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1 So geht Jungenarbeit Geschlechtsbezogene Entwicklung von ...

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STANDORTBESTIMMUNGEN<br />

JUNGENARBEIT UND MARGINALISIERUNG<br />

gik nur wenig (da haben Wirtschaft und Medien ein viel gewichtigeres Wörtchen<br />

mitzureden).<br />

Wenn wir den Blick aufs Gelingende, auf Ressourcen und Potenziale richten, <strong>geht</strong><br />

es uns um eine erweiterte Wahrnehmung und Interpretation des Jungeseins. Für<br />

Pädagogik reicht eine soziologisch-strukturelle Perspektive – so wichtig sie bisweilen<br />

sein mag – nicht aus. Pädagogik will ja versuchen, positiv auf <strong>Entwicklung</strong>sprozesse<br />

Einfluß zu nehmen. Eine deskriptive – »so ist es« – und normative »so soll es<br />

(nicht) sein« – Sichtweise genügt hier nicht. Vielmehr werden Erklärungen, Deutungen<br />

und Interpretationen gesucht – »so ist es, weil...«. Es braucht Zielvorgaben,<br />

auf die hin gearbeitet und an denen Erfolge gemessen werden können. Und in<br />

diese Richtungen möchten wir den Blick lenken.<br />

<strong>Jungenarbeit</strong> und Marginalisierung – notwendige Perspektive <strong>von</strong> Jugendhilfe<br />

Problemkonzentration als Anlaß für Jugendarbeit<br />

Marginalisierung<br />

• Arbeitslosigkeit<br />

• Armut<br />

• soziale Randständigkeit (Eltern)<br />

• keine/niedrige Bildungsabschlüsse<br />

• Gewalterfahrungen<br />

• Suchterfahrungen<br />

• ...<br />

Migration<br />

Jugendphase/<br />

Jugendkultur<br />

• Ablösung <strong>von</strong> Eltern und Elternkultur<br />

• Identität<br />

• Sexualität<br />

• Stilfindung<br />

• jugendkulturelle Abgrenzung<br />

• Action-Stile<br />

• Arbeitsmigration (2./3. Generation)<br />

• Spätaussiedler-Jungen<br />

• Flüchtlinge, Asylbewerber<br />

In Bezug auf Einführung und Diskussion <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> liegen die meisten theoretischen<br />

wie praxisbezogenen Ansätze ursprünglich begründet in einer Weiterführung<br />

feministischer Diskurse, etwa als Kritik <strong>von</strong> Patriarchat oder »Männlichkeit«<br />

als Sexismus, sowie in der Folge der Etablierung <strong>von</strong> Mädchenarbeit. <strong>Jungenarbeit</strong><br />

als Nachbrenner der Mädchenarbeit? Diese Entstehungsgeschichte spiegelt sich noch<br />

heute im Themenspektrum <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> oder wird etwa an der Frage nach<br />

einem Leitbild <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> deutlich. Fordern dabei die einen weniger, die anderen<br />

mehr und dritte eine ganz andere »Männlichkeit«, so <strong>geht</strong> es dabei jedoch<br />

häufig um dasselbe: Jungen sollen Mädchen nicht abwerten. Sie sollen nicht aggressiv,<br />

gewalttätig oder übergriffig werden oder solche Tendenzen bearbeiten und<br />

überwinden. Sie sollen nicht auffällig und delinquent werden. Sie sollen gesundheitsbewusster<br />

sein und weniger riskant mit ihrem Körper umgehen. Sie sollen ihre<br />

weichen, »weiblichen« Seiten erkennen und annehmen und kritisch über Männlichkeit<br />

nachdenken usw. In diesem Sinn <strong>geht</strong> es dabei letztlich um Prävention, d.h.<br />

Vorbeugung, Verhütung und Abwehr unerwünschter »Männlichkeit« bzw. deren<br />

Folgen. Nicht selten klingen dabei Vorstellung <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> in Form einer sitzenden,<br />

reflektierenden und verbalisierenden Männergruppe an.<br />

Dabei gerät teilweise aus dem Blick, dass oft gerade den Jungen, bei denen man<br />

aufgrund ihres »Risikoprofils« <strong>Jungenarbeit</strong> für besonders wichtig hält, solche im<br />

gewissen Sinn reduzierten und aktivitätsarmen Zugänge nicht leicht und ohne weiteres<br />

offen stehen. Jungen, die mit diesen Anforderungen vielleicht etwas weniger<br />

Mühe haben, fallen aus dem klassischen Klientel <strong>von</strong> Jungen- und Jugendarbeit<br />

mittlerweile weitgehend heraus. Zu denken ist dabei insbesondere an Jungen, die<br />

aufgrund ihrer Aktivitäten öffentlich, polizeilich oder gerichtlich auffallen und entsprechend<br />

»behandelt« werden. Entsprechende Statistiken weisen aus, dass es sich<br />

dabei vor allem um Jungen mit geringen Bildungschancen aus benachteiligten sozialen<br />

Schichten und/oder aus bikulturellen oder Migrationszusammenhängen handelt.<br />

An diesem Punkt ist das Konzept der Marginalisierung mit Geschlechterthemen<br />

in Verbindung zu bringen (vgl. Schroeder 1996). Ein Teil der männlichen<br />

Jugendlichen bleibt im Zugriff auf Ressourcen und Positionen, auf Status und Prestige<br />

chancenlos. Eine Weiterführung liegt in der Annahme, dass sozial benachteiligte,<br />

marginalisierte Jungen gerade auf dem Hintergrund <strong>von</strong> materieller Armut<br />

und Ressourcenarmut hinsichtlich der <strong>Entwicklung</strong> eines modernisierten Mannseins<br />

sowie geringer Bildungs- und Teilhabechancen mehr als andere dazu tendieren,<br />

ihren Status unter Rückgriff auf – besonders äußerlich sichtbare – traditionelle Formen<br />

<strong>von</strong> Männlichkeit zu verändern. Aggressive, gewaltbereite Körperlichkeit ist<br />

dann auch als Instrumentierung der relativ unvermittelt verfügbaren Ressource des<br />

eigenen Körpers zu sehen oder als paradoxe Bewältigung <strong>von</strong> Schutzwünschen.<br />

Marginalisierung jungenbezogen ins Spiel zu bringen ermöglicht einen sozial differenzierten<br />

Blick auf Männer und männliche Jugendliche. Schwieriger wird es, wenn<br />

daraus Handlungsstrategien für den Umgang mit Jungen abgeleitet werden. Oft<br />

wird dies mehr im Sinn eines Postulats der Bearbeitung <strong>von</strong> Männlichkeitsproblemen<br />

in Praxis umgesetzt. Dass es bei einer Hauptzielgruppe <strong>von</strong> <strong>Jungenarbeit</strong> um<br />

eine Kombination der Faktoren »Männlichkeit« und soziale Ungleichheit handelt,<br />

<strong>geht</strong> dabei verloren und wird über weite Strecken nicht weiter thematisiert. Gewissermaßen<br />

handelt es sich dabei um eine doppelte Abwertung der Zielgruppe: Als<br />

Zerrbild des »normalen« Mannseins dienen marginalisierte Jungen (und Männer)<br />

sowohl zu einer sozialen wie auch »geschlechtsreflektierenden« Abgrenzung. Und<br />

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