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R. Martin Richter DIE JÜNGERE ALTSTEINZEIT IM ...

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R. <strong>Martin</strong> <strong>Richter</strong><br />

s<br />

<strong>DIE</strong> <strong>JÜNGERE</strong> <strong>ALTSTEINZEIT</strong> <strong>IM</strong> OSTTHORINGER<br />

ORLAGAU<br />

Der mitteldeutsche Landstreifen, der in keiner der Vereisungen des<br />

Diluviums von den Gletschermassen des Nordens und der Alpen erreicht<br />

wurde, bot schon dem Menschen des Mittelpaläolithikums Aufenthaltsmöglichke<br />

Seine hauptsächlichste Nahrungsquelle, die Jagd, war günstig,<br />

da in diesem Gebiet eine Konzentration der Großtierwelt für die langen<br />

Vereisungszeiten eintrat. Der Hauptgrund hierfür ist in Folgendem zu<br />

suchen:<br />

Die Vergletscherungsperioden zeichneten sich bekanntlich als Zeiten mit<br />

geringen Niederschlägen aus, so daß in den vorderasiatischen und osteuropäis<br />

Gebieten mit ihrem ariden Landklima der Pflanzenwuchs der<br />

Tundra und Taiga auf die Dauer viel kärglicher werden mußte als, im eisfreien<br />

Westeuropa, das durch die umspülende See ein humideres Klima<br />

und damit saftige Weideflächen behielt. Die östliche Tierwelt strebte demnach<br />

in ihrem Nahrungstrieb den günstigeren Weideplätzen Westeuropas<br />

zu. Ihr Weg war aber vorgeschrieben durch zwei große Engpässe. Der eine<br />

ist die mährische Gebirgspforte am Oberlauf der Oder, durch die die Tierwelt<br />

in den mährisch- böhmischen Raum einströmte, was beim Studium des<br />

mährisch- böhmischen Paläolithikums sofort klar wird. Der andere liegt im<br />

sächsisch- thüringischen Raume und wird hier ebenfalls durch eine ostwestwärt<br />

führende Kette paläolithischer Jägerstationen und Knochenlagerstätt<br />

diluvialer Großfauna hervorgehoben.<br />

Die Eisdecke der vorletzten Vereisung (Saale/Riß- Glazial) erreichte Nordthüringen<br />

fast wieder so weit wie schon zur ersten nordischen Vereisung<br />

(Elster- Mindel-Glazial)'. Ein weites, südliches Ausweichen der Tierwanderung<br />

1) ist noch nicht ganz geklärt, ob der südlichste, über die Linie Erfurt- Jena- Stadtroda- Gera<br />

laufende Endmoränenzug, also der der größten nordischen<br />

Eisdecken-Ausdehnung, nicht der Saale/Riß- Vereisung angehört. Nach<br />

Woldstedt und Grahmann wird die Endmoräne als "wahrscheinlich" dem Elster- Mindel-Glazi<br />

zugeschrieben.(P. W ol d s t e d t: Das Eiszeitalter. Stuttgart 1929,<br />

S. 185.) Dem neuesten Forschungsstandein der Schweiz nach ist dort für die<br />

Riß- Vereisung (Riß II) eine, viel größere Ausdehnung der Gletscher als in der<br />

vorhergehenden Mindel- Vereisung festzustellen. (T s c h u m i: Urgeschichte der<br />

Schweiz. Frauenfeld 1949 Abh. H. Bächler nach Beck.)


vom nördlichen Gletscherrande hemmten die deutschen Mittelgebirge,<br />

die ebenfalls, wie Gletscherschliffe beweisen, leichte Eiskappen besaßen.<br />

Sie waren jedenfalls nicht gut zu überqueren. So führte der einzige passierbare<br />

Weg gleich einem Korridor über das heutige Mittelsachsen, Ostthüringe<br />

und das nördliche Westthüringen. Im Maximum der Saale Riß- Vereisung<br />

verengte die Eisdecke des Nordens in der Gegend vom heutigen<br />

Weißenfels- Zeitz- Borna bei Leipzig den Engpaß bis auf 30 km Breite<br />

zum Erzund<br />

Fichtelgebirge, da die schätzungsweise 20 km breite Schmelzwasserz<br />

und das Urstromtalgebiet vor dem Gletscherrande ebenfalls<br />

unpassierbar waren. Auf der anderen Seite wurden die Tiere von diesem<br />

Gebiet besonders angezogen, da sie hier ihren täglichen Wasserbedarf<br />

leicht befriedigen konnten und durch die Wassernähe hier viel reichere<br />

Vegetation herrschte. Ferner möchte ich auf die allgemein beobachtete Erscheinun<br />

hinweisen, daß Tierkonzentrationen oft gerade an den Grenzen<br />

zweier völlig verschiedener Lebensräume auftreten. Auf die Gründe, die<br />

zum Teil von den Zoologen noch nicht ganz erforscht sind, kann ich hier<br />

nicht eingehen. Bei einer Überfüllung an Tierherden, ferner bei Verknappung<br />

der Weideflächen durch Lößüberwehungen im Westraume Europas<br />

ist anzunehmen, daß Tierherden sich zuweilen in die Nahrungsgebiete des<br />

Engpasses zurückbegaben und somit auch zur dichteren Tierbevölkerung<br />

desselben beitrugen.<br />

In diesem grandiosen Tierwechsel des Spätdiluviums zwischen Ostund<br />

Westeuropa, in diesem vorzüglichen Jagdgebiet der Eiszeit jäger finden<br />

sich daher, wie bereits angedeutet. auch ihre Spuren in einer teilweise<br />

dichten Kette von Fundplätzen des Paläolithikums: Stationen des Neandertalers<br />

und der mit ihm gleichzeitig lebenden Urmenschen, die als Steppenjäger<br />

Osteuropas und Vorderasiens, als Träger der Lanzenspitzenkulturen<br />

dieser Gebiete sich neuerdings in der Erforschung des europäischen Mittelpaläolithi<br />

immer stärker herauskristallisieren.<br />

In der Zwischenzeit beengten zwar keine Gletscher das Weidegebiet der<br />

jagdbaren Tiere im mitteleuropäischen Raume, aber unser mitteldeutscher<br />

Landstreifen bot seiner Lage und Beschaffenheit nach (stärkere Niederschlagsz<br />

am Rande der Mittelgebirge. geringe Löfivei'wehungen gute<br />

Mutterboden) dem Pflanzenwuchs beste Bedingungen, und somit war die<br />

reichere Nahrung für die Tierwelt, hinter der der diluviale Wildbeuter<br />

ständig her sein mußte um überhaupt leben zu können der Grund. weshalb<br />

die Spuren der Menschen des letzten Interglazials in den mitteldeutschen<br />

Gefilden häufiger auftreten als anderswo in Deutschland, so daß<br />

2) Der Orlagau besitzt nur ein ganz kleines Lößvorkommen bei Krölpa, westlich<br />

Pößneck.


z. 13. die Großstationen des limtals, südlich Weimar, eine erste Rolle in<br />

der Urgeschichte Europas spielen.<br />

Ich weise auf eine Kette wichtiger Fundplätze des Mittelpaläolithiku.<br />

in unserem immer eisfrei gebliebenen mitteldeutschen Landstreifen hin,<br />

wenn ich die Stationen der Riß- Eiszeit, des letzten Interglazials und der<br />

beginnenden Würm-Eiszeit, wie Markkleeberg bei Leipzig, Lindenthaler<br />

Hyänenhöhle in Gera, Kapfenberg bei Pahren. Kreis Greiz3, Nischenhöhle<br />

bei Lausnitz/ Neustadt/ Orla, Wüste- Scheuer- Höhle und Urd- Höhle bei Dö—<br />

britz, 4 km östlich Pößneck, Ilsenhöhle/ Ranis, Ziegelei Krölpa, westlich<br />

Pößneck4, den Giebelstein bei Saalfeld/Saale und die auch durch berühmte<br />

mittelpaläolithische Homo-Reste hervorgehobenen Großstationen Ehringsdorf<br />

und Taubach" bei Weimar nenne. Die Lage unserer mittelpaläolithischen<br />

Stationen auf der Fundplatzkarte bestätigt wie die Markierungszeichen<br />

eines bestimmten Wanderweges die oben umrissene Marschroute<br />

der Tierwelt durch den Korridor zwischen Gletscherdecke und Mittelgebirge.<br />

Im Kernstück dieser uralten sächsisch- thüringischen Marschroute diluvialer<br />

Jagdtiere, dem Hauptjagdgebiet unseres Mittelpaläolithikers, liegt<br />

der Ostthüringer Orlagau, eine von Ost nach West gerichtete, 45 km lange,<br />

II km breite und bis 200 m tiefe Mulde. die eih altes Erdfallgebiet darstellt.<br />

Diese Mulde wird südlich von einem Kulmschieferrücken, nördlich von der<br />

Kante der Buntsandsteinplatte eingefaßt. In ihrer Sohle hat die Kante der<br />

Permformation in Form von Zechsteintafelbergen und ihnen vorgelagerten<br />

kleineren Bryozoenriffen dem Gebirgsabbau vieler Jahrmillionen standgehalten<br />

Die Formation des Rotliegenden ist hier in dem damaligen<br />

Wusienklima bis auf drei kleine Inseln weggeweht worden, so daß auf<br />

unseren in der variskischen Faltung aufgetürmten Sedimenten des Karbon<br />

der "Untere Zechstein" allgemein direkt aufgelagert ist, und zwar in Diskordanz,<br />

da er zur Zeit der genannten Faltung noch nicht da war. Orla<br />

und Kotschau durchziehen die Mulde als kleine Flüßchen. Zahlreiche<br />

Bäche und kleine Rinnsale streben ihnen besonders vom Kuimrücken zu,<br />

so daß das weite Becken nicht allein durch die Zechsteinriffe. sondern auch<br />

durch viele Taieinschnitte eine starke Plastik besitzt. In dieser reich ge-3)<br />

3) K. T h. L i e b e: Die Knochenlagerstätte von Pahren im reußischen Oberlande.<br />

Ztschr. f. d. Gesamten Naturwissenschaften, Berlin, Bd. 35, 1870, u. Thür.<br />

Höhlen, Neustadt'Orla 1930.<br />

4) J. Stoller: Fossilführende Diluvialschichten bei Krölpa. Thüringen. Jhrb.<br />

Preuß. Geologischen Landesanstalt, Berlin 1919.<br />

5) E. S c h u s t e r: Die Altsteinzeit. Weimar 1925.<br />

6) G. E i c h h o r n: Die paläolithischen Funde von Taubach. Jena 1909.


Abb. 1 Das paläolitisch besiedelte Zechsteinhöhlengebiet im Orlagau.


gliederten Landschaft befinden sich außer den Stationen der mittleren<br />

Altsteinzeit verhältnismäßig viele Fundplätze des Jungpaläolithikums,<br />

Wildpferdjäger der späten Eiszeit, der Homo sapiens diluvialis, Vertreter<br />

der<br />

teils als Höhlenstationen, teils als Freilandplätze. Die Mammut-, Renund<br />

Aurignacoder<br />

Brünner Rasse bzw. der westlichen Rasse von Crô-Magnon<br />

haben hier, wie schon der Homo primigenius, recht gute Lebensverhältnis<br />

vorgefunden, sonst hätten sie sich hier nicht so zahlreich und<br />

so lange aufgehalten wie es die letzten dreißig Jahre in der Erforschung<br />

unseres Jungpaliiolithikums aufzeigen.<br />

Der Tierreichtum, die Hauptbedingung für das Leben der eiszeitlichen<br />

Menschen, muß auch in der Späteiszeit in unserem Gebiet immer noch gut<br />

gewesen sein. Ich vermute, daß die Tieransammlungen der Engpaßzeit<br />

einen gewissen Grundstock hierzu abgegeben .haben. Hinzu kommt eine<br />

Anzahl Eigenheiten der Landschaft, auf die ich noch näher eingehen<br />

werde, die den Daseinskampf besonders erleichtert haben werden. Anders<br />

ist die Bevorzugung des Orlagaues und seiner Grenzgebiete - das östlich<br />

gelegene Elstertal und das westlich ihn umfassende mittlere Saaletal -<br />

durch die jungpaläolithischen Jäger nicht zu erklären. Gute Weideflächen<br />

mit zahlreichen Tränkstellen für die Tiere waren von jeher in unserem<br />

mitteldeutschen Gebiet da. Hinzu treten als positive Faktoren für die<br />

Bevorzugung unseres Ostthüringer Gebietes als Aufenthalt der diluvialen<br />

Tierwelt die vielen, der allgemein vorherrschenden westlichen oder östlichen<br />

Windrichtung quer gelagerten Seitentäler, die in Schlechtwetterperioden<br />

guten Schutz boten, ferner die Kalkboden, die den Geweihträgern<br />

wie Ren und Edelhirsch als Weideflächen willkommen waren für<br />

den Aufbau ihrer Waffe. Ob im Diluvium im Gebiet des Oberen Zechsteins<br />

(Plattendolomit) und eines langen Anhydrit-. Gipszuges in der Orlagaumulde<br />

kleinere Steinsalzlager, die heute weggewittert sind, als Salzlecken<br />

für die Tiere bestanden haben, ist fraglich. Die Eiszeitjäger, besonders<br />

die zahlreichen Jungpaliiolithiker mit ihren größeren Jagdansprüchen,<br />

werden sowohl durch den Wildreichtum als auch durch das für ihre Jagdmethoden<br />

überaus günstige Gelände der Orlagaumulde angelockt worden<br />

sein. Jedes der vielen Zechsteinriffe am Rande mehrerer kleinerer und<br />

größerer Talkessel sowie der großen zentralen Gesamtwanne bot weiten<br />

Ausblick über diese. Traten die Tiere aus den auch heute im feuchteren<br />

Klima noch trockenen Seiteneinschnitten der Täler und des Hauptkessels<br />

zu den Tränkplätzen an den Flußund<br />

Bachläufen oder dem kleinen See<br />

in der Niederung unterhalb des Haupthöhlengebietes von Döbritz, konnten<br />

die Ansatzpunkte der wichtigsten Jagdmaßnahmen (Einkesselung durch<br />

Treiber, Schaffung von Engpässen durch künstliche Hindernisse mit An-


lagen von Fallgruben) durch die Fernbeobachtung der Tierwechsel leichter<br />

übersehen werden. Die zahlreichen Stationen des Jungpaliiolithikums in<br />

Höhlen, unter Felsdächern und in windgeschützten Freilandplätzen, die<br />

ich in Süddeutschland, Österreich, Mähren und Frankreich aufsuchte, liegen<br />

fast alle wie bei uns am Rande von Talkesseln, in die die Tierwelt von<br />

den Tundraoder<br />

Taigahochflächen zur Tränke ziehen mußte. Ihr einziger<br />

Weg führte, ähnlich wie im Orlagau, immer durch schmale Mulden oder<br />

kleine, zum Teil auch heute trockene Seitentälchen und Schluchten, an<br />

deren Ausgängen zum Talkessel sie vom Jäger aufgelauert wurden. Die<br />

gleichen, allgemein typischen Verhältnisse dieser zuerst an unseren Stationen<br />

Döbritz, Ranis, Lausnitz, Neunhofen und Krölpa gemachten Beobachtung<br />

über die Lage der Jägerstation fand ich insbesondere bei allen größeren<br />

Standplätzen, den Mutterstationen, im ganzen von mir bereisten<br />

Gebiet des Jungpaläolithikers. So liegen am Rande eines Talkessels dt1<br />

Stationen des mittleren und späten Aurignacien, noch häufiger des Magdalénien.<br />

Folgende Fundstätten oder Fundgebiete sind hier besonders zu<br />

nennen: einige Stellen' des Elsterund<br />

Saaletales, des Altmühltales, des<br />

Donautales bei Regensburg, das Sirgensteingebiet, der Vogelherd des<br />

Lonetales, die ebenfalls süddeutsche Irpfelhöhle und zum Teil auch das<br />

Gebiet an den Ofnet- Höhlen. Sehr stark ausgeprägt fand ich die genannten<br />

Verhältnisse bei folgenden jungpaläolithischen, hauptsächlich Magdaléniensta<br />

in Frankreich vor: Abri Placard, Isturitz, Niaux, Mas<br />

dAzu, fliniequel. ('Ilhilil Roc chez hei's La Quina, 1' non-Pair,<br />

St. Germain la iividie Trois frères, Arcy-sur-Cure, La Ferrassie, im Tal<br />

der Beune bei den Stationen Laussel, La (;I'II Los Combarelles, La<br />

Font- de- Gaume, im Tal der Vézère bei denen von Lascaux. Abri Castanet,<br />

mehreren Plätzen bei Le Moustier, in der Laugerie Haute und Basse,<br />

Gorge dEnfer, bei den Grotten von Les Id:' i und der La Mouthe.<br />

Bei Betrachtungen über die diluviale Jagd wird auch immer zu berücksichtigen<br />

sein, daß diese mit der Natur engstens verbundenen Wildbeuter<br />

sicher noch bedeutend größere Kenntnisse in den Gepflogenheiten ihrer<br />

Jagdtiere und im Auffinden ihrer Spuren hatten, als wir zivilisierten<br />

Menschen uns heute vorzustellen vermögen. Man vergleiche da u. a. diesbezüglic<br />

Leistungen heutiger primitiver Jägervölker.<br />

Fördernd für eine rentable Jagd auf Wildpferde sind bekanntlich die<br />

Steilwände, über die diese schreckhaften Tiere durch Treiber gehetzt wurden,<br />

um nach dem Absturz in ihrem verletzten Zustande eine leichte Beute<br />

zu werden. Brandfackeln der Treiber unterstützten vermutlich die ganze<br />

Aktion. Hochplateaus mit drei Steilwänden und einem Übergang der Hochfläche<br />

in weite Räume, wie der bekannte Felsen von Solutrö in Frankreich,


sind in dieser Hinsicht die idealsten Pferdefallen. Geradezu eine Parallele<br />

zum Solutr&-Felsen, durch dessen Knochenlagerstätte unter der Felswand<br />

der Absturz von Tausenden von Wildpferden nachgewiesen wurde, ist,<br />

wenn auch in etwas kleinerem Maßstabe, das Hauptriff des Döbritzer<br />

Tafelberges mit den Steilwänden seiner 14 Einzelriffe, turmartigen Anbauten,<br />

deren Oberflächen an die Hauptfläche unmittelbar anschließend,<br />

als schmale Felszungen die geeignetsten Jagdsackgassen darstellen, die<br />

man sich nur denken kann. Tiere, die die Gefahr dieser Einzelfallen rechtzeitig<br />

erkannten und deshalb durch die etwas weniger steil abfallenden<br />

Mulden zwischen den Felstürmen sich zu retten suchten, konnten in diesen<br />

durch Fiechtwerkzäune von 30 bis 70 m Länge aufgehalten oder auch zu<br />

getarnten Fallgruben an absichtlichen Öffnungen des Zaunes leicht gelenkt<br />

werden. Größere Ausschachtungen am Döbritzer Berghang dürften<br />

stellenweise Knochenfundergebnisse wie am Felsen von Solutré erbringen<br />

und eine auch in Döbritz stark ausgeübte Absturzjagd bestätigen.<br />

Als ich vor Jahren einen nur 5 m langen Probeschnitt im Gehängeschutt<br />

unterhalb eines für die Absturzjagd besonders geeigneten Einzeiriffes des<br />

Döbritzer Tafelberges vornahm, fand ich die ziemlich seicht liegende<br />

diluviale Schicht dicht durchsetzt mit Knochen und Zähnen vom Wildpferd<br />

vor. Der bekannte Großtierfänger Schultz aus Aruscha im ehemaligen<br />

Deutsch-Ostafrika stimmte bei seinem Besuch in Döbritz meinen Ansichten<br />

über die Pferdefalle vollkommen zu und äußerte, daß die Massaikrieger<br />

in seinen Fanggebieten heute noch, trotzdem sie im Besitz von<br />

Feuerwaffen sind, Gazellen und Antilopen durch Treiben über Steilwände<br />

erlegen. Schüsse, die ja die Tiere vertreiben, sollen die Jagd viel unrentabler<br />

machen als in Ausübung nach der uralten Manier des Jagens über<br />

Steilwände. Bei meinen Fotoaufnahmen der späteiszeitlichen Wandmalereien<br />

in der berühmten, erst wenige Monate vor meiner Ankunft im<br />

Frühjahr 1941 entdeckten eiszeitlichen Bildergrotte Lascaux in der Dordogne<br />

wurde ich stark beeindruckt, als ich auf ein Gemälde stieß, das drei<br />

über eine Felswand abstürzende Wildpferde zeigt. Die Darstellung der<br />

Absturijagd durch den eiszeitlichen Künstler unterstreicht ihre große<br />

Bedeutung für die Jäger, die durch diese Jagdzauber- Malerei das Jagdglück<br />

zu erwirken suchten.<br />

Wenn auch der Döbritzer Tafelberg die umfangreichste und vollkommenste<br />

Pferdefalle des Orlagaues gewesen sein mag, so ist sie doch nicht<br />

die einzige. Das küstenferne Riff von Ranis, auf dem die Burg steht und<br />

in dem sich die paläolithische Station der Ilsenhöhle befindet, ferner die<br />

Küstenriffe wie Trommberg, Hammelberg, Gabelberg, Totenstein mit der<br />

Koleschhöhle bei Lausnitz!Harrasmühle, der Öpitzer Berg, der Buchenberg


und Binsenberg bei Krölpa, der Clythenfelsen bei Ölsen und der Gleitsch<br />

bei SaalfeldSaale sind, um nur die wichtigeren zu nennen, an Hochflächen<br />

angesetzte Tafelberge mit Steilwänden und waren geeignet, als Pferdefallen<br />

in oben beschriebenem Sinne zu dienen. Bei allen konnte den auf<br />

die äußere Riffzunge gedrängten Pferden mehr oder weniger leicht der<br />

Rückweg abgeriegelt werden.<br />

In sämtlichen jungpaläolithischen Schichten der Ausgrabungsstätten des<br />

Orlagaues überwiegen die fossilen Knochen von Wildpferden als Mahlzeitreste<br />

des Menschen alle anderen Überbleibsel der Fauna ganz beträchtlich.<br />

Die Blütezeit der jungpaläolithischen Jagd im Orlagau fällt in die<br />

Periode, in der nach dem Bühlvorstoß durch Klimaverbesserung die<br />

Tundra, die Moossteppe, das Reich der Rentiere, sich in die Waldtundra<br />

und dann in die Taiga, in ein Dorado für die Wildpferde verwandelte.<br />

Unter den Gebieten reicher Tieransammlung mit günstigem Jagdgelände,<br />

die die erste Frage des Daseins, den rentabelsten Nahrungserwerb betraf,<br />

wurden selbstverständlich diejenigen bevorzugt, die auch die zweite Frage,<br />

die Unterkunft, am bequemsten lösten. Wenn auch der eiszeitliche Mensch<br />

den Unbilden der Witterung gegenüber recht widerstandsfähig gewesen<br />

sein muß — ich denke daran, wie für rezente arktische Völker durch<br />

Anpassung, Gewohnheit und Schutzmaßnahmen ein ständiger Aufenthalt<br />

in Lebensräumen möglich ist, deren Klima einem eiszeitlichen unserer<br />

mitteleuropäischen Landschaft entspricht - so mußte er sich doch mindestens<br />

im Winter vor der Kälte, dem Wind und der Nässe in Höhlen und<br />

in Erdhütten schützen7. Die rentablen Jagdgebiete mit zugleich guten<br />

Unterkünften, und das waren damals die Naturhöhlen, wurden daher<br />

besonders bevorzugt. Alle Freilandstationen, soweit nicht durch Erdhüttenanlagen<br />

ein Verweilen für die ganze Jahreszeit ermöglicht wurde, sind als<br />

Sommerlager anzusehen. Selbst Großstationen der jüngeren Altsteinzeit,<br />

die im Freiland liegen, wie, z. B. die Schneidemühle bei HaynsburgZeitz,<br />

die süddeutsche Schussenquelle und die nördlichste Großstation des<br />

L11,3d:ii(fllen. Meiendorf in Schleswig-Holstein, sind als solche zu betrachten8<br />

So finden wir den Jungpaläolithiker Europas hauptsächlich in den<br />

Höhlenlandschaften Nordspaniens, Südfrankreichs, der Schweiz, Österreichs,<br />

Mährens, Süddeutschlands, des Rheinlandes, Westfalens und Ostthüringen<br />

soweit gutes Weidegebiet für seine Jagdtiere vorhanden war.<br />

7) A. R 11s t: Betrachtungen über eurasiatisch-afrikanische Kullurzusammenhänge<br />

in der Steinzeit. Ztschr. Offa, Neumünster, Holstein, 1949.<br />

8) A. 11u s t: Das altsteinzeitliche Rentierlager Meiendorf. Neumünster, Holstein<br />

1937.


Die vermutlich auch zahlreichen verschütteten kleinen Strandhöhlen<br />

Mittel-,<br />

Westund<br />

Nordthüringens, im Zechsteingebiet westlich Saalfeld/<br />

Saale, südlich Eisenach und bei Nordhausen, konnten in die Thüringer<br />

Paläolithforschung vorläufig noch nicht einbezogen werden.<br />

Die Geschichte der Erforschung des Jungpaläolithikums im Orlagau<br />

blickt erst auf ein Alter von wenigen Jahrzehnten zurück. Im Jahre 1874<br />

hatte der Geologe Professor Dr. Th. Liebe, Gera, in der Lindenthaler<br />

Hyänenhöhle im heutigen Stadtgebiet von Gera Mittelpaläolithikum mit<br />

einem schönen, lang ausgezogenen Faustkeil des jüngeren Acheuléen ausgegraben<br />

Sein Schüler, Heimatforscher Eisel aus Gera wurde dadurch<br />

angeregt, 1884 in einer schon immer als "Döbritzer Höhle" bekannten<br />

Zechsteinhöhle, etwa 1 km südlich des Dorfes Döbritz, 4 km westlich der<br />

Stadt Pößneck, zu graben. Seit dem Mittelalter führt sie den Flurnamen<br />

"Wüste Scheuer". An der Südwestecke des Döbritzer Tafelberges, hoch<br />

oben an der Kante liegend, konnte ihr Eingang vom Gehängeschutt nicht<br />

überdeckt werden. Sie thront malerisch, ähnlich wie die bekannte oberste<br />

Grotte in Le Moustier, das Trou de Brechou, über dem schmalen Gamsenbachtal,<br />

dessen Sohle unter ihr, an der Einmündungsstelle eines sich nach<br />

Osten auf eine weite Hochfläche zu verlaufenden Trockentälchens, ca. 70 m<br />

tief liegt.<br />

Die Gegend der Döbritzer Höhlen war zur Zeit des Permischen Meeres<br />

Küstengebiet. Die hauptsächlichsten Erbauer unserer Riff e, die Bryozoen<br />

(Moostierchen) und die Alge Stromaria Schubarthi hefteten den Döbritzer<br />

Tafelberg an die südliche Wand der Orlagaumulde, ähnlich einem Schwalbennest,<br />

so daß seine breite Hochfläche im Osten unmerklich in eine 5 km<br />

weite, leicht ansteigende Kulmschieferfläche übergeht und besonders seine<br />

Nordund<br />

Westwand als Steilwände der tiefsten Stelle der Orlagausenke<br />

gegenüberstehen. An diesen Wänden haften 14 turmartige kleine Einzelriffe,<br />

die bis auf etwa 30-40 m Höhe abgewittert sind. 15-25 m ragen<br />

sie aus ihrem Verwitterungsschutt, dem Gehängeschutt, heraus. Sie sind<br />

in ihrer kettenförmigen Aufreihung die schönste freiliegende Ausbildung<br />

des Mittleren Zechsteindolomits von ganz Deutschland. Im Sockelteil dieser<br />

Türme, vom Gehängeschutt also verdeckt, befinden sich durch die Korrasion<br />

der Wogen des Zechsteinmeeres geschaffene Hohikehlen, die hie und<br />

da bis zu kleinen Strandhöhlen ausgenagt wurden. Vermutlich durch tektonische<br />

Beben im Tertiär oder Altdiluvium entstanden an unseren Zechsteinriffe<br />

sogenannte Zerreißungsklüfte (Abgänge), die parallel zur<br />

Bergkante und nur in 10-20 m Abstand von der Außenwand verlaufen.<br />

9) A. A u e r b a c h: Die Lindenthaler Hyänenhöhle bei Gera. Ztschr. Die Thüringer<br />

Höhlen. Neustadt/Orla 1929.


Die Wand übt ständig einen Zug aus und platzt bei Erschütterungen des<br />

Massivs gleichsam gürtelartig ab. Eine solche von unten aufgerissene Zerreißungsk<br />

(Abgang) von etwa 700-800 m Länge verläuft an der Westwand<br />

des Döbritzer Tafelberges durch mehrere der kleinen, turmartigen<br />

Einzelriffe mit ihren Strandhöhlen. Die Niederschläge der Plateau-Oberfläche<br />

und des weiten Einzugsgebietes vom Kuimrücken gingen zum Teil<br />

in die Zerreißungskluft durch Schlotten, nagten die Kluft zur typischen<br />

Schlauchhöhle und beim Austritt zum Tal durch die mit ihr verbundenen<br />

Strandhöhlen auch diese noch beträchtlich aus. In Zeiten geringerer Niederschläg<br />

kam es dann durch die Sickerwässer zu leichten Ausbildungen<br />

von Stalaktiten und .Stalagmiten. Im ariden Eiszeitklima traf der Mensch<br />

unsere Höhlen völlig trocken an. Die Wüste- Scheuer- Höhle ist eine reine<br />

Strandhöhle ohne Kombination mit der Zerreißungskluft, da diese nicht<br />

bis zu ihr reicht. Sie ist eine Resthöhle von 6 m Breite und 6 m Tiefe,<br />

deren Dach im Beginn des Würmglazials noch 10 m weiter als heute<br />

hervorragte. Das Vorderteil ist im Ausgang der Eiszeit zusammengebrochen<br />

und deckte die eiszeitlichen Kulturschichten des Höhleneinganges<br />

zum größten Teile mit seinen Gesteinstrümmern zu. Eine zweite, unmittelbar<br />

an ihrer Nordseite anschließende, fast gleich große Strandhöhle ist in<br />

der Dachpartie völlig zusammengebrochen. Unter den gewaltigen Deckentrümmern<br />

der letzteren sind paläolithische Funde bei einer bereits geplanten<br />

Grabung zu erwarten10.<br />

Eisel hat bei seiner Grabung vermutlich die Trümmer des zusammengebroche<br />

Vordaches für das anstehende Gestein gehalten, denn er<br />

schürfte nur leicht im noch überdachten Gebiet der Höhle, das einst das<br />

lichtärmste Gebiet des Raumes war, und fand daher auch nur wenige<br />

Flintgeräte in den hier auslaufenden diluvialen Schichten. Sie wurden als<br />

Erzeugnisse des Azilien von R. R. Schmidt publiziert11. Sämtliche Typen<br />

dieser Flintgeräte kommen im Magdalénien der Großstation Kniegrotte",<br />

die nur 350 m nördlich der Wüsten Scheuer liegt, vor. Im ganzen Orlagau<br />

fand sich noch nie ein für das Azilien charakteristisches Stück, so daß ich<br />

10) H. H e ß von Wichdorff: Die Grotte von Döbritz bei Pößneck und Der<br />

geologischeAufbau des Vorwalles der Döbritzer Grotte.<br />

A. G ö t z e: Die vorgeschichtliche Besiedlung der Döbritzer Grotte. Ztschr. Die<br />

Thüringer Höhlen, Neustadt/Orla 1930 und 1931.<br />

11) R. R. S c h m i d t: Die diluviale Vorzeit Deutschlands. 1912.<br />

12) M. R i c h t er: 1. Die Kniegrotte bei Döbritz. Ztschr. Die Thüringer Höhlen,<br />

Neustadt/Orla 1932. 2. Die Kniegrotte bei Döbritz. Ztschr. Mannus, Leipzig 1933.<br />

3. Die Kniegrotte bei Döbritz im Orlagau. Ztschr. Thüringer Fähnlein, Jena 1934.<br />

4. Neues über die Eiszeitjäger in Thüringen. Ztschr. Unser Orlagau, Neustadt!<br />

Orla 1936.


der Bestimmung dieser Kultur der Wüsten Scheuer als Aziien widersprechen<br />

muß. Die von R. R. Schmidt auf Tafel 42 unter 11 und 12 aufgeführten<br />

Stücke, als "Trianguläre Feuersteinmesser mit zwei steil abgedruckten<br />

Schneiden" bezeichnet, sind Pfeilwiderhaken (Triangles scalènes)<br />

des Magdalénien. Bei Nr. 12 ist sogar die nicht immer auftretende Nut in<br />

der stets unretuschierten Dreieckshypotenuse zu erkennen, die für die<br />

Bindung geschlagen wurde. Das mittlere bis späte Magdalénien der Kniegrotte<br />

lieferte 118 solcher Geräte, die allerdings noch im Mesolithikum<br />

auftreten. Auch im französischen MagdaMnien fand ich die Triangles<br />

scalènes mehrfach vor. Nach mündlichen Angaben Peyronys treten sie dort<br />

in mehreren Stationen der Dordogne im Magdalénien II auf. Merkwürdigerweise<br />

fehlen sie in der Magdalénien- Station Olknitz, einem größeren<br />

Freilandplatz des Saaletales, in dem sich u. a., trotz seiner Lagerung im<br />

Sande des Buntsandsteins, ein Kommandostab aus Rengeweih erhalten<br />

hat13.<br />

Das Magdalénien der Wüsten Scheuer hängt mit dem der Kniegrotte<br />

eng zusammen. Die Wüste Scheuer mit ihrem dem Westwind stark ausgesetzten<br />

weiten Eingang wird den Bewohnern der Kniegrotte nur als<br />

Aufenthalt bei gutem Wetter gedient haben.<br />

Nach Eisels Grabung wurde es lange still im Orlagau. Eine Grabung auf<br />

dem Giebelstein bei SaalfeldfSaale in einer zusammengebrochenen kleinen<br />

Höhle durch Landesgeologen Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Zimmermann und<br />

Dr. R. <strong>Richter</strong> 1903 erbrachte etwas diluviale Fauna und einen Flintschaber,<br />

der auf Jungpaläolithikum hindeutet. Man sah den Platz, von dem<br />

man in jeder Richtung weit in die Landschaft schauen kann, mit Recht<br />

als einfachen Jägerspähplatz an. Ausgrabungen in den Clythenlöchern,<br />

kleinen Resthöhlen in einem Ktistenriff beim Orte Olsen, zwischen Pöß-.<br />

und Saalfeld/Saale, lieferten keine paläolithischen Funde, und auch<br />

bei der Bergung eines fast vollständigen Mammutskeletts 1914 in der<br />

Ziegeleigrube Krölpa, das nach Berlin kam, fand man keine Kulturschicht<br />

der Eiszeitjäger. Die von dem Geologen J. Stoller ein Jahr später, 6 m von<br />

der Mammutfundstelle entfernt festgestellten Brandschichten hätten ihrer<br />

stratigraphischen Lage nach, wenn größere Grabungen vorgenommen worden<br />

geliefert.<br />

wären, vermutlich Artefakte des Menschen mittelpaläolithischer Zeit<br />

Im Jahre 1924 setzte dann eine intensive Paläolith- Forschung in unserer<br />

Gegend ein, die noch im Gange ist und fast jeden Monat neue, gute Ergebnisse<br />

bringt. Der Thüringer Höhlenverein unter Leitung seiner Vorsitzen-13)<br />

13) G. N e u m a n n: Leben und Treiben in Thüringen vor 20000 Jahren.<br />

Ztschr. Thüringer Fähnlein, Jena 1933.


den, des Preuß. Landesgeologen Bergrat Prof. Dr. H. Heß v. Wichdorff<br />

und des Kustos am Museum für Völkerkunde, Berlin, Prof. Dr. Alfred<br />

Götze, dem Erforscher der großen Keltenniederlassung Steinsburg bei<br />

Römhild, grub am Rande des Krölpaer Kessels die Hertha- Höhle (Herdloch)<br />

unweit der Burg Ranis aus. (Eine Menge kleiner, verschütteter<br />

Strandhöhlen warten in dieser Gegend noch auf ihre Erschließung.) Es<br />

fanden sich hauptsächlich Flintgeräte des Magdahénien, und in der Fauna<br />

ragte als Paradestück ein vollkommen erhaltener Unterkiefer vom Nashorn<br />

(Rhin. tich.) hervor. Die später von der Landesanstalt für Deutsche<br />

Vorzeit in Halle/Saale durch Prof. Dr. J. Andrée vorgenommene Nach-.<br />

grabung (die Höhle liegt auf damals noch preußischem Gebiet) erbrachte<br />

wiederum eine Anzahl Geräte des Magdalénien14. (Die Funde der Hertha- Höhle<br />

sowie der Ilsenhöhle, Ranis, soweit sie nicht in die Landesanstalt<br />

Halle/Saale gebracht worden sind, lagen in dem Burgmuseum Ranis, das<br />

1945 in den Kriegswirren leider fast vollkommen zerstört wurde.) 1925<br />

ging der Thüringer Höhlenverein auf sein Thüringer Gebiet und setzte<br />

nach der Gründung von Ortsgruppen in Pößneck und NeustadtlOrla mit<br />

einer erneuten Grabung in der Wüsten- Scheuer- Höhle bei Döbritz ein.<br />

Unter dem bereits oben beschriebenen zusammengebrochenen Höhlenvordach,<br />

in dessen Oberschichten slawische und bronzezeitliche Gefäßreste<br />

auftraten, kam eine Kulturschicht des mittleren und späten Magdalénien<br />

mit entsprechender diluvialer Fauna zum Vorschein. Der Unterkiefer<br />

eines Höhlenlöwen (Felis spelaea) war hier das Paradestück. Der eine fehlende<br />

große Eckzahn lag übrigens im Geraer Museum. Den hatte bereits<br />

Eisel gefunden. Inzwischen sind fast sämtliche Funde der Wüsten Scheuer<br />

im Heimatmuseum Pößneck, aus dem sie leider von den damals verantwortliche<br />

Stellen nicht ausgelagert wurden, während des letzten Krieges<br />

durch Bomben zerstört worden. Recht bedauerlich ist ferner der Verlust<br />

einer sehr guten und sehr deutlichen Schnitzerei aus einem Geweihstück<br />

vom Riesenhirsch (Cervus meg.) oder vom Edelhirsch (Cervus elaphus). die<br />

einen Phallus darstellte. Auch fand sich damals ein Bruchstück einer Harpune<br />

aus Mammutelfenbein, die als noch nicht vollendetes Werkstück ein<br />

besonders wichtiger Fund war. Von einem der drei noch vorhandenen<br />

Bohrlöcher war die Verbindung zum Rande noch nicht ausgeschnitten, so<br />

daß man durch dieses Fundstück ein anschauliches Bild von der Herstellungswei<br />

der Widerhaken bekam. Wegen einiger Gravettespitzen aus<br />

dieser jungpaläothischen Fundschicht wurde s. Z. neben dem Magdalénien<br />

14) J. A n d r e e u. P. G r i m m: Das Herdioch (Hertha- Höhle) bei Ranis, Krs.<br />

Ziegenrück. Jahresschrift für die Vorgeschichteder Sächsisch-Thüringischen Länder,<br />

Bd. XVII, Halle/Saale.


auch ein Kulturniederschlag des späten Aurignacien angenommen.<br />

Es handelt sich aber auch hier wiederum um Mittelbis<br />

Spätmagdaldnien.<br />

Solche Nachklänge aus dem Aurignacien haben wir in unserem Orlagau- Gerätematerial<br />

des Magdaldniens außerordentlich häufig. Flintgeräte, die<br />

ihrer Ausführung nach als echte Typen des mittleren und späten Aurignacien<br />

angesprochen werden müssen, fand ich unter den 4270 Stücken der<br />

Magdalénienschicht aus der Kniegrotte nicht etwa vereinzelt, sondern zu<br />

Hunderten. (Gravettespitzen allein mehrere Dutzend.) Über die mittelpaläo.<br />

Funde der Wüsten- Scheuer- Höhle ist in der Zeitschrift des<br />

Thüringer Höhlenvereins von Götze berichtet worden. Über die mittelpaläolithisc<br />

Funde, die bei den Ausgrabungen des Thüringer Höhlenvereins<br />

in der Nischenhöhle bei Lausnitz (u. a. eine Moustdrien- Handspitze)<br />

und aus den Schichten einer durch Marmorabbau abgebrochenen<br />

Höhle in Pahren, Kreis Greiz, hervorkamen, werde ich später einmal<br />

berichten.<br />

Als 1929 der Thüringer Höhlenverein sein Arbeitsfeld in zwei Höhlen<br />

Westthüringens mit nur rein geologisch- speläologischen Forschungen verlegt<br />

hatte, setzte ich die Erforschung des Paläolithikums im Orlagau allein<br />

fort. Vier Grabungen in Resthöhlen in der Nähe von NeustadtOrla verliefen<br />

vollkommen negativ. So widmete ich im Sommer 1930 mein Augenmerk<br />

nochmals dem Döbritzer Tafelberg und fand eine verschüttete Höhle<br />

in der Mitte seiner Westwand, die sich im Laufe der folgenden 9 Grabungsjahre<br />

als eine Mutterstation der späteiszeitlichen Mammut-, Renund<br />

Wildpferdjäger, als eine Großstation des frühen und des mittleren bis<br />

späten Magdalöniens entpuppte.<br />

Am Fuße eines der 14 turmartigen Einzelriffe, es ist nur 12 m hoch,<br />

stieß ich auf ein Loch zwischen Felsblöcken, aus dem Zugluft drang. Ich<br />

schloß daraus auf das Vorhandensein einer Höhle mit offenem Deckenspalt,<br />

durch den der Luftstrom nur hervorgerufen werden konnte. Als ich<br />

erst kriechend, dann in gebückter Haltung in den nur 1,5 m hohen Raum<br />

eingedrungen war, entdeckte ich auch neben der Hauptzerreißungskluft<br />

eine kaminartige, fast horizontale Kluft, durch die etwas Tageslicht eindrang<br />

(Rauchabzug). Eine der eiszeitlichen Feuerstellen fand ich nach<br />

einigen Jahren genau unter diesem Punkte. Beim Ableuchten des Raumes<br />

sah ich, daß die Wände nach dem von Wandabfallblöcken bedeckten Boden<br />

zu weit auseinander klafften, also ein größerer Hohlraum vorzuliegen<br />

schien, der mit Verwitterungsschutt angefüllt war. Nach einer sofortigen<br />

provisorischen Vermessung und Aufzeichnung des Höhlengrundrisses ermittelte<br />

ich eine Bodenfläche von 26 qm von knieförmiger Gestalt. Um<br />

für die Aufzeichnung im Höhlentagebuch einen möglichst kurzen Namen


zu haben, nannte ich diese neue, nur 11 m lange Strandhöhle einfach<br />

"Kniegrotte". Vor dem Kniegrottenriff und seitlich davon bildet der Geländesch<br />

eine kahle Ödlandfläche, die sich als Hang zu dem 70 m entfernten<br />

Gamsenbach im Winkel von 21° neigt. An dem mehr bachaufwärts<br />

gelegenen Gegenriff der anderen Taiflanke vorbei hat man vom Westhang<br />

aus nach Norden und Westen zu einen Ausblick über die weite Hauptmulde<br />

des mächtigen Orlagaubeckens, sieht in nordwestlicher Richtung<br />

über den Zusammenfluß von Orla und Kotschau hinweg 14 km weit über<br />

das untere Orlatal, das in den Buntsandsteinrücken eingeschnitten ist. An<br />

seinem Ende steht als Querwand schon jenseits der Saale die blauschimmernde<br />

Kante der Muschelkalkplatte, des Gebirgszuges der Triasformation.<br />

In reiner Westrichtung fällt der Blick auf die küstenfernen Zechsteinriffe<br />

der Haselberge und der Altenburg mit der, nördlich von ihr in der Senke<br />

eingebetteten Stadt Pößneck. Und über diese hinweg verschwimmen die<br />

Konturen einer westwärts gerichteten Kette von sieben Riffen in den<br />

25 km entfernten Gebirgswänden, die zu den Vorläufern des Thüringer<br />

Waldgebirges gehören.<br />

Diese entdeckte kleine, trockene Grotte mit weiter Fernsicht, mit nahem<br />

Wasserlauf, mit Kamin, direkt an der großen Pferdefalle gelegen, war ein<br />

ideales Heim für den Höhlen bewohnenden Eiszeitjäger. Nachdem ich von<br />

der Thüringer Regierung das Recht erhalten hatte, die Höhle auszugraben<br />

und wissenschaftlich zu bearbeiten, ging ich an das Werk. Fast alle freien<br />

Nachmittage der Woche und die Sonntage, z. T. auch die Ferien, widmete<br />

ich neun Jahre lang der Untersuchung der Kniegrotte15. Eine kleine<br />

Gruppe junger Leute, von denen zwei der Krieg hinweggerafft hat, waren<br />

die Grabungshelf er. Auch Erwachsene aus allen Schichten des Volkes stellten<br />

sich ab und zu ohne Vergütung in den Dienst der guten Sache. Als<br />

Grabungszuschüsse erhielt ich von der Römisch- Germanischen Kommission<br />

RM 1086,—, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft RM 400.— und<br />

je RM 100,— von dem Germanischen Museum der Universität Jena und<br />

einem Privatmann. Nicht zu vergessen sei die 5 Jahre lange, kostenlose<br />

Überlassung einer Lore und 45m Feldbahngleises durch den Maurermeister<br />

Rößler in NeustadtlOrla. Ich begann die Ausgrabung nicht in der Höhle<br />

15) In dieser Arbeit kann auf die Einzelheiten der Grabung und der Fundergebnis<br />

nur in großen Zügen eingegangen werden. Die ausführliche, mit etwa<br />

80 Tafeln ausgestattete Monographie über die große Magdal6nien-Mutterstation<br />

Kniegrotte konnte infolge vieler mißlicher Umstände, die die Nachkriegszeit auch<br />

für mich mit sich brachte, noch nicht druckfertig vorgelegt werden. Sie geht aber<br />

demnächst ihrer Vollendung entgegen und wird das Jungpaläolithikum des Orlagaues<br />

in seiner großen Bedeutung ersichtlich machen. Die vorliegende Arbeit ist<br />

demnach als Vorbericht aufzufassen.


selbst, sondern legte einen 3 m breiten Schnittgraben 12 m vor dem Eingang<br />

an und mußte trotzdem meine Halde später durchschneiden, da die<br />

Kulturschichten im Vorgelände vom Höhleneingang ab 20 m weit bis zur<br />

Auskeilung in den Luftraum reichten.<br />

Meinen Erfahrungen über Höhlenvorgelände nach muß über die Hälfte aller<br />

paläolithischen Höhlenstationen, die ich in Deutschland und Frankreich aufgesucht<br />

habe, und das ist eine recht beträchtliche Zahl, nachgearbeitet werden,<br />

da das wichtige Vorland noch nicht untersucht ist. Meistens liegen die durchforschten<br />

Höhlensedimente als Halde dicht vor dem Höhleneingange, man grub<br />

eben leider nur in der Höhle. Wenn auch bei der Kniegrotte besondere Umstände<br />

vorliegen, durch die ich 95 Prozent aller Funde dem Höhlenvorland verdanke,<br />

so bin ich mir sicher, daß bei Nachgrabungen in den früher verschütteten<br />

Höhlenvorplätzen eine ungeheuere Zahl sehr wichtiger Funde zutage kommt.<br />

Der Hauptteil der hinsichtlich des Vorlandes nachzuuntersuchenden Stationen<br />

entfällt naturgemäß in die Gruppe, die in den Beginn der Paläolithforschung<br />

reicht, aber ich kenne auch einige größere Stationen, die der Nacharbeitung<br />

bedürfen, trotzdem von ihnen angenommen wird, sie seien in moderner Weise<br />

erforscht. Als Peters seine Ausgrabung im Petersfels im Hegau bereits publiziert<br />

hatte, sah er bei seinem Besuche, was ich aus dem Vorgelände der Kniegrotte<br />

herausholte. Dies veranlaßte ihn, das Vorgelände des Petersfelsen ebenfalls<br />

auszugraben16.<br />

Da ich in der Magdalénienschicht der Kniegrotte eine umfangreiche,<br />

weiter unten näher behandelte Bauanlage, ein 121 qm großes, bis 1,10 m<br />

mächtiges Steinpflaster entdeckte, das ich nach seiner Untersuchung rekonstruieren<br />

mußte, war es besonders wertvoll, daß ich die Grabung von,<br />

Anfang an mit einer Vermessung im Koordinatensystem durchführte17.<br />

Im Schnittgraben kam unter der Humusdecke eine Fundschicht mit Gefäßscherb<br />

aus dem Mittelalter, in der Höhle selbst fand sich ein völlig<br />

16) E. P e t er s u. V. T o e pf er: Der Abschluß der Grabungen am Petersfels<br />

bei Engen im badischen Hegau. Praehistorische Zeitschrift, Bd. XXIII 1932.<br />

17) Vom Endpunkt einer mit Blei ausgestanzten Bohrung am Haupteingang<br />

der Grotte (Hauptvermessungspunkt) wurde die Abszissenachsegezogen. Für die<br />

Übertragung auf die Grund-<br />

Aufrißzeichnungen wurde ein Maßstab von<br />

1:50 angewendet. Je ein Grabungsfeld von 14 qm erhielt eine Nummer. Die<br />

Schichtmasse wurde in einer Mächtigkeit von 10 cm abgenommen und mit der<br />

Nummer des Grabungsfeldes versehen. Ihre jeweilige Höhe ab Vermessungsachse<br />

wurde durch Nivellierung und Auslotung festgestellt. Der Richtungspunkt<br />

der genau waagerechten Vermessungsachse wurde durch einen Beamten der<br />

Landesvermessung später in Zahl der Grade über Ost festgehalten. Jeder Fund<br />

erhielt sein Grabungsdatum, und so können seine Lage bzw. die Grenzen der<br />

Bauanlage jederzeit in den Straten der Profile oder auch bei Neuspannung des<br />

Achsenfadens im Luftraume genau bezeichnet werden. Die genaue Höhenlage<br />

der Kniegrotte mit 296,66 m NN wurde von der 1,5 km entfernten amtlichen<br />

Höhenmarke am Bahnhof Oppurg durch 52 Meßabschnitte übertragen (Höhe<br />

über dem Wasserlauf der Gamse 32 m).


unbeschädigtes Gefäß aus dieser Zeit in einer Wandnische. Es folgten<br />

Ascheschichten mit viel keramischem Material und sonstigen Funden aus<br />

der Siawenzeit. der Latènezeit und der Bronzezeit (Knoviser Kultur).<br />

Durchsetzt waren diese Schichten und auch die folgenden bis zur eiszeitlichen<br />

Bauanlage mit einer Unzahl von Wandabsturzblöcken aller Größen<br />

bis zu 6-Tonnen- Blöcken, die mit Hammer, Stahlkeilen und durch Sprengung<br />

beseitigt werden mußten. Nach Lagen von Dolomitgrus und Dolomitsand,<br />

in dem sich, wohl nur als Versteckfund, eine sehr schöne mittelsteinzeitli<br />

Hirschgeweihhacke fand, gelangte ich bei 250 cm Tiefe am<br />

Höhleneingange in die diluviale Schicht, einem in unseren Zechsteinhöhlen<br />

meist weiß— rötlichgelben, teils sandigen, teils fetteren Lehm,<br />

der, bei Steigerung der Niederschläge während seiner Bildung, durch<br />

Eisenoxydation rotgelb bis dunkelrot gefärbt wurde. Diese auf einem<br />

Abb. 2 Profil durch den Vorpiatz der Kniegrotte.


chemischen Vorgang beruhenden Veränderungen in der Sedimentation<br />

will ich kurz behandeln, da sie Anhaltspunkte für die klimatischen Verhältnisse<br />

Schichten boten.<br />

im Oringau bei Bildung der verschieden gefärbten Lagen in den<br />

Bei einer Milderung des Klimas innerhalb der ständig schwankenden Kaltphase<br />

des Glazials gab es eine Steigerung der Niederschläge, durch die sich der<br />

Pflanzenwuchs vermehrte. Das nun auch in reicherer Menge vom Tafelberge<br />

herabrieselnde Wasser, das seinen Weg teils durch die Zerreißungskluft und die<br />

Höhle, teils über die Riftwand nahm, konnte sich, im Gegensatz zu dem aus<br />

der freien Luft auf das Vorgelände niedergehende Wasser, an den Pflanzen mit<br />

Kohlensäure sättigen. Unser Zechsteindolomit besteht im allgemeinen aus zwei<br />

Drittel Calciurncarbonal (kohlensaurem Kalk), einem Drittel Magnesiumcarbonat<br />

(kohlensaurer Magnesia) und geringen Zusätzen von Eisen und Mangan. Da<br />

kohlensäurehaltiges Wasser je nach der Konzentration der Kohlensäure das<br />

Calciumcarbonat (im Gegensatz zum Magnesiumcarbonat) bis zur fünfzehnfachen,<br />

u. U. noch größeren Menge aufzulösen imstande ist, wurde in Zeiten<br />

einer dichteren Pflanzendecke auf dem Riff und seinem Wassereinzugsgebiet<br />

der kohlensäure Kalk in den Höhlensedimenten gelöst und infolge des starken<br />

Gefälles am Hange leicht fortgespült. Die kohlensäure Magnesia widersetzte<br />

sich, da sie weit schlechter aufgelöst wurde, dem allgemeinen mechanischen<br />

Abtransport kräftiger. Sie blieb je nach der Stärke der Vorgänge mit Restkalk<br />

vermischt liegen als fetter, rotgelber Lehm, ja sogar als fast kalkfreier, dunkelbrauner<br />

Ton. Das durch das reichlichere Wasser gleichzeitig gelöste Eisen, durch<br />

Sauerstoff in rotes Eisenoxyd verwandelt, und ebenfalls gelöstes schwarzes<br />

Mangan gaben dem zu Lehm bzw. zu Ton zersetzten Dolomit die Verfärbung<br />

je nach der Stärke der Vorgänge und sind neben der Struktur dieser Sedimente<br />

für den Ausgräber in unseren Zechsteinhöhlen das Anzeichen, nach dem er auf<br />

Klima und Pflanzenwuchs und damit auf eine größere Menge Weidetiere und<br />

die Rentabilität der Jagd schließen kann.<br />

Die Magdalönienschicht der Kniegrotte enthielt außerhalb der Höhle rötlichbraunen<br />

bis dunkelbraunen tonigen Lehm, durch kohlensäurehaltiges Wasser<br />

von der Riffwand entkalkt, so daß während seiner Bildung nach den geschilderten<br />

Vorgängen und ihren Folgen auf ein leicht hurndel Klima geschlossen<br />

werden muß. In der Höhle selbst kam es zur gleichen Zeit zu keiner wesentlichen<br />

Entkalkung und Verfärbung der Sedimente, da hier durch die Zerreißungsklu<br />

die sich nur auf die Nordwand, aber nicht auf die Decke erstreckt,<br />

eine größere Menge Wasser nicht eindringen konnte. Die Höhle blieb trocken<br />

und wurde deshalb von den Jungpaläollthikern als Wohnstätte ausersehen.<br />

Daß während der Hauptbesiedlungszeit ein epiglaziales Klima, ein Übergang<br />

in eine etwas wärmere Phase herrschte, bestätigt nun auch die Zusammen<br />

der Fauna in der Fundschicht. In der unteren Lage überwogen<br />

die Rentierreste die des Wildpferdes, während die mittlere<br />

und obere Lage sich in der Hauptsache aus Überbleibseln vom Wildpferd<br />

(equus Przewalskii) und auch einer stärkeren Pferderasse zusammensetzten.<br />

Der Wildesel (equus hemionus), der auch in der Fauna der Wüsten


Scheuer vorkam, ist ebenfalls, wenn auch sehr wenig, vertreten. Eine Bevorzugun<br />

des Wildpferdes gegenüber dem Rentier als Jagdbeute, woraus<br />

sein Überwiegen auch zu erklären wäre, ist kaum anzunehmen, da die<br />

Wildpferde trotz der zahlreichen Fallen in der Landschaft, den zu Steilwänden<br />

auslaufenden Engpässen, weit schwieriger zu erlegen waren. Die<br />

Wildpferde waren schneller, beim Nahkampf sehr gefährlich und konnten<br />

mit dem Lasso, z. B. auf dem Gange zur Tränke, nicht so leicht gefangen<br />

werden wie die Rentiere, bei denen die Jagd mit dem Lasso rentabler war,<br />

weil sie, männliches wie weibliches Tier, ein Geweih tragen, an dem sich<br />

der Lasso leicht verfängt18. Das Rentier wird auch geschätzt worden sein,<br />

da sein Geweih zur Herstellung von Waffen und Geräten sehr begehrt<br />

war. Das starke Überwiegen der Geweihartefakte gegenüber denen aus<br />

Knochen beweist dies. Auch wird sein viel dichteres und damit wärmeres<br />

Haarkleid den Vorrang für die Bekleidung gehabt haben19.<br />

Es kann nur die Klimamilderung gewesen sein, die zu einer Abnahme<br />

der Rentiere führte. Das arktische Ren (Rangifer arktikus), und um das<br />

handelt es sich ausschließlich in der Kniegrottenfauna (ersichtlich aus den<br />

glatten Stangen), fühlt sich am wohlsten bei 10 Grad unter Null und fängt<br />

bei Null Grad an zu schwitzen. Diese Renart ging deshalb im milderen<br />

Klima infolge Wärme und anders gewordener Pflanzenkost nach und nach<br />

ein oder zog nach dem Norden ab, um sich an der Grenze des immer mehr<br />

abschmelzenden Gletschers zu halten. Manche unserer Jäger mögen dieser<br />

Jagdbeute nachgezogen sein, gleichsam als Kolonisten in die vom Gletscher<br />

freigewordene Landschaft. Die Hauptmasse der Jäger blieb im Orlagau.<br />

stellte sich einfach in der Jagd um. Aus dem Rentierjäger ward der Wildpferdjäge<br />

Wären die Kniegrottenbewohner zwischen Renund<br />

Wildpferdperi<br />

längere Zeit abwesend gewesen, so hätte sich diese Abwesenheit<br />

als ein Hiatus in den kulturellen Niederschlägen der Magdalénienschicht<br />

in Form einer Nagetierschicht abzeichnen müssen. Bis auf einige<br />

sporadisch verteilte Gewöllansammlungen gab es jedoch in der Kniegrotte<br />

keinen eigentlichen Nagerhorizont.<br />

Unter den Faunaresten der Jagdtiere waren wiederum die Gliedmaßenund<br />

Schädelknochen mit den Zähnen vorherrschend. Rippen, Becken-<br />

18) Die Jagd mit dem Lasso muß gebräuchlich gewesen sein; bei mehreren Bildern<br />

der westeuropäischen parietalen Kunst des Jungpaläolithikums sieht man<br />

deutlich die über dem Beutetier schwebendeSchlinge der Wurfleine, die vermutlich<br />

aus Leder oder Bast bestand.<br />

19) Eine besondere Isolation gegen die Kälte wird in der an sich schon dichten<br />

Rentierdecke dadurch hervorgerufen, daß jedes Einzelhaar ein Luftkörperchen<br />

enthält (A. Ja c o b i: Das Rentier. Leipzig 1931).


knochen, Schulterblätter waren äußerst selten, auch selten ein Wirbel.<br />

Soergel beobachtete beim Studium der Faunareste eiszeitlicher Stationen<br />

das gleiche Mißverhältnis in ihrer Zusammensetzung und schließt daraus,<br />

daß vermutlich die an entfernten Plätzen erlegten Tiere an Ort und Stelle<br />

ausgeweidet wurden, wobei man die nicht brauchbaren und kein Mark<br />

enthaltenden Skeletteile einfach liegen ließ20. Die Kniegrotte bringt somit<br />

eine weitere Bestätigung seiner Beobachtung. Bestätigt wird damit auch<br />

meine Ansicht, daß die Methode der Absturzjagd, wiewohl auch die ganze<br />

Pferdejagd, sich im Orlagau nicht nur auf die große Pf erdef alle am<br />

Döbritzer Tafelberg erstreckte, sondern auch auf die entfernteren, für die<br />

Absturzjagd geeigneten Steilwände und das Austrittgebiet zu den Tränkplätzen.<br />

Selbst die am Döbritzer Hang erlegten Pferde scheinen, den in der<br />

Schicht sehr seltenen Schulterblättern nach zu urteilen, nicht auf dem<br />

Höhlenvorpiatz ausgeweidet worden zu sein.<br />

Der Halsband. -Lernming (Myodes torquatus), als gutes Leitfossil für sehr<br />

kaltes Klima, fand sich, wie schon beim Schichtabbau beobachtet wurde,<br />

nur in der unteren Lage der Magdial&iienschicht, und die Mammutreste,<br />

die in ihrem Liegenden und ihrer unteren Lage noch häufig waren, gab<br />

es in ihrer oberen Lage nur spärlich. Dafür stellten sich hier bereits Geweihstan<br />

eines sehr starken Rothirsches (Cervus elaphus) ein. Aus dem<br />

Hangenden der Magdalénienschicht, fast unmittelbar über dem Plattenlager,<br />

löste ich zwei Schneidezähne vom Biber (Castor fiber). Wenn diese auch<br />

einen Einzeifund darstellen, so ist kaum anzunehmen, daß sie importiert<br />

wurden. Der Anwesenheit des Bibers nach muß kurz nach dem Aufbau<br />

des Pflasters in der Nähe, vielleicht in der Niederung der Orlasenke, reichlich<br />

Wasser nebst größerem Baumbestand vorhanden gewesen sein. Mammut,<br />

Ren und Lemming sind Bewohner einer Tundra mit viel Gestrüpp;<br />

Wildpferd und Rothirsch die einer Grassteppe mit kleinen Waldstücken.<br />

Die Bearbeitung der gesamten, genau nach Lagen getrennten glazialen<br />

Fauna durch den Paläozoologen wird das gegebene Bild durch die anderen<br />

Säugetiere und Vögel, die hier nicht aufgezählt werden können, vervollständigen<br />

Weiter werden die Ergebnisse der Schneckenbestimmung und<br />

der Pollenanalysen zur Kontrolle herangezogen werden.<br />

Liegt bei einer Grabung nur wenig Fauna vor und diese vielleicht auch<br />

noch aus stark von Füchsen, Dachsen und Kaninchen verwühlter Schicht,<br />

wie es leider bei Höhlenstationen sehr oft der Fall ist, können die Beobachtungen<br />

von faunistischen übergängen entweder gar nicht gemacht werden,<br />

oder ihre Genauigkeit ist stark in Frage gestellt. In der Kniegrotte<br />

lagen aber sehr sichere Verhältnisse mit einem recht zahlreichen Material<br />

20) W. S o e r g ei: Die Jagd der Vorzeit. Jena 1922.


vor, und zwar aus folgendem Grund: In den Hauptteil der Kniegrotten-Magdalén<br />

die Bauanlage, dieser Ansammlung von rund 2500<br />

dicht gelegten Kulmschieferplatten, konnte niemals ein wühlendes Tier<br />

eindringen. Irgendwelche Verlagerungen der Faunareste oder auch der<br />

archäologischen Gegenstände, die sich mit jenen vereint in den 5 bis 10 cm<br />

dünnen Lehmlagen zwischen den Platten befanden, konnten so nicht herbeigefüh<br />

werden. Über vier Fünftel der gesamten glazialen Faunareste,<br />

die 72 Kisten = 6500 ccm anfüllten, befanden sich so in ungestörter Lage<br />

in der Plattenlagerschicht.<br />

Das Bemerkenswerteste der Magdalénienschicht der Kniegrotte ist die<br />

bereits mehrmals erwähnte Bauanlage, das Plattenlager aus Kulmschief er.<br />

Sie steht in ihrer Größe und Form unter den kulturellen Hinterlassenschaften<br />

des eiszeitlichen Menschen einmalig da, insofern, als mir und<br />

vielen namhaften Fachgelehrten nichts bekannt ist, daß in irgendeiner<br />

paläolithischen Fundschicht der ganzen Erde ein gleiches oder ähnliches<br />

Gebilde von diesem Ausmaße bisher entdeckt worden wäre21. Aus diesem<br />

Grunde will ich hier etwas näher auf sie eingehen.<br />

Als ich 1931 im Schnittgraben 2 m vor dem Grotteneingange bis auf gelben,<br />

diluvialen Lehm vorgedrungen war, fand ich ihn zunächst fast steril<br />

vor. Das Schnittgrabenprofil hatte an diesem Punkte eine Höhe von<br />

2,5 m. Zehn Zentimeter tiefer tauchten plötzlich mehrere scharfkantige<br />

Kulrf. schieferplatten in Größe einer Tortenplatte auf, die ich im ersten<br />

Augenblick für Herdplatten, ähnlich einer kleinen, spätgiazialen Herdanlage<br />

der Wüsten Scheuer hielt. Ich wollte diesen vermeintlichen Herd<br />

für Zeichnung und Fotoaufnahme herauspräparieren, fand aber keine Begrenzun<br />

Trotzdem ich bereits bald über 1 qm Platten freigelegt hatte,<br />

setzten sie sich nach allen Richtungen fort. Einige Platten wurden abgehoben;<br />

es zeigte sich nicht die geringste Spur von Asche. Dagegen kam ich<br />

auf eine dünne Lehmschicht, durchsetzt mit aufgeschlagenen Röhrenknoche<br />

Pferdezähnen und Flintgeräten des Magdalénien. Unter dieser<br />

Lehmlage folgten in enger Lage wieder kleinere und größere Kulmplatten.<br />

Die gesamte Steinlage wurde schließlich freigelegt.<br />

Die Platten wurden nach genauester Durchsicht auf irgendwelche Ritzungen<br />

oder gar Gravierungen im Grabungsgelände aufgeschichtet. Bis auf<br />

einige geradlinige Einritzungen auf einigen ausnahmsweise völlig glatten<br />

und weichen Schieferplatten, die nicht aus dem engeren Gebiet von Döb-21)<br />

21) Die geringfügigen, völlig unregelmäßig ausgelegten Plattenansammlungen<br />

ortsfremder Gesteine in einigen jungpaläolithischen Fundschichten französischer,<br />

schweizer und deutscher Stationen (La Ferrassie, Munzingen usw.) schalten als<br />

Parallelen dieser ausgeprägten, großen Anlage der Kniegrotte aus.


itz stammen, sind keinerlei Eingravierungen auf den Pflasterpiatten festgestellt<br />

worden. Zum Pflasteraufbau sind rund 2500 Kulmschieferplatten<br />

von verschiedener Größe und 2 bis 10 cm Stärke verwandt worden. Der<br />

dicht gelegte Stapel umfaßte an Rauminhalt 16 cbm. Die scharfkantigen<br />

Platten sind, nach den Untersuchungen von E. Zimmermann, Geologische<br />

Landesanstalt Berlin, vermutlich einen guten Kilometer weit aus dem<br />

oberen Gamsenbachtal geholt worden. Sie wurden dort in einer Art Tage-.<br />

bau von frei liegenden Kulmschieferwänden abgespalten. An gerollten<br />

Platten, wie sie heute der nahe Gamsenbach zu Tausenden führt, fanden<br />

sich in der Pflasteranlage ein knappes Dutzend. Das Pflaster trat aber nicht<br />

etwa als ein einfacher, nach und nach ergänzter Bodenbelag vor dem Grotteneingan<br />

auf, sondern als ein scharfumrissenes Gebilde, das aus der<br />

Vogelschau gesehen eine regelrechte Figur in Form eines gleichschenkeligen,<br />

spitzwinkligen Dreiecks von 19 m Länge bildete, dessen Basis von<br />

3,5 m Länge (so breit wie der Grotteneingang) zur Eiszeit noch 2 m tief<br />

unter dem Höhlenvordach lag. Das kleine Vordach (Abri) ist zur knappen<br />

Hälfte jetzt noch vorhanden. Während die Nordkante des Pflasterdreiecks<br />

völlig gerade verlief, war die Südkante in ihrem mittleren Drittel in leichter<br />

Rundung 2 m weit ausgebuchtet. Darüber setzte ein 3 m langer, 1,2 m<br />

breiter Seitensteig ein, der in ein 6 qm großes, rechteckiges Nebenpflaster<br />

an seiner nordöstlichen Ecke einmündete. Auf dem Hauptpflaster, und nur<br />

auf diesem, dem großen Dreieck, wurden von seiner Basis aus immer wie-.<br />

der neue Platten nach und nach aufgelegt, aber im Laufe der Zeiten in<br />

immer kürzerem Abstande, so daß die Anlage an der Dreieckbasis eine<br />

Mächtigkeit von 1,10 m erreichte, während sie am Auslauf nur noch 30 cm<br />

dick war. Der Seitensteig und das Nebenpflaster bestanden also nur aus<br />

einer einmaligen Auslage. Auf den Platten des Nebenpflasters befanden<br />

sich neben etwa drei Dutzend Flint-und Geweihartefakten zehn größere,<br />

kantige Quarzblöcke (1-2 cdm) und etwa 50 kleinere Stücke. Außerhalb<br />

des Pflasters befand sich äußerst selten ein Streufund in Form einer kleinen<br />

Kulmplatte, eines Knochens oder eines Flint-, Geweihbzw.<br />

Knochenartefaktes<br />

wie z. B. der große Kommandostab. In der Höhle selbst traten<br />

neben Artefakten nur einige Kulmplatten in der Nähe der zwei kleineren<br />

Herdstellen auf. Die Haupt, Herdstelle mit fünf getrennten, bis 10 cm<br />

dicken Ascheschichten lag im Pflaster an der Abzweigung des Seitensteiges<br />

vor einem Zechsteinblock. Zwischen diesem und der Riffwand standen<br />

fünf größere Kulmplatten, gleichsam als Rückwand mit Zugspalten in<br />

senkrechter Lage, eine große Platte horizontal darüber. Ein benachbarter<br />

Block muß Sitzblock beim Anfertigen der Flintgeräte gewesen sein, da die<br />

Abfallsplitter um ihn herum wie gesät lagen. Abfallstücke und Splitter aus


nordischem Feuerstein der Kreideformation (oberes Senon) barg die gesamte<br />

Magdalénienschicht über 10000 Stück. Zwei kleinere Aschelagen<br />

(Feuerstellen) traten in der Mitte des Pflasterdreiecks auf. Neben ihnen lag<br />

die größte Kulmplatte mit scharfen, senkrechten Kanten von 5 cm Dicke.<br />

Sie war 152 cm lang und 95 cm breit. Um sie herum trat Rötel in großen<br />

Flecken auf. Sehr zu denken gibt die Form der Platte, da diese in den Proportione<br />

mit dem Hauptpflaster annähernd übereinstimmt. Es will mir<br />

scheinen, daß sie für die Anlage des großen Dreiecks mit seiner Ausbuchtung<br />

an der Südkante als Modell gedient hat und zuletzt mit in das Pflaster<br />

eingebaut wurde22.<br />

Abb. 3 Aufsicht auf die Pflasteranlage (Schicht X) der Kniegrotte.<br />

22) Nach den bisherigen Beobachtungen und Untersuchungen darf die Pflasteranlage<br />

der Kniegrotte als ein Steindenkmal angesehen werden, das durch seine


Die Artefakte aus dem Pflaster und aus der sich auch in die Höhle fortsetzenden<br />

Kulturschicht sind in die Zeit des mittleren bis späten Magdalénien<br />

zu setzen. An Werkzeugen, Waffen und Geräten fanden sich: rund<br />

4250 Flintgeräte (Senon-Flint), über 60 aus Kieselschiefer (Lydit), über 70<br />

aus Quarzit, gegen 300 Rengeweih-, Knochenund<br />

Elfenbeinartefakte, weit<br />

über 100 Schmucksachen, wie gelochte Muscheln, Tierzähne usw. Nach<br />

zweifacher Bestimmung durch Spezialisten entstammen die Muscheln dem<br />

Mainzer Becken. Die Beziehungen der Magdalénien- Leute reichten demnach<br />

bis an den Rhein und, wie ich durch mehrere spezielle Fälle nachweisen<br />

kann, sogar bis zur Laugerie- Haute in der Dordogne und zur Pekärna- Höhle<br />

in Mähren. Sechs prächtige Werke der mobilaren Kunst krönen<br />

dieses riesige Fundmaterial. Neben zwei gut erhaltenen, unverzierten Lochstäben<br />

aus Rengeweih und Teilen von zwei weiteren, neben Rengeweih- Lanzenspitzen<br />

Mammutelfenbein<br />

mit und ohne Giftrinne, mit einfach und doppelt abgeschrägter<br />

Basis und in runder oder kantiger Form, neben Rundstäben aus<br />

usw. fand ich:<br />

1. eine Wildpferdgravierung (L 100 mm) von außerordentlicher Güte auf<br />

einem<br />

Rengeweih-Meißel,<br />

2. eine sogenannte "Magische Hand" aus Mammutelfenbein, über und<br />

über graviert, den zwei Bohrlöchern nach zu schließen als Anhänger<br />

getragen. Skulptur, L 85 mm,<br />

3. eine stilisierte Frauengestalt (Venus) in einen schmalen Rengeweilimeißel<br />

tief eingeschnitten. Länge des Tiefreliefs 34 mm,<br />

4. einen Rundstab aus Knochen, in einem stilisierten Fischkopf endend,<br />

5. eine zweireihige Harpune als Schmuckstück aus Mammutelfenbein,<br />

L 64 mm, zugleich einen stilisierten Fisch darstellend, der in ein Netz<br />

gegangen. Da die Maschenstricke als gedrehte Fäden auf Oberund<br />

Unterseite des mit Augen und Maul gravierten Tieres säuberlich eingeritzt<br />

sind, ist für das Jungpaläolithikum erstmalig der Nachweis erbracht,<br />

daß man damals bereits das gedrehte Seil kannte. Auch über die<br />

Form in das Gebiet des kultischen Lebens hinüberspielt. Unter den in Rötel ausgeführte<br />

jungpaläolithischen Zauberzeichen einer nordspanischen Höhle befindet<br />

sich eines, dessen Umriß mit der Silhouette des Kniegrottenpflasters<br />

(nebst Seitensteig und Nebenpflaster) stark übereinstimmt. Erwähnen möchte<br />

ich ferner noch, daß mich die Silhouette der genannten großen Kulmplatte und<br />

die mit ihr übereinstimmende Form des Pflasterdreiecks etwas an die Umrisse<br />

der stark stilisierten Frauenplastiken vom Petersfels, der Pekärna und der<br />

Station Mauern erinnert. — Allem Anschein nach war die Kniegrotte eine kultische<br />

Weihestätte. Einzelheiten mit Begründung dieser Annahme, ferner einige<br />

Deutungsversucheder Anlage habe ich dem Hauptwerk vorbehalten.


Abb. 4 Flintgeräte aus Schicht X (Pflasterschicht) der Kniegrotte. Magdalénien.<br />

Maßstab: ca. 3/4


thb. 5<br />

Geweihund<br />

Knochengeräte aus Schicht X (Pflasterschicht)<br />

der Kniegrotte. Magdalénien.<br />

Maßstab: ca. 3/4


Abb. 6 Geräte und Schmuck aus Mammutelfenbein, Rengeweih und Knochen<br />

aus Schicht X (Pflasterschichte) der Kniegrotte. Magdalénien.<br />

Maßstab: ca. 3/4


eben angeführte "Magische Hand" laufen innenseitig einige eingravierte,<br />

gedrehte<br />

Seile23,<br />

6. eine in ihrer ganzen Länge durchbohrte Rengeweihstange, 235 mm lang,<br />

auf deren einer Seite ein Moschusochse (vordere Hälfte in Seitenansicht)<br />

und der Kopf mit Hals eines Steinbocks eingraviert sind und deren<br />

Gegenseite neben doppelten Bogenund<br />

Punktreihen fast ganz von<br />

einer tief eingenuteten, merkwürdigen Figur beherrscht wird. Obermaier<br />

schrieb: ". vielleicht stilisiertes Tiergesicht mit langen Hörnern."<br />

Umgekehrt gesehen können diese Römer aber auch die Beine<br />

einer verhüllten, nach oben konisch zulaufenden menschlichen Gestalt<br />

sein. Ich denke da vergleichend an den spitzen Kopf der Venus von<br />

Savignano-sul- -Panaro. Zwischen den Tiergestalten ist vom Jungpaläolithiker<br />

anscheinend eine Gravierung wieder weggekratzt worden. Die<br />

viel hellere Fläche, die deutlich die Furchen der schartigen Feuersteinklinge<br />

zeigt, ist zur Hälfte von einer doppelten Bogenlinie eingerahmt.<br />

Einfache und doppelte Punktreihen, wie sie oft in der jungpaläolithischen<br />

Wandmalerei auftreten, doppelte Bogenlinien, Punktansammlungen<br />

vervollständigen dieses Kultinstrument der Jagdzauberei gleichsam<br />

zu einem Bilderbuch der Späteiszeit. Mit dem Fruchtbarkeitszauber<br />

steht es insofern im Zusammenhange, als die beiden Enden so gestaltet<br />

sind, daß aus dem einen die Phallusform herausgelesen werden<br />

kann, während das andere durch seine Form, Beschnitzung und Abschrägun<br />

der Ränder aber keinen Zweifel läßt, daß es sich um die<br />

Darstellung einer Vulva handelt24.<br />

Im Hauptwerk werde ich meine Beobachtungen anführen, die die Zeitspanne<br />

behandeln, in die der Beginn und die Beendigung des Aufbaues der<br />

Pflasteranlage ungefähr fallen müssen. Sehr interessant wird der Widerhall<br />

aus den Fachkreisen werden, wenn ich in den Tafeln die Gerätetypen<br />

vom mittleren Aurignacien bis in das Magdalénien V und VI vorführe, die<br />

23) Obermaler wies diesbezüglich auf die Wandmalerei des bekannten Honigsammler<br />

von Bicorp hin, von dem Stränge herabhängen.Ich halte sie eher für<br />

Schlinggewächse;von Seilwindungen der Stränge ist da nichts zu sehen. Außerdem<br />

gehört sie zum ostspanischenStil, der nicht mehr paläolithisch ist. Neueres<br />

Ergebnis der Forschungen: H. K ü h n: Forschungen und Fortschritte, Ztschr.<br />

Nr. 9/10 1948. Die Kniegrotte liefert somit bis jetzt den ältesten Nachweis eines<br />

gedrehten Seiles oder Fadens.<br />

24) Vielleicht war das durchbohrte Instrument außerdem ein Blasrohr, mit dem<br />

der Zauberer des Stammes (der Schamane bei den nordsibirischen Völkern)<br />

Geschosseauf eine Tiergestalt blies und damit die Zeremonie der Tötung vornahm,<br />

die dann bei der bevorstehenden Jagd ihren magischen Einfluß im günstigen<br />

Sinne ausüben sollte.


garantiert in einem Plattenlager steckten, das aus mehreren ganz bestimmten<br />

Gründen nur eine Bauzeit von einigen Jahrhunderten haben kann. Die<br />

Typologie der Geräte und auch der Faunawechsel in der Pflasterschicht<br />

sprechen zwar gegen diese kurze Zeit, und doch vermag ich ihr keine<br />

längere zu geben. Der rasche Faunawechsel in der Schicht kann verschiedene<br />

Ursachen haben, braucht nichtunbedingt an Zeiträume von Jahrtausend<br />

gebunden zu sein. Die Kniegrotte bestätigt das. Und für die<br />

Typologie erbringt sie einen kräftigen Beweis dafür, daß der Habitus der<br />

Stein-,<br />

Geweihund<br />

Knochenartefakte des Aurignacien formvollendet,<br />

nicht etwa degeneriert, noch im mittleren bis späten Magdalénien auftreten<br />

kann - nicht etwa vereinzelt, sondern in Hunderten von Stücken.<br />

Seit diesen Beobachtungen stehe ich Fundberichten, nach denen bei recht<br />

dünnen, unmittelbar übereinanderliegenden Lagen Leute des Aurignacien<br />

und aller Stufen des Magdalénien in Zeiträumen von mehreren Jahrtausend<br />

eine Höhle immer wieder bewohnt haben sollen, nur weil es<br />

die verschiedenen Gerätetypen so vorschreiben, recht skeptisch gegenüber.<br />

Ich weise da auf Soergels Messungen und Statistiken über das Anwachsen<br />

des Höhlenbodens in 100 Jahren hin25. Mit dem allgemeinen Aufbau der<br />

Sedimente stimmen diese ungeheuer langen und wiederholten Besiedlungen<br />

ganz verschiedener Kulturträger auch gewöhnlich keineswegs überein. Eins<br />

aber ist sicher: daß die Pflasteranlage der Kniegrotte mit ihren glazialen<br />

Faunaresten und den rund 5000 jungpaläolithischen Artefakten im letzten<br />

Drittel des Würm-Glazials entstand. Ich habe ihr Alter auf mindestens<br />

20 000 Jahre berechnet, vielleicht ist sie auch noch einige Jahrtausende<br />

älter.<br />

Im Frühjahr 1946 ging ich an die nur 20 bzw. 80 m entfernten Zechsteinriffe<br />

heran, die sich der Kniegrotte am Hange in Richtung Norden anschließen.<br />

Hier entdeckte ich die 21 m lange Gerd-Grotte, in der ich erst bei der<br />

bronzezeitlichen Schicht angelangt bin und die Urd- Höhle, die sich als eine<br />

vorläufig 110 m lange Schlauchhöhle entpuppt hat. Sechs Kammern habe<br />

ich bisher in ihr freigelegt. Von den drei großen Schnittgräben zu den Eingängen<br />

zeigt der 6,5 m tiefe Mittelgraben ein ideales Glazialprofil unter<br />

einer fast senkrechten, 20 m hohen Riffwand. Die Frostbruchstraten der<br />

drei Eisvorstöße des Würm-Glazials mit den Verlehmungszonen der beiden<br />

Interstadiale gehen im Verlauf einer Parabel in den Eingang zur 26 m<br />

langen Haupthalle. Die Ablagerung des letzten Interglazials. ein fetter,<br />

rotbrauner Lehm mit stark angereicherten Bändertonen ist vor dem Höhleneinga<br />

bereits bis zu 1 m Mächtigkeit aufgeschlossen. Diese Schicht<br />

25) W. S o e r g e 1: Die Massenvorkommen der Höhlenbären. Jena 1940.


lieferte im untersten Drittel eine Unmenge Reste vom Höhlenbären (ursus<br />

spelaeus). Zahlreiche Holzkohlestücke und außerordentlich starkes Oberwiegen<br />

der<br />

Schädelund<br />

Tatzenreste vom Bären verraten trotz des vorläufigen<br />

Fehlens von Artefakten die einstige Anwesenheit des Menschen.<br />

Das Magdalénien ist in der Urd- Höhle bis jetzt mit 80 Silexund<br />

10<br />

Geweihund<br />

Knochenartefakten vertreten.<br />

Als siebentes jungpaläolithisches Kunstwerk von Döbritz fand ich in der<br />

Urd- Höhle einen kleinen, stilisierten Bärenkopf in Frontalansicht, obere<br />

Kante L 34 mm. Er ist aus einem Stück menschlicher Schädeldecke gearbeitet,<br />

und zwar aus einem Teil des Hinterhauptes.<br />

Der eiszeitliche Künstler der Urd- Höhle muß den Innenbau des menschlichen<br />

Schädels sehr eingehend betrachtet haben, denn er verwertete die<br />

sehr plastische Oberflächenformung an der Dammkreuzung für seine<br />

Bärenkopfplastik so, daß die zwei Mulden rechts und links der Crista<br />

occipitalis interna suicus sigmoideus (dem Damm nach dem Hinterhauptloch<br />

zu) die Stelle der dunklen, senkrechten, ovalen Fellzeichnungen, die<br />

viele Bären unterhalb der an sich kleinen Augen haben, darstellen: Teile<br />

der gekreuzten Knochendämme bilden Stirn und Nase des Bärenköpfchens.<br />

Allem Anschein nach ist die Plastik so aus der Schädeldecke ausgeschnitten,<br />

daß den Nasenrücken unseres Bärenkopfes die Crista occipitalis interna<br />

sulcus sigmoideus. der nach dem Hinterhauptioch gerichteten Damm vertritt.<br />

Es könnte auch entgegengesetzt sein. Die Mulden nach dem Scheitel<br />

zu sind aber allgemein bedeutend größer als die gegenüberliegenden. Überhaupt<br />

sind alle diese Ausbildungen bei jedem Schädel etwas anders geformt<br />

und sehr verschieden groß. Die Fossa occipitalis an der vorliegenden<br />

Plastik ist beiderseitig nach außen zu leicht künstlich vertieft, so daß u. a.<br />

rechts der spongiöse Teil der Knochenwand schon etwas angeschnitten<br />

wurde. Die Ohrmuscheln sind ebenfalls leicht künstlich ausgehöhlt.<br />

Man vergegenwärtige sich die Gedankengänge des Künstlers, als er<br />

sein Bärenkopfbild gleichsam in die Schädelinnenfläche mit ihrer für seine<br />

Plastik passenden Naturbildung hineinsah und sie dann einfach entsprechend<br />

ausschnitt. Eine Gedankenarbeit auf dem Gebiete der stilisierten<br />

Kunst, die einzig dasteht! Daß der Bär im kultischen Leben der Völker seit<br />

dem Jungpaläolithikum eine große Rolle spielt und diese daher auch in der<br />

Kunst entsprechend behandelt wird, ist hinreichend bekannt. Diese seltene<br />

Bärenplastik der Urd- Höhle ist ein weiterer wertvoller Beitrag zu diesem<br />

Gebiet. Da das Köpfchen am Nasenansatz rechts und links ein Bohrloch<br />

aufweist, wurde es vermutlich als Amulett getragen.<br />

Die bisherigen Untersuchungen in der Urd- Höhle haben noch weitere<br />

wichtige<br />

Ergebnisse erzielt:


Es gibt in Döbritz bisher ein frühes Magdalénien mit vollendeten Kerbspitzen,<br />

glasklaren, großen Instrumenten, wie sie die Station Roe (Charente)<br />

aus dem dortigen Solutreen zeigt und das späte Magdalénien aus<br />

der Pflasteranlage der Kniegrotte. Unmittelbar im Liegenden des Pflasters<br />

traf ich die älteste Kulturschicht der Kniegrotte an mit vorwiegend Mammutkno<br />

und glasklaren, einfachen Klingen, aus denen ich mir kein<br />

rechtes Bild machen konnte. In der Urd stieß ich anfangs auf das gleiche<br />

Flintinventar mit einem Mammutstoßzahn. Vergangenes Jahr trat es<br />

erneut in einer 4 m breiten, niedrigen Kluft über der Haupthalle auf, diesmal<br />

aber mit den erwähnten Kerbspitzen und dem ersehnten Skelettfund<br />

eines Homo sapiens diluvialis (die Magdalénienschicht der Kniegrotte hat<br />

nur einen Oberarmknochen - rechter Humerus - vom Menschen geliefert).<br />

Die Skeletteile lagen sporadisch verteilt auf einer Fläche von 20 qm,<br />

vielleicht von Tieren zerstreut. Die Schädelkapsel ist sehr gut erhalten,<br />

LIB = Index 75,24, und zeigt in den Uberaugenbögen, der Stirn und dem<br />

Hinterhaupt sehr urtümliche Merkmale. Der Oberkiefer enthält noch drei<br />

Molaren, der Unterkiefer fehlt noch. Die Eiseninfiltration ist äußerst stark,<br />

so daß der Schädel viel rotgelber als das gesamte Knochenmaterial der<br />

Kniegrotten- Pflasterschicht ist. Es lassen sich daraus Schlüsse auf sein<br />

höheres Alter ziehen. Der Schädel lag 1,20 m in Dolomitsand eingebettet,<br />

der durch reine Korrosion aufgelagert wurde. Einschwemmungen in diese<br />

Kluft, die nach dem Außenprofil des Schnittgrabens bereits Ende der Eiszeit<br />

unzugänglich wurde, sind nicht möglich gewesen. Nach den vorläufigen<br />

geologischen, sedimentpetrographischen, chemischen, anthropologischen<br />

und archäologischen Voruntersuchungen ist dieser Homo, der etwa 1,58 m<br />

groß und bei seinem Hinscheiden etwa 35 bis 40 Jahre alt war, vor rund<br />

30000 Jahren in der Urd- Höhle zur Ruhe gegangen. Trotzdem der Schädel<br />

ziemlich klein ist, nimmt ein bewährter Fachmann der Anthropologie an,<br />

daß er von einem männlichen Individuum, vielleicht einem Mammutjäger<br />

des frühen Magdalénien, stammt. Dicht beim Schädel fand sich außer<br />

zwei großen Kerbspitzen noch eine prächtige Geweihschaufel vom Rentier,<br />

die zu einer Handschaufel in grober Technik zurechtgeschnitzt war.<br />

Auch ein Knochens Lab und ein Rengeweih- Hammer unweit des Skeletts<br />

sowie ein Knochenstab aus der Haupthalle zeigen diese grobe Schnitzerei,<br />

die von der hocheleganten der Pflasterleute völlig abweicht. In der Haupthalle<br />

der Urd- Höhle hoffe ich, einige Meter tiefer auf die so viel besprochene<br />

Blattspitzen- Kultur zu stoßen, wie sie u. a. auch die nur 5 km entfernte<br />

Ilsenhöhle, Ranis, hervorgebracht hat.<br />

Die ebenfalls erst seit kurzer Zeit von mir erschlossene <strong>Richter</strong>- Höhle,<br />

die bereits drei jüngere Kulturhorizonte aufweist, hat aus der diluvialen


Lage durch Tieraufwühlung letzthin einen Wildpferdzahn geliefert. Sie<br />

liegt auf der anderen Talseite in einem imposanten Riff, das Laubwald verdeckt,<br />

der Kniegrotte fast gegenüber. Die Höhle scheint über 60 m lang zu<br />

sein und berechtigt, da ihre drei Eingänge im Windschatten des Rufs liegen<br />

und nach Südosten ausgerichtet sind, zu großen Hoffnungen auf fundreiche<br />

diluviale Kulturschichten. Der hochgescharrte Pferdezahn ist ein Vorbote,<br />

er dürfte vom diluvialen Wildbeuter in die Höhle gebracht worden sein.<br />

Wie ich schon eingangs erwähnte, fanden sich bisher im Orlagau die beiden<br />

obengenannten Magdal6nienkulturen noch in der Ilsenhöhle und der<br />

Hertha- Höhle bei Ranis und 'in der Nischenhöhle bei Lausnitz. Im großen<br />

und ganzen wurden in diesen Stationen nur wenig Silexmaterial und einzelne<br />

Geweihund<br />

Knochenartefakte gefunden.<br />

Noch unbedeutender sind die Funde unserer jungpaläolithischen Freilandstatio<br />

Diese Schönwetterlager, Aufenthaltsplätze vielleicht für nur<br />

einige Monate, die in einem Wildbeuterturnus wiederholt aufgesucht worden<br />

sein dürften, sind einmal eine Station 500 m westlich Hummelshain<br />

auf einem freien Feldhang. Dort wurde vor etwa 50 Jahren eine Feuerstelle<br />

mit etwas Steinsetzung ringsherum festgestellt. Die Flintgeräte entstammte<br />

dem Magdalénien. Die zweite Station liegt an einem abgewitterten<br />

Felsdach, 100 m östlich der Lausnitzer Nischenhöhle. Sie erbrachte<br />

neben vielen diluvialen Tierresten gegen 900 Flintartefakte, übereinstimmend<br />

mit dem Typus Kniegrotte, Schicht X (Pflasterschicht). Die dritte<br />

befindet sich auf einer Flur zwischen dem Gamsenhügel bei Oppurg und<br />

der Staatsstraße, unmittelbar an einem Zechsteinbruch, von dem eine noch<br />

nicht erschlossene Höhle nordwärts in das Riff führt. Bei diesen Stationen<br />

handelt es sich um ein Magdalénien, wie es das Kniegrotten- Pflaster hervorbrach<br />

Die Grabungen des Thüringer Höhlenvereins in drei kleinen Höhlen des<br />

Kochsberges an der Straße Pößneck- Ranis und in der Kolesch- Höhle am<br />

Totenstein, oberhalb des Lausnitzer Mühlengrundes, lieferten keine paläolithische<br />

Funde, dagegen fand ich mehrere typische Magdalénien- Flintgeräte<br />

in geschützten Geländemulden westlich des Kochsberges. Ein mächtiges<br />

Zechsteinriff südlich Öpitz, dessen Kalkmassen die Industrie fast ganz<br />

abgebaut hat, besaß an seiner Ostseite eine Höhle, die gleich einer ebenfalls<br />

abgebrochenen am Westhange des Hammelberges bei Lausnitz um<br />

die Jahrhundertwende eine Menge diluvialer Fauna lieferte. Da sich unter<br />

dem nur zum Teil überlieferten Material Mammut, Nashorn, Rentier<br />

und Wildpferd befindet, hat es sich um paläolithische Wohnhöhlen gehandelt,<br />

die leider nicht fachmännisch bearbeitet worden sind.<br />

Man wird nach dem Gesagten annehmen, daß es im Orlagau verhältnis-.


mäßig wenig Freilandplätze gibt. Jedoch wird hier die zukünftige Forschung<br />

lehren, ob das jetzige Verhältnis zwischen Höhlenund<br />

bestehen bleibt.<br />

Freilandsiedlunge<br />

Als ein in dieser Hinsicht aufschlußreiches Gebiet seien insbesondere<br />

die geschützten Quertälchen am mittleren und unteren Orlalauf und an<br />

den großen Wandungen der riesigen Orlagaumulde zu nennen, in denen<br />

sich noch manche Freilandstation verbergen kann.

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