Dr. Markus Reihardt, Kdt. Kantonspolizei Graubünden - Swissi
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<strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Graubünden</strong><br />
Polizia chantunala dal Grischun<br />
Polizia cantonale dei Grigioni<br />
Chur, 18.05.2007<br />
Security bei Grossveranstaltungen<br />
Fallbeispiel World Economic Forum<br />
Zusammenfassung des Referates von <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> Reinhardt, Kommandant<br />
der <strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Graubünden</strong>, an der Fachtagung "Security" des<br />
Schweizerischen Instituts zur Förderung der Sicherheit vom 23.5.2007 in<br />
Zürich<br />
Seit 1971 hat sich das World Economic Forum in Davos von einer idyllischen Veranstaltung in<br />
winterlicher Landschaft zu einem der bedeutendsten Treffen von Politik, Wirtschaft und Kultur<br />
entwickelt. Geblieben ist der Geist von Davos. Er bedarf heute eines umfassenden Schutzes<br />
nach internationalem Standard, den die <strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Graubünden</strong> zusammen mit über 300<br />
Partnern sicherstellt und dafür die Gesamtverantwortung trägt.<br />
Der Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit<br />
Es geht darum, einerseits während laufendem Tourismus in Davos Gastfreundschaft und<br />
Grundrechte (inkl Demonstrationen) zu gewährleisten und gleichzeitig den sicheren WEF-<br />
Verlauf zu unterstützen sowie die Bevölkerung von Davos und ihre Gäste zu schützen. Daraus<br />
ergeben sich immer wieder Zielkonflikte, die ein hohes Mass an Fingerspitzengefühl bezüglich<br />
Auftreten und Dispositiv bedingen.<br />
Umsetzung der 3-D-Strategie<br />
Polizeiliches Handeln orientiert sich in jeder Situation an der Verhältnismässigkeit. Mit Erfolg<br />
setzen wir seit Jahren für alle Sicherheitskräfte die so genannte 3-D-Strategie um. Sie steht für<br />
Dialog, Deeskalation und Durchgreifen. Je nach Bedrohungslage müssen die Schwergewichte<br />
im Rahmen dieser 3-D-Strategie gesetzt werden. Aber auch das Durchgreifen hat im Rahmen<br />
der Verhältnismässigkeit zu erfolgen. Zeichen dafür sind die jeweiligen Verhandlungen mit Demonstrationswilligen<br />
im Vorfeld, ein moderater Auftritt und eine der Situation angepasste Kontrolltätigkeit<br />
sowie die jeweils vorgesehene Grosskontrollstelle in Fideris, um innert kürzester<br />
Zeit möglichst viel Demonstrationswillige zu kontrollieren oder auch das konsequente Kontrollieren<br />
von rund 1'000 Personen in Landquart im Jahre 2004 im Nachgang zu einer Grossdemonstration<br />
in Chur mit erheblichen Sachschäden am Bahnkörper und Rollmaterial.<br />
Ringstrasse 2, 7001 Chur<br />
E:\Zusammenfassung Referat Reinhardt.doc<br />
Polizeikommando - Commando da polizia - Comando di polizia<br />
E-Mail: markus.reinhardt@kapo.gr.ch<br />
Tel +41 81 257 71 11, Fax +41 81 257 79 00
Security bei Grossveranstaltungen 2/4<br />
Der Geist von Davos<br />
Der Geist von Davos zeichnet sich immer wieder dadurch aus, dass im Rahmen des World E-<br />
conomic Forums oft auch verfeindete Parteien sich ausserhalb des diplomatischen Parketts<br />
treffen und die Hand reichen können, um einmal mit mehr und einmal mit weniger Erfolg einen<br />
Friedensprozess einzuleiten.<br />
Denkwürdig bleiben beispielsweise das Treffen zwischen den damaligen Ministerpräsidenten<br />
der Türkei und Griechenland unmittelbar vor eigentlichen Feindseligkeiten. Der damalige Bundeskanzler<br />
Kohl traf sich erstmals mit dem damaligen noch Ministerpräsidenten der DDR Modrow<br />
in Davos. Unmittelbar nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis traf sich Nelson Mandela<br />
mit dem damaligen Ministerpräsidenten De Klerk, um Schritte für die Abschaffung der Apartheidpolitik<br />
einzuleiten. Die Reihe liesse sich beliebig fortsetzen und hat in Davos Tradition.<br />
Die Kennzahlen<br />
Die jährlich erhobenen Kennzahlen widerspiegeln die Dimensionen der Sicherheitsaufgaben am<br />
WEF. Beeindruckend sind auch die Leistungen der Luftwaffe für die Sicherheit mit F/A 18 und<br />
PC 7 sowie für die Erfüllung der Transportbedürfnisse der Polizei. Während des WEF sind täglich<br />
zwei F/A 18 und zwei PC 7 in der Luft und stehen in der Nacht im Alarmstart bereit. Die<br />
Lufttransporte mit Superpuma und Alouette III ermöglichen rasche Verschiebungen der Polizeikräfte<br />
auch ausserhalb des Dispositives im Kanton <strong>Graubünden</strong>. Damit wird die Flexibilität erhöht<br />
und gleichzeitig können Personalressourcen eingespart werden.<br />
Die Risiken<br />
Ein Eskalationsschub begann im Jahre 1999 nach den schweren Ausschreitungen anlässlich<br />
der WTO-Konferenz in Seattle mit einem hochprofessionell durchgeführten Anschlag auf die<br />
Stromversorgung nach Davos. Im folgenden Jahr folgten Raketen gegen das Kongresshaus,<br />
Ausschreitungen bei einer Demonstration mit zwei verletzten Polizisten und ein Anschlag auf<br />
die Stromversorgung des Kongresshauses während der Eröffnungssitzung. Im Jahre 2001 legten<br />
Saboteure Telefon-, Natel-, Fernseh- und Radioverbindungen nach Davos lahm und knackten<br />
im Anschluss an das WEF dessen Computer. Einmal in Zürich und einmal in Bern stellten<br />
sich schwere Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem WEF ein. In den folgenden Jahren<br />
wurden immer wieder Sprengsätze in Davos entdeckt. Auch die die beschlagnahmten Gegenstände<br />
der Gegenseite lassen auf Gewaltabsicht schliessen. Heimtückisch war beispielsweise<br />
auch das Sicherstellen von Kolibakterien.<br />
Zur Lagebeurteilung<br />
Seit drei Jahren hat sich das Antiglobalisierungspotenzial zahlenmässig stark zurückgebildet.<br />
Geblieben ist aber die Militanz eines harten Kerns, der immer wieder in der Lage ist, Störungen<br />
vorzubereiten und durchzuführen.<br />
Früher stand Davos und das Dispositiv im Kanton <strong>Graubünden</strong> im Zentrum der Antiglobalisierungsbewegung.<br />
Seit einigen Jahren hat sich vermehrt eine zeitliche und örtliche Dezentralisierung<br />
eingestellt. Aktionen werden einerseits bereits vor dem WEF und andererseits schweizweit<br />
durchgeführt. Etabliert hat sich auch eine Demonstration in Basel.<br />
Die Antiglobalisierungsbewegung und ihr harter Kern gehen immer deutlicher von einer Mehrfachstrategie<br />
aus. Sie ist gekennzeichnet durch Aktionen, Demonstrationen und Blockaden.
Security bei Grossveranstaltungen 3/4<br />
Im Kanton <strong>Graubünden</strong> selbst stehen naturgemäss Davos, aber auch die Grosskontrollstelle<br />
Fideris sowie der Umsteigebahnhof in Landquart von der SBB auf die Rhätische Bahn und natürlich<br />
die Kantonshauptstadt, im Brennpunkt des Interesses.<br />
Der WEF-Nachrichtenverbund<br />
Unter Leitung des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP) wird mit verschiedensten Partnern<br />
ein Nachrichtenverbund sichergestellt, damit schweizweit die notwendigen Informationen<br />
erhoben und auch verbreitet werden können. Diesem Nachrichtenverbund gehören primär die<br />
Nachrichtendienste der Kantone und Städte an. Sie werden ergänzt durch den Bundessicherheitsdienst,<br />
das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten, die Bundeskriminalpolizei,<br />
den Strategischen Nachrichtendienst, das Grenzwachtkorps, die SBB sowie den<br />
Stab des Sicherheitsausschusses des Bundesrates und den Militärischen Nachrichtendienst in<br />
Partnerschaft mit dem Luftwaffennachrichtendienst.<br />
Vorfälle und Anlässe der Gegenseite WEF 2007<br />
Die verschiedenen Aktivitäten reichen von <strong>Dr</strong>ohschreiben, Aktionen, Knallkörper- und Farbanschlägen<br />
bis hin zu Demonstrationen. Sie verteilen sich auf die ganze Schweiz und finden oft<br />
auch bereits vor dem WEF statt. Damit wird die im Rahmen der Lagebeurteilung angesprochene<br />
zeitliche und örtliche Dezentralisierung deutlich.<br />
Die Glocke von Davos<br />
Das Sicherheitsdispositiv hat internationalem Standard zu genügen. Naturgemäss können darüber<br />
keine näheren Angaben gemacht werden, da jedes Dispositiv wohl nur so gut ist wie seine<br />
Geheimhaltung darüber.<br />
Unter der Glocke von Davos werden verschiedene Sicherheitsaufgaben wahrgenommen. Diese<br />
können sich nicht an einzelnen teilnehmenden Exponenten orientieren, sondern müssen den<br />
Schutz gesamtheitlich sicherstellen.<br />
So werden Zufahrten und Zutritte kontrolliert. Sensitive Objekte und Hotels müssen geschützt<br />
werden. Dafür werden eigentliche Sicherheitszonen ausgeschieden, die nur mit spezieller Berechtigung<br />
betreten werden dürfen. Entlang den Zufahrtsachsen können in den Durchsuchungszonen<br />
auch verdachtsfreie Kontrollen durchgeführt werden.<br />
Ein hoher Aufwand entsteht auch durch den eigentlichen Personenschutz, der völkerrechtlich<br />
schutzverpflichteten Teilnehmern mit teilweise hoher Gefährdung zukommt. Dazu gehören<br />
Staatsoberhäupter, Ministerpräsidenten, Minister und Angehörige von Königshäusern.<br />
Dieses Dispositiv gewährleistet auch die notwendige Handlungsfreiheit und kann mit der Glocke<br />
von Davos Personal einsparen.<br />
Die Organisation<br />
Unter der Gesamteinsatzleitung des Kommandanten der <strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Graubünden</strong> werden in<br />
der Linie sicherheitspolizeiliche, verkehrspolizeiliche und logistische Aufgaben während des<br />
ganzen Jahres vorbereitet und während des WEF umgesetzt. Damit ist eine sehr hohe Belastung<br />
eines mittelgrossen Polizeikorps verbunden. Seit einigen Jahren wird die <strong>Kantonspolizei</strong><br />
<strong>Graubünden</strong> auch durch Kräfte der Bundespolizei Deutschland insbesondere mit Wasserwerfern<br />
unterstützt. Die Armee leistet mit rund 4'500 Angehörigen einen subsidiären Sicherungs-
Security bei Grossveranstaltungen 4/4<br />
einsatz und ist damit der <strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Graubünden</strong> Einsatz unterstellt. Mit dem Führungsstab<br />
der Armee, der Luftwaffe, der Militärischen Sicherheit, der Logistikbasis und der Territorialregion<br />
3 werden die zivilen Behörden überall dort unterstützt, wo sie ihre Begehren dazu formuliert<br />
haben und insbesondere dort, wo Polizeikräfte für ihre angestammte Aufgabe entlastet werden<br />
können.<br />
Kompetenzzentrum Kongressschutz<br />
Die langjährige Erfahrung mit Sicherheitsaufgaben am WEF hat verschiedene Instrumentarien<br />
herausgebildet, die heute mit grossem Erfolg auch für andere polizeiliche Grossereignisse eingesetzt<br />
werden können.<br />
Der WEF-Ausschuss der Bündner Regierung unterstützt die Gesamteinsatzleitung aus politischer<br />
Sicht und im Bereiche der politischen Kommunikation. Die Gruppe Operationen der Konferenz<br />
der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz beurteilt jeweils auf Grund der Bedürfnisse<br />
der <strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Graubünden</strong> die Lage und beantragt zuhanden der Konferenz der<br />
Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren den Personalbedarf. Ein interkantonaler<br />
Koordinationsstab beurteilt die Auswirkungen des Dispositives auf andere Kantone und<br />
leitet daraus die notwendigen Massnahmen ab.<br />
Gestützt auf die WEF-Erfahrungen haben im vergangenen Jahr alle Kantone einer Vereinbarung<br />
über interkantonale Polizeieinsätze und deren Abläufe zugestimmt. Diese Vereinbarung<br />
hat insbesondere auch eine Vereinfachung in der Kostenabrechnung und Gleichstellung der<br />
Ansätze gebracht. Dazu hat die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz<br />
ein erläuterndes Handbuch für interkantonale Polizeieinsätze herausgegeben. Schliesslich befasst<br />
sich auch der Stab Sicherheitsausschuss Bundesrat mit übergeordneten Fragen im Krisenfall<br />
mit dem WEF.<br />
Mit diesen Instrumentarien kann auch dem föderalistischen Prinzip der Schweizer Polizei Rechnung<br />
getragen werden. Es gilt das Territorialitätsprinzip.<br />
Die Bündner Regierung hat ihren Auftrag an die <strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Graubünden</strong> bis ins Jahr 2009<br />
formuliert. Das Gleiche gilt auch für die Bundesunterstützung durch die Armee und einen interkantonalen<br />
Polizeieinsatz. Damit gewinnen wir Sicherheit und Zeit für die Vorbereitung. Nach<br />
dem WEF ist immer vor dem WEF. Die Auswertungen des WEF 2007 sind in allen Stäben abgeschlossen<br />
und schaffen damit die Voraussetzung für die Vorbereitungen des kommenden<br />
WEF. Sicherheit bis ins Jahr 2009 besteht auch für die Kostenträger. Der Kanton <strong>Graubünden</strong><br />
partizipiert an den Sicherheitskosten von rund acht Millionen Franken mit zwei Millionen, die<br />
Landschaft Davos Gemeinde mit einer Million, der Bund mit drei Millionen und das WEF mit<br />
zwei Millionen. Zusätzlich hat der Bund für die Jahre 2007 - 2009 eine Defizitgarantie von 1,5<br />
Millionen gesprochen, die bislang nicht vollumfänglich ausgeschöpft werden musste.<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> Reinhardt<br />
Kommandant