1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...
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WOZU JUNGENARBEIT UND JUNGENPÄDAGOGIK?<br />
WOZU JUNGENARBEIT UND JUNGENPÄDAGOGIK?<br />
Diese Aspekte der Lebenslage Jungesein sind selbstverständlich nicht ausschließlich<br />
auf Jungen hin wirksam. Sie haben jeweils – neben der geschlechtsbezogenen –<br />
auch eine allgemeine Relevanz. Gemäß dem Pole-Modell <strong>von</strong> Magnus Hirschfeld<br />
(vgl. Winter/Neubauer 2001) sind diese Dimensionen auch nicht <strong>von</strong>einander zu<br />
trennen: Wie hängt das Menschlich-Individuelle überhaupt mit dem Geschlecht<br />
zusammen? Magnus Hirschfeld, einer der ersten modernen »Geschlechterforscher«<br />
hat für dieses Problem ein einleuchtendes Bild entwickelt (das natürlich wie jeder<br />
andere Vergleich auch an bestimmten Stellen »hinkt«). Er vergleicht »Mensch« und<br />
»Geschlecht« mit zwei Polen einer Kugel – wohlgemerkt: nicht »männlich« und<br />
»weiblich« sondern – in unserem Fall – »Mann« und »Mensch«. Wenn wir – ohne<br />
Markierungen – eine solche Kugel betrachten, können wir kaum sagen, wo sie<br />
»menschlich« oder »männlich« ist – beides hängt einfach miteinander zusammen.<br />
Wie »stark« und bedeutsam aufgeladen der geschlechtsbezogene Pol dabei ist, ist<br />
sozial definiert und abhängig <strong>von</strong> der jeweiligen gesellschaftlichen Situation, in der<br />
wir leben; das Minimum dabei sind die körperlichen Aspekte <strong>von</strong> Geschlecht, also<br />
die Dimension »Sex« in der englischen Sprache.<br />
Pol »Mensch«<br />
(Person, Individuum)<br />
xy<br />
Pol »Mann«<br />
(Geschlecht)<br />
Wir konzentrieren uns an dieser Stelle auf die geschlechtsbezogenen Aspekte der<br />
Lebenslage Jungesein (ohne das Allgemeine immer ganz außen vor lassen zu können).<br />
Zu jedem dieser Bereiche gibt es besondere Themen, Probleme und Risiken,<br />
aber auch Potenziale und Ressourcen, die wir im Folgenden kurz, exemplarisch<br />
(und vermutlich unvollständig) umreißen.<br />
Körper<br />
Ob ein Junge dick oder schmächtig ist, groß und breit oder klein und hager, kerngesund,<br />
chronisch krank oder körperbehindert, ob er Akne hat oder einen starken<br />
Bartwuchs, manchmal sogar ob sein Penis groß oder klein ist – auch körperliche<br />
Merkmale sind für die Persönlichkeit disponierend. Nicht nur pädagogisch begegnen<br />
wir Jungen auch »als Körper«: darin, wie der Junge in seinem Körper lebt, wie<br />
er gebaut ist, wie er mit sich »als Körper« um<strong>geht</strong> usw. Und ob bzw. wie ich als<br />
Pädagoge oder Pädagogin den Jungenkörper wahrnehme, erlebe, definiere – das<br />
alles sind wichtige Aspekte <strong>von</strong> Pädagogik. Als Resonanz wirken sie situativ wieder<br />
zurück auf den Jungen und bestimmen seine Lebenslage mit.<br />
Der Körper <strong>von</strong> Jungen ist zwar soziokulturell überformt und kulturell »aufgeladen«<br />
und anders gar nicht denkbar. Dennoch kann der Körper mit seinen biologischen<br />
Gegebenheiten auch als Bedingung und Disposition gesehen werden: Von<br />
seinen Anlagen (Genetik, XY-Chromosom) her, als biologisches Geschlecht (Dimension<br />
»Sex« im Gegensatz zu Gender) mit bestimmten Merkmalen oder in Bezug auf<br />
die hormonelle Steuerung. Auf der anderen Seite sind für Jungen Themen der körperlichen<br />
<strong>Entwicklung</strong>, die mit dem pubertären <strong>Entwicklung</strong>sschub zusammenhängen,<br />
<strong>von</strong> besonderer Bedeutung. Und schließlich spielt Sexualität als (auch) körperliches<br />
Ereignis eine unbestritten wichtige Rolle in der Jugendphase.<br />
Als körperliches Risiko für Jungen kann einerseits das körperliche Be-Handeltwerden<br />
in Kindheit und Jugend gesehen werden (z.B. Vernachlässigung, Gewalt, mangelhafte<br />
Versorgung mit Lebensmitteln, fehlende körperliche Zuwendung). Zum<br />
anderen trägt der Körper mit seinem Aussehen zum geschlechtsbezogenen Erscheinungsbild<br />
bei – sowohl <strong>von</strong> den genetischen Anlagen her (Genotyp, z.B. Haar- und<br />
Augenfarbe, Stärke des Bartwuchses, Körpergröße), als auch über Habitualisierungen<br />
als gleichsam »inkorporierte Lebenslage« (Phänotyp).<br />
Potenziale und Ressourcen liegen für Jungen wie auch für den professionellen Zugang<br />
in ihrem Körper als Ausdrucksmedium und als Präsentationsform (sich zeigen,<br />
darstellen). Dazu gehören auch Bezüge zur körperlichen Schönheit und ein Verständnis<br />
männlicher Körperlichkeit (Muskeln, Stärke, Körperspannung und -entspannung).<br />
Weitere Ressourcen können körperliche Aneignungs- und Bewältigungsformen<br />
bieten (Sport, Aktivität, Raufen, faires Kämpfen, Erlebnispädagogik, aktive<br />
Entspannung).<br />
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