Gemeindebrief – Februar / März 2012 - Ev.-luth. Zionskirche Dresden
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Festjahr <strong>2012</strong><br />
amtenwitwen, im zweiten die Inhaber<br />
kleiner Geschäfte und Handwerkerläden.<br />
Die reichen Leute konnten sich irgendwie<br />
durch die Inflationszeit retten,<br />
aber die armen traf diese Zeit hart. In<br />
der Kirchgemeinde entstanden viele soziale<br />
Initiativen, u.a. der Mütterverein,<br />
Jungmädchen- und Jungmännervereine.<br />
Aber es war klar: Ohne eigene, für<br />
solche Aufgaben geeignete Räume blieben<br />
solche Versuche Stückwerk. Darum<br />
wurde in dieser unsicheren Zeit mit hohem<br />
Risiko ein Kirchgemeindehaus gebaut.<br />
Es stand gegenüber der Kirche auf<br />
der Hohen Straße (dort, wo heute der<br />
Häuserblock Nr. 49 und 51 steht). Nobel<br />
und zweckmäßig war das Gebäude<br />
eingerichtet: Im ersten Stock ein großer<br />
Saal, im zweiten die Pfarrwohnung,<br />
im Erdgeschoss die Gemeinderäume,<br />
im Keller Funktionsräume. Als Pfarrer<br />
Droese 1923 in den Ruhestand gegangen<br />
war, kam Pfarrer Herbert Böhme.<br />
Unter ihm wurde das soziale Engagement<br />
der Gemeinde weiter verstärkt:<br />
Mit einer Suppenküche, einer Kleiderkammer,<br />
einem Besuchsdienst bei<br />
Kranken versuchte man der Not zu begegnen.<br />
Neben den Treffen der Jugendlichen<br />
gab es kammermusikalische, literarische,<br />
religionsphilosophische und<br />
kirchenpolitische Veranstaltungen, die<br />
sich großer Beliebtheit erfreuten. Aus<br />
dem Jungmädchenkreis dieser Jahre<br />
habe ich noch Frauen kennen gelernt,<br />
die nach dem Neubeginn 1956 den Charakter<br />
unserer Gemeinde prägten: Annemarie<br />
Pötzsch war „die Mutter der<br />
Gemeinde“, ihre Schwester Hildegard<br />
hatte den viel beachteten Schaukasten<br />
an der Hohen Straße in ihrer Obhut;<br />
Fräulein Melzer war Sekretärin des<br />
Landesbischofs Noth, Fräulein Sinkwitz<br />
arbeitete im Landeskirchenamt,<br />
Fräulein Hüfler, das „Hausmädchen“<br />
von Karl Ludwig Ungelenk (Gründer<br />
der gleichnamigen Buchhandlung)<br />
war eine nimmermüde Helferin und<br />
fehlte in keiner Bibelstunde. In diesem<br />
kritischen Jahrzehnt hat die Zionsgemeinde<br />
in erstaunlicher Weise ein Zu-<br />
Gemeindesaal<br />
sammengehörigkeitsgefühl, auch über<br />
Bildungs- und Klassengrenzen hinweg,<br />
entwickelt, das selbst in den Jahren<br />
nach ihrer Wiedererstehung noch tragfähig<br />
war.<br />
Pfarrer Böhme wurde 1932 als Superintendent<br />
in Meißen berufen. Es war ein<br />
schwerer Abschied. Aber er warb für<br />
den jungen, von Glaubenseifer brennenden<br />
Nachfolger aus dem Sudentenland,<br />
für Pfarrer Ringulf Siegmund, um<br />
Vertrauen und forderte dazu auf, dem<br />
Spruch über dem Portal der Kirche<br />
auch in der neuen Zeit treu zu bleiben:<br />
„Lobe, Zion, deinen Gott!“ Die Gemeinde<br />
ist dieser Aufforderung nachgekommen<br />
<strong>–</strong> auch in der braunen Ära.<br />
Pfr. i. R. Michael Kanig<br />
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