<br />

Niersufer und dort über die Brücke (gepunktet dargestellt). Ausschnitt<br />

aus dem Urkataster von 1812-1867, © Katasteramt Viersen<br />

Abb. 6: Der südlich am Nershof vorbeiführende Weg mündet an der<br />

Niers in einem rechteckigen Anschnitt, der wohl den ehemaligen<br />

Brückenkopf markiert. Ausschnitt aus dem Urkataster von 1826, ©<br />

Katasteramt Viersen<br />

Die von J. J. Kockelkorn im Oktober 1826 aufgenommene Karte 28 (Abb. 6) zeigt zwar ebenfalls<br />

keine Brücke mehr, allerdings ist das rechte Ufer der Niers an dieser Stelle eckig angeschnitten,<br />

so dass man von einem anthropogenen Eingriff in den Uferbereich ausgehen kann. Da auch<br />

der Weg südlich des Nershofs bis zu dieser Stelle führte, wird dieser Einschnitt wohl den<br />

ehemaligen Brückenkopf markieren. Auf dem westlichen Ufer ist durch den französischen<br />

Geometer Cremers 1812 29 ein Weg südlich des Horsthofes parallel zum alten Fährweg<br />

eingetragen (Abb. 5). Dieser führt bis zum Ufer der Niers und endet in einer gepunkteten Linie,<br />

die in diesem Fall eine Brücke darstellen muss, da der Weg auf der rechten Niersseite<br />

weiterführt. Die Fortschreibung der Karte bis 1867 (rote Markierungen) weist auf eine Verlegung<br />

der Brücke um wenige Meter nach Norden hin. Beide Wege zur Niers sind in Plan 2<br />

eingetragen und grün markiert.<br />

Der im Bereich um den Niershof anstehende anmoorige Boden bietet gute Erhaltungsbedingungen<br />

für organische Materialien wie z. B. Holz, so dass sich möglicherweise noch<br />

Reste dieser Brücke bzw. Brücken und Brückenköpfe erhalten haben könnten, sollten sie nicht<br />

bereits durch den Einsatz des Reichsarbeitsdienstes (s. S. 16) oder bei der Anlage des<br />

Sickerbeckens zerstört worden sein.<br />

Eine weitere Brücke ist auf der Karte von 1700 verzeichnet. An der großen Niersschleife im<br />

oberen Viertel dieser Karte ist mit Nr. 28 der „Krawinckel“ oder „Gemeines Süchtelner Bruch“<br />

eingetragen (vgl. Abb. 3). Über die Niers führte hier ein Steg oder eine Brücke, die mit Nr. 27<br />

28 Urkataster der Buergermeisterei Oedt, Gemeinde Hagen, Flur N ro VI Hagenbroich, 1826, © Katsteramt Viersen<br />

29 Urkataster Section D de Süchteln, nommé Vorst, 1812 mit Fortschreibung bis 1867, © Katsteramt Viersen<br />

12


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

die sogenannte „Lemmenplanke“ markiert, laut Angaben von Mackes nach dem Lemmenhof in<br />

Vorst benannt 30 . Dieser Steg führte von Westen kommend in das Bruch. Ob es sich dabei um<br />

mehr als eine Planke, also ein langes Brett, handelte, kann auf der Grundlage dieser Karte nicht<br />

ermittelt werden. Daher ist fraglich, ob an dieser Stelle in der heutigen Flur „Krähwinkel“ noch<br />

Reste dieses Niersübergangs erhalten sind.<br />

Weitere zwölf Brücken oder Stege sind auf der preußischen Neuaufnahme abgebildet (Abb. 7).<br />

Diese führten nicht direkt über die Niers sondern nur über die beiden begleitenden Kanäle und<br />

verbanden die Weiden und Höfe entlang der Niers miteinander. Am rechten Niersufer befanden<br />

sich nördlich des Niershofes im Bereich des westlichen Zweigkanals (Kanal IIIC) zwei Brücken<br />

(11, 12). Eine lag direkt beim Niershof und verband diesen mit dem Wegesystem östlich davon<br />

(10), zwei weitere den Feldhof und den Horsthof mit den direkt am Ufer liegenden Wiesen (8,<br />

9). Am linken Niersufer führten fünf weitere Brücke nordöstlich, östlich und südlich des<br />

Krakenhofes (1 - 5), eine in Verlängerung des „Feldweges“ (6), sowie eine direkt bei Villa<br />

Keusen (7) über den mittleren Zweigkanal (Kanal III). Zumindest die Brücken am linken<br />

Niersufer fallen noch alle in das Untersuchungsgebiet.<br />

Für keine dieser Brücken oder Stege ist das Aussehen oder der Aufbau überliefert. Zumindest<br />

die Brücken 2, 6, 7 und 10 scheinen noch an selber Stelle zu existieren wie damals. Im Bereich<br />

der inzwischen nicht mehr existenten Brücken, könnten zumindest noch Reste im Uferbereich<br />

der Kanäle vorhanden sein.<br />

Abb. 7: Ausschnitt aus der preußischen Neuaufnahme von 1894. Nummeriert sind die über die Zweigkanäle führenden Stege oder<br />

Brücken innerhalb und an der Grenze des Untersuchungsgebietes.<br />

30 Mackes 1996, 47<br />

13


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Eine frühneuzeitliche Schanze<br />

Im Ortsarchiv des ABR ist unter OA 2262/006 eine Grabenanlage verzeichnet, von der noch 2<br />

Gräben erhalten sind. Die Tranchotkarte (Abb. 8) zeigt an dieser Stelle einen trapezförmigen,<br />

mit Graben umzogenen Wald oder allgemein ein Gehölz. Dieses lag inmitten der Feuchtwiesen<br />

und wies keinerlei Verbindung zu dem um 1802 vorliegenden Wegenetz auf.<br />

Auf der preußischen Uraufnahme von 1844 (Abb. 9) wird der Wald schon vollständig von einem<br />

Weg umschlossen, weitere Wege führen nach Süden auf den Niershof und nach Westen zur<br />

Niers hin, so dass ein geschlossenes Wegesystem entstand. Möglicherweise ist der Wald zu<br />

dieser Zeit als Waldweide erschlossen worden.<br />

Auf den Urkatastern von 1826, 1857 und auf der Übersichtskarte von 1826-1869 konnte<br />

darüber hinaus zumindest noch der Flurname, der die Bezeichnung „Königshorst“ trägt,<br />

nachgewiesen werden (Abb. 10).<br />

Abb. 8: Ausschnitt aus der Kartenaufnahmen von Tranchot und von<br />

Müffling, 1802, mit dem Waldstück an der Grabenanlage und dem<br />

Nerschhof, ohne Maßstab, © Landesvermessungsamt Düsseldorf .<br />

Abb. 9: Ausschnitt aus der preußischen Uraufnahme, 1844, mit<br />

deutlich erkennbarem Erdwerk und dem Nershof, ohne Maßstab,<br />

© Landesvermessungsamt Düsseldorf.<br />

Weder im Stadtarchiv Viersen noch im Kreisarchiv Kempen lies sich eine Schanzenanlage in<br />

der Niersniederung beim Hagenbroich ermitteln. Allerdings ermöglichen die Form der Anlage<br />

und der Flurname eine Annahme auf eine Schanze durchaus. Das Gelände zeichnet sich auch<br />

heute noch durch ein, mit dichtem Unterholz durchzogenes, kleines Waldstück am Rande des<br />

Kanals IIIC aus (Abb. 11).<br />

14


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Abb. 10: Ausschnitt aus der Übersichtskarte des Urkatasters der Gemeinden Oedt und Hagen von 1825 mit Fortschreibung bis 1869<br />

(rot), © Katasteramt Viersen, Originalmaßstab 1:10.000, mit Könighorst, Nershof und rot eingezeichnet der mittlere Zweigkanal.<br />

Abb. 11: Der heutige Königshorst, ein kleines Waldstück direkt östlich des Kanals IIIC,<br />

Blick nach Nordost. Am linken Bildrand ist der Kanal IIIC zu erkennen.<br />

G. Loewe konnte bei den ALA-<br />

Begehungen in den frühen<br />

1960er Jahren noch fünf<br />

Erdwerke in den feuchten<br />

Niederungen im Kreis Krefeld<br />

feststellen. Der Königshorst<br />

zählt allerdings nicht dazu, da<br />

die typische Wallanlage der<br />

Verschanzung nicht mehr<br />

erhalten bzw. möglicherweise<br />

durch den Wald überprägt ist.<br />

Loewe weist darauf hin, dass<br />

die Mehrzahl der Schanzen<br />

als Zufluchtsort der Bevölkerung<br />

in Kriegszeiten entstanden<br />

war. Als Datierung käme<br />

für die Anlage und Benutzung<br />

dieser Schanzen daher die Zeit der Kriege des 16. und 17. Jahrhunderts in Betracht 31 .<br />

31 Loewe 1971, 76-79<br />

15


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Die Anlage des Königshorst wird ebenfalls in diese Zeit zu datieren sein. Sein Kern ist in allen<br />

historischen Kartenwerken, die zur Verfügung standen, als Wald dargestellt. Der heutige<br />

Könighorst ist allerdings erheblich kleiner, da zwischen 1844 und 1869 der Zweigkanal (heute<br />

Kanal IIIC) entstand, der einen Teil der Schanze am Westrand kappte (vgl. Abb. 10).<br />

Ein Rest des umgebenden Grabens im äußersten Westen scheint also noch im<br />

Untersuchungsgebiet zu liegen und wird u. U. durch die Planung angeschnitten. Aufgrund der<br />

vorwiegend kurzzeitigen Nutzung solcher Anlagen dürften Befund- und Fundaufkommen, zumal<br />

im Randbereich, jedoch eher dürftig sein.<br />

Historischer Niersverlauf<br />

Die Laufentwicklung der Niers ist nicht durch die Faktoren Klima und Fließgeschwindigkeit<br />

erklärbar, da der Fluss nicht in der Lage war die vom Rhein im Urstromtal abgelagerten Kiese in<br />

größeren Mengen zu bewegen und somit keine Mäander mit großräumigen Bettverlagerungen<br />

unter Zurücklassen von Altgewässern ausbildete. Die Entwicklung der Mäanderstruktur ist eher<br />

auf biologische Prozesse zurückzuführen. Das reichlich anfallende Totholz aus den Brüchen –<br />

Bäume und Äste, die ins Wasser fielen – bildete Strömungshindernisse an denen sich immer<br />

mehr Material ansammelte, wodurch Engstellen entstanden 32 . Die Strömungsrichtung wurde<br />

gemächlich verändert, womit auch die häufig sehr engen Schleifen der Niers zu erklären sind.<br />

Da diese hochdynamischen Prozesse über die Jahrtausende hinweg die Flusslandschaft<br />

prägten, ist im gesamten Auenbereich mit verlandeten Altarmen zu rechnen.<br />

Innerhalb des überplanten Gebietes konnten am Verlauf von Höhenlinien allerdings keiner<br />

dieser Altarme lokalisiert werden. Eine Darstellung des ehemaligen Flussverlaufes ist daher auf<br />

historische Karten angewiesen. Eine Übertragung der Kartenaufnahme von Tranchot auf die<br />

modernen TK25 geht allerdings einher mit der Verkleinerung des Maßstabes von 1:20.000 auf<br />

1:25.000 und einer Angleichung auf die heutigen Blattschnitte, so dass beim Zusammenfügen<br />

erhebliche Abweichungen entstehen können, zudem sind die Karten für heutige Verhältnisse<br />

recht unpräzise in der Lagedarstellung. Daher wurde für diese Untersuchung auf die zahlreich<br />

vorliegenden Katasterkarten zurückgegriffen, so dass auf eine Übertragung des Flussverlaufes<br />

auf Grundlagen der Tranchotkarte verzichtet werden konnte.<br />

Abb. 12: Arbeiten an der Niers durch den Reichsarbeitsdienst um 1932, Foto:<br />

Dorpinghaus 1961, 122<br />

Die Niers wurde bereits im 19.<br />

Jahrhundert und vor allem durch<br />

den Reichsarbeitsdienst in den<br />

30er Jahren des 20. Jahrhunderts<br />

weitgehend begradig und kanalisiert<br />

(Abb. 12), um durch einer<br />

Erhöhung der Fließgeschwindigkeit<br />

der zunehmenden Verschmutzung<br />

des Flusses entgegen<br />

zu wirken.<br />

Diese hatte seit der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts durch die zunehmende<br />

Industrialisierung im<br />

Raum Mönchengladbach und<br />

Viersen in einem solchen Maß zugenommen,<br />

dass Flora und Fauna<br />

dauerhaft vergiftet zu werden drohten<br />

und die Anwohner sich akut<br />

gesundheitlich gefährdet sahen.<br />

32 Niersauenkonzept -Kurzfassung-, http://www.niersverband.de/pdf/nak_kurz.pdf, 5<br />

16


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Durch die Begradigung des Flussverlaufs über weite Abschnitte sollte ein schnellerer Abfluss<br />

der Abwässer ermöglicht werden, obgleich das Problem der Verschmutzung selber bestehen<br />

blieb 33 .<br />

Dieses künstlich geschaffene Bett verläuft im Untersuchungsgebiet auf voller Länge in etwa von<br />

Südsüdost nach Nordnordwest und wird beidseitig von den schmalen Kanälen III und IIIC<br />

flankiert.<br />

Um den Verlauf der Niers vor der Begradigung zu rekonstruieren, wurde die Urkarte des<br />

Katasters der Gemeinden Oedt und Hagen von 1825 bis 1869 gescannt, in das heutige<br />

Meßsystem eingehängt, der Umriss der Niers digitalisiert und auf die moderne DGK5 projiziert.<br />

(Plan 2).<br />

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts floss die Niers südlich des Untersuchungsgebietes mit nur<br />

wenigen kleinen, aber sehr engen Schleifen etwa mittig des breiten Urstromtals. Villa Keusen<br />

lag zu dieser Zeit noch direkt am Wasser, was auch auf der Neuaufnahme deutlich zu sehen ist<br />

(vgl. Abb. 7). Auf Höhe des Niershofes ist das alte Flussbett nur um wenige Meter nach Osten<br />

hin verlegt worden, direkt nördlich allerdings sind die beiden großen Schleifen, die bis zu 150 m<br />

weiter nach Westen ausgriffen, durch die Begradigung vollständig abgeschnitten. Vor allem<br />

diese beiden Mäander nördlich des Niershofes sind auch auf der Karte um 1700 eindeutig<br />

nachweisbar (vgl. Abb. 3). Sogar die Lage in Höhe der heutigen Flur „Krähwinkel“ im Norden<br />

des Untersuchungsareals wird in deren Legende erwähnt (Punkt 28 – Gemeines Süchtelner<br />

Bruch, „Krawinckel“ genannt) 34 . Der westlich auf dieser Karte zu erkennende, schmale Arm der<br />

Niers, die das Bruch umfließt, ist auf dem Kataster nicht mehr dargestellt, war also knapp 100<br />

Jahre später wahrscheinlich bereits verlandet. Die tiefgreifenden, mittelalterlichen Veränderungen<br />

des Flusslaufes erfolgten alle erheblich weiter südlich und betrafen das Bett im<br />

Bereich des Untersuchungsgebietes nicht. Als Grenze dieser anthropogenen Eingriffe kann das<br />

auf der Karte von 1700 eingetragene nördliche der beiden mit Nr. 22 markierten Inselchen<br />

angesehen werden, dass auf dem Urkataster immer noch in Höhe der heutigen Flur<br />

„Beckersbruch“ vorhanden war. Südlich davon flossen die „Alte Niers“ und die „Hohe Niers“<br />

wieder zusammen in das ursprüngliche Bett.<br />

Die Kartierung des ehemaligen Verlaufs zeigt eindrücklich den großflächigen Bodeneingriff der<br />

30er Jahre. Das ehemalige Bett des Flusses ist im Gelände kaum mehr zu erkennen. Lediglich<br />

auf der Reliefkarte von NRW mit 0,50 m Raster kann man die Lage der ehemaligen<br />

Flussschleifen noch an mehreren Stellen verfolgen (Abb. 13). Höchstwahrscheinlich wird die<br />

Alt-Rinne mit dem Abraum des neuen Nierskanals aufgefüllt worden sein. Bei Maßnahmen, die<br />

einen solchen Bodeneingriff nach sich ziehen, kann es durchaus zu unbeobachteten, und damit<br />

undokumentierten, Zerstörungen von Fundplätzen und damit einhergehend zur Verlagerung<br />

von Artefakten gekommen sein. Falls also im direkten Bereich des verfüllten, ehemaligen<br />

Flussbettes oberflächennah Funde auftreten, sind diese definitiv in moderner Zeit eingefüllt<br />

worden.<br />

33 Frankewitz 2011, 17ff.<br />

34 Mackes, 1996, 47<br />

17


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Abb. 13: Ausschnitt aus der Reliefkarte von NRW. Die roten Pfeile weisen auf Teilbereiche der ehemaligen<br />

Flussschleifen, die in der Schummerung noch gut zu verfolgen sind. © tim-online.de, RWL-Karte, ohne Maßstab<br />

Archäobotanik<br />

Die Erhaltungsbedingungen für archäobotanische Makroreste und Pollen sind in Auenlagen im<br />

Allgemeinen als gut zu bezeichnen. Eine Einschränkung ergibt sich allerdings aus den<br />

Grundwassersenkungsmaßahmen der Rheinbraun AG im Zuge des Braunkohletagebaus<br />

Garzweiler I ab 1983. Wilhelm Paas weist darauf hin, dass bis 1970 das Grundwasser in den<br />

Tallagen der Niers noch nahe an der Oberfläche – zwischen 0 und 0,80 m – stand. 1986/87<br />

waren aber bereits 0,50-2,50 m mittlere Absenkungsbeträge zu verzeichnen 35 . Da durch<br />

Nebenzuflüsse und Quellen dieser Wasserverlust nicht auszugleichen ist, wird dies heute durch<br />

Einleiten von Sümpfungswasser weitestgehend ausgeglichen.<br />

Die Bedeckung mit Bach- und Flutsedimenten überschreitet, wie bereits oben erwähnt, die<br />

Einmetermarke in diesem Niersabschnitt nicht, so dass die Niedermoortorfe durchaus durch die<br />

Grundwassersekungsmaßnahmen betroffen gewesen sein können.<br />

35 Paas 1998, 184<br />

18


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Aus dem Indetal liegen Erkenntnisse vor, dass bereits vier bis fünf Jahre Trockenheit<br />

ausreichen, um eine deutliche Schädigung der archäobotanischen Reste zu verursachen 36 .<br />

Verlustflächen<br />

Die Ermittlung der gestörten Flächen, in denen keine oder nur noch geringfügige Befunderhaltung<br />

möglich ist, stützte sich zunächst auf die Kartierungen der MAT-DAT, der<br />

Materialentnahmegruben-Datenbank des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege, die in der<br />

Abteilung Prospektion/Geowissenschaften vorliegt und von R. Lubberich verwaltet wird. Die<br />

Daten basieren dabei vornehmlich auf Eintragungen alter Kies-/Sand-/Tongruben auf<br />

historischen Karten, „abflussloser Hohlformen“ auf modernen Kartierungen verschiedener<br />

Zeitstellungen sowie anthropogener Bodeneingriffe auf den landwirtschaftlichen Standortkartierungen.<br />

Innerhalb des Untersuchungsgebietes waren allerdings keine solcher<br />

Störungen bekannt. Ein Altlastenkataster wurde im Rahmen des Gutachtens nicht konsultiert.<br />

Es konnten aber auf Grundlage der DGK mehrere Bereiche definiert werden, die tiefreichende<br />

Bodenstörungen aufweisen (Plan 3). Dazu gehört vor allem der gesamte südwestliche Teil im<br />

Bereich des Pumpwerks. Das gut 11.000 m² umfassende Areal mit dem rundlichen<br />

Regenüberlaufbecken (RÜB) und weiteren dazugehörigen Anlagen wird sicher tiefgründig, bis<br />

in mögliche archäologisch relevante Schichten gestört sein. Die beiden südlich angrenzenden,<br />

rechteckigen Senken, die heute mit Buschwerk bestanden sind und ca. 26.000 m² umfassen,<br />

stellen wohl ehemalige Klärteiche dar, die ebenfalls tief in den Auenbereich eingreifen. Direkt<br />

gegenüber dem Niershof befindet sich zudem ein rechteckiges Sickerbecken, das gut 7500 m²<br />

umfasst. Die einzelnen Elemente des Pumpweks sind mit Gräben verbunden, die ebenfalls in<br />

die Auensedimente eingreifen und diese tiefreichend zerstört haben.<br />

Als weitere Störungsbereiche innerhalb der Aue können die Areale der Höfe Niershof mit 6.500<br />

m² und Villa Keusen mit 1.200 m² angesehen werden. Inwiefern für die Errichtung der Gebäude<br />

ein Bodeneingriff nötig war, z.B. bei der Anlage von Kellern, war nicht zu ermitteln. Das genaue<br />

Ausmaß einer Störung im Bereich der Höfe konnte daher nicht geklärt werden.<br />

Von diesen genannten Verlustflächen befindet sich nur das 7500 m² große RRB unmittelbar im<br />

Plangebiet.<br />

Weitere Verlustflächen ergeben sich schließlich aus den Abgrabungen bei der Anlage der<br />

Zweiggräben im 19. Jahrhundert und vor allem durch die großflächigen Eingriffen bei der<br />

Begradigung der Niers.<br />

Auswirkungen des Projektes auf das archäologische Kulturgut<br />

Planungsentwurf<br />

Die Planung sieht vor, westlich der heutigen Niers das kanalisierte Bett durch Gerinne von<br />

natürlicher Ausprägung zu ersetzen. Dabei sollen mehrere gleich tiefe gemäßigt schlängelnde<br />

Fließrinnen jeweils durch das Planungsgebiet geführt werden. Das RRB des Pumpwerks bleibt<br />

in seiner Form erhalten (vgl. Plan 5). Die umgebenden Wälle werden südlich und nördlich in<br />

Teilen abgetrage, um den Hochwasserabfluß durch die Aue nicht zu behindern.<br />

.<br />

Das östlichste der Gerinne wird in direkter Umgebung zur heutigen Niers verbleiben, teilweise<br />

sogar in der alten Rinne weiterfließen, während der westlichste Arm am südlichen Ende des<br />

36 Dämmer et al. 2000, 178<br />

19


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Planungsgebietes weit nach Westen geführt wird, um erst am Nordende wieder mit dem alten<br />

Niersbett zusammenzutreffen.<br />

Ein Großteil der Auenflächen wird um bis zu 40 cm abgesenkt, um häufigere Überflutungen zu<br />

gewährleisten.<br />

Eingriffsbreite und –tiefe des neuen Gewässers<br />

Das westliche Bett sowie alle weiteren Arme werden bis maximal 1,40 m in den anstehenden<br />

Boden eingetieft, und sollen eine Breite von 10 – 12 m nicht überschreiten.<br />

Das Fließ im Osten wird weiterhin wie die alte Niers in einem Graben verlaufen, dessen Tiefe in<br />

etwa dem der heutigen Niers entspricht. Die Grabenschulter dieses östlichen Gerinnes wird<br />

dabei zwischen 15 und 20 m breit sein. Hier vor allem ist zu vermuten, dass die<br />

Niedertorfmoore und somit archäobotanisch relevante Schichten erreicht werden.<br />

Verhältnisse zum Niersverlauf des 19. Jahrhundert<br />

Die neuen Gerinne werden mehrfach den historischen Niersverlauf des 19. Jahrhunderts<br />

schneiden (Plan 4). Erst im nördlichen Drittel der Planungsfläche strebte die historische Niers<br />

nach Westen und floss dort bis zu 180 m entfernt des Anschlusses an die heutige Niers.<br />

Verdachtsflächen<br />

Die oben genannten archäologischen Quellen verweisen an keiner Stelle auf einen Fundplatz<br />

innerhalb des Untersuchungsgebietes. Meldungen von Einzelfunden liegen weder hier noch im<br />

Plangebiet vor. Die wenigen bekannten Fundmeldungen liegen so weit außerhalb, dass eine<br />

Ausdehnung in das Planungsareal nicht angenommen werden kann. Fundmeldungen aus der<br />

Zeit des Reicharbeitsdienstes sind nicht bekannt.<br />

Der westliche Abschnitt des Königshorstes kann als archäologisch relevanter Bereich<br />

vernachlässigt werden, da er, wenn überhaupt, nur randlich berührt wird und mit Befunden nicht<br />

zu rechnen ist.<br />

Als zwingende Verdachtsflächen bleiben nur vier Bereiche übrig, die potentiell von der<br />

Ausgrabung der neuen Gerinne betroffen wären. Dies sind die ehemalige Brücke beim Niershof<br />

(Plan 4, Nr. 1), der Fähranleger östlich des Horsthofes (Plan 4, Nr. 2) sowie zwei Bereiche, die<br />

von den beiden historischen Wegen, dem Fähr- und dem Brückenweg (Plan 4, Nr. 3 und 4)<br />

vom westlichen Haupt- und dessen Nebenarmen vermutlich geschnitten werden.<br />

Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Fähranleger des Horsthofes (Nr. 2) durch den<br />

Aushub des Sinkbeckens der Kläranlage, aber wahrscheinlich schon früher durch die<br />

Niersbegradigung des Reichsarbeitsdienstes zerstört wurde.<br />

Letztgenannte Maßnahme wird mit ziemlicher Sicherheit auch die Reste der ehemaligen<br />

Brücke beim Niershof (Nr. 1) betroffen haben. Auf Plan 2 ist deutlich zu erkennen, dass genau<br />

in diesem Bereich der ursprüngliche Niersverlauf Richtung Osten, auf die ehemalige Brücke zu,<br />

verlegt wurde.<br />

20


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Maßnahmenempfehlungen<br />

Aufgrund fehlender Fundmeldungen selbst im erweiterten Untersuchungsgebiet ist eine<br />

Modifizierung des Planvorhabens in seiner jetzt vorliegenden Version nicht erforderlich.<br />

Am westlichen Rand des Plangebietes werden durch die hier vorgesehenen Rinnenverläufe die<br />

beiden Fähr- bzw. Brückenwege geschnitten.<br />

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die alten Wegeprofile noch erhalten sind,<br />

empfiehlt sich eine baubegleitende Dokumentation der Rinnenprofile in diesen Abschnitten<br />

sowie eine archäobotanische Probenentnahme bei der Anlage des östlichen Gerinnes, nördlich<br />

des Niershofes, da hier zu vermuten ist, dass die Niedertorfmoore und somit archäobotanisch<br />

relevante Schichten erreicht werden.<br />

Fähranleger und Brücke westlich des Niershofes dürften aufgrund der weitreichenden<br />

Zerstörungen durch die Niersbegradigung des Reicharbeitsdienstes nicht mehr erhalten sein.<br />

Da aber Holzreste aufgrund der guten Erhaltungssituation nicht auszuschließen sind, empfiehlt<br />

sich zur Vermeidung von Konfliktsituationen beim Baubetrieb eine archäologische<br />

Baubegleitung auch in diesem Abschnitt.<br />

Zusammenfassung<br />

Zur Beurteilung des archäologischen Potentials in der Niersaue südlich des <strong>Fritzbruch</strong>s wurden<br />

Archivdaten des Amtes für Bodendenkmalpflege in Bonn sowie weitere schriftliche und<br />

kartographische Quellen des 18. – 20. Jahrhunderts ausgewertet. Hinweise auf archäologische<br />

Fundplätze im Untergrund konnten nicht ermittelt werden.<br />

Das historische Kartenmaterial belegt eine Fährverbindung zwischen Hagen und Vorst, wobei<br />

die Anlegestelle am Ende des alten Fährweges gegenüber des Niershofes lokalisiert wurde.<br />

Weiterhin kann, ebenfalls auf Karten und Schriftquellen basierend, auf Höhe des Niershofes ein<br />

Brückenbauwerk vermutet werden. Daher ist der Bereich westlich des Niershofs als relevante<br />

Verdachtsfläche anzusehen, da dort potentiell Relikte des Fähranlegers und der Brücke<br />

vorhanden sein können, zumal die durchfeuchteten Böden der Niersniederungen eine gute<br />

Holzerhaltung zulassen. Darüber hinaus können die zum Anleger und zur Brücke führenden<br />

Wege kleinflächig aufgeschlossen werden.<br />

Für alle diese Verdachtsflächen wird eine archäologische Baubegleitung empfohlen.<br />

Eine vollständige Erhaltung der genannten Wasserbauwerke im Untergrund kann aufgrund der<br />

weitreichenden Baumaßnahmen bei der Begradigung des Niersverlaufes ausgeschlossen<br />

werden.<br />

21


Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Literatur<br />

Gose 1976<br />

Oelmann 1914<br />

Krüger 1986<br />

Erich Gose, Gefäßtypen der römischen Keramik im Rheinland, Beihefte der<br />

Bonner Jahrbücher Band 1, (Bonn 1976)<br />

F. Oelmann, Die Keramik des Kastells Niederbieber, Materialien zur römischgermanischen<br />

Keramik I, (1914)<br />

Thomas Krüger, Spuren der Flachsverarbeitung in der Landschaft des linken<br />

Niederrheins, Bonner Jahrbuch Band 186 (Bonn 1986), 523-533<br />

Frankewitz 2011 Stefan Frankewitz, Der Niederrhein und seine Burgen, Schlösser,<br />

Herrenhäuser an der Niers, (Goch 2011)<br />

Föhl 1961<br />

Mackes 1996<br />

Loewe 1971<br />

Gerlach 1999<br />

Thissen 1992<br />

Kipp 1958<br />

Walther Föhl, Höfe des Amtes Oedt, Heimatbuch des Grenzkreises Kempen-<br />

Krefeld, 12. Folge, (Kempen 1961), 168-182<br />

Karl L. Mackes, Die Schiffahrt aus Cloer, Triet und Niers zwischen Neersen<br />

und Oedt 1465-1795, Heimatbuch des Grenzkreises Kempen-Krefeld, 47.<br />

Folge, (Kempen 1996), 41-52<br />

Gudrun Loewe, Archäologische Denkmäler des Rheinlandes Band 3, Kreis<br />

Kempen-Krefeld, (Düsseldorf 1971), Gemeinde Süchteln, 268-273,<br />

Gemeinde Oedt, 233-241<br />

Renate Gerlach, Martin Heinen, Britta Kopecky, Martin Vollmer-König, Eine<br />

Herausforderung: der mesolithische Fundplatz Geneicken, In: Archäologie im<br />

Rheinland 1998, 35-38, (Bonn 1999)<br />

Jürgen Thissen, Als die letzte Eiszeit zu Ende ging – Jägergruppen an den<br />

Ufern der Niers, In: Archäologie im Rheinland 1991, (Bonn 1992), 24-26<br />

Johannes Kipp, Über die Anfänge Oedts und seiner Kirche, Heimatbuch des<br />

Grenzkreises Kempen-Krefeld, 9. Folge, (Kempen 1958), 112f.<br />

Dorpinghaus 1961<br />

Karl Dorpinghaus, Zur sozialen Entwicklung im Kreisgebiet, Heimatbuch<br />

des Grenzkreises Kempen-Krefeld, 12. Folge, (Kempen 1961), 117-127<br />

Heinen 1993<br />

Paas 1998<br />

Martin Heinen, Archäologische Fundstellen und Funde im Stadtgebiet<br />

Viersen, (Viersen 1993)<br />

Wilhelm Paas, Lößinventur, Grundlage einer planmäßigen land- und<br />

forstwirtschaftlichen Rekultivierung, In: Braunkohlentagebau und Rekultivierung,<br />

Landschaftsökologie Folgenutzung Naturschutz, (Heidelberg/Berlin<br />

1998), 179-186<br />

Dämmer et al. 2000 Heinz-Werner Dämmer, Renate Gerlach, Hans Glasmacher, Jutta<br />

Meures-Balke, Jörg Schalich, Ursula Tegtmeier, Peter Wendt, Kyra van<br />

Zijderveld, Umweltarchäologie einer Talauenlandschaft im rheinischen<br />

Braunkohlenrevier, In: Archäologie im Rheinland 1999, (Bonn 2000), 178-<br />

182<br />

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Niersauenprojekt<br />

Süchteln - <strong>Fritzbruch</strong><br />

Kartenwerke<br />

Historische Karten<br />

Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und v. Müffling 1803-1820, Blätter 35 Kempen<br />

und 42 Viersen, Blatt Kempen aufgenommen 1802 und Viersen 1805/1806, Originalmaßstab<br />

1:20.000;<br />

Reproduktion verkleinert auf 1:25.000, herausgegeben vom Landesvermessungsamt NRW,<br />

Düsseldorf, 1980<br />

Preußische Kartenaufnahme - Uraufnahme, Blätter 4704 Viersen und 4604 Kempen, Königl.<br />

Preuß. Landesaufnahme 1844, M 1:25.000;<br />

Reproduktion herausgegeben vom Landesvermessungsamt NRW, Düsseldorf, 1991<br />

Preußische Neuaufnahme, Blätter 4704 Viersen und 4604 Kempen, Königl. Preuß.<br />

Landesaufnahme 1893, herausgegeben 1894, M 1:25.000;<br />

Reproduktion herausgegeben vom Landesvermessungsamt NRW, Düsseldorf, 1991<br />

Moderne Karten<br />

Topographische Karte, Blätter 4704 Viersen und 4604 Kempen, 1:25.000,<br />

Landvermessungsamt NRW, Düsseldorf, 2006<br />

Bodenkarte von Nordrhein-Westfalen, L 4704 Krefeld, M 1:50.000,<br />

Landesvermessungsamt NRW, Krefeld 1980<br />

Deutsche Grundkarte Blatt 4604/27 Süchteln/Hagen, M 1:5.000, Landesvermessungsamt<br />

NRW, Krefeld 1979<br />

Urkataster<br />

Tableau d’Assemblage du Plan cadastual parcellaire de la Commune de Suchtelen, M<br />

1 :10.000, erstellt 1812, © Katasteramt Viersen<br />

Urkarte der Gemarkung Süchteln Nr. 254, Flur D in 2 Blättern, Blatt 1, M 1:2.500, erstellt 1867<br />

mit Berichtigungen von 1906 und 1907, © Katasteramt Viersen<br />

Gemeinde-Charte des Parcellar-Katasters der Gemeinden Oedt und Hagen, M 1:10.000,<br />

erstellt 1825, fortgeführt bis 1869, © Katasteramt Viersen<br />

Urkarte der Bürgermeisterei Oedt, Gemeinde Hagen, Flur N ro VI Hagenbroich, M 1:2.500,<br />

aufgenommen 1826, © Katasteramt Viersen<br />

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