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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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DIFFERENZIERUNGEN<br />

DIE JUGENDHILFEBEREICHE<br />

ge) Mitarbeiterin, die auch selbst ein Programm für Mädchen anbietet, spürt bei<br />

den Jungen einen starken homopädagogischen Bedarf – nicht nur als Reflex auf<br />

die Mädchenarbeit. In der Kooperation mit dem Projekt »Jungenpädagogik« wird<br />

als Übergangslösung ein spezielles Ferienangebot für Jungen entwickelt – drei<br />

Tage »männliche Fürsorglichkeit und Erlebnis«, ein spannendes und spannungsreiches<br />

Programm zwischen Selbstversorgung, Kooperationserfahrung, Abenteuer<br />

und Reflexion. Die Kollegin suchte und fand Zuschüsse, um das Angebot für<br />

Jungen zu finanzieren. Wegen des großen Erfolgs wird das Projekt wiederholt.<br />

Nun sucht die Mitarbeiterin einen Honorarmitarbeiter für die kontinuierliche Arbeit<br />

mit Jungen (was aufgrund der ländlichen Lage nicht einfach ist).<br />

• In einem Kinder- und Jugendhaus in der städtischen Region entwickelten die<br />

Mitarbeiter ein fundiertes und ausdifferenziertes Konzept geschlechtsbezogener<br />

Pädagogik – vorbildlich als mädchen-, jungen- und koedukationsbezogene Konzeption.<br />

Nach anfänglicher ideologischer Überforderung der Jungen lassen sich<br />

heute nur noch Restbestände <strong>von</strong> hohen Ansprüchen feststellen. Diese sorgten<br />

in der Anfangszeit dafür, dass Angebote für Jungen <strong>von</strong> diesen selbst nicht angenommen<br />

wurden. Heute werden in dieser Einrichtung sämtliche Raumkonzepte<br />

konsequent geschlechtsbezogen reflektiert. Der offene Bereich wird dadurch quasi<br />

»überwacht« und es wird wenn nötig dafür gesorgt, dass auch Mädchen zu<br />

ihrem Recht kommen. <strong>So</strong> entwickelte sich eine institutionelle Kultur, in der auch<br />

die Angebote für Jungen selbstverständlich sind – es gibt also auch einen »Jungenraum«.<br />

Im offenen Bereich beschränkt sich die Geschlechtsspezifik ansonsten<br />

auf ein möglichst breites Angebot und die Möglichkeit, zusammen mit Männern<br />

– z.B. im Werkraum – etwas zu »machen«. Neben diesen offenen und<br />

alltäglichen Angeboten spielen die besonderen »Events« für Jungen eine wichtige<br />

Rolle. Diese Angebote werden zunehmend alterspezifisch differenziert (für<br />

jüngere und ältere Jungen). Gute Erfahrungen wurden dabei z.B. mit Übernachtungen<br />

im Haus gemacht. Aber auch bei den thematischen Projekten machen<br />

die Jungen gerne mit, z.B. im »Indianerprojekt«, bei dem sich jeder Junge einen<br />

Indianernamen geben durfte, es mussten Aufgaben erfüllt werden, es gab Indianerrituale<br />

(Redestab) usw.<br />

Projekte und »Events« dominieren in der offenen und mobilen Jugendarbeit die<br />

Erfahrungen mit <strong>Jungenarbeit</strong> und -pädagogik. Seien es Jungentage mit neuen<br />

und spannenden Angeboten, Übernachtungsaktionen, Videoprojekte oder der<br />

Schweißkurs »happy metal« – hier »<strong>geht</strong>« <strong>Jungenarbeit</strong> häufig. Weit weniger<br />

wurde konzeptionell über den offenen Bereich nachgedacht, der doch die meiste<br />

Zeit (und Energie) der Mitarbeiter beansprucht. Im offenen Bereich beschränkt<br />

sich Pädagogik häufig auf die Wirt- und Polizistenfunktion, die Informationsund<br />

Beratungsgespräche, für die es pädagogische Qualifikationen braucht, sind<br />

in vielen Einrichtungen eher selten. In einer längeren Kooperation »delegierten«<br />

wir vom Projekt aus einen Praktikanten, der in einer offenen Einrichtung – ein<br />

Schülerinnen- und Schülercafé – in der offenen Alltagsarbeit mitwirken konnte.<br />

Ausgangspunkt der Kooperation war, dass die hauptamtliche Mitarbeiterin mehr<br />

intuitiv wusste und gespürt hat, dass ein Mann im Café gut und sinnvoll wäre.<br />

Dieses Experiment »Mann-ins-Café« ist ausgesprochen gut geglückt. Es brauchte<br />

anfangs eine längere Anwärm- und Eingewöhnungsphase für die Jungen und für<br />

den Praktikanten. Danach aber hat sich eine »andere«, eine bessere Jungenkultur<br />

entwickelt, die auch dann wirksam war, wenn der Praktikant nicht anwesend war<br />

– er war also nicht nur Polizist, sondern es hat sich bei den Jungen und unter den<br />

Jungen offenbar etwas entwickelt. Das einziges Problem war das Ende dieses<br />

Projekts, dass also nach guter Vorarbeit schließlich wieder kein Mann im offenen<br />

Betrieb arbeitete.<br />

Bei den vielen Kontakten, die wir in der offenen und mobilen Jugendarbeit hatten,<br />

kam eine konzeptionelle Beratung einer Einrichtung oder die gemeinsame Arbeit<br />

an einer neuen, jungenbezogenen Konzeption nicht zustande. Allerdings gab es<br />

zwei Arbeitsgruppen <strong>von</strong> Mitarbeitern in der offenen Jugendarbeit bzw. im mobilen<br />

Bereich, die sich in Bezug auf eine »Gesamtkonzeption« hin beraten ließen (zur<br />

Erarbeitung <strong>von</strong> Grundlagenpapieren dieser Arbeitsgruppen). Sicher ist ein Grund<br />

dafür auch, dass in der offenen und mobilen Arbeit die Jungen ja ohnehin »da«<br />

sind, und durch ihren Präsenzüberhang die meisten Einrichtungen <strong>von</strong> ihrem Erscheinen<br />

her dominieren. Andererseits schien es oft so, dass das Alltagsgeschäft so<br />

viel Energie absorbiert, dass über zeitgemäße Konzeptionen nicht mehr nachgedacht<br />

werden kann/soll. Auch die fehlende Fachdiskussion auf der Jungenseite –<br />

»Geschlecht« gilt als Mädchen- und Frauenthema – verhindert jungenbezogene<br />

Perspektiven. Und viele Mitarbeiter und auch Männer in Leitungsfunktionen sind<br />

da<strong>von</strong> überzeugt, sie hätten die Geschlechterfrage damit »erledigt«, dass es Mädchenangebote<br />

gibt (Räume, Mädchentag).<br />

Neben positiven Beispielen, einem angeregt aufgeschlossenen und einem zumindest<br />

verbal aufgeschlossenen Mittelbereich fanden sich Einrichtungen der offenen<br />

Jugendarbeit einige ältere Mitarbeiter, die fast schon verknöchert wirkten (kein<br />

Wunder, z.B. nach 15 Jahren offener Arbeit – allerdings sind Alter oder Dauer einer<br />

Stellenbesetzung allein noch kein hinreichender Grund für Verknöcherung). Andere<br />

zeichneten sich durch demonstratives Nicht-Befassen mit Geschlechterfragen<br />

aus. Das Argument »ich habe eben andere Schwerpunkte« scheint dabei – überraschenderweise<br />

auch bei den Kolleginnen – völlig legitim zu sein, Geschlecht als<br />

Reflexionsebene oder konzeptionellen Hintergrund grundsätzlich abzulehnen. Dabei<br />

spielt offenbar auch eine Rolle, dass die Leitungsebene ihre Richtlinienkompetenz<br />

in Bezug auf Geschlechterpädagogik nicht oder nicht ausreichend durchsetzt<br />

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