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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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WOZU JUNGENARBEIT UND JUNGENPÄDAGOGIK?<br />

WOZU JUNGENARBEIT UND JUNGENPÄDAGOGIK?<br />

Wozu <strong>Jungenarbeit</strong> und Jungenpädagogik?<br />

Es passiert selten, dass so gefragt wird und manchen klingt es fast schon ketzerisch<br />

– aber die Fragestellung ist grundlegend und wichtig: Wozu braucht es überhaupt<br />

<strong>Jungenarbeit</strong> und Jungenpädagogik? Im Projekt und schon davor sind uns eine<br />

ganze Reihe <strong>von</strong> Argumenten begegnet, <strong>von</strong> der Abschaffung des Patriarchats,<br />

über den Schutz <strong>von</strong> Mädchen und Frauen bis hin zum Spaßfaktor – allein: Keines<br />

hat uns so richtig und uneingeschränkt überzeugt 3 . Selbstverständlich sind alle Begründungszusammenhänge<br />

partiell einleuchtend und legitim (und nicht etwa<br />

»falsch«), für Jungenpädagogik gibt es (und braucht es wahrscheinlich) auch keine<br />

exklusive, allgemeingültige und allumfassende Begründung. Es braucht dagegen<br />

eine mehr »inclusive« Begründung.<br />

Nach und nach haben wir an einer auf den ersten Blick schlichten Begründung<br />

immer mehr Gefallen gefunden: <strong>Jungenarbeit</strong> und Jungenpädagogik sind notwendig,<br />

um die Lebenslagen <strong>von</strong> Jungen aufzunehmen und wo möglich positiv zu<br />

erweitern. Primäres Ziel <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> und Jungenpädagogik ist es deshalb,<br />

Lebenslagen <strong>von</strong> Jungen zu verbessern. <strong>Jungenarbeit</strong> und Jungenpädagogik »gehen«<br />

dann, wenn sie die Lebenslagen <strong>von</strong> Jungen hinreichend berücksichtigen<br />

und sie verändern helfen.<br />

<strong>Jungenarbeit</strong> und Jungenpädagogik sind spezielle und spezialisierte Bereiche <strong>von</strong><br />

Jugendhilfe. Deshalb ist es notwendig und liegt nahe, die Begründung <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong><br />

und Jungenpädagogik auf das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) rückzubeziehen.<br />

Mit unserer Begründung schließen wir also zunächst an die gesetzliche<br />

Grundlage der Jugendhilfe in Deutschland an und beziehen deren Kernauftrag mit<br />

ein: »Bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben sind<br />

(...) die unterschiedlichen Lebenslagen <strong>von</strong> Mädchen und Jungen zu berücksichtigen,<br />

Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung <strong>von</strong> Mädchen und<br />

Jungen zu fördern« (§ 9.3 KJHG).<br />

3<br />

<strong>So</strong>lche Ansätze finden sich im Anhang (S. 131) unter der Überschrift »Was macht die Arbeit mit Jungen<br />

zur <strong>Jungenarbeit</strong>?«.<br />

Sämtliche anderen Begründungszusammenhänge lassen sich diesem »Oberziel« der<br />

Berücksichtigung und gegebenenfalls Verbesserung <strong>von</strong> Lebenslagen unterordnen.<br />

An einem Beispiel: Lautet die Begründung für <strong>Jungenarbeit</strong>, dass Jungen Gewalt<br />

nicht als Konfliktlösungsform verwenden sollen, dann führt »Gewalt« als Bewältigungsform<br />

letztlich wieder auf die Lebenslage der Jungen zurück – etwa in fehlenden<br />

Ressourcen zur Aneignung alternativer Konfliktregelungsformen oder zur Kultivierung<br />

<strong>von</strong> Aggression; in selbst erlebter Gewalt als Opfer, als Zuschauer, als<br />

erfolgreicher Schläger; oder in fehlenden gefühlsintensiven oder cliquenbezogenen<br />

Erlebnismöglichkeiten in der Freizeit usw.<br />

Der geläufige und eingängige Begriff der Lebenslagen verführt leicht dazu zu meinen,<br />

man wüsste, wo<strong>von</strong> geredet wird. Aber wahrscheinlich gibt es nur wenige<br />

Pädagogen, Pädagoginnen, Anbieter oder Träger <strong>von</strong> Jugendhilfe, die aus dem<br />

Stand Kriterien aufführen könnten, die Lebenslagen <strong>von</strong> Jungen kennzeichnen oder<br />

strukturieren – und dennoch werden sie alle das Ziel unterschreiben, dass die Lebenslagen<br />

<strong>von</strong> Jungen (und Mädchen) in den jeweiligen Leistungen zu berücksichtigen<br />

sind. Meistens wird bei der Frage nach der Lebenslage »Jungesein« auf häufige<br />

Bewältigungsformen verwiesen (z.B. Aktivität, Gewalt), oder es werden<br />

Bruchstücke zitiert, die in der Geschlechterdiskussion regelmäßig auftauchen (z.B.<br />

der Einfluß <strong>von</strong> Medien; fehlende Väter), und letztlich wird nach wie vor viel spekuliert.<br />

Im Projekt hatten wir jedenfalls oft den Eindruck: Zwar reden viele über<br />

Lebenslagen, aber letztlich weiß keiner so recht, wo<strong>von</strong> er spricht. Eine – zwangsläufig<br />

phasenweise auch etwas abstraktere – Annäherung an Lebenslage(n) <strong>von</strong><br />

Jungen erscheint uns deshalb als notwendig. Wir gehen dabei so pointiert wie möglich<br />

vor, eine ausführlichere Darstellung der Lebenslage »Jungesein« muß aus Platzgründen<br />

an anderer Stelle erfolgen.<br />

Lebenslage – auch ein Begriff<br />

Unter »Lebenslage« verstehen wir allgemein die gesellschaftlich-historischen Rahmenbedingungen,<br />

in denen wir leben: die besonderen Lebensbedingungen, -chancen<br />

und auch Probleme <strong>von</strong> sozialen Gruppen – Ressourcen, Potenziale und Risiken.<br />

Lebenslagen sind also zunächst gesellschaftlich und sozialpolitisch bedingt.<br />

Lebenslagen haben immer auch einen konkreten historischen Kontext. Sie werden<br />

aber auch individuell-biographisch aufgeschlossen. Der Begriff »Lebenslage« ist für<br />

<strong>Jungenarbeit</strong> und Jungenpädagogik besonders interessant und nützlich, weil er –<br />

wie auch »Geschlecht« – sowohl soziale, als auch individuelle und professionelle<br />

Aspekte berücksichtigen kann.<br />

In der modernisierten, pluralisierten postindustriellen Gesellschaft ist es zunehmend<br />

schwierig geworden, eindeutige (oder reduzierte) Lebenslagen auszumachen. An-<br />

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