Dokumentation zum Symposion - Verband Bildungsmedien eV
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<strong>Symposion</strong> 2005 - Vortrag Faulstich-Wieland<br />
jedoch keine Reaktion, ich denke die Bemerkung geht unter, bzw. wird nicht verstanden.<br />
Ich denke mir, dass sie darauf anspielt, dass Kurt der einzige Junge ist, der die Hausaufgaben<br />
nicht gemacht hat.<br />
Diese Vermutung bestätigt sich kurz danach. Frau Ferreira bittet darum, dass sich alle<br />
melden sollen, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. 7-8 Finger gehen in die Höhe.<br />
‚So, jetzt sagt mir Henning, warum Kurt das Bild versaut’, fordert sie Henning lachend<br />
auf. Dieser antwortet flugs, dass Kurt der einzige Junge sei. ‚Genau’, erwidert die Lehrerin.<br />
Sonst habe man das oft genau andersherum, dass die Mädchen die Hausaufgaben<br />
hätten und die Jungen nicht, da sie es verschlampt, vergessen, oder so, hätten. Sie lächelt<br />
bei dieser Ausführung ihrer Beobachtungen“ (Ad01127v) 1 .<br />
Im Deutschunterricht der 10. Klasse haben ein Viertel keine Hausaufgaben, darunter nur ein<br />
Junge. Die Lehrerin dramatisiert Geschlecht, indem sie mit scherzhaftem Ton herausarbeiten<br />
lässt, wie ungewöhnlich es sei, dass fast alle Jungen die Hausaufgaben gemacht hätten.<br />
Normalerweise – und hier bestärkt die Lehrerin, was als geschlechtsangemessen gilt – wären<br />
die Mädchen ordentlich, während die Jungen schlampig und vergesslich seien.<br />
Anhand von Auswertungen der Protokolle aus dem Physikunterricht in einer der drei Klassen<br />
im 8. Jahrgang kann gezeigt werden, wie möglicherweise im Unterricht die emotionalen und<br />
motivationalen, wie dann auch leistungsmäßigen Differenzen zwischen Mädchen und Jungen<br />
„hergestellt“ werden.<br />
Der Physiklehrer ermahnt im Verlauf der beobachteten Stunden sowohl Schülerinnen wie<br />
Schüler einige Male zur Ruhe, meistens indem er sie beim Namen ruft. Seine Kommentare<br />
zu Antworten der Schülerinnen und Schüler beschränken sich im Allgemeinen auf Bestätigungen<br />
durch „ja“ oder auf Ablehnung durch „nein“. Drei Ausnahmen davon gibt es: In zwei<br />
Fällen finden wir massive Kritik an Beiträgen von Schülerinnen:<br />
„Monja geht nach vorn und zeichnet das Lot falsch ein.<br />
L: (in einer Melodie) uiuiuiuiuiuiuiu. Die anderen schauen sich das bitte an. Tu mal einen<br />
Schritt zurück. Was hat sie versucht? Eine Linie an einen Kreis zu zeichnen. Diese Linie<br />
wollten wir nicht haben.<br />
(Er erklärt nicht warum)“ (Cp91109s).<br />
„Luisa liest nun von ihrer Arbeit: ‚Man hält das Lineal vor die Augen ... (führt aus).<br />
Also ich fang mal an zu kritteln. Nicht um Dich jetzt persönlich zu treffen. Nur um das allgemein<br />
zu besprechen. – ‚Das Lineal vor die Augen‘, das ist zu ungenau.“(Cp91207d).<br />
In beiden Fällen greift der Lehrer inhaltlich auf, was die Schülerinnen gemacht bzw. gesagt<br />
haben, und kennzeichnet dies als falsch und ungenau. Er erklärt nicht, was falsch ist bzw.<br />
wie eine richtige Antwort ausgesehen hätte, sondern belässt es bei der deutlichen Kritik. Eine<br />
solche Reaktion auf Antworten von Schülern haben wir während der Beobachtungen nicht<br />
gefunden, wohl aber einmal eine Reaktion auf Nichtwissen bei einem Schüler:<br />
„L: Wie nennt man eine Gerade, die vom Mittelpunkt ausgeht?<br />
L. ruft nun Sascha auf. Sascha hat sich nicht gemeldet.<br />
Sascha: Ne, weiß ich nicht.<br />
L, etwas ungehalten: Doch, weißt Du schon.<br />
Sascha: Ja, hab ich vergessen.<br />
1 Die Protokollbezeichnung erklärt sich folgendermaßen: A steht für Klasse A, d für Deutsch, 0 für die Erhebung<br />
2000, 1127 steht für das Datum, in diesem Fall für den 27.11.00, v steht für die Protokollantin.<br />
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