Niederösterreich - Naturhistorisches Museum Wien
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388 Annalen des Naturhistorischen <strong>Museum</strong>s in <strong>Wien</strong> 105 A<br />
Diagr. 6: Verhältnis der wichtigen Wildtiere in den drei Melker Komplexen (%-Anteile an der<br />
Gesamtzahl der Wildtierknochen)<br />
Gewiß darf die Jagd nicht als 1:1-Abbild der natürlichen Umwelt mißverstanden werden,<br />
sondern sie unterliegt – abgesehen von Not- und Ausnahmesituationen – ähnlich<br />
wie die Haustierhaltung in erheblichem Umfang traditionellen und damit stabilisierenden<br />
Einflüssen. Schließlich müssen die angewandten Jagdmethoden stets auf das zu<br />
jagende Wild abgestimmt sein. Dies setzt wieder entsprechende, meist von Generation<br />
zu Generation weitergegebene Kenntnisse der Biologie dieser Arten voraus. Jäger stehen<br />
in der Regel nicht planlos da und nehmen was ihnen zufällig vor den Bogen läuft,<br />
sondern sie konzentrieren ihre Kräfte und Aktivitäten eben auf Arten, die sie aus bestimmten,<br />
oft – aber nicht immer – ökonomischen Gründen, gerade benötigen. Menschliche<br />
Gemeinschaften sind eben keine passiven Dulder jeder beliebigen äußeren Bedingung,<br />
an die sie sich stets anpassen und fügen, wie dies durch manche ökodeterministischen<br />
Modelle suggeriert wird, sondern suchen und schaffen sich oft mit großem<br />
Aufwand – wenn nur irgendwie möglich – jene Bedingungen selbst, die ihnen und ihrer<br />
gruppenspezifischen Lebensweise entsprechen. Schon die Wahl des Siedlungsplatzes<br />
erfolgt ja nicht zufällig, sondern unterliegt diesen Grundsätzen.<br />
Auf der anderen Seite zwingen aber die beiden endneolithischen und dazu praktisch kulturgleichen<br />
Befunde aus Melk (Mödling-Zöbing-Jevisovice-Kultur) zur Berücksichtigung<br />
von Ausnahmen. Trotz der nur geringen zeitlichen Differenz von maximal zwei<br />
Jahrhunderten weichen die beiden dicht benachbarten Komplexe von Melk-Wachberg<br />
und Melk-Spielberg gerade in der Zusammensetzung der Jagdbeute ganz erheblich voneinander<br />
ab. Diagr. 6 gibt einen Überblick über alle drei Melker Komplexe. Versucht<br />
man diese Faunenspektren in der üblichen Weise ökologisch zu interpretieren, so ergibt<br />
sich für Melk-Winden und Melk-Spielberg trotz einiger quantitativer Verschiebungen<br />
das Bild einer Waldgesellschaft mit überwiegend Hirsch und Wildschwein. Das stärkere<br />
Auftreten des Urs und des Rehs, sowie das relative Zurücktreten des Wildschweins<br />
in Melk-Wachberg spricht hingegen für einen stärkeren Anteil an offener Landschaft –<br />
ein Resultat, das angesichts der fast völlig identen Situation aller drei Fundstellen<br />
zunächst nur als widersprüchlich aufgefaßt werden kann.