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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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DIFFERENZIERUNGEN<br />

DIE JUGENDHILFEBEREICHE<br />

künftig aktivierende, geschlechterdifferenzierende und präventive Ansätze im Unterricht<br />

selbst zu integrieren und auszuprobieren. Schulen, Eltern sowie Mädchen<br />

und Jungen partizipieren an der Gestaltung des individuell zugeschnittenen Konzepts.<br />

Dies wird durch ein Vorbereitungstreffen mit den Lehrerinnen bzw. Lehrern,<br />

einem Elternabend und während der Projekttage durch prozessorientiertes Arbeiten<br />

gewährleistet.<br />

Den Kindern und Jugendlichen wird im Rahmen der Projekttage ein praxisorientiertes<br />

Training rund um das Thema Selbstbehauptung und soziale Kompetenzen<br />

geboten. Die Spiele, Übungen und Reflexionseinheiten haben allgemein das Ziel,<br />

sich selbst zu entdecken, mehr über sich und andere zu erfahren und sich als<br />

einzelne Person in einer Gruppe durchzusetzen, ohne die »Ellenbogen« dafür<br />

benutzen zu müssen, »Nein« sagen und das Nein der anderen akzeptieren zu<br />

können. Daneben wird die Gruppenentwicklung angeregt: über Team- oder gruppenbezogene<br />

Spiele und Übungen wird das Zusammenarbeiten in der Gruppe<br />

reflektiert und verbessert. Es hat sich in vielen Schulprojekten gezeigt, dass ein<br />

standardisiertes Angebot nicht genügt. Viele Jungengruppen haben ihre eigenen<br />

Themen, die sie verhandeln wollen, dies aber im schulischen Rahmen oft nicht<br />

können (z.B. sich unterscheiden dürfen; Umgang mit Mädchen; Konflikte mit<br />

Lehrerin oder Lehrer). Deshalb hat es sich bewährt, das Konzept so offen zu halten,<br />

dass es passieren darf oder gar provoziert wird, dass die Jungen ihre Themen<br />

bringen und angehen können.<br />

Ein besonderer Akzent bei vielen Schulprojekten liegt im Themenbereich Gewalt<br />

und Aggression. Bei den Aggressionstrainings wird nicht moralisch-informativ die<br />

Gewalt bekämpft, sondern konstruktives Streiten und faires Kämpfen geübt. Aggressionen,<br />

Streiten Konflikte – all das ist nicht nur erlaubt, sondern auch gewollt,<br />

es gehört einfach selbstverständlich und in vielen Formen (unbedingt auch leise)<br />

mit dazu. Gerade im Streiten und Kämpfen besteht die Chance, sich untereinander<br />

anders kennen zu lernen, Erfahrung über den jeweils anderen Jungen und sich<br />

selbst zu machen um zu wissen, wo Grenzen liegen – die eigenen und die des<br />

anderen. Spätestens beim Verlassen des Schulhofs werden diese Kompetenzen für<br />

die Kinder wichtig. Vor und nach der Schule kommt es unter Jungen immer wieder<br />

zu der offenen – also einer nicht durch die Lehrkraft oder einen Erwachsenen strukturierten<br />

– Situation, in der Streit oder auch körperliche Kämpfe dazugehören. Diese<br />

Auseinandersetzungen oder Stimmungslagen werden <strong>von</strong> den Jungen mit in die<br />

Schule gebracht. Das lediglich moralische oder disziplinarische Verhindern solcher<br />

Konflikte hilft den Jungen nicht wirklich weiter – am wenigsten denjenigen, die<br />

körperlich nicht zu den Stärkeren gehören.<br />

Das Arbeiten in einer geschlechtshomogenen Gruppe stellt eine wichtige Ergänzung<br />

zum koedukativen Unterricht dar. Koedukation bedeutet für viele Jungen im<br />

Grundschulalter letztlich »Zwangskoedukation«: sie werden nicht gefragt, welches<br />

geschlechtsbezogene Lernsetting sie wünschen und auch die Lehrkräfte haben oft<br />

Probleme zu begründen, warum Koedukation in diesem Alter angebracht ist (weshalb<br />

die Frage, warum Koedukation wann konzeptionell sinnvoll ist, praktisch nie<br />

gestellt wird – geschlechtshomogenes Arbeiten dagegen muß begründet werden).<br />

Im homopädagogischen Kontext können mit den Jungen gezielt Kompetenzen trainiert<br />

und Themen besprochen werden, die im gemischtgeschlechtlichen Rahmen<br />

kaum einen Platz finden. Die Jungen können durch die vorübergehende Aufteilung<br />

erfahren, dass Spiel und Arbeit sowohl in geschlechtshomogenen Gruppen wie auch<br />

in gemischtgeschlechtlichen Gruppen selbstverständlich ohne Abwertung des anderen<br />

Geschlechts möglich ist, ihre besondere Qualität hat und viel Spaß machen<br />

kann – auch das Streiten.<br />

In den Schulprojekten <strong>geht</strong> es meistens auch um ein »anderes Lernen«. Das heißt<br />

vor allem: hier wird dem oft großen – oder zumindest »anderen« – Aktivitätsbedürfnis<br />

der Jungen entsprochen. Bei den Projekten wird versucht, eine Balance zwischen<br />

körper- und bewegungsorientierten und kooperativen oder reflektiven Aufgaben<br />

zu halten, die an die Gruppe gestellt werden. Während der Projekttage hat<br />

sich diese Praxis immer wieder bewährt. Allerdings kam in einigen Schulen die Rückmeldung,<br />

die Jungen seien ja »wie losgelassen«. Das kann für alle Beteiligten bisweilen<br />

anstrengend sein. Genau dies stellt für die Jungen eine große Chance dar, in<br />

diesem Bereich zu lernen, zum Beispiel mit der Fragestellung, wie sie sich selbst<br />

immer wieder »einkriegen können« – und eben nicht nur reglementiert zu werden,<br />

wenn sie sich ungefragt den Raum nehmen, um in diesem wichtigen Lernfeld zu<br />

experimentieren.<br />

Die Auswertung der Projekte zusammen mit den Lehrerinnen und Lehrern belegt,<br />

dass der Ansatz Wirkung zeigt. Überraschenderweise wird sehr oft erkennbar, dass<br />

gerade durch die homopädagogische Arbeit der Kontakt und das Verhältnis im<br />

heterosozialen Zusammenhang, also zwischen Mädchen und Jungen entschieden<br />

besser wird. Ein respektvollerer Umgang zwischen Jungen und Mädchen sowie den<br />

Jungen untereinander sind Effekte, die auch längere Zeit nach dem Training erhalten<br />

bleiben. Die Arbeit ist erfolgreicher und nachhaltiger, wenn diese durch die<br />

Lehrerinnen und Lehrer oder in der Schulsozialarbeit fortgesetzt wird. Umso wichtiger<br />

ist es, dass die <strong>von</strong> uns vermittelten Ideen, Anregungen oder auch Methoden<br />

für die jeweiligen Lehrkräfte und die Schüler naheliegend sind.<br />

Viele Schulen und Träger der Jugendhilfe sind an einer Zusammenarbeit im Rahmen<br />

des Konzepts »Starke Mädchen und Starke Jungen« interessiert (die Wartezeit<br />

beträgt oft über ein Jahr). Das starke Praxisinteresse hätte das IRIS-Projekt<br />

»Jungenpädagogik« völlig überfordert. Deshalb wurde aus dem Projekt heraus<br />

ein Verein wiederbelebt, der genau dieses Praxissegment bearbeiten kann: Pfunz-<br />

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