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Unternehmensfinanzierung in der Krise Prof. Dr. Christof Hettich ...

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<strong>Unternehmensf<strong>in</strong>anzierung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Krise</strong><br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Christof</strong> <strong>Hettich</strong> / Raoul Kreide<br />

Dauerbrenner Rangrücktrittsvere<strong>in</strong>barung<br />

Ke<strong>in</strong>e Passivierung bei sog. „qualifiziertem Rangrücktritt“?<br />

Rangrücktrittsvere<strong>in</strong>barungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wichtiges Gestaltungselement zur <strong>Unternehmensf<strong>in</strong>anzierung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Krise</strong>nzeiten. Um die angestrebten Zwecke aber auch tatsächlich<br />

zu erreichen, s<strong>in</strong>d Rangrücktrittsvere<strong>in</strong>barungen aus drei verschiedenen Blickw<strong>in</strong>keln<br />

heraus zu gestalten:<br />

a) Vorgaben <strong>der</strong> InsO, um e<strong>in</strong>e Herausnahme aus <strong>der</strong> Überschuldungsbilanz zu erreichen<br />

(§ 19 Abs. 2 InsO i.V.m. § 39 InsO).<br />

b) Vorgaben des BGH mit gleicher Zielsetzung (aber zum alten Eigenkapitalersatzrecht)<br />

c) Vorgaben <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzverwaltung, um gleichzeitig die Herausnahme aus <strong>der</strong> Steuerbilanz<br />

und damit das Entstehen e<strong>in</strong>es Sanierungsgew<strong>in</strong>ns zu vermeiden.<br />

Die bisherige Ausgestaltung von Rangrücktrittserklärungen wurde an Formulierungen<br />

des Bundesgerichtshofes angelehnt. Dieser hatte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Urteil vom 8. Januar 2001<br />

(Az.: II ZR 88/99, NJW 2001, 1280) ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen Gesellschafterfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Überschuldungsbilanz nicht zu passivieren seien. Um<br />

e<strong>in</strong>e Nichtberücksichtigung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Überschuldungsbilanz zu erreichen, musste <strong>der</strong> Gesellschafter<br />

danach erklären, er wolle wegen <strong>der</strong> genannten For<strong>der</strong>ungen erst nach<br />

<strong>der</strong> Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und – bis zur Abwendung <strong>der</strong> <strong>Krise</strong><br />

– auch nicht vor, son<strong>der</strong>n nur zugleich mit den E<strong>in</strong>lagenrückgewähransprüchen<br />

se<strong>in</strong>er Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handle es sich<br />

bei se<strong>in</strong>er Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital (so genannter „qualifizierter<br />

Rangrücktritt“).<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungen durch das MoMiG und vor allem die (zeitlich begrenzt!) geän<strong>der</strong>te<br />

Fassung des Überschuldungsbegriffs durch das F<strong>in</strong>anzmarktstabilisierungs-


2<br />

gesetz ist bei Abgabe e<strong>in</strong>er Rangrücktrittserklärung stets <strong>der</strong> aktuelle Stand <strong>der</strong> Diskussion<br />

<strong>in</strong> Rechtsprechung und Literatur zu überprüfen, um e<strong>in</strong>e möglichst rechtssichere<br />

Formulierung zu f<strong>in</strong>den.<br />

Ausdrücklich zu erklären ist jedenfalls <strong>der</strong> Rücktritt h<strong>in</strong>ter die Ansprüche gemäß<br />

§ 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO. Die Eigenschaft als Gesellschafterdarlehen führt nur zur<br />

Nachrangigkeit auf <strong>der</strong> vorhergehenden Stufe des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Gesellschafterdarlehen<br />

ohne zusätzlichen Rangrücktritt s<strong>in</strong>d somit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Überschuldungsbilanz<br />

zu passivieren (Umkehrschluss aus § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO).<br />

E<strong>in</strong>e Gleichstellung mit statuarischem Eigenkapital, wie vom BGH verlangt, ist nach<br />

dem Wortlaut des neuen § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht mehr erfor<strong>der</strong>lich.<br />

H<strong>in</strong>sichtlicher <strong>der</strong> steuerrechtlichen Behandlung sorgt e<strong>in</strong> aktuelles Urteil des BFH<br />

vom 30. November 2011, I R 100/10, DStR 2012, 450, e<strong>in</strong>erseits für Rechtssicherheit,<br />

an<strong>der</strong>erseits für neue Unsicherheiten. Der BFH bestätigt zunächst die im BMF-<br />

Schreiben vom 8. September 2006, BStBl. I 2006, 497, Tz. 6, vertretene Auffassung<br />

<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzverwaltung, wonach e<strong>in</strong> (e<strong>in</strong>facher) Rangrücktritt die steuerliche Passivierungsfähigkeit<br />

dann unberührt lässt, wenn <strong>der</strong> Schuldner zur Rückzahlung aus<br />

- zukünftigen Gew<strong>in</strong>nen,<br />

- e<strong>in</strong>em Liquidationsüberschuss und<br />

- aus sonstigem freien Vermögen<br />

verpflichtet ist.<br />

Das BMF-Schreiben vom 8. September 2006 behandelt <strong>in</strong> Tz. 7 jedoch noch den Fall<br />

des sog. qualifizierten Rangrücktritts. Dabei wird auf die unter Tz. 2 zitierte Def<strong>in</strong>ition<br />

des BGH <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Urteil vom 8. Januar 2001, BGHZ 146, 264, verwiesen. Der BFH<br />

deutet nun aber an, dass eben dieser qualifizierte Rangrücktritt nicht mehr ausreicht<br />

und somit <strong>der</strong> weiteren steuerlichen Passivierung entgegensteht.<br />

Es bleibt abzuwarten, wie die F<strong>in</strong>anzverwaltung hierauf reagieren wird. In jedem Fall<br />

sollte darauf geachtet werden, dass Rangrücktrittsvere<strong>in</strong>barungen ausdrücklich auf die<br />

Rückzahlung aus „sonstigem freien Vermögen“ Bezug nehmen.


3<br />

Muster: Rangrücktrittsvere<strong>in</strong>barung<br />

zwischen<br />

[…] - nachfolgend "Gläubiger" genannt -<br />

und<br />

[…] - nachfolgend "Gesellschaft" genannt-<br />

Bei e<strong>in</strong>em Rangrücktritt handelt es sich um e<strong>in</strong>en nicht formbedürftigen Vertrag, nicht<br />

um e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige Willenserklärung. Dies sollte entsprechend gestaltet werden.<br />

1. Der Gläubiger ist nom<strong>in</strong>ell mit EUR _________ am Stamm-/Grundkapital <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

<strong>in</strong> Höhe von <strong>in</strong>sgesamt EUR _________ beteiligt.<br />

Diese Klausel entfällt, wenn <strong>der</strong> Gläubiger nicht zugleich Gesellschafter ist.<br />

2. Der Gläubiger hat gegenüber <strong>der</strong> Gesellschaft For<strong>der</strong>ungen aus __________ <strong>in</strong><br />

Höhe von EUR ___________.<br />

3. Zur Abwendung e<strong>in</strong>er möglichen Überschuldung bei <strong>der</strong> Gesellschaft erklärt <strong>der</strong><br />

Gläubiger hiermit, dass er mit se<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Ziffer 2 bezeichneten For<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>schließlich<br />

aller Z<strong>in</strong>sansprüche h<strong>in</strong>ter die For<strong>der</strong>ung aller an<strong>der</strong>en Gläubiger <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

§ 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO genannten Ansprüche zurücktritt.<br />

Der Gläubiger kann somit Erfüllung se<strong>in</strong>es Anspruches nur nach allen an<strong>der</strong>en<br />

Gläubigern im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO und [nur aus zukünftigen Gew<strong>in</strong>nen,<br />

aus e<strong>in</strong>em Liquidationsüberschuss o<strong>der</strong> aus sonstigem freien Vermögen<br />

verlangen, und] nur wenn und soweit die Gesellschaft nicht (mehr) überschuldet<br />

ist und durch Erfüllung des Anspruchs ke<strong>in</strong>e Überschuldung im S<strong>in</strong>ne des § 19 InsO<br />

e<strong>in</strong>tritt.<br />

Diese Klausel führt zu e<strong>in</strong>em sofort wirksamen Rangrücktritt. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO<br />

for<strong>der</strong>t se<strong>in</strong>em Wortlaut nach nur den Nachrang im Insolvenzverfahren (str.).<br />

Nach § 5 Abs. 2a EStG s<strong>in</strong>d Verb<strong>in</strong>dlichkeiten, die nur zu erfüllen s<strong>in</strong>d, soweit künftig<br />

Gew<strong>in</strong>ne anfallen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuerbilanz erst anzusetzen, wenn sie entstehen. Diese<br />

Beschränkung führt damit zum Herausfallen aus <strong>der</strong> Steuerbilanz. Vermieden wird<br />

diese Konsequenz durch die Erfüllungspflicht aus sonstigem freiem Vermögen<br />

(zugleich Abgrenzungsmerkmal zum For<strong>der</strong>ungsverzicht mit Besserungssche<strong>in</strong>), vgl.<br />

BMF-Schreiben vom 8. September 2006. Auch das BMF-Schreiben beruht noch auf<br />

<strong>der</strong> alten Rechtslage (entsprechend <strong>der</strong> damals bedeutsamen BGH-<br />

Rechtsprechung). Die weitere Anwendbarkeit wurde aber durch BMF-Schreiben vom<br />

4. April 2011 bestätigt ("Positivliste").<br />

E<strong>in</strong> aktuelles Urteil des BFH (Urteil vom 30. November 2011, I R 100/10, DStR 2012,<br />

450) trägt nun die Überschrift: „Ke<strong>in</strong>e Passivierung bei sog. qualifiziertem Rangrücktritt“.<br />

In dem entschiedenen Fall wurde aber ke<strong>in</strong> qualifizierter Rangrücktritt vere<strong>in</strong>bart,<br />

son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung getroffen, wonach Befriedigung „nur aus künftigen Jahresüberschüssen,<br />

soweit sie bestehende Verlustvorträge übersteigen, o<strong>der</strong> ggf. aus


4<br />

e<strong>in</strong>em Liquidationsüberschuss“ verlangt werden kann. Die Erfüllungspflicht aus „sonstigem<br />

freien Vermögen“ wurde nicht vere<strong>in</strong>bart. Dies war aber schon bisher gefor<strong>der</strong>t.<br />

Daher verne<strong>in</strong>t <strong>der</strong> BFH <strong>in</strong> konsequenter Anwendung des BMF-Schreibens vom<br />

8. September 2006 die steuerliche Bilanzierungsfähigkeit.<br />

4. E<strong>in</strong>e Geltendmachung <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung (e<strong>in</strong>schließlich eventuell für sie bestellter Sicherheiten)<br />

im Insolvenzverfahren ist ausgeschlossen. Sie ist jedoch vor <strong>der</strong> Verteilung<br />

e<strong>in</strong>es eventuellen Überschusses an die Gesellschafter zu erfüllen.<br />

Gegebenenfalls:<br />

Die Gesellschaft verpflichtet sich, mit Gesellschaftsgläubigern ke<strong>in</strong>e Rangrücktrittsvere<strong>in</strong>barungen<br />

abzuschließen, die <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung des Gläubigers <strong>in</strong>nerhalb<br />

des hier vere<strong>in</strong>barten Nachranges (§ 39 Abs. 2 InsO) vorgehen.<br />

Alternativ:<br />

Die <strong>in</strong> Ziffer 2 bezeichnete For<strong>der</strong>ung soll <strong>in</strong>nerhalb des Ranges <strong>der</strong> nachrangigen<br />

For<strong>der</strong>ungen gemäß § 39 Abs. 2 InsO den ersten Rang e<strong>in</strong>nehmen. Sie ist somit<br />

nach den Ansprüchen aller Gläubiger im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO,<br />

aber vor allen weiteren nachrangigen Gläubigern zu befriedigen.<br />

Alternativ (sog. "qualifizierter Rangrücktritt"):<br />

Die <strong>in</strong> Ziffer 2 bezeichnete For<strong>der</strong>ung kann nur zugleich und im anteiligen Verhältnis<br />

mit den E<strong>in</strong>lagerückgewähransprüchen <strong>der</strong> übrigen Gesellschafter geltend<br />

gemacht werden (qualifizierter Rangrücktritt).<br />

5. [Gerichtsstandsvere<strong>in</strong>barung, Schriftformklausel, salvatorische Klausel]<br />

______,den _________________<br />

______,den _________________<br />

___________________________<br />

Gläubiger<br />

___________________________<br />

Gesellschaft<br />

Bitte beachten Sie, Vertragsmuster stets an die tatsächlichen Verhältnisse, Regelungszwecke<br />

und aktuellen Entwicklungen anzupassen!<br />

Wir stehen Ihnen für Rückfragen gerne zur Verfügung und wünschen Ihnen für Ihren<br />

weiteren Lehrgang viel Erfolg!<br />

Kontakt: Raoul Kreide<br />

c/o RITTERSHAUS Rechtsanwälte<br />

Partnerschaftsgesellschaft<br />

Harrlachweg 4<br />

68163 Mannheim<br />

Tel.: +49 (0) 6 21 / 42 56-271<br />

E-Mail: raoul.kreide@rittershaus.net<br />

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