Gewaltfreie KommuniKation - Bundesverband Mediation eV
Gewaltfreie KommuniKation - Bundesverband Mediation eV
Gewaltfreie KommuniKation - Bundesverband Mediation eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
qUALITÄTSSICHERUNG UND wEITERENTWICKLUNG<br />
15<br />
Cornelia Timm<br />
<strong>Gewaltfreie</strong> Kommunikation<br />
in der Paarmediation<br />
Seit 8 Jahren führt Cornelia Timm in der<br />
<strong>Mediation</strong>spraxis mit ihrem Mann Kurt Südmersen<br />
u. a. Paarmediationen durch. Dabei<br />
genießt sie die Haltung der <strong>Gewaltfreie</strong>n<br />
Kommunikation, die den Prozess<br />
bis zu einer gewinnbringenden Lösung<br />
für beide Seiten sehr unterstützt und dem<br />
MediatorInnenteam Sicherheit gibt, die<br />
wertschätzende und urteilsfreie Haltung<br />
den Konfliktparteien gegenüber deutlich<br />
zeigen zu können.<br />
„Ist der Kontakt wieder hergestellt, findet uns die<br />
Lösung”, sagt Marshall B. Rosenberg. Genau<br />
dieses Phänomen erlebe ich immer wieder sehr<br />
beeindruckend in der Paarmediation.<br />
Obwohl wir nicht extra dafür werben, sind<br />
die meisten <strong>Mediation</strong>en, die wir, d. h. mein<br />
Mann und ich, in unserer Praxis durchführen,<br />
Paarmediationen – vielleicht, weil wir selbst als<br />
MediatorInnen ein Lebenspaar sind. Einige Menschen<br />
wenden sich an uns, wenn sie sich bereits<br />
getrennt haben und nun ihre Dinge regeln<br />
möchten, andere fragen nach <strong>Mediation</strong>, um<br />
heraus zu finden, ob Trennung die einzige Möglichkeit<br />
ist, mit den angehäuften Problemen fertig<br />
zu werden. In beiden Fällen unterstützt uns in<br />
unserer Arbeit die Haltung der <strong>Gewaltfreie</strong>n Kommunikation<br />
nach Rosenberg. Diese Haltung des<br />
Nicht-Bewertens, der Urteilslosigkeit und der wertschätzenden<br />
Annahme beider Parteien ermutigt<br />
die Menschen, sich zunehmend zu öffnen und<br />
das, was dringend angesprochen werden muss,<br />
um eine transparente Grundlage zur Lösung der<br />
vorhandenen Konflikte zu erzielen, wirklich anzusprechen.<br />
Im Alltag sind die Konfliktparteien zumeist nicht<br />
mehr in der Lage miteinander zu kommunizieren,<br />
ohne sich zu beschimpfen, sich zu demütigen<br />
oder sich gegenseitig unter Druck zu setzen.<br />
Auf der anderen Seite entstehen dann oft<br />
Gefühle von Scham und Trauer, die aber eher<br />
nicht gezeigt werden, da die Angst vor Gesichtsverlust<br />
zu groß ist. Gerade hier setzen wir mit der<br />
<strong>Gewaltfreie</strong>n Kommunikation an. Wir zeigen beiden<br />
Parteien deutlich, dass sie sich in der <strong>Mediation</strong><br />
sicher fühlen und Offenheit riskieren können.<br />
Das Ansprechen von Gefühlen und Bedürfnissen<br />
in den Mittelpunkt zu stellen, ist für die Konfliktparteien<br />
fremd und ermutigt sie, sich zunehmend<br />
gegenseitig zu öffnen und dem anderen<br />
etwas von sich mitzuteilen, das im Alltag schon<br />
länger nicht mehr möglich war. In emotional geladenen<br />
Situationen fällt es den Parteien manchmal<br />
schwer, sich selbst verbal auszudrücken, weil<br />
sie diese Art von Gefühlssprache nicht gewohnt<br />
sind. Wir MediatorInnen fühlen uns in dem Moment<br />
in die Menschen ein und drücken aus, was<br />
sie vermutlich in der jeweiligen Situation sagen<br />
möchten. Sie haben dann die Möglichkeit zu<br />
korrigieren, zu ergänzen oder zuzustimmen. Dieser<br />
Umweg macht es anderen oft leichter, das<br />
Gesagte zu hören und zu verstehen als wenn<br />
sie es direkt von den betreffenden Personen hören.<br />
Marshall Rosenberg spricht in diesem Zusammenhang<br />
von der „verdammten Wolfspost”,<br />
die meistens dazu führt, dass die anderen das<br />
Gegenteil von dem verstehen, was wir eigentlich<br />
ausdrücken wollen. Die meisten Menschen<br />
sind so stark konditioniert, Vorwürfe und Forderungen<br />
zu hören, dass sie sie auch hören, wenn<br />
die anderen von ihren Bedürfnissen sprechen<br />
und eine Bitte äußern. Gerade bei Paaren, die<br />
langjährig zusammen leben, entstehen durch<br />
gemeinsame Erfahrungen solche Mechanismen.<br />
Hier unterstützen wir, indem wir noch einmal<br />
deutlich betonen, was wirklich gesagt wurde<br />
und das Verständnis so lange überprüfen, bis die<br />
EmpfängerInnen wirklich das aufgenommen haben,<br />
was das Gegenüber ausdrücken wollte. Mit<br />
diesem Weg unterstützen wir abwechselnd beide<br />
Parteien, so dass sie im Lauf des <strong>Mediation</strong>sgesprächs<br />
lernen, sich zuzuhören und die benannten<br />
Gefühle und Bedürfnisse des/der anderen zu<br />
wiederholen. Wenn das gelingt, entsteht eine veränderte<br />
Atmosphäre und das Feindbild, das die<br />
Konfliktparteien jeweils vom Gegenüber haben,<br />
löst sich langsam auf zu Gunsten eines wachsenden<br />
Verständnisses für den anderen Menschen.<br />
Unsere Erfahrung zeigt, dass die Bedürfnisse oft<br />
bei beiden Partnern gleich sind. Beide wünschen<br />
sich Respekt, Akzeptanz und Wertschätzung. Die<br />
Vorwürfe, die sie bisher voneinander gehört haben,<br />
beinhalten zwar indirekt auch diese Bedürfnisse,<br />
sind aber für den anderen nicht als solche<br />
verständlich, so dass wir als ÜbersetzerIn fungieren,<br />
die aus jedem Vorwurf ein unerfülltes Bedürfnis<br />
heraushören und dieses auch entsprechend<br />
formulieren. Rosenberg sagt: „Wenn beide Partner<br />
in der Lage sind, das jeweilige Bedürfnis des<br />
anderen zu wiederholen, dauert es höchstens<br />
noch 20 Minuten bis eine Lösung gefunden wird.”<br />
Damit drückt er aus, dass gerade hier die größte<br />
Schwierigkeit liegt, nämlich wirklich das Bedürfnis<br />
zu hören und nicht doch wieder einen Vorwurf<br />
oder eine Forderung. Gelingt uns, dieses gegenseitige<br />
Verständnis für die unerfüllten Bedürfnisse<br />
zu wecken, haben wir den größten Teil der Arbeit<br />
geleistet, denn es entsteht ein neuer Kontakt<br />
Cornelia Timm,<br />
Mediatorin BM, Trainerin<br />
für <strong>Gewaltfreie</strong> Kommunikation<br />
CNVC, Orca-Institut für<br />
Konfliktmanagement Bad<br />
Oeynhausen<br />
Spektrum der <strong>Mediation</strong> 28/2007 – Fachzeitschrift des <strong>Bundesverband</strong>es <strong>Mediation</strong> e. V.