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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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DIFFERENZIERUNGEN<br />

DIE JUGENDHILFEBEREICHE<br />

und eine Perspektive auf die beteiligte Institution sowie das jeweilige Setting. In<br />

der Regel wurde deshalb induktiv mit einer jungenbezogenen Situationsanalyse<br />

begonnen und nicht versucht, landläufige Desiderate <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> deduktiv<br />

zu transformieren. Über die notwendigen Klärungen und Abstimmungen im Team<br />

führte der Prozess dann zur Formulierung <strong>von</strong> jungenpädagogischen Standards<br />

und Handlungsoptionen – und gegebenenfalls zu einer schriftlichen Fassung der<br />

Ergebnisse (in diesem Prozess wichtige »Standardkonzeptionsfragen« finden sich<br />

im Anhang).<br />

In den Kontakten zu diesem Bereich der Jugendhilfe sind uns auch einige Jungen-<br />

Tagesgruppen bzw. Jungenwohngruppen begegnet. Zum Teil ging es deshalb in<br />

diesem speziellen Kontext auch darum herauszuarbeiten, was ein durchgehend geschlechtshomogenes<br />

Setting »Jungengruppe« zu einer qualifiziert jungenpädagogischen<br />

Veranstaltung macht. Auf der anderen Seite gab es auch Beratungsprozesse,<br />

bei denen zwar konzeptionelle Fragen im Mittelpunkt des Interesses standen,<br />

diese aber mehr im Sinn einer jungenpädagogischen Teamberatung ins Spiel kommen<br />

konnten. Ein dezidiertes Interesse an einer grundlegenden konzeptionellen<br />

Neubestimmung war dabei nebensächlich.<br />

Die Offenheit und die starke Nachfrage in diesem Jugendhilfebereich lassen sich<br />

zum einen mit den teilweise günstigen institutionellen Bedingungen für Geschlechterpädagogik<br />

erklären. Zum anderen ist <strong>von</strong> Bedeutung, dass das Setting über besondere<br />

Potenziale verfügt. Die konzeptionellen Stichworte Alltags- und Lebensweltorientierung,<br />

Familien- und Gemeinwesenorientierung lassen sich gut in eine<br />

gesonderte Betrachtung der Lebenslagen <strong>von</strong> Jungen überführen: Jungenalltag<br />

außerhalb der Einrichtung, Lebenswelten <strong>von</strong> Jungen und Jungencliquen, familiärer<br />

Hintergrund im Sinn einer Überprüfung »männlicher« Dispositionen und Lebensentwürfe,<br />

ein Blick auf Jungen in ihren sozialräumlichen Bezügen. Relative<br />

Geschlossenheit, Verbindlichkeit und ein konstistentes gruppenpädagogisches Setting<br />

ermöglichen Anschlüsse an den verbreiteten Diskurs <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> als Jungengruppenarbeit,<br />

in der gezielte pädagogische und sozialtherapeutische Angebote<br />

Platz finden.<br />

Dabei machten wir allerdings immer wieder die Erfahrung, dass <strong>Jungenarbeit</strong> nach<br />

wie vor eher am Problempol angelegt wird. Sie wird oft verstanden als Instrument,<br />

das dann anzusetzen ist, wenn Jungen auffallen – mit Sexualisierungen,<br />

Übergriffen oder Gewalt. Die Falle wird dabei kaum reflektiert, dass nämlich <strong>Jungenarbeit</strong><br />

damit an das an sich unerwünschte Verhalten gekoppelt bleibt. Dagegen<br />

versuchten wir herauszuarbeiten, dass <strong>Jungenarbeit</strong> mit einer Perspektive<br />

der <strong>Entwicklung</strong>sbegleitung auch und vor allem am Bewältigungspol ausgerichtet<br />

werden kann. In Bezug auf die Methodenvielfalt fiel auf, dass jungenbezogene<br />

Zugänge häufig bis überwiegend im sport- und erlebnispädagogischen Bereich<br />

liegen. Die Möglichkeit zu kulturellen Produktionen in Verbindung mit jugendkulturellen<br />

Zugängen über Musik, Video, Theater oder neue Medien, Jungenpädagogik<br />

im ruhigen Segment oder über darstellende, rollenbezogene und<br />

aktivierende Methoden spielen demgegenüber eine deutlich zu geringe Rolle.<br />

Umgekehrt erlaubt der spezielle Personalschlüssel teilweise auch Einzelarbeit oder<br />

regelmäßige Einzelstunden mit Jungen.<br />

Eine individualisierende Perspektive wurde auch im Zusammenhang mit einer jungenbezogenen<br />

Klärung <strong>von</strong> Auftrag und Entgelt eingenommen: Welche speziellen<br />

Leistungen brauchen einzelne Jungen vor einem geschlechtsbezogenen Hintergrund?<br />

Welche Standards und Qualitätsmerkmale lassen sich dafür definieren und gegebenenfalls<br />

als eigene Leistung vereinbaren? Im Verlauf unterschiedlicher Prozesse<br />

wurde deutlich, dass insbesondere die Tagesgruppen unter einem teilweise enormen<br />

Flexibilisierungs- und Anpassungsdruck stehen und nach Möglichkeiten suchen,<br />

ihr Profil zu schärfen. Geschlechterpädagogik könnte dabei ein Baustein sein,<br />

der auch bei der Konzipierung zunehmend flexibler Hilfen etwa in Form eines jungenpädagogischen<br />

Maßanzugs integriert sein soll – ob gruppenbezogen oder individualisierend.<br />

Eine wichtige Ressource könnten hier die in der Regel gemischten<br />

Teams sein, in denen geschlechtsbezogene Fragestellungen mit einer weiten Perspektive<br />

zu verhandeln sind.<br />

Eine deutliche Grenze zeigte sich allerdings immer wieder bei den institutionellen<br />

Bedingungen in Bezug auf Träger und Leitung. Günstigenfalls unterstützen Träger<br />

und Leitung einzelne Teams bei dieser Auseinandersetzung mit den notwendigen<br />

materiellen Ressourcen, aber auch dann bleibt nach wie vor eine inhaltliche Einbindung<br />

in ein pädagogisches Gesamtkonzept <strong>von</strong> Jugendhilfeeinrichtungen oft aus.<br />

Dazu passt die Erfahrung, dass Geschlechterthemen und -fragen auf der Ebene der<br />

Hilfeplanung offensichtlich keine explizite Rolle spielen. Die Begründungslogik vieler<br />

Hilfen zur Erziehung lässt diesen Zugang scheinbar außer Acht. Geschlechterthemen,<br />

die offensichtlich auf der Ebene der pädagogischen Alltagsgestaltung verortet<br />

werden, fließen hier wenn überhaupt eher latent ein. Dies gilt auch unter der<br />

Perspektive <strong>von</strong> Partizipation im Sinn einer geschlechtsbezogenen Reflexion und<br />

Selbstbestimmung der beteiligten Jungen.<br />

DER PRAXISTIPP – SO WIRD´S GEMACHT:<br />

In den stationären und teilstationären Hilfen zur Erziehung bieten sich unendliche Möglichkeiten geschlechtsbezogener<br />

Arbeit mit Jungen. Ihre Themen, Fragen und Sehnsüchte tauchen täglich neu auf.<br />

Erster Schritt also: diese wahrnehmen, ins Bewußte »heben« und reflektieren. Und dann überlegen,<br />

was die Einrichtung, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genau darauf anzubieten haben. Und<br />

nun der wichtigste Schritt: Die Umsetzung planen – und schnell damit anfangen (gerade das wird leider<br />

allzu oft vergessen...).<br />

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