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Gewaltfreie KommuniKation - Bundesverband Mediation eV

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qUALITÄTSSICHERUNG UND wEITERENTWICKLUNG<br />

11<br />

Prädikat „sekundenschnell / extra stark” sind. Die<br />

2 Komponenten bestehen einerseits aus einem<br />

starken unangenehmen Primärgefühl 5 (z. B. traurig,<br />

unsicher) und andererseits aus einem Urteil<br />

(z. B. „Der hat was falsch gemacht.” „Das gehört<br />

sich nicht unter Kollegen.”, „Die ist übergriffig.”). Bei<br />

Ärger stehe ich quasi auf einem Stuhl und zeige<br />

urteilend hinunter. Kein Wunder, dass der Andere<br />

nicht einfühlend reagiert, sondern selber auf einen<br />

Stuhl klettert! Bei Wut und Aggression verteidige<br />

ich wund gescheuerte Bedürfnisse. Ich handele<br />

aus einer Not heraus. Dem Gegenüber wird unbewusst<br />

signalisiert: du beschädigst mich – ich muss<br />

mich mit aller Macht vor deinem Verhalten schützen!<br />

Beim Gegenüber lösen die implizite Beschuldigung<br />

und Waffenbereitschaft lähmende Angst,<br />

Gegenaggression oder Fluchtreflexe aus.<br />

Wenn ich nun aber Ärger, Wut und Aggression in<br />

mir „fühle”, geradezu schäume – verstärkt durch<br />

alte Wunden aus der Kindheit – was mache ich<br />

dann? Ich drücke mit echter Emotionalität aus,<br />

dass ich schäume und dass es mir nicht gut geht<br />

in der konkreten Situation. Ich mache es nicht an<br />

meinem Gegenüber fest, sondern bleibe bei einer<br />

echten Kurzbotschaft über mich selbst (Achtung,<br />

also nicht: „Ich finde, du bist intrigant!”). Ich<br />

sage, dass ich eine Pause brauche, um mich zu<br />

klären (eine Empfehlung von M. Rosenberg, von<br />

der ich sehr profitiere). Nach einer Selbstempathie<br />

für meinen „Vulkan”, in der ich unterschieden habe,<br />

was in die heutige Situation gehört, welches<br />

meine Primärgefühle sind und welche aktuell unerfüllten<br />

Bedürfnisse sie mir mitteilen, gehe ich zurück.<br />

Es wirkt, wenn mein innerer Vulkan wirklich<br />

halbwegs geleert ist, also wenn der Prozess der<br />

Selbstempathie emotional und nicht nur intellektuell<br />

vollzogen ist. (Wenn das nicht klappt, wähle<br />

ich die Giraffenhotline). Zum Leeren des Vulkans<br />

braucht es das Zulassen – M. Rosenberg: „Genießen!”<br />

– meiner eigenen deftigen Wolfsshow!<br />

Im folgenden Gespräch kann ich die Anderen<br />

wieder auf Augenhöhe als Menschen statt als Aggressoren<br />

sehen: er/sie ist Auslöser, nicht Grund<br />

meines Schmerzes. Mein Gegenüber spürt den<br />

inneren Wechsel von „auf dem Stuhl” zu „Augenhöhe”<br />

sehr genau.<br />

Die Ansage von Grenzen – Der Giraffenschrei<br />

Was ist nun aber, wenn ich im Gespräch wiederholt<br />

die Wand hoch gehen könnte und mein Vulkan<br />

kocht? Ich möchte nicht alle 3 Min. um Pause<br />

bitten. Hier hilft mir der „Giraffenschrei”. Das bedeutet:<br />

mit der gleichen Wucht und Lebendigkeit,<br />

wie ich früher in den aggressiven Angriff ging, meine<br />

eigenen Primärgefühle (Achtung – nicht: „Du<br />

hast mich verletzt!!!”) und das, was ich dringend<br />

bräuchte, was mir elementar wichtig ist, auszudrücken.<br />

Es gibt nicht die Alternativen: Entweder moderat<br />

und energielos gewaltfrei zu sprechen oder<br />

laut und kraftvoll mit Aggression. Wenn meine Primärgefühle<br />

stark sind, kann ich sie auch stark ausdrücken<br />

– mit Stimme und Körpersprache! (Ich<br />

kann z. B. laut „Stopp!”) rufen. Oft erreicht den Anderen<br />

erst dann die Dringlichkeit meiner Botschaft.<br />

Mein Gegenüber wacht förmlich auf und nimmt<br />

mich und die Brisanz meines Anliegens vielleicht<br />

ganz anders zur Kenntnis. Dass sich in das Produktive<br />

der Auseinandersetzung auch ein Teil heißer<br />

Lava (Wolfssprache) mischt, erlebe ich nicht<br />

als destruktiv. M. Rosenberg spricht davon, dass<br />

schon 20 % GFK dem Gegenüber signalisiert: „Hey,<br />

ich will, dass es uns beiden gut geht! Ich will auch<br />

dich verstehen”. Ich kann auch meiner inneren<br />

Beobachterin transparent mitteilen: „Ich merke<br />

selbst, dass ich voller Ärger und Urteile bin; ich versuche<br />

herauszufinden, was wirklich dahinter ist bei<br />

mir”. Das entlastet die andere Person. Und sie ist<br />

im Kontakt mit mir. Mir ist es auch sehr recht, vom<br />

Anderen vehement zu hören: „Monika, ich hatte<br />

neulich 'nen ziemlichen Ärger auf dich in der Situation<br />

XY. Ich spüre den immer noch. Ich würde dir<br />

gerne mal sagen, womit ich da nicht klarkomme.”<br />

Ich weiß daraufhin, dass da Ladung drin ist und<br />

kann mich schützen. Gleichzeitig erfahre ich, dass<br />

die andere Person eine aufrichtige Verbindung mit<br />

mir sucht und die Sache mit mir klären will, um mit<br />

mir wieder ins Reine zu kommen. Sie zeigt sich sozusagen<br />

selbstverantwortlich mit ihren Gefühlen<br />

und das gibt mir Vertrauen in ein klärendes Gespräch.<br />

GFK als Fassade –<br />

Die Sache mit dem versteckten Ärger<br />

Meine Besorgnis beim Thema bezieht sich darauf,<br />

dass ich oft einen Widerspruch zwischen<br />

dem Gehörten/Geschriebenen und dem diffus<br />

Gefühlten empfinde. Auch Kursteilnehmende<br />

berichten mir davon. Wenn Herr Mayer eine Mail<br />

mit korrekten giraffischen Formulierungen erhält<br />

(jeder Satz beginnt z. B. mit „Wenn ich sehe ...,<br />

fühle ich mich ...”) und eine unbeweisbare Ladung<br />

von Ärger zwischen den Zeilen „liest” (z. B.<br />

„Wenn ich sehe, dass Sie mich im Bericht wieder<br />

nicht genannt haben, fühle ich mich unangenehm<br />

berührt, weil mir ... wichtig wäre.”), wird er<br />

unsicher: Interpretiere ich etwas in die Mail, was<br />

nicht drin ist? Sind es meine Projektionen? Soll<br />

ich dem Geschriebenen einfach vertrauen? Ist<br />

das ein aufrichtiger direkter Kontakt? Herr<br />

Mayer entscheidet sich, seine Unsicherheit in<br />

Bezug auf die Mail auszudrücken und eine Antwort<br />

auf die Frage nach dem Befinden des<br />

Autors zu erbitten.<br />

Spektrum der <strong>Mediation</strong> 28/2007 – Fachzeitschrift des <strong>Bundesverband</strong>es <strong>Mediation</strong> e. V.

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