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starre Kategorien muss bei der Analyse jedoch verzichtet werden, da sich das quantitativ und qualitativ sehr heterogene Quellenmaterial 3 nicht in einen einzigen Bezugsrahmen stellen und linear evaluieren lässt. Um der zeitlichen und räumlichen Gebundenheit gesellschaftlicher Positionen gerecht zu werden, soll eine generationsbezogenen Analyse – unter allen oben genannten Vorbehalten – eine relative Zuordnung für jede einzelne Person bzw. Generation innerhalb ihres Wirkungsbereiches ermöglichen. Eine solche flexible Klassifizierung kann auch Prozessen gesellschaftlichen Wandels gerecht werden, die sich möglicherweise im Umfeld der untersuchten Personen/Familien vollzogen; denn Stagnation in Besitzverhältnissen und rechtlichen Konditionen würde in einer statischen Analyse nicht zu einer veränderten Bewertung führen, obwohl Stagnation in einer sich ändernden Gesellschaft faktisch ein Absinken bedeuten kann. Die relativen, ihre jeweilige Gebundenheit wahrenden Wertungen lassen sich dann für die aufeinander folgenden Generationen wiederum miteinander vergleichen, so dass eine soziale Mobilität, wenn vorhanden, sichtbar würde. Erschwert oder gar gestört wird diese Konzeption allerdings durch die territorienübergreifenden Aktivitäten der Gesamtfamilie, innerhalb einer Generation oder gar innerhalb einer Biographie; denn ein in diesem System bisher unberücksichtigt gebliebener Faktor, der für Adelsstudien, die auf nur ein Territorium bezogen sind, irrelevant ist, der im Falle der vorliegenden Untersuchung aber sicherlich nicht vernachlässigt werden kann, ist die Hierarchie von aufeinander bezogenen Territorien, hier: im rheinisch-niederländischen Raum. An dieser Überlegung orientiert sich etwa die Frage: Hat etwa die Mitgliedschaft im herzoglichen Rat von Jülich ein vergleichbares Prestige wie die Zugehörigkeit zum Brabanter Rat ? In einer relativen, auf das einzelne Territorium begrenzten Bewertung führte dieses Kriterium zu einer Zuordnung in die gleiche gesellschaftliche Schicht – hie in Jülich, da in Brabant. Es zeigt sich aber klar – z. B. in Territorien übergreifenden Bündnissen wie den Landfrieden zwischen Rhein und Maas, denen zeitweise auch Reinhard von Schönau als Geschworener des Herzogtums Brabant angehörte –, dass das politische Gewicht der delegierten Geschworenen sehr unterschiedlich war und von der Machtstellung der Partei abhing, die sie vertraten. Nominell gleiche Positionen dürfen also nicht automatisch zu gleicher Bewertung führen. Die besondere Bedeutung dieser Fragestellung lässt sich nicht zuletzt daran ersehen, dass bereits im Untersuchungszeitraum selbst solche Vergleiche gezogen wurden, wie die eingangs zitierten Äußerungen des Chronisten Jacques de Hemricourt zeigen, Reinhard von Schönau sei der tüchtigste Ritter der vorangegangenen einhundert Jahre im Raum zwischen Maas und Rhein gewesen, die zur Beschreibung der gesellschaftlichen Position und des Prestiges Reinhards ebenfalls schon auf einen weiter gefassten zeitlichen und räumlichen Rahmen Bezug nehmen. 3 Vgl. dazu unten S. 15-17. 4

A. III. Die Fragestellung der Studie im Rahmen der Adelsforschung Die Literatur zur Adelsforschung ist nahezu unüberschaubar geworden: Nach wie vor Bestand haben die traditionellen Forschungsfelder der Reichs- und Verfassungsgeschichte einerseits und der reinen Genealogie einzelner Familien andererseits. Für ersteren Bereich sind vor allem die Arbeiten Gerd Tellenbachs und Karl Bosls 4 zu nennen, die nach prosopographischer Erfassung reichstragender Gesellschaftsschichten strebten und dabei besonders rechtsförmliche Kategorien zu Grunde legten. Rein prosopographische Projekte, die sich als Vorstudien zu derartigen Untersuchungen verstehen, sind etwa das seit 1916 erscheinende Repertorium Germanicum über die Verzeichnung Deutscher in der vatikanischen Überlieferung 5 und das von Karl Ferdinand Werner initiierte Projekt PROL (Prosopographia Regnorum Orbis Latini). 6 Durch den hauptsächlichen Bezug – vor allem letztgenannter Untersuchung – auf das Früh- und Hochmittelalter, ist die Beschränkung auf verfassungs- und rechtshistorische Kriterien überwiegend durch die Quellenlage bestimmt und gerechtfertigt. Die in früh- und hochmittelalterlichen Quellen oft fehlende Herausstellung der Individualität der Personen führte in der mediävistischen Prosopographie zu einer Erforschung der Personengruppe, wobei der Gegensatz ‘Individuum-Kollektiv’ nicht in dichotomer Zuspitzung gesehen, zumindest aber relativiert wird, so dass eine Definition der Einzelperson in ihrem sozialen Kontext erfolgt und sie damit oft deutlicher hervortritt als in einer kategorisierenden Separierung. Eine frühe Loslösung von einer solchen einseitig rechtlich dimensionierten und daher das Phänomen nur partiell erfassenden Konzeption ist die Dissertation von Franz Irsigler zur Geschichte des frühfränkischen Adels aus dem Jahre 1969, die trotz oder gerade wegen der Quellenarmut des Untersuchungszeitraumes eine möglichst breite Basis sucht, auf der sich ‘Adel’ als soziale Gruppe fassen und beschreiben lässt, und die neben den Rechtsquellen auch auf die Chronistik und archäologische Überreste zurückgreift. 7 Zunächst wurde vor allem in der französischsprachigen Forschung der evidente Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Adels und der Geschichte der Region, aus der er stammte, herausgearbeitet, der Adel also in originär landeshistorischer Perspektive betrachtet. 8 Seit die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erneut 4 TELLENBACH, Karolingischer Reichsadel; TELLENBACH, Studien und Vorarbeiten; TELLENBACH, Erforschung; TELLENBACH, Rechtlicher Anspruch; BOSL, Reichsministerialität als Element; BOSL, Reichsministerialität I/II. 5 Repertorium Germanicum 1-9; vgl. auch Repertorium Germanicum. Auswertung; THUMSER, Repertorium Germanicum. 6 WERNER, Problematik. Vgl. auch SCHMID, Prosopographische Forschungen, S. 73f. 7 IRSIGLER, Untersuchungen. 8 GENICOT, L’économie rurale; PARISSE, Noblesse lorraine; vgl. zu dieser Arbeit auch deren ausführliche Rezension von KRÜGER, Lothringischer Adel. 5

A. III. Die Fragestellung der Studie im Rahmen der Adelsforschung<br />

Die Literatur zur Adelsforschung ist nahezu unüberschaubar geworden: Nach wie vor Bestand<br />

haben die traditionellen Forschungsfelder der Reichs- und Verfassungsgeschichte einerseits<br />

und der reinen Genealogie einzelner Familien andererseits. Für ersteren Bereich sind vor allem<br />

die Arbeiten Gerd Tellenbachs und Karl Bosls 4 zu nennen, die nach prosopographischer<br />

Erfassung reichstragender Gesellschaftsschichten strebten und dabei besonders rechtsförmliche<br />

Kategorien zu Grunde legten. Rein prosopographische Projekte, die sich als Vorstudien<br />

zu derartigen Untersuchungen verstehen, sind etwa das seit 1916 erscheinende Repertorium<br />

Germanicum über die Verzeichnung Deutscher in der vatikanischen Überlieferung 5 und das<br />

von Karl Ferdinand Werner initiierte Projekt PROL (Prosopographia Regnorum Orbis Latini).<br />

6 Durch den hauptsächlichen Bezug – vor allem letztgenannter Untersuchung – auf das<br />

Früh- und Hochmittelalter, ist die Beschränkung auf verfassungs- und rechtshistorische Kriterien<br />

überwiegend durch die Quellenlage bestimmt und gerechtfertigt. Die in früh- und hochmittelalterlichen<br />

Quellen oft fehlende Herausstellung der Individualität der Personen führte in<br />

der mediävistischen Prosopographie zu einer Erforschung der Personengruppe, wobei der<br />

Gegensatz ‘Individuum-Kollektiv’ nicht in dichotomer Zuspitzung gesehen, zumindest aber<br />

relativiert wird, so dass eine Definition der Einzelperson in ihrem sozialen Kontext erfolgt<br />

und sie damit oft deutlicher hervortritt als in einer kategorisierenden Separierung.<br />

Eine frühe Loslösung von einer solchen einseitig rechtlich dimensionierten und daher das<br />

Phänomen nur partiell erfassenden Konzeption ist die Dissertation von Franz Irsigler zur Geschichte<br />

des frühfränkischen Adels aus dem Jahre 1969, die trotz oder gerade wegen der<br />

Quellenarmut des Untersuchungszeitraumes eine möglichst breite Basis sucht, auf der sich<br />

‘Adel’ als soziale Gruppe fassen und beschreiben lässt, und die neben den Rechtsquellen auch<br />

auf die Chronistik und archäologische Überreste zurückgreift. 7<br />

Zunächst wurde vor allem in der französischsprachigen Forschung der evidente Zusammenhang<br />

zwischen der Entwicklung des Adels und der Geschichte der Region, aus der er<br />

stammte, herausgearbeitet, der Adel also in originär landeshistorischer Perspektive betrachtet.<br />

8 Seit die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erneut<br />

4 TELLENBACH, Karolingischer Reichsadel; TELLENBACH, Studien und Vorarbeiten; TELLENBACH,<br />

Erforschung; TELLENBACH, Rechtlicher Anspruch; BOSL, Reichsministerialität als Element; BOSL,<br />

Reichsministerialität I/II.<br />

5 Repertorium Germanicum 1-9; vgl. auch Repertorium Germanicum. Auswertung; THUMSER,<br />

Repertorium Germanicum.<br />

6 WERNER, Problematik. Vgl. auch SCHMID, Prosopographische Forschungen, S. 73f.<br />

7 IRSIGLER, Untersuchungen.<br />

8 GENICOT, L’économie rurale; PARISSE, Noblesse lorraine; vgl. zu dieser Arbeit auch deren<br />

ausführliche Rezension von KRÜGER, Lothringischer Adel.<br />

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