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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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STANDORTBESTIMMUNGEN<br />

JUNGENARBEIT – JUNGENPÄDAGOGIK – JUNGENPOLITIK<br />

dadurch – im Sinn <strong>von</strong> Abwehr – zur »Prävention« in Bezug auf eine bestimmte,<br />

ohnehin schon benachteiligte soziale Gruppe.<br />

Eine Berücksichtigung <strong>von</strong> Marginalisierungsaspekten läßt sich aber auch aufnehmen<br />

als Postulat im Sinn einer Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit und damit<br />

der Lebenslagen <strong>von</strong> Jungen. »Männlichkeit« muß dann nicht an benachteiligten<br />

Gruppen vorgeführt und bearbeitet werden, sondern wird in einer Perspektive der<br />

gesellschaftlichen <strong>Entwicklung</strong> aufgenommen. Das bedeutet für <strong>Jungenarbeit</strong>, dass<br />

sie mehr wie bisher soziale Ungleichheit »an sich« und nicht nur als Risikofaktor<br />

und Disposition für unerwünschte »Männlichkeit« thematisieren muß. <strong>Jungenarbeit</strong><br />

läuft sonst Gefahr, durch Konzentration und Reduktion auf Geschlechterfragen<br />

zur Verschleierung sozialer Missstände beizutragen. Sie muß deshalb ihre geschlechtsbezogene<br />

Perspektive ergänzen und – nicht zuletzt in einer Phase<br />

gesellschaftlicher Dichotomisierung – um eine deutlicher sozialpolitische Orientierung<br />

erweitern.<br />

<strong>Geschlechtsbezogene</strong> Fragestellungen können dabei zwar insgesamt zur Klärung<br />

gesellschaftspolitischer Komplikationen beitragen, gehen wohl jedoch nicht völlig<br />

in ihnen auf. Dabei <strong>geht</strong> es nicht um die Frage der Hierarchie <strong>von</strong> sozialen und<br />

Geschlechterfragen (Welche Kategorie ist wichtiger, entscheidender?), sondern um<br />

gegenseitige Ergänzung. In diesem Sinn kann auch <strong>Jungenarbeit</strong> wieder auf die<br />

Füße gestellt werden. Dadurch wird sie nicht überflüssig, stellt aber »nur« eine<br />

mögliche, wenn auch zentrale Differenzierung und Spezialisierung des fachlichen<br />

Instrumenatariums dar, das insbesondere bei Fragen <strong>von</strong> Marginalisierung Anlehnung<br />

und Orientierung braucht.<br />

Um tatsächlich das leisten zu können, was sie verspricht – die Thematisierung und<br />

Verbesserung der Lebenslagen <strong>von</strong> Jungen –, muß geschlechtsbezogene Arbeit mit<br />

Jungen umgekehrt aus der beschriebenen Engführung und unwillkürlichen Zuspitzung<br />

auf eine bestimmte soziale Gruppe <strong>von</strong> Jungen herausgeholt werden. Deshalb<br />

sollte sich <strong>Jungenarbeit</strong> auch nicht in erster Linie an Fragen der Prävention<br />

orientieren. Gerade wenn eine jungenbezogene Problemsicht auf Gesundheit, Sexualität,<br />

Körperlichkeit, Sucht, Gewalt, Risikoverhalten und so weiter <strong>Jungenarbeit</strong><br />

zunächst legitimieren (und finanzieren helfen) kann, gilt umso mehr: »Prävention<br />

ist keine <strong>Jungenarbeit</strong>« (vgl. Sturzenhecker 2000). Früher oder später geraten Jungen-<br />

und Geschlechterthemen so in eine problemfixierte Sackgasse. Die entsprechende<br />

Kritik der Jungen, die Kritik der Jungenkörper und der Impetus »Jungen<br />

sollen sich ändern« verstellt viele Zugänge zu Jungen.<br />

<strong>Jungenarbeit</strong> – Jungenpädagogik – Jungenpolitik<br />

»<strong>Jungenarbeit</strong> ist die geschlechtsbezogene pädagogische Arbeit <strong>von</strong> erwachsenen<br />

Männern mit Jungen.« Diese pointierte Definition <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> nimmt zwei<br />

gleichberechtigte Akzente in den Blick: zum einen die Option, Jungesein als ein<br />

»besonderes« Bündel <strong>von</strong> Lebenslage zu verstehen und auf einem geschlechtsbezogenen<br />

Hintergrund pädagogisch zu begleiten, zum anderen das Postulat, dass<br />

insbesondere erwachsene Männer aufgerufen und verantwortlich sind, mehr und<br />

deutlicher mit Jungen zu arbeiten. Letzteres bestimmt eine relativ klare Alters- und<br />

Geschlechtsgrenze. Obwohl dabei noch keine qualifizierenden Attribute enthalten<br />

sind – wie etwa Anforderungen an Ziel, Konzept und Setting der <strong>Jungenarbeit</strong> oder<br />

die Befähigung des Pädagogen –, so grenzt diese Definition doch ein weites Feld<br />

pädagogischer Arbeit mit Jungen aus, das ebenfalls durchaus qualifiziert geschlechtsbezogen<br />

veranstaltet werden kann und wird. Dabei <strong>geht</strong> es um Koedukation, um<br />

Pädagoginnen in der Arbeit mit Jungen und um die jungenpädagogische Arbeit<br />

<strong>von</strong> Frauen insgesamt, denen im Kontext der herrschenden Geschlechterverhältnisse,<br />

Rollenverteilungen und einer segmentierten Männerpräsenz der Bereich der<br />

primären familiären und institutionellen Erziehung als Mütter, Erzieherinnen und<br />

Lehrerinnen zugeschrieben wird – und die diesen nolens volens dominieren. Mit<br />

geringerer Bedeutung betrifft die definitorische Ausgrenzung darüber hinaus auch<br />

die »veranstaltete« Erziehung durch (oft annähernd) Gleichaltrige oder noch nicht<br />

Erwachsene etwa in Jugendverbänden.<br />

Faktisch <strong>geht</strong> also eine mehr oder weniger geschlechtsbezogene Arbeit mit Jungen<br />

weit über die »<strong>Jungenarbeit</strong>« hinaus, was etwa immer wieder am entsprechend<br />

hohen Interesse <strong>von</strong> Müttern, Frauen und Pädagoginnen an Fragen der Jungensozialisation<br />

und -erziehung deutlich wird. Dies zeigt auch, dass das Interesse an der<br />

Lebenslage »Jungesein« breiter und jenseits <strong>von</strong> Zuschreibungen und Abwertungen<br />

zunehmend qualifizierter wird.<br />

<strong>Jungenarbeit</strong> muß sich allerdings <strong>von</strong> einem fachlichen Standpunkt aus mit dieser<br />

Tendenz auseinander setzen und aus eigener Perspektive Stellung beziehen. Eine<br />

Möglichkeit zur Klärung wäre dabei, <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> »im engeren« und »im weiteren<br />

Sinn« zu sprechen, wobei allerdings die definitorische Klarheit und auch ein<br />

im gewissen Sinn exklusiver Anspruch bisheriger <strong>Jungenarbeit</strong> verloren <strong>geht</strong>. Der<br />

Begriff »Jungenerziehung« als Pendant zur <strong>Jungenarbeit</strong> erscheint dagegen zu weit<br />

gefasst, weil er tendenziell alle Erziehung <strong>von</strong> Jungen – latent oder intentional,<br />

durch wen auch immer und ob geschlechtsbezogen oder nicht – subsumiert 2 . Der<br />

2<br />

Im Sinn einer Gleichaltrigenerziehung können hier z.B. auch die Interaktionsprozesse zwischen gleichaltrigen<br />

Mädchen und Jungen zugeordnet werden.<br />

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