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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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PARADIGMEN DES ERFOLGS<br />

NORMALITÄT UND INTEGRATION<br />

ODER AUSDRUCK EINES SPANNUNGSFELDES, DAS FÜR VIELE SPÜRBAR IST, DIE JUNGENPÄDAGOGI-<br />

SCHE ARBEITSANSÄTZE ENTWICKELN. ABER NICHT NUR FÜR DIE: JUNGEN UND MÄNNER LEBEN IHR<br />

LEBEN ZWISCHEN BILDERN VOM MANNSEIN UND IN AUSEINANDERSETZUNG MIT IHNEN.<br />

DIESES KUNSTWERK KANN GEDEUTET WERDEN ALS SINNBILD EINER ARBEITSWEISE ODER ZUMIN-<br />

DEST EINES WICHTIGEN ASPEKTES DIESER ARBEITSWEISE: »PLASTISCHE BILDER VON JUNGEN – LE-<br />

BENSWELTEN GEWINNEN«. EIN ANDERER ASPEKT DER ARBEITSWEISE BESTEHT DARIN, DIE ANKNÜP-<br />

FUNGSPUNKTE UNSERER EIGENEN LEBENS-, ARBEITS- UND DENKWELTEN AN DIE DER JUNGEN ZU<br />

FINDEN. ES GIBT VIELE SOLCHE VERBINDUNGEN. VIELLEICHT AUCH DESHALB UNTERSCHEIDET SICH<br />

DIE ART UND WEISE, WIE IM PROJEKT INSGESAMT GEARBEITET WURDE, NICHT DAVON, WIE IM<br />

PROJEKT MIT JUNGEN GEARBEITET WIRD. DAS GILT GENAUSO FÜR DIE JUNGENPÄDAGOGISCHEN<br />

METHODEN, DIE AUCH SEMINARE MIT MÄNNERN BEREICHERN, WIE FÜR DEN ARBEITSSTIL, DIE<br />

ORIENTIERUNG AUF RESSOURCEN UND AUF POTENZIALE ODER AUCH DEN UMGANG MIT DER<br />

ZEIT, DEN EINE ENTWICKLUNG BRAUCHT.<br />

(HARALD SICKINGER)<br />

Die oft auffälligen negativen Habitualisierungen im sozialen Feld – z.B. assoziiert<br />

mit den Begriffen Beliebigkeit, Unzuverlässigkeit, Schlampigkeit – hängen möglicherweise<br />

auch damit zusammen, dass die unterschiedlichen Aspekte des Arbeitsstils<br />

unreflektiert verfilzt bleiben. Selbstverständlich muß beides nicht gezwungen<br />

auseinander dividiert werden: In eine hierarchiearme Arbeitsatmosphäre, die dem<br />

offenen, auch persönlichen Gespräch mit Kollegen und Klienten Raum gibt, kann<br />

das Element der Verbindlichkeit ohne weiteres integriert werden. <strong>So</strong> können einerseits<br />

professionelle Standards gepflegt, andererseits auch die persönlichen Ressourcen<br />

der einzelnen Mitarbeiter ausgeschöpft, angeregt und erweitert werden.<br />

Normalität und Integration<br />

Immer wieder und vor allem zu Beginn unseres Projekts beschäftigte uns die Frage,<br />

warum so wenige Männer sich dazu »bekennen«, dass sie <strong>Jungenarbeit</strong> machen. Es<br />

wäre doch eigentlich ganz einfach. Sicher, die Ansprüche liegen hoch und oft hatten<br />

wir den Eindruck, als gelte <strong>Jungenarbeit</strong> als besonders schwierig, eine besondere<br />

Herausforderung und letztlich als Krone der Jugendpädagogik. Aber diese Idealisierung<br />

reicht für die Erklärung der Scheu, sich als <strong>Jungenarbeit</strong>er zu bezeichnen, nicht<br />

aus. Ein männlichkeitskritischer Zugang verwies uns dann im nächsten Schritt darauf,<br />

dass die Implementierung <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> und -pädagogik Personen braucht, die<br />

sich mit diesem Thema profilieren, die heraustreten und demonstrieren, dass sie weiter<br />

sind. Nun verlangt aber die »klassische« Kritik <strong>von</strong> Männlichkeit – die bei <strong>So</strong>zialpädagogen<br />

nicht selten auf fruchtbaren Boden fällt – sich gerade nicht so, also nicht<br />

konkurrent, sich profilierend, heraustretend zu verhalten, sondern eher integrierend.<br />

Hier öffnete sich eine Falle, denn <strong>Jungenarbeit</strong> zu implementieren verlangt es, so<br />

männlich zu sein, wie es eigentlich abgewertet wird. Dennoch genügte uns auch<br />

diese Erklärung nicht aus. Erst in der Reflexion des Gesamtprojekts öffnete sich mit<br />

der Integrationsperspektive ein weiterer, entscheidender Zugang.<br />

In den Geschlechterdiskursen – nicht nur, aber auch in der Jugendhilfe – gelten<br />

nach wie vor Jungen und Männer als das Allgemeine, Mädchen und Frauen als das<br />

Besondere. Die Auflösung dieser Schieflage wurde und wird vor allem <strong>von</strong> der<br />

Mädchenarbeit zwar immer wieder eingefordert. Auf der anderen Seite unterstreicht<br />

der Spezialisierungsansatz auf der Mädchenseite ungewollt genau diese Verteilung<br />

(Mädchenarbeitskreise, Mädchenräume, Mädchentage). Wer sich mit Jungen als<br />

etwas Besonderes beschäftigt, löst diese Normalitätszuschreibungen sukzessive auf:<br />

Mädchen sind was Besonderes, Jungen sind was Besonderes. Abgesehen <strong>von</strong> der<br />

Sichtweise einiger Spezialisten blieb bislang die Annahme des Normalen (als des<br />

männlichen) aber nach wie vor bestehen. (Auch viele der Männer, die wir im IRIS-<br />

Projekt »Jungenpädagogik« erreichen konnten, waren zuerst über den Ansatz, Jungen<br />

als besondere Gruppe zu sehen, dann aber auch über den positiven Effekt<br />

dieser Sichtweise erstaunt).<br />

Für Männer, die sich explizit um ihr Geschlecht oder um das der männlichen Jugendlichen<br />

kümmern, bedeutet diese Beschäftigung latent immer einen Schritt aus<br />

der Normalität heraus. Damit verbunden ist die phantasierte, antizipierte oder tatsächliche<br />

Desintegration auch aus männlichen (Normal-) Bezügen heraus. Diese<br />

Dynamik der Desintegration war, etwa als Vorsicht, Angst oder dezente Zurückhaltung<br />

auch im Projektzusammenhang immer wieder ganz subtil wahrnehmbar. Unabhängig<br />

da<strong>von</strong>, ob diese Gefahr tatsächlich besteht, kann die Desintegrationsphantasie<br />

bedrohlich wirken, sofern die entsprechende Person (wie z.B. die<br />

»Pioniere« der <strong>Jungenarbeit</strong>) die Desintegration nicht einfach aushalten kann –<br />

oder sie nicht aufgefangen wird.<br />

Gerade diese Idee des »Auffangens« hat uns immer wieder fasziniert. Die kritische<br />

Distanzierung <strong>von</strong> Männern, die sich auch bei der Beschäftigung mit Geschlechterthemen<br />

einstellt (oder die Bedrohung zumindest) kann dazu beitragen, sich nicht<br />

weiter oder vertieft damit zu befassen. Wenn jungenpädagogische Ansätze implementiert<br />

werden (sollen), muß dafür gesorgt sein, dass es bei dem heiklen Geschlechterthema<br />

für Männer ausreichend Möglichkeiten gibt, sich »einzuhängen«<br />

(also das integrierendes Moment), weil die Beschäftigung mit dem kritischen Thema<br />

Desintegration verbunden ist oder sein kann.<br />

Als ein weiteres Paradigma erfolgversprechender <strong>Jungenarbeit</strong> halten wir nun den<br />

Aspekt der Integration in (andere) soziale Bezüge für sehr wichtig. Dabei <strong>geht</strong> es<br />

darum, soziale Felder zu erschließen, in die sich <strong>Jungenarbeit</strong>er einklinken können,<br />

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