Auswahl von geeignetem Gehörschutz: Die G 20-Untersuchung als ...
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Praktische Arbeitsmedizin<br />
5. <strong>Gehörschutz</strong> bei Mitarbeitern mit einer<br />
Gehörsenke<br />
5.1 Mechanische Schädigung des Ohres:<br />
Schallleitungsschaden (Abb. 5)<br />
Nicht wenige Menschen haben eine Schädigung<br />
im Bereich des Trommelfells oder der<br />
Gehörknöchelchen. <strong>Die</strong> Ursachen hierzu können<br />
vielschichtig sein; häufig sind es ehemalige<br />
Mittelohrentzündungen, die zu einer<br />
mechanischen Dämpfung im Bereich der Gehörknöchelchen<br />
führen. Es gibt aber auch die<br />
seltenere Otosklerose (Verkalkung des Mittelohrs)<br />
oder auch mechanische Schäden des<br />
Trommelfells (z. B. nach Knalltrauma).<br />
Lärmschäden des Ohres werden im Bereich<br />
des Innenohres gesetzt. Gelangt der Schalldruck<br />
aufgrund der „natürlichen“ Dämmung<br />
infolge eines mechanischen Gehörschadens<br />
nicht mehr mit seiner vollen Energie bis zum<br />
Innenohr, so kann entsprechend der vorliegenden<br />
mechanischen Dämpfung der zum Tragen<br />
empfohlene <strong>Gehörschutz</strong> gemindert werden.<br />
Das reicht bis zu einer Größenordnung,<br />
in welcher praktisch trotz Lärm kein <strong>Gehörschutz</strong><br />
mehr zusätzlich hilfreich ist und demzufolge<br />
auch kein <strong>Gehörschutz</strong> bei Lärm ge-<br />
tragen werden muss. <strong>Die</strong>se Tatsache stößt bei<br />
Laien oft auf Unverständnis. Wird diese physiologische<br />
Gegebenheit bei der <strong>Auswahl</strong> des<br />
<strong>Gehörschutz</strong>mittels nicht berücksichtigt, führt<br />
das Tragen <strong>von</strong> <strong>Gehörschutz</strong> regelmäßig zu<br />
Akzeptanzproblemen bei dem Mitarbeiter, da<br />
durch die unvermeidliche Überprotektion sowohl<br />
das Überhören <strong>von</strong> Warnsignalen gegeben<br />
ist <strong>als</strong> auch die Verständigungsmöglichkeiten<br />
stark eingeschränkt sind. Individuelle<br />
ärztliche <strong>Gehörschutz</strong>beratung ist in so einem<br />
Falle unumgänglich. Jedes der beiden Ohren<br />
muss natürlich dabei für sich betrachtet werden:<br />
Das Beratungsergebnis kann im Einzelfall<br />
auch lauten, dass ein Ohr mit <strong>Gehörschutz</strong><br />
zu versehen ist und das andere eben entsprechend<br />
der Schallleitungsstörung nicht.<br />
5.2 Schädigung des Innenohres bei<br />
intakter Schallleitung (Abb. 6)<br />
Gehörschäden, welche isoliert das Innenohr betreffen,<br />
bezeichnen wir <strong>als</strong> Schallempfindungsstörung.<br />
Als Ursache hierfür kann häufig eine<br />
vorangegangene jahrelange Lärmbelastung<br />
angenommen werden, weitere Schädigungsquellen<br />
sind Chemikalien, Medikamente, aber<br />
auch Entzündungen, welche auf das Innenohr<br />
Auswirkungen hatten (3,4). <strong>Die</strong> Beurteilung<br />
des Innenohrschadens in seiner Auswirkung<br />
auf das Hörvermögen ist äußerst komplex, da<br />
neben der abgesenkten frequenzabhängigen<br />
Hörschwelle häufig ein positives Recruitment<br />
besteht. Hierunter versteht man die reduzierte<br />
Kompressionsfähigkeit des Gehörs: Ein Lautstärkenzuwachs,<br />
welcher vom gesunden Gehör<br />
gedämpft wird und somit nicht stark empfunden<br />
wird, führt bei dem Gehör mit positivem<br />
Recruitment zu einer übermäßigen Lautheitsempfindung.<br />
Zum besseren Verständnis sollte<br />
man sich vergegenwärtigen, dass das gesunde<br />
Ohr eine ca. Verachtfachung des Schalldruckpegels<br />
nur <strong>als</strong> Verdoppelung der Lautstärke<br />
empfindet. <strong>Die</strong>se physiologische Kompressionsfähigkeit<br />
des Ohres geht teils verloren bei<br />
Schäden des Innenohrs.<br />
Der ideale <strong>Gehörschutz</strong> für derartig vorgeschädigte<br />
Ohren wäre einer, der niedrige Schalldruckpegel<br />
nicht und hohe Schalldruckpegel<br />
überproportional dämmt. Ein derartiger <strong>Gehörschutz</strong><br />
ist nicht auf dem Markt; rein theoretisch<br />
können höherwertige Hörgeräte diese Kompressionscharakteristik<br />
darstellen, aber diese<br />
Geräte sind zum <strong>Gehörschutz</strong> nicht vorgesehen.<br />
Unter Kenntnis dieser Pathophysiologie<br />
muss der Arbeitsmediziner jetzt bei diesen Mit-<br />
Abbildung 5:<br />
Audiogramm einer Schallleitungsstörung; hierbei<br />
besteht ein Leitungsverlust <strong>von</strong> 5 dB bei 1<br />
kHz und <strong>von</strong> 25 dB bei 4 kHz.<br />
Hier liegt eine pathophysiologische Dämpfung<br />
zwischen 5 und 25 dB vor, sodass im Lärmbereich<br />
(Beispiel Beurteilungspegel 85 dB)<br />
das Innenohr nicht pathogenen Schalldrücken<br />
ausgesetzt ist. Zusätzlicher <strong>Gehörschutz</strong> wäre<br />
hier Überprotektion. Falls eine Schallleitungsstörung<br />
durch reproduzierte Audiometrien gesichert<br />
ist, wäre es gerechtfertigt, bei dieser<br />
Situation ohne <strong>Gehörschutz</strong> zu arbeiten. Will<br />
man auf Nummer sicher gehen, könnte eine<br />
Otoplastik mit schwacher Hochtondämpfung<br />
hilfreich sein.<br />
Abbildung 6:<br />
Schallempfindungsstörung: Der Kurvenverlauf<br />
wäre typisch für einen Lärmschaden. Zum<br />
Schutz vor weiterer Verschlechterung des Gehörs<br />
sollte unbedingt jegliche Lärmbelastung<br />
vermieden werden. Wir versuchen solche Mitarbeiter<br />
in der Fertigung zu unbedingtem Tragen<br />
<strong>von</strong> <strong>Gehörschutz</strong> zu motivieren, selbst<br />
wenn im Beurteilungspegel 80 dB gerade nur<br />
erreicht werden. <strong>Die</strong> Sprachverständlichkeit<br />
kann bei entsprechend moderater Dämpfung<br />
(Bügelgehörschützer oder Otoplastik) noch<br />
recht günstig gestaltet werden.<br />
Abbildung 7:<br />
Audiogramm einer kombinierten Hörstörung.<br />
Hier ist aufgrund der Leitungskomponente,<br />
die bei 2 und 3 kHz 15 dB und bei 4 kHz<br />
<strong>20</strong> dB beträgt, ein <strong>Gehörschutz</strong> bei einer gesamten<br />
Lärmbelastung <strong>von</strong> Beurteilungspegel<br />
90 dB nicht zu empfehlen, da dieser Mitarbeiter<br />
keinen nennenswerten Nutzen hat, die<br />
Sprach erkennung jedoch durch zusätzlichen<br />
<strong>Gehörschutz</strong> nachhaltig verschlechtert wird<br />
(Kompliance-Problem durch Überprotektion).<br />
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Weinsheimer, W.; Welker A.: <strong>Auswahl</strong> <strong>von</strong> <strong>geeignetem</strong> .. ISSN 1861- 6704 Prakt. Arb.med. <strong>20</strong>07; 9: 24-27