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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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WOZU JUNGENARBEIT UND JUNGENPÄDAGOGIK?<br />

WOZU JUNGENARBEIT UND JUNGENPÄDAGOGIK?<br />

eine Generationendistanz – Pädagogik findet hier zwischen unterschiedlichen Generationen<br />

statt (vgl. auch Winter/Neubauer 1999).<br />

Ein wesentliches Thema für Jungen ist dabei die Abgrenzung <strong>von</strong> der Vätergeneration<br />

und die damit zusammenhängenden Generationskonflikte, die jedoch gleichzeitig<br />

unter einem starken Integrationsdruck stehen – die Jungen sollen und wollen<br />

meist auch sozial integriert sein und bleiben (etwa in Bezug auf Arbeit und Beruf).<br />

Aus diesen Gründen sind Beziehungsformen zu älteren Generationen und Generationenverhältnisse<br />

ein Aspekt der Lebenslage.<br />

Risiken für Jungen liegen einerseits in Gefühlen der Unterlegenheit unter übermächtige<br />

Väter und Vaterfiguren bzw. Mütter und Mütterfiguren, weil diese den<br />

Aufbau eines stabilen generationsbezogenen Selbstwertgefühls verhindern. Auf der<br />

anderen Seite kann eine Unterwerfung unter ältere Generation als Vermeidung <strong>von</strong><br />

Generationskonflikten zwar eine Lösung darstellen, sie trägt aber nicht zum Erwachsensein<br />

und -werden bei. Darüber hinaus kann Generation <strong>von</strong> den jeweils<br />

älteren auch als subtile oder offene Machtform oder als Übergangsblockade instrumentalisiert<br />

werden.<br />

In <strong>Jungenarbeit</strong> und -pädagogik kann für die Jungen eine wichtige Ressource in<br />

»gelingenden« Generationenverhältnissen liegen. Gute bzw. »andere« Generationenbeziehungen<br />

können dazu beitragen, dass die Jungen Generation als wichtige<br />

Übergangshilfe in Ablösungsprozessen erfahren und begreifen. Umgekehrt kann<br />

ein Mann oder eine Frau aus der älteren Generation Jungen unterstützen, wenn sie<br />

generationsbezogene Konflikte, Reibungen und notwendige Ablösungen aushalten<br />

(z.B. anders als die Eltern bzw. ohne beim Jungen Verlustängste hervorzurufen).<br />

Gesellschaft<br />

Die Geschlechterdiskussionen unserer Zeit sind üblicherweise auf sozial-strukturelle<br />

Argumentationslinien ausgerichtet oder zumindest in diese eingehängt. Und bereits<br />

die Definition <strong>von</strong> »Lebenslage« verweist darauf, dass die gesellschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen deutlichen Einfluß auf die Lebenslagen nehmen und die Lebenslagen<br />

bedingen. Deshalb ist selbstverständlich: ohne gesellschaftlichen Bezug<br />

keine vollständige Geschlechterthematisierung. Die allgemein weitschweifigen und<br />

vielschichtigen soziologischen und sozialpolitischen Dimensionen <strong>von</strong> Geschlecht<br />

können wir an dieser Stelle jedoch nur kurz anreißen, um die Auswirkungen auf<br />

Lebenslagen nachzuzeichnen.<br />

Der »patriarchatskritische« Diskussionsstrang berücksichtigt vor allem die geschlechtsbezogenen<br />

sozialen Machtverhältnisse. <strong>So</strong>lche Machtstrukturen, in denen<br />

Jungen aufwachsen, definieren ihre Lebenslage mit: etwa »das Patriarchat« (Herrschaft<br />

<strong>von</strong> älteren Männern über jüngere und Frauen) oder – heute vielleicht besser<br />

– patriarchale Strukturen bzw. deren Reste, die Akzeptanz oder gar Förderung patriarchaler<br />

Strukturen durch Frauen und Männer oder die Auswirkungen struktureller<br />

<strong>So</strong>zialisation (z.B. Aufwachsen in bestimmten politischen oder räumlichen Strukturen)<br />

usw. Jungen befinden sich in dieser Hinsicht oft in einem »Dominanzdilemma«:<br />

Zwar wird ihnen gesellschaftlich-strukturell nach wie vor Bevorzugung oder gar<br />

Überlegenheit zugeschrieben und zugestanden; gleichzeitig gibt es jedoch – insbesondere<br />

bei marginalisierten Jungen – subjektiv-individuelle Unterlegenheiten (es<br />

gibt auch »Verlierer«), auch in Relation zu Mädchen.<br />

Modernisierungsbezogene Diskussionsstränge verfolgen die gesellschaftliche <strong>Entwicklung</strong><br />

dagegen eher entlang der Frage, wie sich Gesellschaft geschlechtsbezogen<br />

wandelt und weiter entwickelt. Modernisierungsprozesse haben zu einer Pluralisierung<br />

<strong>von</strong> Geschlechterwirklichkeiten und zur Individualisierung <strong>von</strong> Geschlecht<br />

geführt. Deshalb läßt sich heute eine große Vielfalt <strong>von</strong> Bewältigungsoptionen im<br />

Schnittpunkt <strong>von</strong> Jugendphase und Mannwerden wahrnehmen – allerdings in einer<br />

ressourcenabhängigen Relevanz, und das heißt: Je weniger Ressourcen einem<br />

Jungen und Mann zur Verfügung stehen, desto prekärer ist auch seine Lebenslage<br />

»Junge-« bzw. »Mannsein«.<br />

Ein weiterer Zugang befasst sich eher mit der Frage, welche gesellschaftlichen Männlichkeitsvorstellungen<br />

vorherrschen und wie sie sich entwickeln. Hier können wir<br />

ein »Männlichkeitsdilemma« feststellen. Denn traditionelle Männlichkeitsbilder werden<br />

relativ durchgängig (moralisch) abgewertet. Gleichzeitig werden solche Bilder<br />

mit hoher Selbstverständlichkeit kulturell und strukturell vermittelt (und wiederum<br />

kann eine ressourcenabhängige Relevanz festgestellt werden: je weniger Ressourcen,<br />

desto prekärer dieses Dilemma, je mehr Ressourcen, desto einfacher ist ein<br />

sozialverträglicher Umgang damit). Und daneben wird zunehmend entdeckt und<br />

diskutiert, inwiefern Geschlecht lediglich ein soziales Konstrukt darstellt, das situativ<br />

hergestellt und kulturell verfestigt wird – aber immer die Möglichkeit bietet, sich<br />

auch anders verhalten zu können.<br />

Weil die Lebenslagendimension »Gesellschaft« vom einzelnen Jungen aus gesehen<br />

»weit weg« ist, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise die Gesellschaft eine<br />

Lebenslage Jungesein direkt beeinträchtigt und Risiken birgt. Sicher kann es dort,<br />

wo sich Jungen streng patriarchale Vorstellungen als Vorbild heranziehen, zu Schwierigkeiten<br />

und heftigen Konflikten kommen – insbesondere im Kontakt mit Mädchen<br />

und Frauen. Wenn das Junge– oder Mannsein mit »Macht haben« definiert<br />

wird und es deshalb Sehnsüchte nach Machtausübung und Dominanzverhalten<br />

gibt, können Jungen ebenfalls mit anderen Wünschen und Wirklichkeiten kollidieren.<br />

Eine besonderes Risiko stellt die patriarchale Spannung dar, gleichzeitig Akteur<br />

und Opfer des Patriarchats zu sein bzw. werden zu können – wobei der Opfer-<br />

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