Weiterer Fall zum Rücktritt mit Lösung

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verletzt, er überlebt die Attacken. Demnach ist der objektive Tatbestand des Totschlags mangels Erfolges nicht erfüllt. Somit ist der Totschlag nicht vollendet. b. Strafbarkeit des Versuchs Der versuchte Totschlag müsste strafbar sein. Gem. § 23 I sind Verbrechen immer strafbar. Um ein Verbrechen handelt es sich gem. § 12 I, wenn eine Mindeststrafe von einem Jahr oder darüber angedroht wird. Totschlag ist gem. § 212 I mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 5 Jahren bedroht. Somit ergibt sich die Strafbarkeit des versuchten Totschlags aus den §§ 212 I, 23 I, 12 I StGB. 2. Tatbestand A müsste tatbestandsmäßig i.S. von §§ 212 I, 22 StGB gehandelt haben. a. Tatentschluss A müsste Tatentschluss in bezug auf einen Totschlag an A besessen haben. Tatentschluss liegt vor, wenn der Täter Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale hat und alle besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale gegeben sind. Vorsatz liegt zumindest vor beim Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes in Kenntnis der nötigen Tatumstände. K wollte A mit dem Messer töten. Er besaß somit Vorsatz in Form des dolus directus 1. Grades. Besondere subjektive Merkmale sind beim Totschlag nicht zu prüfen. Demnach handelte A mit dem erforderlichen Tatentschluss. b. Unmittelbares Ansetzen A müsste nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar angesetzt haben. Unmittelbares Ansetzen ist gegeben, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum “jetzt geht’s los” überschritten hat und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung ansetzt, so dass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht und das Rechtsgut (bzw. das Angriffsobjekt) aus seiner Sicht schon konkret gefährdet ist. Ein Versuch liegt damit vor, wenn der Täter Handlungen begeht, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung führen sollen oder in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. A hat hier bereits Teile der eigentlichen Tathandlung vorgenommen. Darin ist unproblematisch ein unmittelbares Ansetzen zu sehen. c. Zwischenergebnis A handelte somit tatbestandsmäßig i.S. der §§ 212 I, 22 StGB. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld A müsste rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Das Eingreifen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen ist nicht ersichtlich. Somit handelte A rechtswidrig und schuldhaft. 4. Rücktritt A könnte jedoch strafbefreiend vom Tötungsversuch zurückgetreten sein, indem er den M verletzt liegen gelassen hat, um dazu überzugehen, seine Ex-Frau zu töten.

a. Kein fehlgeschlagener Versuch Nach h.M. scheidet ein Rücktritt aus, wenn der Versuch bereits fehlgeschlagen ist. Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die zur Ausführung der Tat vorgenommenen Handlungen ihr Ziel nicht erreicht haben und der Täter erkennt, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den tatbestandlichen Erfolg entweder gar nicht oder zumindest nicht ohne zeitlich relevante Zäsur herbeiführen kann. Durch das Nichtgelingen des Erstechens mit dem Fleischermesser sowie des Überfahrens mit dem Auto könnte der Tötungsversuch des A fehlgeschlagen sein. Andererseits hätte der A den M noch mit dem im Auto befindlichen Küchenmesser erstechen können, so dass es dem A durchaus noch möglich gewesen wäre, seine Tat zu vollenden. In welchem Fall ein mehraktiger Versuch als fehlgeschlagen anzusehen ist, ist umstritten. (1) Einzelaktstheorie Nach der Einzelaktstheorie ist jeder Ausführungsakt separat zu betrachten. Erkennt der Täter, dass er auf dem geplanten Weg nicht weiterkommt, aber unmittelbar auf ein anderes Tatmittel zurückgreifen könnte, dann sind zwei verschiedene Versuche gegeben, der erste ist fehlgeschlagen, vom zweiten Versuch ist Rücktritt möglich. Nach dieser Ansicht läge hier ein Fehlschlag im Hinblick auf den Versuch, den M mit einem Fleischermesser zu erstechen, vor, ebenso im Hinblick auf den Versuch, den M durch Überfahren zu töten. A könnte nach dieser Ansicht von beiden Versuchen nicht mehr strafbefreiend zurücktreten. (2) Gesamtbetrachtungslehre Nach der herrschenden Gesamtbetrachtungslehre ist bei einem einheitlichen Geschehen der Versuch nicht fehlgeschlagen, wenn der Täter erkennt, dass sein zunächst ins Auge gefasste Tatmittel nicht zum Erfolg geführt hat und direkt im Anschluss an sein bisheriges Tun mit einem neuen Tatmittel oder mit dem bisherigen erneut zum Angriff ausholen kann. Damit ist Rücktritt vom gesamten Vorgang möglich, da es sich nur um eine Aufrechterhaltung und Weiterführung des ursprünglichen Tatentschlusses handelt. Nach dieser Ansicht wäre der Versuch hier nicht fehlgeschlagen, da A den M immer noch mit dem Küchenmesser hätte erstechen können. Auch liegen nach dieser Ansicht hier nicht zwei rechtlich selbständige Tötungsversuche vor, sondern lediglich zusammengehörige Teilakte eines einheitlichen, vom fortbestehenden Tötungsvorsatz getragenen Geschehens. (3) Diskussion/ Ergebnis Da die Einzelaktstheorie und die Gesamtbetrachtungslehre zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist eine Entscheidung zwischen ihnen erforderlich. Für die Einzelaktstheorie spricht, dass durch eine Gesamtbetrachtung der besonders kreative Täter, der sich immer wieder neue Handlungsmöglichkeiten einfallen lässt, privilegiert werden würde. Er würde die Rücktrittsmöglichkeit quasi „vor sich herschieben“. Die gewichtigeren Argumente sprechen allerdings gegen die Einzelaktstheorie. Zum einen reißt sie einen einheitlichen Lebensvorgang künstlich auseinander. Zum anderen führt diese Ansicht zu Friktionen mit § 24 I S. 1 Alt. 2 StGB (Vollendungsverhinderung), da auf der Basis dieser Theorie zwar derjenige, der das Opfer, das er zu töten beabsichtigt, schlecht trifft und nur verletzt, durch

verletzt, er überlebt die Attacken. Demnach ist der objektive Tatbestand des<br />

Totschlags mangels Erfolges nicht erfüllt. So<strong>mit</strong> ist der Totschlag nicht vollendet.<br />

b. Strafbarkeit des Versuchs<br />

Der versuchte Totschlag müsste strafbar sein. Gem. § 23 I sind Verbrechen immer<br />

strafbar. Um ein Verbrechen handelt es sich gem. § 12 I, wenn eine Mindeststrafe von<br />

einem Jahr oder darüber angedroht wird. Totschlag ist gem. § 212 I <strong>mit</strong> einer<br />

Freiheitsstrafe von mindestens 5 Jahren bedroht. So<strong>mit</strong> ergibt sich die Strafbarkeit des<br />

versuchten Totschlags aus den §§ 212 I, 23 I, 12 I StGB.<br />

2. Tatbestand<br />

A müsste tatbestandsmäßig i.S. von §§ 212 I, 22 StGB gehandelt haben.<br />

a. Tatentschluss<br />

A müsste Tatentschluss in bezug auf einen Totschlag an A besessen haben.<br />

Tatentschluss liegt vor, wenn der Täter Vorsatz bezüglich aller objektiven<br />

Tatbestandsmerkmale hat und alle besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale<br />

gegeben sind. Vorsatz liegt <strong>zum</strong>indest vor beim Wollen der Verwirklichung des<br />

objektiven Tatbestandes in Kenntnis der nötigen Tatumstände. K wollte A <strong>mit</strong> dem<br />

Messer töten. Er besaß so<strong>mit</strong> Vorsatz in Form des dolus directus 1. Grades. Besondere<br />

subjektive Merkmale sind beim Totschlag nicht zu prüfen. Demnach handelte A <strong>mit</strong><br />

dem erforderlichen Tatentschluss.<br />

b. Un<strong>mit</strong>telbares Ansetzen<br />

A müsste nach seiner Vorstellung von der Tat un<strong>mit</strong>telbar angesetzt haben.<br />

Un<strong>mit</strong>telbares Ansetzen ist gegeben, wenn der Täter subjektiv die Schwelle <strong>zum</strong> “jetzt<br />

geht’s los” überschritten hat und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung ansetzt, so<br />

dass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht<br />

und das Rechtsgut (bzw. das Angriffsobjekt) aus seiner Sicht schon konkret gefährdet<br />

ist. Ein Versuch liegt da<strong>mit</strong> vor, wenn der Täter Handlungen begeht, die im<br />

ungestörten Fortgang un<strong>mit</strong>telbar zur Tatbestandsverwirklichung führen sollen oder in<br />

un<strong>mit</strong>telbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang <strong>mit</strong> ihr stehen. A hat hier<br />

bereits Teile der eigentlichen Tathandlung vorgenommen. Darin ist unproblematisch<br />

ein un<strong>mit</strong>telbares Ansetzen zu sehen.<br />

c. Zwischenergebnis<br />

A handelte so<strong>mit</strong> tatbestandsmäßig i.S. der §§ 212 I, 22 StGB.<br />

3. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

A müsste rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Das Eingreifen von<br />

Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen ist nicht ersichtlich. So<strong>mit</strong> handelte A<br />

rechtswidrig und schuldhaft.<br />

4. <strong>Rücktritt</strong><br />

A könnte jedoch strafbefreiend vom Tötungsversuch zurückgetreten sein, indem er den<br />

M verletzt liegen gelassen hat, um dazu überzugehen, seine Ex-Frau zu töten.

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