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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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WOZU JUNGENARBEIT UND JUNGENPÄDAGOGIK?<br />

WOZU JUNGENARBEIT UND JUNGENPÄDAGOGIK?<br />

Biographie<br />

Die Jungen, mit denen wir pädagogisch arbeiten, kommen auf uns zu mit ihrer<br />

bisherigen Biographie, die auch körperlich-habituell eingeschrieben ist und sich widerspiegelt.<br />

Was ein Junge in seinem bisherigen Leben erfahren hat, ist auch ausschlaggebend<br />

dafür, wie er »als Junge« ist.<br />

In der Jungenbiographie sind zuerst die Beziehung zur Mutter und zum Vater bzw.<br />

zu den entsprechenden Bezugspersonen bedeutsam. Immer wieder wird als ein<br />

zentraler Faktor die »segmentierte Männerpräsenz« benannt, die die Lebenslage<br />

<strong>von</strong> Jungen beeinträchtigt: In der frühen Biographie fehlen vielen Jungen vor allem<br />

alltägliche Erfahrungen mit Männern. Neben biographischen Ereignissen haben biographische<br />

Perspektiven eine hohe Bedeutung für das Jungesein – insbesondere die<br />

Perspektive »Partnerschaft« (etwa in Bezug auf Heterosexualitätserwartungen oder<br />

die angenommene Gestaltung <strong>von</strong> Partnerschaft und Elternschaft) und die Perspektive<br />

»Beruf« (Berufsorientierung, lineare Normalberufsbiographie, Übergang<br />

in Berufsarbeit, geschlechtsspezifischer Arbeitsmarkt).<br />

Biographische Risiken liegen für Jungen (wie auch für Mädchen) in Bindungsarmut,<br />

Traumata (v.a. selbst erlittene oder beobachtete Gewalt; sexueller Missbrauch), Beziehungsarmut<br />

und <strong>Entwicklung</strong>sverzögerung; der geschlechtsbezogene Effekt zeigt<br />

sich hierbei in den besonderen Bewältigungsversuchen und -angeboten, die Jungen<br />

<strong>von</strong> ihrer sozialen Umwelt oder gesellschaftlich gemacht werden. Für einen Teil<br />

der Jungen sind unzulängliche und unrealistische Vorstellungen über gelebtes Mannsein<br />

und – damit zusammenhängend – Reduktionen und Fixierungen (z.B. auf Beruf,<br />

reduzierte Männlichkeitsbilder) Folgen biographischer Erfahrungen.<br />

Umgekehrt bietet die Jugendphase als »zweite Chance« auch Ressourcen dafür,<br />

die Potenziale auszuschöpfen, die im Jungesein liegen. Dabei kann die Begegnung<br />

mit »anderen« Männern und Vaterersatzfiguren bzw. »anderen« Frauen und Mutterersatzfiguren<br />

biographische Defizite korrigieren. Die zunehmende Übernahme<br />

<strong>von</strong> Selbstverantwortung für die eigene Biographie trägt darüber hinaus dazu bei,<br />

dass sich die Potenziale des Jungen entfalten können. Auch Kinder- und Jugendhilfe<br />

kann – sofern sie lebenslagenbezogen konzipiert und veranstaltet wird – als eine<br />

biographische Chance begriffen werden.<br />

Lebensphase<br />

Die Freisetzung der Lebensphase »Jugend« hat dazu geführt, dass das Jugendlich-<br />

Sein seit einigen Jahrzehnten etwas Eigenständiges ist (und nicht nur eine Übergangsphase<br />

mit der Perspektive aufs Erwachsensein). Dem entsprechend spielt bei<br />

den Jungen auch der Status »als Jugendlicher« in ihre Lebenslage mit hinein, genauso<br />

wie die jeweilige Dynamik der Jugendphase und -kulturen. Vor allem eine<br />

soziale <strong>Entwicklung</strong>sdynamik der Jugendphase, die den Impuls zur kulturellen Veränderung<br />

aufnimmt, beinhaltet eindeutige Delegationen an die Jungen (in Schulklassen<br />

sind z.B. eher Jungen die »Revolutionäre«), <strong>von</strong> Jungen wird der »Kampf<br />

gegen die Väter« erwartet, wenn auch heute nur noch sehr vermittelt. Der Aspekt<br />

der kulturellen Lösung in der Jugendphase ist ein wichtiges Element sozialer <strong>Entwicklung</strong>.<br />

Viele Jungen profitieren <strong>von</strong> diesen Zuschreibungen in der Jugendphase, sie erhalten<br />

dadurch ihren Status, Resonanz, Kompetenzen. Risiken können dagegen in der<br />

Cliquendynamik als Problembeschleuniger liegen, vor allem im Hinblick auf Gewaltbereitschaft<br />

oder in Bezug auf Gewaltdelikte aus der Clique heraus. In den<br />

entsprechenden Jugendkulturen werden Jungen zwar Ressourcen der Zugehörigkeit<br />

und Identität geboten, gleichzeitig werden hier nicht selten Risiken erkennbar,<br />

z.B. der Konsum legaler und illegaler Drogen, Suchtgefährdung oder anderes jugendliches<br />

Risikoverhalten.<br />

Die Ressourcen dieses Lebenslagenaspekts sind vor allem in der Jugendphase als<br />

»zweiter Chance« (Mario Erdheim) zu sehen: In der Lebensphase Jugend können –<br />

auch geschlechtsbezogene – Konflikte angegangen und bewältigt werden, die quasi<br />

<strong>von</strong> der Kindheit »übriggeblieben« sind. Gleichaltrigengruppen können dabei als<br />

Halt und Heimat gelten.<br />

Generation<br />

In der Moderne haben sich – z.B. durch das Leitmotiv Jugendlichkeit oder durch<br />

Pluralisierungseffekte – Generationenbezüge zwar weitgehend aufgelöst. Dennoch<br />

werden Lebenslagen <strong>von</strong> Jungen nach wie vor <strong>von</strong> Generationenverhältnissen entscheidend<br />

mit beeinträchtigt: etwa in Bezug auf Eltern und Großeltern, auf aktuelle<br />

Generationenthemen (wie Renten, Generationenvertrag, Verteilung <strong>von</strong> Arbeit) oder<br />

auf Lebensgefühle in der gegenwärtigen Jugendgeneration (Generation X, »null<br />

Bock«, Fun-Generation, Generation Golf...). Umgekehrt können wir bei Jungen<br />

mit rechtsreaktionären Tendenzen im Einklinken in traditionelles Gedankengut der<br />

Väter- und Großvätergeneration teils generative Abgrenzung, teils Unterwerfung<br />

entdecken. Aber auch <strong>Jungenarbeit</strong> und Jungenpädagogik beinhalten in der Regel<br />

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