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Gewaltfreie KommuniKation - Bundesverband Mediation eV

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54 Bücher und mehr<br />

Christine Kabst<br />

Angelika C. Wagner: Gelassenheit<br />

durch Auflösung innerer Konflikte<br />

Angelika C. Wagner,<br />

Gelassenheit durch Auflösung<br />

innerer Konflikte.<br />

Mentale Selbstregulation<br />

und Introvision,<br />

W. Kohlhammer<br />

1. Aufl. 2007,<br />

228 Seiten,<br />

28,00 €,<br />

ISBN 978-3-17-018929-4<br />

Christine Kabst,<br />

Dipl. Soz. Wiss., M.A.<br />

Personalentwicklung,<br />

Mediatorin<br />

Kontakt<br />

Christina Kabst,<br />

Christine.Kabst@gmx.de<br />

Das etwas zu unterlassen, „Gelassenheit durch<br />

Auflösung innerer Konflikte” verspricht, beschreibt<br />

Angelika C. Wagner, Professorin für Pädagogische<br />

Psychologie an der Universität Hamburg in<br />

ihrem gleichnamigen Buch. Erstmals gebündelt<br />

stellt die Autorin ihre Ergebnisse aus einer 30-jährigen<br />

Forschung dar, in der sie die Wirkung der Introvision<br />

als Methodik der Konfliktbearbeitung (Beratung)<br />

mit einem tiefenpsychologischen Ansatz<br />

betrachtet zur Förderung der Selbstregulation<br />

(Coaching) und Konfliktberatung durch Training<br />

von Introvision (Therapie).<br />

Herausgekommen ist in der Arbeit mit Studierenden,<br />

gesundheitlich beeinträchtigten Menschen<br />

und therapeutischen Disziplinen ein alltagstaugliches<br />

Handwerkszeug, das auf Basis wahrnehmungstheoretischer<br />

Experimente entwickelt und<br />

stetig verbessert wurde. Wagner misst Bewusstseinszustände<br />

als Ergebnis einer Binnenregulation<br />

auf einer siebenstufigen Psychotonus-Skala,<br />

die ähnlich wie die Eskalationsstufen Glasls Konfliktzustände<br />

definiert. Das Bewertungsinstrument<br />

setzt allerdings viel früher an. Die Psychotonus-<br />

Skala (S. 22 ff) dient der Definition psychischer<br />

Dispositionen, einem Zustand absoluter innerer<br />

Ruhe und Losgelassenheit (Stufe 1) bis zum eskalierenden<br />

akuten Konflikt (Stufe 7), die mit Gefühlen<br />

wie „Flow-Erleben” über „Anstrengung”<br />

und „willentliches Handeln” bis zur „Panik, Verzweiflung,<br />

„Black out”” einhergehen.<br />

„Ziel der Introvision ist es, Konflikte und mentale<br />

Blockaden nicht nur zu reduzieren, sondern gewissermaßen<br />

von der Wurzel her aufzulösen”<br />

(S. 28), um den Einzelnen wieder in die Lage zu<br />

versetzen, situationsangemessen zu handeln. Die<br />

Methode der Introvision entstand auf der theoretischen<br />

Annahme, dass jeder Mensch die Fähigkeit<br />

besitzt, sich seiner mentalen Kräfte bewusst<br />

zu werden, seine Gefühle wahrzunehmen<br />

und dafür Verantwortung zu übernehmen, also<br />

sich selbst mental zu regulieren. Die Anwendung<br />

von Introvision zur Entspannung und zum Stressabbau<br />

führt nachweislich zu Erfolgen bei Konflikten<br />

am Arbeitsplatz, im Umgang mit Menschen, bei<br />

kleineren Problemen im Alltag und bei psychosozialen<br />

Beeinträchtigungen (S. 218) wie Sucht, Heuschnupfen,<br />

Neurodermitis, Arbeitsbelastungen.<br />

Das 228-Seiten starke Buch der Autorin ist keine Lektüre<br />

für Zwischendurch. Es ist erklärtermaßen ein<br />

psychologisches Fachbuch mit pädagogischem<br />

Anspruch, in dem Fallbeispiele die Praxis beschreiben.<br />

Viel Wert legt die Autorin auf das theoretische<br />

Fundament der Introvision. Die beiden Säulen der<br />

Introvision sind die von ihr entwickelte Theorie Subjektiver<br />

Imperative zur Strukturierung von Konflikten<br />

und die Theorie der Mentalen Introferenz (TMI,<br />

S. 129 ff) zur mentalen Selbstregulation. Die Methodik<br />

der Introvision führt als Binnenregulation der<br />

menschlichen Informationsverarbeitung zur Auflösung<br />

von Konflikten. Introvision beginnt mit der Suche<br />

nach dem „kognitiv-affektiven Kern des Konflikts”<br />

(S. 219). Im Alltagssprachgebrauch: Des<br />

„Pudels Kern” ist eine persönliche Einstellung, die<br />

gelernt ist oder vielfach automatisch als Konfliktumgehungsstrategie<br />

(S. 74 ff) Anwendung findet.<br />

Es ist die persönliche Erkenntnis, dass etwas so<br />

„sein muss”, „nicht sein darf” und deshalb das Verhalten<br />

bestimmt (MUS, Muss-Darf-Nicht-Syndrom,<br />

S. 83). Am Ende dieser ersten Suchbewegung<br />

(Verfolgen der Imperativkette durch Gespräche,<br />

S. 170 ff) wird klar, was als sehr belastend empfunden<br />

wird. Diese Situation geht einher mit körperlicher<br />

Anspannung, Erregung oder mentaler Hemmung.<br />

Genau dieser Imperativ wird dann weiter<br />

bearbeitet. In der zweiten Phase der Introvision<br />

wird dafür aufmerksam konstatierendes Wahrnehmen<br />

(KAW) gefördert, ein Zustand, indem der Regelkreis<br />

des Konflikts (um das Problem kreisen)<br />

unterbrochen wird. Durch bewusstes Nicht-Eingreifen<br />

wird die akute Situation konzentriert über bestimmte<br />

Sensoren (visuell, auditiv, somatosensorisch,<br />

abstrakt) wahrgenommen und für sich<br />

festgehalten (konstatiert: es kann sein, dass etwas<br />

geschieht, was subjektiv betrachtet nicht sein darf<br />

...). Aus der Erkenntnis heraus, das die Situation als<br />

belastend empfunden wird, wird gleichzeitig signalisiert,<br />

es ist eben so (S. 135) und wird dann nicht<br />

mehr so schwer genommen. Die Kopplung der jeweiligen<br />

Kognitionen mit den physiologischen Zuständen<br />

wird gelöscht. Dass Introvision geübt werden<br />

sollte, versteht sich von selbst.<br />

Die Leistung der Methode besteht gerade darin,<br />

diese Konzentration auf des Pudels Kern (TMI<br />

durch KAW) in den Alltag aufzunehmen und dadurch<br />

Lernen lebensbegleitend zu gestalten bzw.<br />

eine Konfliktauflösungsstrategie zu praktizieren.<br />

Angelika C. Wagner erweitert mit dem Ansatz<br />

der Mentalen Selbstregulation und der Introvision<br />

den Handlungsspielraum für interessierte Laien<br />

(Gesundheitsverhalten, soziale Kompetenz) und<br />

bietet insbesondere für Professionelle in der Beratung,<br />

dem Coaching und der Therapie eine<br />

empirisch überprüfte Intervention. Es lohnt sich,<br />

die Methode in der Konfliktberatung einzusetzen.<br />

Für die interessiert Lesenden und die Verbreitung<br />

der Methodik wünsche ich mir, dass ohne den<br />

Respekt für die Leistung der Forschung der Autorin<br />

zu schmälern, die Sprache des Buches einfacher<br />

gewählt worden wäre.<br />

Spektrum der <strong>Mediation</strong> 28/2007 – Fachzeitschrift des <strong>Bundesverband</strong>es <strong>Mediation</strong> e. V.

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