18.11.2013 Aufrufe

Epheserbrief 12 Das paulinesche Vaterunser

Epheserbrief 12 Das paulinesche Vaterunser

Epheserbrief 12 Das paulinesche Vaterunser

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Predigt zum Thema: <strong>Epheserbrief</strong> <strong>12</strong> <strong>Das</strong> <strong>paulinesche</strong> <strong>Vaterunser</strong> a<br />

Heinrich Zelmer<br />

Einleitung<br />

<strong>Epheserbrief</strong> <strong>12</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>paulinesche</strong> <strong>Vaterunser</strong><br />

Lindern, 07.Juli 2013<br />

Etwas, wofür es sicht lohnt alles zu geben<br />

Heute setzen wir die Betrachtung des<br />

<strong>Epheserbrief</strong>es fort. <strong>Das</strong> Besondere am<br />

<strong>Epheserbrief</strong> ist die unglaubliche<br />

Begeisterung des Apostels über Jesus, die in<br />

dem ganzen Brief mitschwingt.<br />

Es ist kaum vorstellbar, dass die Worte, die<br />

diese unglaubliche Begeisterung<br />

transportieren, aus der Feder eines Mannes<br />

stammen, der bereits seit geraumer Zeit in<br />

einem der rauen, römischen Gefängnisse<br />

sitzt.<br />

Schon einige Jahre lang dauerte seine<br />

Untersuchungshaft. Einige Verhöre und<br />

Gerichtsverhandlungen auf hoher Ebene<br />

liegen bereits hinter ihm. Jetzt soll sein<br />

Fall über die höchste Instanz laufen. Der<br />

Kaiser selbst soll über sein Schicksal<br />

entscheiden.<br />

Selbst angesichts einer möglichen<br />

Hinrichtung ist dieser Mann von dem großen<br />

Thema seines Lebens so fasziniert, dass ihm<br />

kaum die Worte reichen, dieser<br />

Begeisterung Ausdruck zu verleihen.<br />

In der letzten Betrachtung aus dem<br />

<strong>Epheserbrief</strong> 3,1-14 lernten wir den<br />

eigentlichen Grund der großen Begeisterung<br />

des Apostels kennen. Er besteht darin, dass<br />

er das große „Geheimnis des Christus“<br />

entdeckt hat.<br />

Und dieses „Geheimnis des Christus“<br />

besteht darin, dass durch Christus eine<br />

neue Gemeinschaft von nie dagewesener<br />

Qualität begründet wurde, die sich<br />

„Gemeinde“ nennt.<br />

Und genau für dieses Geheimnis steht<br />

Paulus mit seinem ganzen Leben ein.<br />

○ Dafür hat er Leid, Schmach und<br />

Gefangenschaft auf sich genommen...<br />

○ und<br />

○ dafür verwendet er sich in seinen<br />

Gebeten vor Gott.<br />

Um das hervorzuheben habe ich den Vers 1 vor<br />

den Vers 14 gestellt:<br />

1 Deshalb sage ich, Paulus, der Gefangene<br />

Christi Jesu für euch Heiden…<br />

14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem<br />

Vater…<br />

<strong>Das</strong> nachfolgende Gebet des Apostels wird das<br />

Thema unserer Betrachtung in dieser und in<br />

der nächsten Predigt sein. Lasst uns des<br />

Zusammenhangs wegen den ganzen Text<br />

lesen:<br />

Text: Epheser 3,1+15-21<br />

1 Deshalb sage ich, Paulus, der Gefangene<br />

Christi Jesu für euch Heiden…<br />

14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem<br />

Vater,<br />

15 von dem jede Vaterschaft in den Himmeln<br />

und auf Erden benannt wird:<br />

16 Er gebe euch nach dem Reichtum seiner<br />

Herrlichkeit, mit Kraft gestärkt zu werden<br />

durch seinen Geist an dem inneren Menschen;<br />

17 dass der Christus durch den Glauben in<br />

euren Herzen wohne und ihr in Liebe<br />

gewurzelt und gegründet seid,<br />

18 damit ihr imstande seid, mit allen Heiligen<br />

völlig zu erfassen, was die Breite und Länge<br />

und Höhe und Tiefe ist,<br />

19 und zu erkennen die Erkenntnis<br />

übersteigende Liebe des Christus, damit ihr<br />

erfüllt werdet zur ganzen Fülle Gottes.<br />

20 Dem aber, der über alles hinaus zu tun<br />

vermag, über die Maßen mehr, als wir<br />

erbitten oder erdenken, gemäß der Kraft, die<br />

in uns wirkt,<br />

21 ihm sei die Herrlichkeit in der Gemeinde<br />

und in Christus Jesus auf alle Geschlechter<br />

hin von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.<br />

Einige Hinweise zum Umgang mit dem Text<br />

Dieser Text ist gespickt mit Ausdrücken und<br />

Bildern, die eine Menge aussagen und<br />

andeuten. Um den optimalen Nutzen aus<br />

diesem Text zu ziehen, möchte ich vorweg auf<br />

2 Dinge hinweisen:<br />

1


Predigt zum Thema: <strong>Epheserbrief</strong> <strong>12</strong> <strong>Das</strong> <strong>paulinesche</strong> <strong>Vaterunser</strong> a<br />

Heinrich Zelmer<br />

1. Ich werde angesichts der Fülle der<br />

Themen, die dieser Text beinhaltet,<br />

versuchen, mich möglichst nur auf die<br />

wesentlichen Gedanken zu konzentrieren.<br />

2. Ich lade euch ein, mit ganzer<br />

Konzentration der Predigt zu folgen, um so<br />

viel, wie möglich von dem kostbaren Inhalt<br />

dieses Textes mitzunehmen.<br />

Mir persönlich bedeutet dieser Text ganz<br />

viel. Ich habe ihn in der Zeit einer tiefen<br />

inneren Krise entdeckt. Die einleitenden<br />

Worte: „Ich beuge meine Knie vor dem<br />

Vater…“ habe ich als eine Einladung<br />

verstanden, den Text im knien betend zu<br />

begreifen.<br />

Der Text ist ein Gebet. Es gibt Ausleger, die<br />

diesen Text als das „<strong>Vaterunser</strong> des Apostel<br />

Paulus“ bezeichnen.<br />

Ich habe dieses Gebet in einem Zeitraum<br />

von ca. 3 Jahren fast täglich gebetet. Es<br />

hat mir sehr geholfen, den Weg aus der<br />

Krise zu finden. Durch das immer wieder<br />

neu hinein vertiefen in dieses Gebet habe<br />

ich mich – sozusagen - gesundgebetet.<br />

<strong>Das</strong> Gebet ist keine „Zauberformel“, mit<br />

wunderbarer Wirkung. <strong>Das</strong> Gebet ist<br />

angefüllt mit tiefen geistlichen Inhalten.<br />

Wem es geschenkt ist dies zu erfassen, der<br />

entdeckt eine andere Qualität des Lebens<br />

mit Gott.<br />

Die Struktur des Textes:<br />

Wie bereits erwähnt, ist dieser Text ein<br />

Gebet. Es weißt ähnliche Strukturen auf,<br />

wie das <strong>Vaterunser</strong>:<br />

1. <strong>Das</strong> Gebet ist an den Vater, der über<br />

allem steht, gerichtet.<br />

2. <strong>Das</strong> Gebet beginnt – genauso wie das<br />

<strong>Vaterunser</strong> – damit, dass der Vater gerühmt<br />

wird.<br />

3. Dann folgen 2 Bitten<br />

○ Die Bitte um die Stärkung des inneren<br />

Menschen<br />

○ Die Bitte um die Verwurzelung in der<br />

Liebe des Christus<br />

4. Zum Schluss werden die Kraft, die<br />

Herrlichkeit und die Ewigkeit des Vaters<br />

gerühmt. Auch das kommt einem Kenner<br />

des <strong>Vaterunser</strong>s vertraut vor.<br />

1. Der Vater aller Väter<br />

<strong>Das</strong> Beugen der Knie<br />

<strong>Das</strong> Gebet wird eingefädelt mit den Worten:<br />

„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem<br />

Vater“<br />

Wer den Text genau anschaut, wird leicht<br />

feststellen können, dass es Paulus nicht darum<br />

geht, einem Ritual zu folgen oder eine<br />

bestimmte Gebetshaltung zu propagieren.<br />

Paulus geht es hier um mehr.<br />

<strong>Das</strong> Beugen der Knie deutet auf ein Doppeltes<br />

hin:<br />

1. Auf die Ernsthaftigkeit des Anliegens<br />

Die Juden beteten in der Regel im stehen<br />

(vgl.Mt.6,5; Lk.18,11.13) oft mit erhobenen<br />

Händen (Ps.63,5; 134,2; Klag.3,41;<br />

1.Tim.2,8).<br />

Wenn sich Paulus beim Gebet hinkniet, so tut<br />

er es, weil ihn ein sehr ernsthaftes Anliegen<br />

bewegt. Die Epheser, die überwiegend<br />

heidnischer Herkunft waren und die<br />

Verwurzelung im Glauben nicht hatten wie die<br />

Judenchristen, sollten stark werden im Herrn.<br />

Später in 6. Kapitel wird er es noch einmal<br />

betonen:<br />

„Schließlich: Werdet stark im Herrn und in<br />

der Macht seiner Stärke!“<br />

Stark sollten die Epheser im Herrn auch<br />

deswegen werden, weil ihnen ein besonders<br />

starker Gegenwind von der Macht der<br />

Finsternis entgegen wehte. Die Stadt der<br />

Epheser rühmte sich die Tempelpflegerin der<br />

großen Artemis zu sein (Apg.19,35), deren<br />

Tempel zu den 7 Weltwundern der damaligen<br />

Zeit zählte. Kein Wunder, dass diese Stadt<br />

besonders von Okkultismus durchdrungen war<br />

(Apg.18,19).<br />

2. Auf die Ehrfurcht vor dem Vater<br />

<strong>Das</strong> „Beugen der Knie vor dem Vater“<br />

bezeugte aber auch die große Anerkennung<br />

und Ehrfurcht, die Paulus vor dem<br />

himmlischen Vater hatte.<br />

Anerkennung bedeutet:<br />

Ich erkenne dich als die höchste Instanz an,<br />

von der alles abhängt. Ich brauche dich! Ich<br />

bin auf dich angewiesen. Ohne dich und deine<br />

Hilfe kann sich hier nichts verändern!<br />

Ehrfurcht bedeutet:<br />

Angesichts des großen Anliegens traue ich dir,<br />

als dem Vater aller Väter alles, aber auch<br />

alles, zu. Du wirst in deiner väterlichen Liebe<br />

und Fürsorge uns alles, aber auch alles geben,<br />

was wir brauchen – sogar über unser Bitten<br />

2


Predigt zum Thema: <strong>Epheserbrief</strong> <strong>12</strong> <strong>Das</strong> <strong>paulinesche</strong> <strong>Vaterunser</strong> a<br />

Heinrich Zelmer<br />

und Verstehen hinaus, so das wir nur<br />

staunen werden.<br />

An dieser Stelle könnte ich mit der Predigt<br />

schon aufhören. Wer so das „Knien“ vor<br />

dem Vater praktiziert, der hat bereits eine<br />

Menge gelernt.<br />

Gerade in der Zeit meiner Krise habe ich<br />

gemerkt was es bedeutet, aus tiefer<br />

Herzensüberzeugung sich vor dem Vater<br />

‚bewusst‘ hinzuknien. Ich merkte, wie diese<br />

Haltung mit mir etwas machte. Mit jedem<br />

bewussten Hinknien wurde mir der Vater<br />

größer und größer.<br />

Es kam eine Zeit, in der ich plötzlich so von<br />

ihm überwältigt war, dass eine tiefe Scham<br />

über mich kam. Oft hatte ich ihn in meinen<br />

Augen so klein und unfähig gehalten.<br />

Und in dem Maße, wie das Bild des<br />

Himmlischen Vaters in mir immer größer<br />

wurde, schwanden auch die Sorgen und<br />

Ängste. Dieses Erlebnis war für mich - wie<br />

eine Therapie.<br />

Aber Paulus denkt an dieser Stelle<br />

überhaupt nicht ans aufhören. Dies war erst<br />

die Einleitung. Er kommt jetzt erst richtig<br />

in Fahrt, und es folgt jetzt erst das<br />

eigentliche Gebet.<br />

2. Die erste Bitte:<br />

Kraft für den inneren Menschen<br />

Der Vater ist reich an Herrlichkeit<br />

Und die erste Bitte beginnt mit den Worten:<br />

„Er gebe euch nach dem Reichtum seiner<br />

Herrlichkeit…“<br />

Fritz Rieneker schreibt dazu:<br />

„Wie oft lassen wir uns in unseren Gebeten<br />

niederdrücken und abhängig machen von<br />

dem Gedanken an unsere Schwachheit und<br />

Bedürftigkeit. Wohl ist unsere Ohnmacht<br />

„riesengroß" und nicht wegzuleugnen, aber<br />

- sie ist nicht ausschlaggebend‚ sie<br />

bestimmt nicht das Maß dessen, was Gott<br />

uns schenkt. Denn wir sollen ja etwas<br />

werden „zum Lobe Seiner Herrlichkeit".<br />

Und da gilt es mit Paulus nicht nach<br />

unserer Niedrigkeit zu bitten, sondern nach<br />

dem Reichtum Seiner Herrlichkeit".“<br />

(Wuppertaler Studienbibel, <strong>Epheserbrief</strong><br />

S.117)<br />

<strong>Das</strong> Wort für Herrlichkeit (gr. doxa)<br />

meint das kraftstrahlende Licht, in der Gott<br />

und alles Himmlische eingehüllt ist.<br />

Menschen, die eine Berührung mit der<br />

Herrlichkeit Gottes erlebt haben, sei es, dass<br />

sie einen Engel Gottes gesehen oder in Gottes<br />

Herrlichkeit versetzt worden sind,<br />

beschreiben, dass alles was sie sahen in ein<br />

kraftstrahlendes Licht eingehüllt war. Wer so<br />

etwas erlebt hat, der wird diesen Eindruck nie<br />

mehr vergessen. Dafür gibt es nichts<br />

Vergleichbares auf dieser Erde. <strong>Das</strong><br />

Herrlichste und Edelste, was wir auf dieser<br />

Erde je kennenlernen können, erscheint einem<br />

wie ‚nichts‘ dagegen.<br />

Einen solchen Moment der Herrlichkeit<br />

beschreiben uns die Evangelien. Es war der<br />

Moment, als Jesus sich vor seinen drei engsten<br />

Jüngern verklärt hat. Matthäus fasst es in<br />

folgende Worte:<br />

„Und er wurde vor ihnen umgestaltet. Und<br />

sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine<br />

Kleider aber wurden weiß wie das Licht…“<br />

Matthäus 17,2<br />

Was der himmlische Vater uns „nach dem<br />

Reichtum seiner Herrlichkeit“ schenken<br />

möchte ist so wunderbar überraschend anders,<br />

als alles das, was wir hier auf dieser<br />

verdorbenen, vergänglichen irdischen Welt<br />

kennen. Es geht über das hinaus, was wir je<br />

von ihm „erbitten oder erdenken können“.<br />

Die Herrlichkeit Gottes ist mehr als nur Licht.<br />

Sie ist ein kraftstrahlendes Licht. Matthäus<br />

schildert das so: „sein Angesicht leuchtete<br />

wie die Sonne“<br />

Von dem Licht der Herrlichkeit Gottes geht<br />

eine Kraft aus, das, wenn wir damit in<br />

Berührung kommen, unseren inneren<br />

Menschen stark macht. In dem Text heißt es:<br />

„Er gebe euch nach dem Reichtum seiner<br />

Herrlichkeit, mit Kraft gestärkt zu werden<br />

durch seinen Geist an dem inneren<br />

Menschen…“<br />

Und damit sind wir bei einem neuen Theama:<br />

Der innere Mensch.<br />

Was ist der Innere Mensch?<br />

Den Begriff „innerer Mensch“ benutzt Paulus<br />

auch an anderen Stellen in seinen Briefen, wie<br />

z.B. in<br />

„Deshalb ermatten wir nicht, sondern wenn<br />

auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird,<br />

so wird doch der innere Tag für Tag<br />

erneuert.“ 2.Korinther 4,16<br />

○ Der äußere Mensch ist das „Sichtbare“,<br />

welches „zeitlich ist“ (2.Korinther 4,17)<br />

3


Predigt zum Thema: <strong>Epheserbrief</strong> <strong>12</strong> <strong>Das</strong> <strong>paulinesche</strong> <strong>Vaterunser</strong> a<br />

Heinrich Zelmer<br />

und von dem Zahn der Zeit im wahrsten<br />

Sinne des Wortes „aufgerieben wird“.<br />

○ Der innere Mensch ist dagegen das<br />

„Unsichtbare“, und dieses ist „ewig“<br />

(2.Korinther 4,17). Im Gegensatz zum<br />

äußeren Menschen, wird er nicht<br />

aufgerieben, sondern „Tag für Tag<br />

erneuert.“<br />

Der äußere Mensch ist nur die sichtbare,<br />

vergängliche Hülle, das „irdene Gefäß“,<br />

wie es im Text davor heißt (2.Korinther<br />

4,7).<br />

Und in diesem „irdenen Gefäß“ tragen wir<br />

den eigentlichen „Schatz“, auf den es<br />

ankommt. Und dieser ist der „Lichtglanz<br />

der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im<br />

Angesicht Jesu Christi.“ (2.Korinther 4,6)<br />

Die Herrlichkeit Gottes können wir im<br />

Angesichte Jesu Christ erkennen.<br />

Die Jünger haben diese Herrlichkeit Gottes<br />

im Angesichte Jesu Christi gesehen und<br />

zwar nicht nur in dem Moment, als er sich<br />

vor ihnen auf dem Berge verklärte, sondern<br />

in seinem ganzen Wesen, das von der<br />

Herrlichkeit Gottes durchdrungen war.<br />

Dieses kraftstrahlende Licht der<br />

Herrlichkeit Gottes konnten die Jünger -<br />

abgesehen von jenem kurzen Moment auf<br />

dem Berge der Verklärung - normaler Weise<br />

nicht sehen.<br />

Warum? Weil auch Jesus sich während des<br />

irdischen Lebens der „Knechtschaft der<br />

Vergänglichkeit“ unterworfen hatte. <strong>Das</strong> in<br />

ihm ‚kraftstrahlende Licht‘ wurde<br />

eingehüllt in das „irdene Gefäß“. Deshalb<br />

konnte man es nicht sehen. Und doch<br />

strahlte das herrliche Wesen Gottes, das er<br />

in sich trug, in allem durch ihn, nämlich so<br />

wie er war und was er tat.<br />

Der „innere Mensch“ von Jesus war voller<br />

Kraft. Er war durch und durch durchdrungen<br />

von der Kraft des Heiligen Geistes.<br />

Und genau diesen „inneren Menschen“, in<br />

dem Gottes Herrlichkeit wohnen möchte,<br />

den haben wir alle von unserm Schöpfer bei<br />

unserer Erschaffung mitbekommen.<br />

Als Gott den Menschen schuf, so schuf er<br />

ihn in seinem Bild. So ruhte der Glanz der<br />

Herrlichkeit Gottes auf Adam und Eva als<br />

sie im Garten Eden waren, mindestens so<br />

stark, wie er auch auf den Engeln Gottes<br />

ruhte. Denn wenn schon die Engel diesen<br />

Glanz der Herrlichkeit Gottes haben,<br />

obwohl sie nicht im Bilde Gottes erschaffen<br />

wurden, wie viel mehr ist anzunehmen, dass<br />

auch der Mensch bei seiner Erschaffung in die<br />

Lichtherrlichkeit Gottes eingekleidet wurde.<br />

Allerdings verlor der Mensch diesen<br />

„Lichtglanz der Herrlichkeit“ mit dem<br />

Sündenfall. Nur ein kleiner Rest von der<br />

Herrlichkeit Gottes blieb in ihm übrig. Und das<br />

ist der inwendige Mensch, der ihn an Gott<br />

erinnert.<br />

Fritz Rieneker schreibt dazu (und ich kann ihm<br />

wohl zustimmen):<br />

„Der inwendige Mensch ist der Rest von dem<br />

zum Bilde Gottes geschaffenen Menschen, der<br />

in allen Menschen sich findet, wenn auch aufs<br />

äußerste entstellt oder auf ein Minimum<br />

zusammen geschrumpft“ (Wuppertaler<br />

Studienbibel, <strong>Epheserbrief</strong> S.118)<br />

<strong>Das</strong> Anliegen des Apostels<br />

Und nun kommen wir zu dem, was dem<br />

Apostel in seinem Gebet für die Epheser so<br />

sehr auf der Seele brennt. Er betet:<br />

„Er gebe euch nach dem Reichtum seiner<br />

Herrlichkeit, mit Kraft gestärkt zu werden<br />

durch seinen Geist an dem inneren<br />

Menschen…“<br />

Ihm geht es darum, dass dieser „innere<br />

Mensch durch den Heiligen Geist wieder<br />

erstarkt“ und wieder mit der Herrlichkeit<br />

Gottes gefüllt wird.<br />

<strong>Das</strong> hat etwas mit der Verwandlung unseres<br />

gesamten Wesens zu tun. Die Herrlichkeit<br />

Gottes, die unseren Inneren Menschen erfüllt,<br />

soll an allem, was wir sind und tun, sichtbar<br />

werden.<br />

<strong>Das</strong> verlorene Bild Gottes<br />

<strong>Das</strong> herrliche Bild, zu dem Gott uns gemacht<br />

hat, hat durch den Sündenfall sehr gelitten.<br />

Die ganze Geschichte des Menschen ist<br />

durchweg eine Geschichte des Versagens,<br />

gekennzeichnet von Missständen,<br />

Ungerechtigkeiten, Kriegen, Elend und Armut.<br />

Von der Herrlichkeit Gottes ist da kaum etwas<br />

geblieben.<br />

Und wir alle sind Kinder dieser ruhmlosen<br />

Geschichte und tragen in uns das Bild eines<br />

Menschen, dessen Herrlichkeit völlig verblasst<br />

ist. Da ist nichts, worauf wir wirklich stolz<br />

sein könnten, oder wessen wir uns rühmen<br />

könnten.<br />

○ Wie oft reagieren wir verletzt, wenn<br />

jemand uns nur ein wenig weh tut?<br />

4


Predigt zum Thema: <strong>Epheserbrief</strong> <strong>12</strong> <strong>Das</strong> <strong>paulinesche</strong> <strong>Vaterunser</strong> a<br />

Heinrich Zelmer<br />

○ Wie oft blicken wir voller Neid und<br />

Eifersucht auf den anderen, dem es<br />

unserer Meinung nach besser geht, als<br />

uns?<br />

○ Wie oft reagieren wir ungeduldig auf das<br />

Verhalten anderer?<br />

Wie oft ist unser Kopf gefüllt mit<br />

schlechten Gedanken über andere.<br />

○ Wie oft haben wir unser eigenes<br />

Verhalten nicht unter Kontrolle?<br />

○ Wie oft verletzten wir andere durch<br />

unsere Worte und Taten?<br />

○ Wie oft geben wir uns nichtigen und<br />

sinnlosen Dingen hin, füllen uns mit Müll,<br />

der uns nur schadet.<br />

○ Wie oft können wir Versuchungen nicht<br />

widerstehen und verfallen in schädliches<br />

Verhalten.<br />

<strong>Das</strong> nicht einmal mehr vermisste Bild<br />

Gottes<br />

So lange wir uns Gott nicht nahen, fällt uns<br />

das ganze Dilemma nicht einmal auf. Wir<br />

haben uns so sehr an das mittelmäßige<br />

menschliche Bild gewöhnt, dass wir alles<br />

das als „normal“ empfinden. Normal, weil<br />

jeder es so macht.<br />

Wir haben uns so sehr an das minderwertige<br />

Menschenbild gewöhnt, dass wir die<br />

Herrlichkeit Gottes in unserem Leben nicht<br />

einmal mehr vermissen.<br />

Wir geben uns mit Missständen um uns<br />

herum und in uns selbst zufrieden, oft auf<br />

einem sehr niedrigen Niveau. Dabei leiden<br />

und stöhnen wir von Tag zu Tag. Aber nein -<br />

wenn wir gefragt werden - geht es uns<br />

natürlich gut.<br />

Der „innere Mensch“, der sich nach Gott<br />

sehnt und eine Ahnung von der Herrlichkeit<br />

Gottes noch in sicht trägt, ist kaum noch<br />

vorhanden. Von ihm ist oft so gut wie nichts<br />

mehr übrig geblieben.<br />

Wo die Sehnsucht wieder lebendig wird<br />

Doch in dem Moment, in dem wir unsere<br />

Knie vor dem Vater beugen, beginnt sein<br />

Antlitz wieder über uns zu strahlen. Unsere<br />

inneren Augen werden für Gottes<br />

Herrlichkeit geöffnet, so dass wir anfangen,<br />

seine Herrlichkeit zu vermissen.<br />

Und wenn wir in den Evangelien zu lesen<br />

beginnen, wird uns im Angesichte Jesus<br />

Christi eine neue Idee von der Herrlichkeit<br />

Gottes geschenkt, die er uns Menschen<br />

verliehen hat, bei unserer Erschaffung.<br />

Und wenn wir eine Predigt hören, wie diese,<br />

so wird sie uns neu anregen, über Gottes<br />

Herrlichkeit, die er für unser Leben bestimmt<br />

hat, nachzudenken.<br />

Wie die Herrlichkeit Gottes wieder bei uns<br />

einkehrt.<br />

Im Betrachten der Herrlichkeit Gottes wird<br />

uns die eigene Ohnmacht bewusst. <strong>Das</strong> kann<br />

sehr schmerzlich sein.<br />

○ Auf der einen Seite sehen wir, wie anders<br />

unser Leben sein könnte, wenn Gottes<br />

Herrlichkeit über unserem Leben wäre und<br />

○ Auf der anderen Seite sehen wir, wie<br />

unfähig wir sind, die Herrlichkeit Gottes in<br />

uns zu tragen. Wie kläglich wir immer<br />

wieder versagen.<br />

Paulus ist genau dieses Problem bewusst. An<br />

einer Stelle nennt er sich „als den ersten<br />

unter den Sündern“ (1.Timotheus 1,15).<br />

Für dieses Problem gibt es für Paulus nur eine<br />

Lösung, und das ist die Kraft des Heiligen<br />

Geistes, die wir in unserem Leben brauchen.<br />

„Er gebe euch nach dem Reichtum seiner<br />

Herrlichkeit, mit Kraft gestärkt zu werden<br />

durch seinen Geist an dem inneren<br />

Menschen…“<br />

Der Geist Gottes will uns mehr von seinen<br />

Gaben geben, z.B. das Sprachengebet.<br />

Er will in erster Linie unseren „inneren<br />

Menschen“, in dem noch der letzte Rest der<br />

Herrlichkeit Gottes wohnt, stärken.<br />

Schluss<br />

Wie kann das praktisch passieren?<br />

○ Es kann nur passieren, wenn wir Gottes<br />

Herrlichkeit in unserem Leben vermissen.<br />

Solange wir glauben, dass mit uns alles in<br />

Ordnung ist, haben wir nicht das Bedürfnis<br />

nach Veränderung.<br />

○ Dieses Bedürfnis nach Veränderung führt<br />

uns zur Buße. Buße heißt, den Sinn zu<br />

ändern. Wir sehen ein, dass wir mit der<br />

Mittelmäßigkeit unseres Lebens nicht<br />

glücklich werden können. Darum möchten<br />

wir mit dem, was der Herrlichkeit Gottes in<br />

unserem Leben nicht entspricht, ein Ende<br />

machen. <strong>Das</strong> ist der Anfang der Buße.<br />

5


Predigt zum Thema: <strong>Epheserbrief</strong> <strong>12</strong> <strong>Das</strong> <strong>paulinesche</strong> <strong>Vaterunser</strong> a<br />

Heinrich Zelmer<br />

○ Gleichzeitig wird uns unsere Ohnmacht<br />

bewusst. Auch diese Einsicht ist ein Teil<br />

der Buße.<br />

○ Und nun ist es nötig, unsere<br />

Gebetshaltung zu ändern. Hier möchte<br />

ich das Zitat von Riencker noch einmal<br />

wiederholen.<br />

„Wie oft lassen wir uns in unseren<br />

Gebeten niederdrücken und abhängig<br />

machen von dem Gedanken an unsere<br />

Schwachheit und Bedürftigkeit. Wohl ist<br />

unsere Ohnmacht „riesengroß" und nicht<br />

wegzuleugnen, aber - sie ist nicht<br />

ausschlaggebend‚ sie bestimmt nicht das<br />

Maß dessen, was Gott uns schenkt. Denn<br />

wir sollen ja etwas werden „zum Lobe<br />

Seiner Herrlichkeit". Und da gilt es mit<br />

Paulus nicht nach unserer Niedrigkeit zu<br />

bitten, sondern nach dem Reichtum Seiner<br />

Herrlichkeit".“<br />

○ Und hier setzt die Bitte um die Kraft des<br />

Heiligen Geist ein. Wir hören auf, Gott in<br />

unserem Leben zu limitieren indem wir nur<br />

an das menschlich Machbare denken. Wir<br />

beginnen konkret mit der Kraft des Heiligen<br />

Geistes in unserem Leben zu rechnen, der<br />

das Unmögliche möglich macht, wie Paulus<br />

es im Vers 20 sagt:<br />

„über die Maßen mehr, als wir erbitten oder<br />

erdenken, gemäß der Kraft, die in uns<br />

wirkt…“<br />

<strong>Das</strong> Beugen der Knie<br />

Fragen für das Gruppengespräch<br />

Die Juden beteten in der Regel im stehen. Paulus beugt bei diesem Gebet seine Knie. <strong>Das</strong> kann<br />

auf zwei Gründe hinweisen:<br />

1. Damit unterstreicht der Apostel die Ernsthaftigkeit seines Anliegens.<br />

2. Als Ausdruck der großen Anerkennung und Ehrfurcht vor dem Vater aller Väter.<br />

<strong>Das</strong> Beten im Knien führt nicht automatisch zu dieser Einstellung. Und doch ist es so, dass wir<br />

Beides am besten durch das Beten auf Knien lernen können.<br />

Fragen für das Gruppengespräch<br />

○ Wie wirkt auf dich der Gedanke, auf Knien zu beten?<br />

○ Gibt es besondere persönliche Erfahrungen, die du durch das bewusste Beten im Knien<br />

gemacht hast? Was war dabei anders?<br />

Paulus richtet sein Gebet an den „Vater, von dem jede Vaterschaft in den Himmeln und auf<br />

Erden benannt wird.“<br />

○ Was bedeuten für dich der Begriff „Vater“ und die „Vaterschaft“ Gottes?<br />

Der Vater gibt nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit<br />

Fritz Rieneker schreibt dazu:<br />

„Wie oft lassen wir uns in unsern Gebeten niederdrücken und abhängig machen von dem<br />

Gedanken an unsere Schwachheit und Bedürftigkeit. Wohl ist unsere Ohnmacht „riesengroß"<br />

und nicht wegzuleugnen, aber - sie ist nicht ausschlaggebend‚ sie bestimmt nicht das Maß<br />

dessen, was Gott uns schenkt. Denn wir sollen ja etwas werden „zum Lobe Seiner<br />

Herrlichkeit". Und da gilt es mit Paulus nicht nach unserer Niedrigkeit zu bitten, sondern nach<br />

dem Reichtum Seiner Herrlichkeit".“<br />

Fragen für das Gruppengespräch<br />

Geht es dir oft auch so, wie Rieneker es beschreibt?<br />

○ Was bestimmt in der Regel deine Erwartung auf die Erhörung deiner Gebete?<br />

○ Welche Faktoren könnten unsere Erwartungen an das, was Gott tun kann, bei uns steigern?<br />

6


Predigt zum Thema: <strong>Epheserbrief</strong> <strong>12</strong> <strong>Das</strong> <strong>paulinesche</strong> <strong>Vaterunser</strong> a<br />

Heinrich Zelmer<br />

Die Stärkung des inneren Menschen<br />

Paulus geht es im Gebet vor allem anderen darum, dass der „innere Mensch“ bei den Ephesern<br />

gestärkt wird.<br />

Der „innere Mensch“ ist der nicht sichtbare und anfassbare Teil in uns. Dieser spiegelt seit dem<br />

Sündenfall in einer nur sehr, sehr, sehr abgeschwächten und oft verzehrten Form Gottes Wesen<br />

in uns. Und dieses Wesen Gottes (seine Herrlichkeit) soll in uns wieder erstrahlen. Im<br />

Angesichte Jesu Christi wird uns der Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes offenbar<br />

(2.Kor.4,7).<br />

Vier Gedanken wurden dazu in der Predigt angestoßen:<br />

1. Wir alle haben größtenteils das Bild Gottes verloren. <strong>Das</strong> zeigt unser Verhalten.<br />

2. Wir vermissen es oft kaum noch, weil wir uns so sehr an das menschlich „Normale“ auf sehr<br />

niederem Niveau gewöhnt haben.<br />

3. Auf den Knien, im Anschauen dessen wie der Vater ist (die Evangelien sind dabei eine große<br />

Hilfe) wird bei uns die Sehnsucht nach der Herrlichkeit Gottes wieder wach.<br />

4. Der „innere Mensch“, in dem noch ein kläglicher Überrest der Herrlichkeit Gottes vorhanden<br />

ist, kann durch das Wirken des Heiligen Geistes wieder stark werden.<br />

Fragen für das Gruppengespräch<br />

○ Was fällt dir bei dir selbst auf, und wo merkst du, dass dir bestimmte Dinge nicht gefallen,<br />

aber, dass du dich so sehr daran gewöhnt hast und sie kaum noch wahrnimmst?<br />

○ Wenn Gott unser „Vater“ über unserer „Ohnmacht“ steht, wie kann er uns helfen, über uns<br />

selbst (unsere Schwächen) hinauszuwachsen, hin zum Bild der Herrlichkeit Gottes?<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!