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Oktober 2012 - Lebendige Gemeinde

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Tobias Geiger,<br />

Pfarrer in<br />

Sielmingen<br />

Zurück in die<br />

Zukunft?<br />

Ein Zwischenruf zum PfarrPlan 2018<br />

Es war bei einem Treffen der Pfarrergebetsbruderschaft.<br />

Die Kollegen berichteten,<br />

welche <strong>Gemeinde</strong>n im Kirchenbezirk<br />

durch die Kürzungen des PfarrPlans betroffen<br />

sind. Ein Ruheständler hörte aufmerksam<br />

zu und sagte schließlich: »Wisst<br />

Ihr, was mir auffällt? Alle Stellen, die jetzt<br />

zur Kürzung anstehen, wurden erst vor 30<br />

oder 40 Jahren geschaffen. Könnte es sein,<br />

dass wir damals im Blick auf die Zukunft<br />

der Volkskirche zu optimistisch waren?«<br />

Vor wenigen Tagen kam ich mit der Kirchenpflegerin<br />

einer kleinen <strong>Gemeinde</strong> ins<br />

Gespräch. Sie erzählte, dass ihr Dorf jahrhunderte<br />

lang als Filial vom Pfarrer des<br />

Nachbarorts betreut wurde. In der Nachkriegszeit<br />

zogen Heimatvertriebene zu<br />

und Neubaugebiete wurden erschlossen.<br />

Schließlich kam 1984 frohe Botschaft aus<br />

Stuttgart: »Ihr könnt eine eigene Pfarrstelle<br />

beantragen«. In den Folgejahren wurde<br />

ein <strong>Gemeinde</strong>haus gebaut und neue Gruppen<br />

und Kreise entstanden. Inzwischen<br />

übersteigt jedoch die Zahl der Sterbefälle<br />

diejenige der Taufen und der Dienstauftrag<br />

soll auf die Hälfte reduziert werden.<br />

Als der Dekan die geplante Kürzung bei<br />

einem Informationsabend erläuterte, war<br />

das halbe Dorf auf den Beinen. Unter den<br />

Anwesenden herrschte Einigkeit: »Was bei<br />

uns gewachsen ist, darf nicht einfach aufgegeben<br />

werden!«<br />

Nicht nur im ländlichen Raum ist die Befürchtung<br />

groß, dass im Pfarrhaus das<br />

Licht aus und mit dem Amtsträger eine<br />

wichtige Identifikationsfigur verloren<br />

geht. Aber sind wir als Kirche denn nicht<br />

gezwungen, zu sparen – koste es, was es<br />

wolle? Im 2006 veröffentlichten Impulspapier<br />

»Kirche der Freiheit« wird aufgezeigt,<br />

welche Folgen die demografische Entwicklung<br />

und die anhaltenden Austritte für<br />

die Landeskirchen haben: Bei sinkender<br />

Mitgliederzahl um ein Drittel soll die finanzielle<br />

Leistungsfähigkeit bis 2030 um<br />

die Hälfte zurückgehen. Müssen wir nicht<br />

jetzt die Weichen stellen, um zukünftig<br />

handlungsfähig zu bleiben?<br />

Nun kann man einwenden, dass es sich hier<br />

um eine Prognose für ganz Deutschland<br />

handelt. In Württemberg wird es schon<br />

nicht so schlimm kommen – nennt man<br />

uns innerhalb der EKD nicht halb spöttisch,<br />

halb neidisch »Insel der Seligen«?<br />

Doch auch im Schwabenland machen Kirchengemeinden<br />

seit Jahren dieselbe Erfahrung:<br />

www – wir werden weniger. Weniger<br />

<strong>Gemeinde</strong>glieder bedeuten weniger<br />

Kasualien (Taufen, Konfirmationen, Trauungen<br />

und Beerdigungen) – also werden<br />

rein rechnerisch auch weniger Pfarrer gebraucht.<br />

Hat der erwähnte Ruhestandskollege<br />

Recht – war man in der Vergangenheit<br />

zu optimistisch?<br />

Zurück in die Zukunft, zurück<br />

auf die Stellenzahl von vor 40<br />

Jahren – ist das die Richtung,<br />

in die der PfarrPlan führt?<br />

Allerdings darf nicht übersehen werden,<br />

wie sehr sich der Pfarrdienst im gleichen<br />

Zeitraum verändert hat. In den evangelischen<br />

Kindergärten arbeiten keine Großheppacher<br />

Diakonissen mehr und statt der<br />

<strong>Gemeinde</strong>schwester des Krankenpflegevereins<br />

gibt es Diakoniestationen, die sich<br />

auf dem Pflegemarkt behaupten müssen.<br />

Vielerorts übernehmen Pfarrer Pflichten<br />

als Arbeitgeber und bemühen sich, den<br />

Durchblick im Tarif- und Gesetzesdschungel<br />

zu behalten. Bürokratie und Besprechungen<br />

aller Art haben derart zugenommen,<br />

dass für Besuche oft kaum noch Zeit<br />

bleibt. Doch noch gravierender ist, dass<br />

mit Ausnahme von Heilig Abend nur noch<br />

eine Minderheit der <strong>Gemeinde</strong>glieder regelmäßig<br />

am kirchlichen Leben teilnimmt<br />

– Beziehungen können nicht mehr vorausgesetzt,<br />

sondern müssen erst aufgebaut<br />

werden. Wenn Kasualien tatsächlich missionarische<br />

Möglichkeiten sind, dann benötigen<br />

Pfarrer Zeit für Begegnungen und<br />

Gespräche, dann dürfen Geschäftsführung<br />

und Verwaltung nicht zu viel Raum<br />

beanspruchen. Und im Zusammenhang<br />

mit missionarischen Möglichkeiten wären<br />

noch Glaubenskurse, Zweitgottesdienste,<br />

Zelttage, Aktionen wie »neu anfangen«<br />

oder Pro Christ sowie Männervesper und<br />

Frauenfrühstücke zu nennen. Hier sind wir<br />

nicht nur auf das Engagement von Ehrenamtlichen<br />

angewiesen, sondern brauchen<br />

auch die Mitarbeit der Stelleninhaber. Wir<br />

wünschen uns <strong>Gemeinde</strong>n, die sprachfähig<br />

über den eigenen Glauben werden – doch<br />

wer soll mit den <strong>Gemeinde</strong>gliedern sprechen,<br />

wenn nicht der Pfarrer vor Ort?<br />

Der Theologieprofessor Michael Herbst<br />

hat für die württembergische Landeskirche<br />

ein nachdenkenswertes biblisches Bild<br />

gefunden. Er vergleicht unsere Situation<br />

mit dem letzten der sieben guten Jahre, in<br />

denen Josef als Stellvertreter des Pharao<br />

die Ernte in Kornspeichern sammeln ließ<br />

(1. Mose 41). Genau wie damals Josef wissen<br />

wir, dass dürre Zeiten kommen werden.<br />

Doch noch stehen uns Finanzmittel<br />

zur Verfügung – vielleicht fehlt es nur an<br />

Gottvertrauen und der Vision einer geistlich<br />

wachsenden Kirche? Der Magdeburger<br />

Bischof Axel Noack hat es auf den Punkt<br />

gebracht: »Wir müssen lernen, fröhlich<br />

kleiner zu werden – und trotzdem wachsen<br />

wollen!« Ein mutiges Motto: www – wir<br />

wollen wachsen! Ich wünsche mir einen<br />

PfarrPlan, der etwas riskiert und in missionarischen<br />

<strong>Gemeinde</strong>aufbau investiert<br />

– die Ideen dafür haben Michael Herbst<br />

und andere bereits angedacht. Es gibt viel<br />

zu tun – falten wir die Hände und tragen<br />

dann unsere Steine aufs Baugerüst.<br />

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