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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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DIFFERENZIERUNGEN<br />

MÄNNER UND FRAUEN – MÄDCHENARBEIT UND JUNGENARBEIT<br />

grund, unsere vergleichsweise immer noch gute Ausstattung und thematische Konzentration<br />

konnten wir den fachlichen Diskurs in den Regionen bestimmen. Ein<br />

anderer Effekt war eine »Wegdelegation« an das Projekt. Dadurch, dass es die<br />

fachliche Stelle »Projekt Jungenpädagogik« gab, konnte bei bisher engagierten Männern<br />

eine delegierende Einstellung entstehen: »Die sollen/können/werden das schon<br />

machen, da brauche ich mich nicht (mehr) zu kümmern«. Diese Einstellung kann<br />

dazu führen, dass sich Kompetenzen und ggf. selbstgestellte Aufträge – die beide<br />

ja auch ihre unangenehmen Seiten haben können – in der Praxis geringer werden<br />

oder aus ihr verschwinden. Durch die befristete Laufzeit und die vernetzende Anlage<br />

des Projekts war diese Tendenz allerdings begrenzt.<br />

Mit beidem – Verdrängung und Delegation – verbunden ist ein sichtbarer Kompetenzzuwachs<br />

beim Projekt einerseits, auf der anderen Seite bei den Männern<br />

ein Kompetenz- und Anerkennungsverlust – und auch eine Kränkung: »wir haben<br />

das ehrenamtlich geleistet, und jetzt kommen die...«; »wir haben uns <strong>von</strong><br />

der Pike auf abgerackert, und die sahnen jetzt ab« usw. Die Themen Einfluß,<br />

Dominanz und Konkurrenz unter Männern zeigen sich also auch hier. Im Gegensatz<br />

zum allgemeinen Eindruck und auch zu der fachlichen Zuschreibung (»<strong>Jungenarbeit</strong><br />

ist überall« – »<strong>Jungenarbeit</strong> ist ein riesiges Thema, ein völlig unbeakkertes<br />

Feld«) – zeigt sich die Realität doch viel begrenzter: Es gibt »eigentlich« oft<br />

wenig Platz für dieses Thema und damit bekommen Verdrängungsphantasien,<br />

Kränkungsgefühle und Konkurrenzfragen ein ganz anderes, stärkeres Gewicht.<br />

Dass solche Themen unter Männern angesprochen werden konnten, spricht für<br />

den Kontakt auch im bzw. mit dem Projekt, und für wechselseitige Wertschätzung<br />

und Anerkennung.<br />

Frauen<br />

Viele Frauen vermittelten uns auf einer fachlich kollegialen Ebene Anerkennung<br />

für die Dynamik – auch im geschlechterübergreifenden Feld – und für unsere<br />

Arbeit im Projekt. In zwei Zuspitzungen stellte sich bei uns allerdings auch Unwohlsein<br />

ein. Zum einen vermittelten einige wenige (und zumeist altgediente)<br />

Frauen ihre mütterlich-lobende, oft fast gönnerhafte Einstellung: »Na endlich<br />

machen mal Männer was – das fordern wir ja schon lange« oder »darauf haben<br />

wir schon lange gewartet«. Zum anderen nahmen einige Frauen mit uns Kontakt<br />

auf, indem sie auf »den« Feminismus und »die« Feministinnen schimpften oder<br />

uns erzählten, dass sie <strong>von</strong> Mädchenarbeit gar nichts halten. Das verweist auf<br />

Klärungsbedarf unter Frauen.<br />

An einigen Stellen ist uns das Phänomen aufgefallen, dass Männer weniger Probleme<br />

haben, Machtfragen als solche zu benennen und anzusprechen. Wenn es, gerade<br />

im geschlechterreflektierten Bereich, auch darum <strong>geht</strong>, wer sich – etwa in<br />

konkurrierenden Ideen bei einer Methode, bei einem Veranstaltungsdesign – letztlich<br />

durchsetzt, also »die Männer« oder »die Frauen«, dann sind Machtfragen selbstverständlicher<br />

Bestandteil der Auseinandersetzung. Dies anzusprechen war in einigen<br />

Situationen heikel. »Macht und Frauen« – dieses Thema scheint fast ein klein<br />

wenig tabuisiert zu sein. Mit kooperierenden Männern oder in unserem Team gab<br />

es diese Tabuisierung jedenfalls nicht.<br />

Mädchenarbeit und <strong>Jungenarbeit</strong><br />

Interesse und Bedarf an Kontakten zwischen Mädchenarbeit und <strong>Jungenarbeit</strong> waren<br />

zunächst sehr groß. Beide Seiten zeigten sich aufgeschlossen und anfangs auch<br />

gespannt an der jeweils anderen Seite interessiert. Es gab zwar auch warnende Stimmen,<br />

die einen Eklat fürchteten, sobald Mädchen- und <strong>Jungenarbeit</strong> aufeinander<br />

treffen. Das alles war aber gar nicht so »heiß«, die Spannung entstand wohl eher aus<br />

dem bisherigen Beziehungsdefizit. Kontakte zwischen Mädchenarbeit(erinnen) und<br />

<strong>Jungenarbeit</strong>er(n) wurden schnell selbstverständlich wenn sie – wie in der Landregion<br />

– nicht ohnehin schon bestanden. Danach stand das Fachlich-Funktionale im Vordergrund<br />

unter der Fragestellung: Wo sind Bezüge zwischen Mädchen- und <strong>Jungenarbeit</strong><br />

förderlich, sinnvoll und nützlich (z.B. um Geschlechterthemen jugendpolitisch<br />

zu platzieren oder abzusichern)? Auf der abstrahierten Ebene, etwa der Projektforen,<br />

war das Thema Mädchenarbeit – <strong>Jungenarbeit</strong> zunehmend »normal« und gar nicht<br />

mehr so spannend – aufregend wurde es dann eher wieder im konkreten Arbeitsfeld,<br />

etwa auf der Teamebene oder in Bezug auf Leitungsfragen.<br />

Insgesamt erwies es sich der Projektansatz als wichtig, Jungen ebenfalls als »etwas<br />

Besonderes« in den Blick zu nehmen – in Bezug auf Kompetenzen und Ressourcen<br />

genauso, wie auf Probleme, die Jungen machen. Damit werden Mädchen<br />

aus der Problemzone, aus einem Opfer- und Benachteiligungsstatus<br />

herausgeholt, Jungen bekommen ihre Probleme zurück – und wenn das getan ist,<br />

kann sich die Geschlechterwahrnehmung und -balance in der Jugendhilfe neu<br />

einpendeln.<br />

Für eine Zusammenarbeit zwischen Mädchenarbeit und uns als »Jungenprojekt«<br />

gab es vielfältige und ergiebige Gelegenheiten. Dafür einige Beispiele aus den Projektzusammenhängen:<br />

• In einer Jugendfreizeiteinrichtung wünscht sich die Leiterin mit Blick auf die Jungen<br />

einen männlichen Mitarbeiter. In unserer Kooperation stellt sich heraus, dass<br />

diese männliche Resonanz insbesondere kommunikationsfördernd auf die Jungen<br />

auswirkt. Gleichzeitig wird unser Mitarbeiter auch <strong>von</strong> Mädchen beansprucht<br />

und ins Spiel der Identifikation und Abgrenzung eingebunden.<br />

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