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Weiterer Fall zum Rücktritt mit Lösung

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Begleitkollegs zur Vorlesung<br />

Strafrecht I<br />

im Wintersemester 2004/2005<br />

<strong>Fall</strong> <strong>zum</strong> <strong>Rücktritt</strong><br />

Der A droht seiner geschiedenen Ehefrau B und ihrem neuen Freund M an, dass er sie<br />

umbringen werde, wenn sie sich nicht voneinander trennten. B und M nehmen die<br />

Drohung des A nicht ernst und bleiben zusammen. Der A fasst daraufhin den Plan,<br />

möglichst beide, <strong>zum</strong>indest aber seine Ex-Frau zu töten.<br />

Zur Ausführung seines Vorhabens fährt er zur Arbeitsstätte der B und wartet auf dem<br />

Parkplatz auf ihre Rückkehr von der Arbeit. Kurz darauf trifft der M auf dem<br />

Parkplatz ein, der die B abholen will. Er sieht den A, geht auf ihn zu und begrüßt ihn<br />

freundlich. Der A erwidert den Gruß, zieht – für M völlig unerwartet – ein langes<br />

Fleischermesser und rammt es M in den Unterleib. M versucht zu fliehen, doch A kann<br />

ihn einholen und versetzt ihm einen weiteren Messerstich. M gelingt es, dem A das<br />

Messer zu entreißen und über einen hohen Zaun zu werfen. Dann flieht er weiter.<br />

A steigt in sein Auto und verfolgt den M, um ihn nun durch Überfahren zu töten. M<br />

springt durch einen Heckenstreifen, hinter dem er sich niederkauert. A will die Hecke<br />

<strong>mit</strong> seinem Auto durchbrechen und M überrollen, bleibt aber in der Hecke stecken.<br />

Durch einen Blick auf die Uhr erkennt A, dass jetzt langsam die B auf dem Parkplatz<br />

auftauchen müsste. In der zutreffenden Meinung, M noch nicht tödlich verwundet zu<br />

haben, eilt er <strong>mit</strong> einem noch im Auto befindlichen Küchenmesser seiner Ex-Frau<br />

entgegen, die er ebenfalls nach kurzer Begrüßung für sie völlig unerwartet attackiert.<br />

Er tötet sie <strong>mit</strong> mehreren Messerstichen. M, dem E nichts mehr tut, überlebt.<br />

Strafbarkeit des A?<br />

(vgl. BGHSt 35, 184 ff.)<br />

Strafbarkeit des A<br />

A. Strafbarkeit des A in bezug auf M<br />

I. Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 22, 23 I StGB<br />

A könnte sich dadurch, dass er auf M <strong>mit</strong> dem Messer eingestochen hat und <strong>mit</strong> dem<br />

PKW auf ihn zugefahren ist, wegen versuchten Totschlags gem. §§ 212 I, 22, 23 I<br />

StGB strafbar gemacht haben.<br />

1. Vorprüfung<br />

a. Nichtvollendung<br />

Die Tat dürfte nicht vollendet sein. Die Tat ist noch nicht vollendet, wenn der<br />

objektive Tatbestand noch nicht vollständig erfüllt ist. M wird von A nicht tödlich


verletzt, er überlebt die Attacken. Demnach ist der objektive Tatbestand des<br />

Totschlags mangels Erfolges nicht erfüllt. So<strong>mit</strong> ist der Totschlag nicht vollendet.<br />

b. Strafbarkeit des Versuchs<br />

Der versuchte Totschlag müsste strafbar sein. Gem. § 23 I sind Verbrechen immer<br />

strafbar. Um ein Verbrechen handelt es sich gem. § 12 I, wenn eine Mindeststrafe von<br />

einem Jahr oder darüber angedroht wird. Totschlag ist gem. § 212 I <strong>mit</strong> einer<br />

Freiheitsstrafe von mindestens 5 Jahren bedroht. So<strong>mit</strong> ergibt sich die Strafbarkeit des<br />

versuchten Totschlags aus den §§ 212 I, 23 I, 12 I StGB.<br />

2. Tatbestand<br />

A müsste tatbestandsmäßig i.S. von §§ 212 I, 22 StGB gehandelt haben.<br />

a. Tatentschluss<br />

A müsste Tatentschluss in bezug auf einen Totschlag an A besessen haben.<br />

Tatentschluss liegt vor, wenn der Täter Vorsatz bezüglich aller objektiven<br />

Tatbestandsmerkmale hat und alle besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale<br />

gegeben sind. Vorsatz liegt <strong>zum</strong>indest vor beim Wollen der Verwirklichung des<br />

objektiven Tatbestandes in Kenntnis der nötigen Tatumstände. K wollte A <strong>mit</strong> dem<br />

Messer töten. Er besaß so<strong>mit</strong> Vorsatz in Form des dolus directus 1. Grades. Besondere<br />

subjektive Merkmale sind beim Totschlag nicht zu prüfen. Demnach handelte A <strong>mit</strong><br />

dem erforderlichen Tatentschluss.<br />

b. Un<strong>mit</strong>telbares Ansetzen<br />

A müsste nach seiner Vorstellung von der Tat un<strong>mit</strong>telbar angesetzt haben.<br />

Un<strong>mit</strong>telbares Ansetzen ist gegeben, wenn der Täter subjektiv die Schwelle <strong>zum</strong> “jetzt<br />

geht’s los” überschritten hat und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung ansetzt, so<br />

dass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht<br />

und das Rechtsgut (bzw. das Angriffsobjekt) aus seiner Sicht schon konkret gefährdet<br />

ist. Ein Versuch liegt da<strong>mit</strong> vor, wenn der Täter Handlungen begeht, die im<br />

ungestörten Fortgang un<strong>mit</strong>telbar zur Tatbestandsverwirklichung führen sollen oder in<br />

un<strong>mit</strong>telbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang <strong>mit</strong> ihr stehen. A hat hier<br />

bereits Teile der eigentlichen Tathandlung vorgenommen. Darin ist unproblematisch<br />

ein un<strong>mit</strong>telbares Ansetzen zu sehen.<br />

c. Zwischenergebnis<br />

A handelte so<strong>mit</strong> tatbestandsmäßig i.S. der §§ 212 I, 22 StGB.<br />

3. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

A müsste rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Das Eingreifen von<br />

Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen ist nicht ersichtlich. So<strong>mit</strong> handelte A<br />

rechtswidrig und schuldhaft.<br />

4. <strong>Rücktritt</strong><br />

A könnte jedoch strafbefreiend vom Tötungsversuch zurückgetreten sein, indem er den<br />

M verletzt liegen gelassen hat, um dazu überzugehen, seine Ex-Frau zu töten.


a. Kein fehlgeschlagener Versuch<br />

Nach h.M. scheidet ein <strong>Rücktritt</strong> aus, wenn der Versuch bereits fehlgeschlagen ist. Ein<br />

Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die zur Ausführung der Tat vorgenommenen<br />

Handlungen ihr Ziel nicht erreicht haben und der Täter erkennt, dass er <strong>mit</strong> den ihm<br />

zur Verfügung stehenden Mitteln den tatbestandlichen Erfolg entweder gar nicht oder<br />

<strong>zum</strong>indest nicht ohne zeitlich relevante Zäsur herbeiführen kann. Durch das<br />

Nichtgelingen des Erstechens <strong>mit</strong> dem Fleischermesser sowie des Überfahrens <strong>mit</strong><br />

dem Auto könnte der Tötungsversuch des A fehlgeschlagen sein. Andererseits hätte<br />

der A den M noch <strong>mit</strong> dem im Auto befindlichen Küchenmesser erstechen können, so<br />

dass es dem A durchaus noch möglich gewesen wäre, seine Tat zu vollenden. In<br />

welchem <strong>Fall</strong> ein mehraktiger Versuch als fehlgeschlagen anzusehen ist, ist umstritten.<br />

(1) Einzelaktstheorie<br />

Nach der Einzelaktstheorie ist jeder Ausführungsakt separat zu betrachten. Erkennt der<br />

Täter, dass er auf dem geplanten Weg nicht weiterkommt, aber un<strong>mit</strong>telbar auf ein<br />

anderes Tat<strong>mit</strong>tel zurückgreifen könnte, dann sind zwei verschiedene Versuche<br />

gegeben, der erste ist fehlgeschlagen, vom zweiten Versuch ist <strong>Rücktritt</strong> möglich.<br />

Nach dieser Ansicht läge hier ein Fehlschlag im Hinblick auf den Versuch, den M <strong>mit</strong><br />

einem Fleischermesser zu erstechen, vor, ebenso im Hinblick auf den Versuch, den M<br />

durch Überfahren zu töten. A könnte nach dieser Ansicht von beiden Versuchen nicht<br />

mehr strafbefreiend zurücktreten.<br />

(2) Gesamtbetrachtungslehre<br />

Nach der herrschenden Gesamtbetrachtungslehre ist bei einem einheitlichen<br />

Geschehen der Versuch nicht fehlgeschlagen, wenn der Täter erkennt, dass sein<br />

zunächst ins Auge gefasste Tat<strong>mit</strong>tel nicht <strong>zum</strong> Erfolg geführt hat und direkt im<br />

Anschluss an sein bisheriges Tun <strong>mit</strong> einem neuen Tat<strong>mit</strong>tel oder <strong>mit</strong> dem bisherigen<br />

erneut <strong>zum</strong> Angriff ausholen kann. Da<strong>mit</strong> ist <strong>Rücktritt</strong> vom gesamten Vorgang<br />

möglich, da es sich nur um eine Aufrechterhaltung und Weiterführung des<br />

ursprünglichen Tatentschlusses handelt. Nach dieser Ansicht wäre der Versuch hier<br />

nicht fehlgeschlagen, da A den M immer noch <strong>mit</strong> dem Küchenmesser hätte erstechen<br />

können. Auch liegen nach dieser Ansicht hier nicht zwei rechtlich selbständige<br />

Tötungsversuche vor, sondern lediglich zusammengehörige Teilakte eines<br />

einheitlichen, vom fortbestehenden Tötungsvorsatz getragenen Geschehens.<br />

(3) Diskussion/ Ergebnis<br />

Da die Einzelaktstheorie und die Gesamtbetrachtungslehre zu unterschiedlichen<br />

Ergebnissen gelangen, ist eine Entscheidung zwischen ihnen erforderlich.<br />

Für die Einzelaktstheorie spricht, dass durch eine Gesamtbetrachtung der besonders<br />

kreative Täter, der sich immer wieder neue Handlungsmöglichkeiten einfallen lässt,<br />

privilegiert werden würde. Er würde die <strong>Rücktritt</strong>smöglichkeit quasi „vor sich<br />

herschieben“.<br />

Die gewichtigeren Argumente sprechen allerdings gegen die Einzelaktstheorie. Zum<br />

einen reißt sie einen einheitlichen Lebensvorgang künstlich auseinander. Zum anderen<br />

führt diese Ansicht zu Friktionen <strong>mit</strong> § 24 I S. 1 Alt. 2 StGB<br />

(Vollendungsverhinderung), da auf der Basis dieser Theorie zwar derjenige, der das<br />

Opfer, das er zu töten beabsichtigt, schlecht trifft und nur verletzt, durch


Vollendungsverhinderung zurücktreten könnte, derjenige aber, der noch schlechter<br />

zielt und das Opfer gar nicht trifft, keine <strong>Rücktritt</strong>smöglichkeit hätte. Außerdem ist die<br />

Gesamtbetrachtungslehre unter Gesichtspunkten des Opferschutzes als vorzugswürdig<br />

anzusehen. Es ist daher der Gesamtbetrachtungslehre zu folgen. Ein Fehlschlag liegt<br />

hier so<strong>mit</strong> nicht vor. (andere Ansicht vertretbar)<br />

b. Stadium der Tatbegehung<br />

Es fragt sich, ob der Versuch des A, den M zu töten unbeendet oder bereits beendet<br />

war. Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter noch nicht alles getan zu haben<br />

glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu ihrer Vollendung notwendig ist.<br />

Beendet ist der Versuch, wenn der Täter alles getan zu haben glaubt, was nach seiner<br />

Vorstellung von der Tat zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges notwendig<br />

oder möglicherweise ausreichend ist.<br />

Als A aufgehört hat, den M zu attackieren, meinte er zutreffend, dass M noch nicht<br />

tödlich verwundet war. Demnach befand sich sein Tötungsversuch erst im Stadium<br />

unbeendeten Versuchs.<br />

c. <strong>Rücktritt</strong>sverhalten<br />

Beim unbeendeten Versuch reicht gem. § 24 I 1 Alt. 1 StGB die Tataufgabe aus. A<br />

müsste die Tötung des M also aufgegeben haben. Aufgeben bedeutet, von der weiteren<br />

Realisierung des Entschlusses, den gesetzlichen Tatbestand zu verwirklichen, aufgrund<br />

eines entsprechenden Gegenentschlusses Abstand zu nehmen. A hat von weiteren<br />

Messerstichen auf M abgesehen. Er hat so<strong>mit</strong> den Versuch, M zu töten, aufgeben.<br />

d. Freiwilligkeit<br />

A müsste die Tat freiwillig aufgegeben haben. A hat nur aufgehört, den M zu<br />

attackieren, weil er das für ihn vorrangige Opfer, seine Ex-Ehefrau, nicht verpassen<br />

wollte. Es fragt sich, ob dieses Verhalten als freiwillig anzusehen ist. Welcher<br />

Maßstab an das Merkmal der Freiwilligkeit zu legen ist, ist umstritten.<br />

(1) Normative Betrachtungsweise<br />

Ein Teil der Literatur löst die Abgrenzungsfrage nicht faktisch-psychologisch, sondern<br />

normativ, indem darauf abgestellt wird, ob sich der betreffende Täter durch seinen<br />

<strong>Rücktritt</strong> als ungefährlich erwiesen habe. Maßgebend für die Freiwilligkeit seien rein<br />

rechtliche Maßstäbe, die sich aus der ratio des § 24 ergeben, wenn danach gefragt<br />

wird, in welchen <strong>Rücktritt</strong>sfällen der Täter wieder zur Achtung der rechtlichen Gebote<br />

und Verbote zurückfinde und sich danach als ungefährlich erweise, so dass seine<br />

Bestrafung zur Erreichung der Strafzwecke nicht mehr erforderlich sei. Der <strong>Rücktritt</strong><br />

müsse letztlich die rechtstreue Gesinnung des Täters beweisen. Dies wird verneint,<br />

wenn ein Abstandnehmen von der weiteren Tatausführung der kühl kalkulierenden<br />

Verbrechervernunft entspricht.<br />

A hat aufgehört den M zu attackieren, um ein anderes Verbrechen zu begehen. Er hat<br />

sich dadurch als besonders gefährlich erwiesen. Nach dieser Theorie ist die<br />

Freiwilligkeit des <strong>Rücktritt</strong>s demnach zu verneinen.<br />

(2) Psychologisierende Betrachtungsweise (h.M. in Literatur und Rspr.)<br />

Nach der psychologisierenden Betrachtungsweise handelt freiwillig, wer durch


autonome Motive <strong>zum</strong> <strong>Rücktritt</strong> bewegt wird, d.h. wer in freier Selbstbestimmung von<br />

der Tat ablässt. Entscheidend ist, ob der Täter noch Herr seiner Entschlüsse ist und die<br />

Ausführung seines Tatplanes noch für möglich hält, d.h. weder durch eine äußere<br />

Zwangslage gehindert noch durch seelischen Druck unfähig zur Tatvollendung wurde.<br />

Ob das Motiv sittlich billigenswert ist, ist hiernach unerheblich.<br />

Unfreiwillig ist der <strong>Rücktritt</strong>, wenn er durch heteronome, vom Willen des Täters<br />

unabhängige Motive, also fremdbestimmt, veranlasst wird. (Beispiele sind innerer<br />

Zwang, unüberwindliche Hemmungen oder aber eine nachträgliche Risikoerhöhung,<br />

die zwar die Tatausführung als solche nicht ausschließt, die der Täter aber<br />

vernünftigerweise nicht auf sich zu nehmen vermag.)<br />

Die Tataufgabe des A wäre nach dieser Theorie als freiwillig anzusehen, da der<br />

Entschluss, die B zu töten auf freier Willensentschließung des A beruht und daher von<br />

autonomen Motiven getragen ist.<br />

(3) Diskussion<br />

Für die erste Ansicht spricht, dass der Begriff des freien Willens auf einer sittlichen<br />

Konzeption beruht. Gegen die psychologisierende Betrachtung spricht, dass eine<br />

Grenzziehung, wann ein Umstand von der noch freien Entschließung in ein<br />

Genötigtsein umschlägt, wegen der fließenden Übergänge schwierig sein kann. Für die<br />

psychologisierende Ansicht spricht jedoch, dass der in § 24 verwendete Begriff der<br />

Freiwilligkeit zur Abgrenzung nach psychologisierenden Kriterien zwingt. Er lässt<br />

eine rein normative Deutung nicht zu. Eine solche Auslegung verstieße gegen Art. 103<br />

II GG. Demnach ist hier die Freiwilligkeit zu bejahen. (andere Ansicht vertretbar)<br />

e. Zwischenergebnis<br />

A ist strafbefreiend vom versuchten Totschlag zurückgetreten.<br />

5. Ergebnis<br />

A hat sich nicht wegen versuchten Totschlags gem. §§ 212 I, 22, 23 I StGB strafbar<br />

gemacht.<br />

Da der <strong>Rücktritt</strong> auch den heimtückischen, aus niedrigen Beweggründen erfolgten<br />

Mordversuch gem. §§ 212, 211, 22, 23 StGB umfasst, muss dieser gar nicht erst<br />

angeprüft werden.<br />

Der <strong>Rücktritt</strong> vom Tötungsversuch bewirkt gem. § 24 lediglich, dass der Täter nicht<br />

wegen Versuchs bestraft wird. Verwirklicht er bei diesem Versuch andere Delikte, so<br />

wird er wegen deren Vollendung bestraft.<br />

II. Strafbarkeit gem. §§ 223 I, 224 I Nrn. 2, 5 StGB<br />

A könnte sich, indem er auf M einstach wegen gefährlicher Körperverletzung gem.<br />

§§ 223 I, 224 I Nrn. 2, 5 StGB strafbar gemacht haben.<br />

1. Tatbestandsmäßigkeit<br />

A müsste tatbestandsmäßig i.S. der §§ 223 I, 224 I Nrn. 2, 5 StGB gehandelt haben.


a. Objektiver Tatbestand<br />

A müsste den M körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben.<br />

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das<br />

körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerhebliche beeinträchtigt. Stiche <strong>mit</strong> einem<br />

großen Messer verursachen erhebliche Schmerzen und stellen demnach eine üble,<br />

unangemessene Behandlung dar, die das körperliche Wohlbefinden ganz erhebliche<br />

beeinträchtigt. Die Messerstiche sind demnach als körperliche Misshandlung<br />

anzusehen.<br />

Eine Gesundheitsschädigung ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen<br />

Zustandes. Durch die Messerstiche wurden bei M erhebliche behandlungsbedürftige<br />

Wunden hervorgerufen. So<strong>mit</strong> liegt auch eine Gesundheitsschädigung vor.<br />

Die Körperverletzung müsste <strong>mit</strong>tels einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs<br />

begangen worden sein. Bei dem Fleischermesser könnte es sich um eine Waffe<br />

handeln. Waffen sind Werkzeuge, die ihrer Natur nach dazu bestimmt sind, auf<br />

mechanischem oder chemischem Weg Verletzungen beizubringen. Die Bestimmung<br />

eines Fleischermessers ist es nicht Verletzungen beizubringen. Demnach handelt es<br />

sich nicht um eine Waffe. Bei dem Fleischermesser könnte es sich jedoch um ein<br />

gefährliches Werkzeug handeln. Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der<br />

nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung konkret geeignet<br />

ist, erhebliche körperliche Verletzungen hervorzurufen. Durch Stiche <strong>mit</strong> einem<br />

Fleischermesser können tiefe Wunden verursacht werden. Es ist so<strong>mit</strong> als gefährliches<br />

Werkzeug anzusehen.<br />

A könnte die Körperverletzung außerdem <strong>mit</strong>tels einer das Leben gefährdenden<br />

Behandlung begangen haben. Überwiegend wird verlangt, die Begehungsweise müsse<br />

nach den Umständen des konkreten <strong>Fall</strong>s objektiv generell geeignet sein, das Opfer in<br />

Lebensgefahr zu bringen; eine konkrete Gefahr sei nicht nötig. Messerstiche in den<br />

Unterleib können wichtige Organe verletzten und sind daher als generell<br />

lebensgefährlich anzusehen. So<strong>mit</strong> hat A die Körperverletzung <strong>mit</strong>tels einer das Leben<br />

gefährdenden Behandlung begangen.<br />

Der objektive Tatbestand ist demnach erfüllt.<br />

b. Subjektiver Tatbestand<br />

A müsste vorsätzlich hinsichtlich der körperlichen Misshandlung und<br />

Gesundheitsschädigung des M gehandelt haben. Vorsatz ist der Wille zur<br />

Verwirklichung des objektiven Tatbestandes in Kenntnis all seiner Tatumstände. A<br />

wusste, dass die Messerstiche eine üble, unangemessene Behandlung darstellen, die<br />

das körperliche Wohlbefinden des M erheblich beeinträchtigen würden, dies strebte A<br />

auch <strong>zum</strong>indest als Zwischenziel an. A wusste ebenfalls, dass die Messerstiche einen<br />

behandlungsbedürftigen Zustand hervorrufen würde, und wollte dies auch. A handelte<br />

hinsichtlich der körperlichen Misshandlung und der Gesundheitsschädigung demnach<br />

<strong>mit</strong> Vorsatz in Form des dolus directus 1. Grades.<br />

A müsste außerdem Vorsatz bezüglich der Tatbegehung <strong>mit</strong>tels eines gefährlichen<br />

Werkzeugs gehabt haben. A war bekannt, dass das Messer geeignet ist, bei<br />

entsprechender Verwendung, erhebliche Verletzungen hervorzurufen und dies<br />

bezweckte A auch gerade. Hinsichtlich der Begehung der Körperverletzung <strong>mit</strong>tels<br />

eines gefährlichen Werkzeug handelte A daher absichtlich.


Schließlich müsste A Vorsatz hinsichtlich der Begehung der Körperverletzung <strong>mit</strong>tels<br />

einer das Leben gefährdenden Behandlung gehabt haben. A wusste, dass Messerstiche<br />

in den Unterleibsbereich geeignet sind, das Leben des Opfers zu gefährden. A wollte<br />

auch eine Lebensgefährdung des M, da er als Endziel dessen Tod anstrebte. A besaß<br />

so<strong>mit</strong> auch hinsichtlich der Tatbegehung <strong>mit</strong>tels einer lebensgefährdenden Behandlung<br />

Vorsatz in Form des dolus directus 1. Grades.<br />

Demnach ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt.<br />

c. Zwischenergebnis<br />

A handelte demnach tatbestandsmäßig.<br />

2. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

A handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

3. Ergebnis<br />

A hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nrn. 2 und 5<br />

StGB strafbar gemacht.<br />

B. Strafbarkeit gem. §§ 212, 211 StGB in Bezug auf B<br />

A könnte sich, indem er <strong>mit</strong> dem Messer auf B einstach, wegen Mordes gem. §§ 212 I,<br />

211 StGB strafbar gemacht haben.<br />

I. Tatbestandsmäßigkeit<br />

A müsste zunächst tatbestandsmäßig i.S. der §§ 212 I, 211 StGB gehandelt haben.<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

A müsste einen anderen Menschen getötet haben. Mit B ist ein anderer Mensch zu<br />

Tode gekommen, so dass diese Voraussetzung erfüllt ist.<br />

Die Messerstiche des A können auch nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Tod<br />

der B entfiele, so dass A´s Handlung kausal i.S. der conditio-sine-qua-non-Formel für<br />

den Tod der B war.<br />

Indem A die B überraschend <strong>mit</strong> dem Messer attackierte, könnte er außerdem<br />

heimtückisch gehandelt haben. Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit<br />

des Opfers bewusst in feindseliger Willensrichtung ausnutzt. Objektive Kriterien sind<br />

die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers.<br />

Arglos ist, wer sich im Zeitpunkt der Tat keines Angriffs von Seiten des Täters<br />

versieht. B rechnete nicht <strong>mit</strong> einem Angriff des A. Sie war so<strong>mit</strong> arglos.<br />

Wehrlos ist, wer aufgrund der Arglosigkeit keine oder nur eine reduzierte Möglichkeit<br />

zur Verteidigung besitzt. Da B nicht da<strong>mit</strong> rechnete, von A angegriffen zu werden,<br />

ergriff sie keinerlei Abwehrmaßnahmen. Sie konnte die Attacke des A daher weder<br />

abwehren noch ihr ausweichen. B war so<strong>mit</strong> auch wehrlos.<br />

Die objektiven Kriterien der Heimtücke sind da<strong>mit</strong> erfüllt.<br />

Der objektive Tatbestand ist so<strong>mit</strong> erfüllt.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

A müsste zunächst vorsätzlich hinsichtlich der Tötung der B gehandelt haben. Vorsatz<br />

ist der Wille zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes in Kenntnis all seiner


Tatumstände. A wusste, dass er die B durch die Messerstiche töten würde und er<br />

bezweckte ihre Tötung auch. A handelte hinsichtlich der Tötung so<strong>mit</strong> absichtlich.<br />

A müsste außerdem Vorsatz bezüglich der Arg- und Wehrlosigkeit der B gehabt<br />

haben. A erkannte und wusste da<strong>mit</strong>, dass B nicht <strong>mit</strong> einem Angriff von seiner Seite<br />

rechnete, also arglos war. Er wusste ebenfalls, dass dadurch die Abwehrmöglichkeiten<br />

der B eingeschränkt waren. Beides wollte A auch und handelte bezüglich der Arg- und<br />

Wehrlosigkeit der B so<strong>mit</strong> vorsätzlich.<br />

Zusätzlich müssten die besonderen subjektiven Kriterien des Mordmerkmals der<br />

Heimtücke erfüllt sein.<br />

A müsste die Arg- und Wehrlosigkeit der B bewusst ausgenutzt haben. Bewusstes<br />

Ausnutzen ist dann gegeben, wenn der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers<br />

nicht nur äußerlich wahrgenommen hat, sondern ihrer Bedeutung für die hilflose Lage<br />

des Angegriffenen erfasst und dies bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt hat. A machte<br />

es sich zu Nutze, dass B seine Drohung nicht ernst genommen hatte und nicht <strong>mit</strong><br />

einem Angriff rechnete. A nutzte die Arg- und Wehrlosigkeit der B da<strong>mit</strong> bewusst aus.<br />

Außerdem müsste A in feindlicher Willensrichtung gehandelt haben. Ein Handeln in<br />

feindlicher Willensrichtung liegt vor, wenn die Tötung nicht <strong>zum</strong> vermeintlich Besten<br />

des Opfers erfolgt. Dass A die B zu deren vermeintlich Bestem töten wollte, ist nicht<br />

ersichtlich. A handelte so<strong>mit</strong> in feindseliger Willensrichtung.<br />

Demnach tötete A die C auf heimtückische Weise.<br />

A könnte außerdem aus niedrigen Beweggründen heraus gehandelt haben. Ein<br />

niedriger Beweggrund liegt vor, wenn die Motivation des Täters sich nicht nur als<br />

verwerflich darstellt, sondern sittlich auf tiefster Stufe steht und als besonders<br />

verachtenswert erscheint. A tötete seine Ex-Frau, um sich zu rächen, bzw. sie dafür zu<br />

bestrafen, dass sie sich nicht von ihrem neuen Freund getrennt hatte. Auch wenn<br />

Eifersucht allgemein noch als menschlich nachvollziehbar erscheint, könnte die<br />

Eifersucht hier jedoch ihrerseits auf niederer Gesinnung beruhen. A tötete hier das<br />

Objekt seiner „Liebe“ da<strong>mit</strong> sie kein anderer haben solle. Zumindest diese Form der<br />

Eifersucht zeigt eine übersteigerte Selbstsucht und beruht so<strong>mit</strong> ihrerseits auf niederer<br />

Gesinnung. Niedrige Beweggründe liegen vor.<br />

Da<strong>mit</strong> ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt.<br />

3. Zwischenergebnis<br />

A handelte so<strong>mit</strong> tatbestandsmäßig i.S. der §§ 212 I, 211 StGB.<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

A handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

III. Ergebnis<br />

A hat sich wegen Mordes gem. §§ 212 I, 211 StGB strafbar gemacht.<br />

C. Gesamtergebnis<br />

A hat sich gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 und 5; 212, 211; 53 StGB strafbar gemacht.

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