1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...
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DIFFERENZIERUNGEN<br />
DIE JUGENDHILFEBEREICHE<br />
wie die Geschlechterdynamik und Geschlechterpädagogik zueinander stehen oder<br />
zusammengebracht werden können. Außerdem kämpfen sie mit vielen anderen<br />
grundsätzlichen Schwierigkeiten (Geld, Anerkennung, ...), die viel Energie absorbieren.<br />
• Viele Verbände verfügen über homopädagogische Traditionen (traditionelle Geschlechtertrennung),<br />
die mühsam in den 70er Jahren modernisiert wurden. Geschlechtsdifferenzierte<br />
Arbeit wird nun als Angriff auf diese neue koedukativen<br />
Traditionen verstanden, zumal jede Veränderung selbstverständlich auch verunsichert.<br />
Den wenigen weiterhin homopädagogisch orientierten Verbänden dagegen<br />
gelingt es kaum, ihre »doppelt« traditionellen Auffassungen zu modernisieren.<br />
Sie bleiben statt dessen (lieber) im Alten verhaftet.<br />
<strong>So</strong> viele hemmende Faktoren – können <strong>Jungenarbeit</strong> und -pädagogik in Verbänden<br />
also überhaupt gelingen? Viele Potenziale liegen in der konkreten Arbeit mit Jungen<br />
in den Verbänden. Dies kann ein anderes Beispiel einer Kooperation mit einem<br />
Jugendverband verdeutlichen. Eine erfolgreiche, selbst produzierte Radiosendung<br />
im Freien Radio »Wüste Welle« mit einer verbandlichen Jungengruppe (Jungen<br />
zwischen 11 und 13 Jahren) bildete den Abschluss dieser Kooperation. Am Anfang<br />
stand eine Phase der Verunsicherung: Zu Beginn war unklar, in welche inhaltliche<br />
Richtung die Kooperation gehen könnte. Erfolgreich kann ein solches Projekt sein,<br />
wenn die Jungen die Inhalte selbst bestimmen oder wenn sie hoffen, Erfahrungen<br />
machen zu können, die sie in anderen Settings nicht machen können.<br />
Beim Thema »Radiomachen« kamen weitere Aspekte dazu: die Aussicht auf Interviews<br />
versprach die Macht des Mikrofons, die eigene Livesendung versprach technisches<br />
Know-how und einen Erfahrungsvorsprung im Medienbereich. Mehrere<br />
Faktoren begünstigten hier die Arbeit mit den Jungen: Die Jungen waren für die<br />
Technik zu begeistern, die Bandgräte waren zwar anspruchsvoll in der Bedienung<br />
aber mit ein wenig Routine beherrschbar. Außerdem gab es mehrere Aufgaben,<br />
sodass jeder nach seinen Interessen und Stärken als Interviewer, Tontechniker oder<br />
Stichwortgeber tätig werden konnte. Darüber hinaus haben sie in jeder Gruppenstunde<br />
sofort erste Erfolge erlebt. Sei es bei Probeinterviews oder am Schneideplatz,<br />
das ganze Projekt war so aufgebaut, dass es keine Zeiten ohne (kleine) Zwischenerfolge<br />
gab. Am Ende stand die Sendung. Auch dort konnten die Jungen je<br />
nach Interesse verschiedene Aufgaben übernehmen: DJ, Moderator, oder Interviewpartner.<br />
Durch die eigene Musikauswahl entstand Authentizität. Ein kleines<br />
Ritual am erfolgreichen Ende des Projekts machte den Jungen klar, dass sie gemeinsam<br />
etwas erlebt, geleistet und zu Ende gebracht haben.<br />
<strong>Jungenarbeit</strong> braucht – darauf haben wir zu Beginn dieses Abschnitts hingewiesen<br />
– einen enormen Aufwand, um im Jugendverband zu funktionieren. Viel Zeit wurde<br />
auch tatsächlich in die Kontaktaufnahme, vertrauensbildende Maßnahmen und<br />
die Vorbereitung investiert. Die eigentliche Aktion jedoch war weniger aufwändig,<br />
für die Verantwortlichen in den Verbänden befriedigend und die Jungen bzw. Männer<br />
stark erlebnis- und erfahrungsorientiert. In erster Linie sollten sich die Verantwortlichen<br />
auch immer genug Zeit für Vorbereitung und konzeptionelle Überlegungen<br />
nehmen. Dies ist unserer Ansicht nach unabhängig <strong>von</strong> der Frage ob<br />
innerhalb geschlechtshomogener oder geschlechtsheterogener Gruppen agiert wird.<br />
Dann tritt die Frage nach dem Aufwand in den Hintergrund. Vielmehr stellt sich die<br />
Frage, wie hoch die Bereitschaft zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit pädagogischen<br />
Fragen überhaupt ist. Ob diese Bereitschaft an der verbandlichen »Basis«<br />
breit vorhanden ist, scheint zumindest fragwürdig.<br />
DER PRAXISTIP – SO WIRD´S GEMACHT:<br />
Die vielleicht interessantesten Zielgruppen in Jugendverbänden sind zunächst die Funktionsträger. <strong>Entwicklung</strong><br />
beginnt am besten bei ihnen: Den Gruppenleitern, Verbandsleitern, Vorständen usw. Weil sie<br />
die verbandliche Geschlechtermoral verkörpern, sind sie besonders bedeutsam. Am wichtigsten ist es,<br />
ihnen zu vermitteln, dass geschlechtsbezogene Arbeit interessant und gewinnbringend ist. Das <strong>geht</strong> am<br />
besten, wenn Spaß und Lust in einer guten Balance zu Inhalten und Reflexion stehen.<br />
Vereinsjugendarbeit<br />
Ähnlich, wie die Jugendverbände konnten auch die Vereine <strong>von</strong> sich aus mit den<br />
Angeboten des Projekts »Jungenpädagogik« offenbar wenig anfangen. Mit »Vereine«<br />
meinen wir hier die traditionellen und etablierten Vereine in den Bereichen<br />
Sport, Fußball, Schützen, Fischer usw. (Mit »modernen« Vereinen und Projekten in<br />
Vereinsstruktur gab es dagegen vielfältige Kooperationen, die an dieser Stelle jedoch<br />
nicht unter »Verein« subsumiert werden). In der Tendenz können wir sagen:<br />
je traditioneller, etablierter und größer ein Verein ist, desto weniger interessiert er<br />
sich für die Geschlechterthematik bzw. für seine eigene <strong>Entwicklung</strong>. Das bedeutet<br />
nicht, dass in Vereinen nicht auch gut mit Jungen gearbeitet wird oder zumindest<br />
werden könnte – geschlechtshomogen oder koedukativ – nur fehlt der Aspekt des<br />
<strong>Geschlechtsbezogene</strong>n oder -reflektierten meist völlig (wie auch andere pädagogische<br />
Ansätze und Gedanken dort wenig Platz haben).<br />
Wo es im Projekt Kontakte zur Vereinsszenerie gab, entstanden diese vor allem aus<br />
persönlichen Bezügen und Bekanntschaften. <strong>So</strong> konnten wir zusammen mit einem<br />
traditionellen Verein für Wassersport im <strong>So</strong>mmerferienprogramm zweimal ein »Piratenunternehmen«<br />
für Jungen anbieten – für uns ein schöner Zugang zu Jungen,<br />
für den Verein verknüpft mit dem Interesse, vielleicht neue Mitglieder zu bekommen.<br />
Ganz selten gibt es in den Projektregionen Vereinsmitarbeiter, die bereits ge-<br />
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