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LANDESARBEITSGERICHT BREMEN - Verein der ehemaligen ...

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Berichtigt durch Beschlüsse vom 30.09.2008 und 20.20.2008<br />

<strong>LANDESARBEITSGERICHT</strong> <strong>BREMEN</strong><br />

IM NAMEN DES VOLKES<br />

URTEIL<br />

2 Sa 326/06<br />

2 Ca 2292/05 Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven (Bremen)<br />

In dem Rechtsstreit<br />

Proz.-Bev.:<br />

Klägerin und Berufungsbeklagte,<br />

gegen<br />

Proz.-Bev.:<br />

Beklagter und Berufungskläger,<br />

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Bremen aufgrund <strong>der</strong> mündlichen Verhandlung<br />

vom 6. Februar 2008<br />

durch<br />

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht<br />

und die ehrenamtlichen Richter<br />

für Recht erkannt:<br />

- 2 -


- 2 -<br />

Auf die Berufung des Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-<br />

Bremerhaven vom 07.09.2006 - Aktenzeichen 2 Ca 2292/05 - abgeän<strong>der</strong>t:<br />

Die Klage wird unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheides des<br />

Amtsgerichts Hannover vom 16.06.2003 abgewiesen.<br />

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.<br />

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.<br />

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g<br />

Gegen dieses Urteil kann von <strong>der</strong> Klägerin<br />

R e v i s i o n<br />

eingelegt werden.<br />

Die Revision muss innerhalb<br />

einer Notfrist von einem Monat<br />

schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.<br />

Sie ist gleichzeitig o<strong>der</strong> innerhalb<br />

einer Frist von zwei Monaten<br />

schriftlich zu begründen.<br />

Beide Fristen beginnen mit <strong>der</strong> Zustellung des in vollständiger Form abgefassten<br />

Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach <strong>der</strong><br />

Verkündung.<br />

Vor dem Bundesarbeitsgericht müssen sich die Parteien durch Prozessbevollmächtigte<br />

vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten<br />

auch Gewerkschaften und <strong>Verein</strong>igungen von Arbeitgeberver-<br />

- 3 -


- 3 -<br />

bänden sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglie<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> für an<strong>der</strong>e Verbände o<strong>der</strong> Zusammenschlüsse mit vergleichbarer<br />

Ausrichtung und <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> als Bevollmächtigte vertretungsbefugt.<br />

Als Bevollmächtigte zugelassen sind auch juristische Personen, die die<br />

Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 5 ArbGG erfüllen. Die<br />

handelnden Personen müssen die Befähigung zum Richteramt haben.<br />

Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:<br />

Bundesarbeitsgericht,<br />

99113 Erfurt.<br />

Per Telefax ist das Bundesarbeitsgericht unter <strong>der</strong><br />

Telefax-Nr. (0361) 26 36 – 20 00<br />

zu erreichen.<br />

Wegen <strong>der</strong> Revisionseinlegung mit elektronischem Dokument<br />

wird auf die Verordnung über den elektronischen<br />

Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 9. März<br />

2006 (Bundesgesetzblatt I 2006, Nr. 12, Seite 519ff)<br />

verwiesen.<br />

Für den Beklagten ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.<br />

Hinweis <strong>der</strong> Geschäftsstelle<br />

Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in siebenfacher<br />

Ausfertigung - für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr -<br />

bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.<br />

- 4 -


- 4 -<br />

T A T B E S T A N D :<br />

Die Parteien streiten um For<strong>der</strong>ungen aus einem Kontokorrent, das bei Durchführung eines<br />

zwischen den Parteien in seiner rechtlichen Qualität umstrittenen Handelsvertretervertrages<br />

entstanden ist. Der Beklagte ist <strong>der</strong> Auffassung, er sei zum Ausgleich u.a. deswegen nicht<br />

verpflichtet, weil er Arbeitnehmer sei.<br />

Die Klägerin ist ein bundesweit und darüber hinaus tätiges Finanzdienstleistungsunternehmen.<br />

Sie vertreibt Versicherungen, Geldanlagen und an<strong>der</strong>e Finanzprodukte. Im Verhältnis<br />

zu den diese Finanzdienstleistungen anbietenden Unternehmen tritt sie als selbständiger<br />

Handelsvertreter auf. Der Beklagte war Berater bei <strong>der</strong> Klägerin. Unter dem<br />

20.09.2001 schlossen die Parteien einen „Handelsvertretervertrag“, (Anlage K01 d.A.)<br />

dessen Rechtsnatur streitig ist. In diesem wird <strong>der</strong> Beklagte als Handelsvertreter bezeichnet.<br />

Die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien wurde wie folgt begründet:<br />

<strong>der</strong> Beklagte wurde im Juli/August 2001 erstmals durch einen Mitarbeiter <strong>der</strong> Klägerin auf<br />

die Möglichkeit, für die Klägerin tätig zu werden, aufmerksam gemacht. Der Beklagte<br />

stand damals unmittelbar vor dem Abschluss eines Studiums <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre.<br />

Entsprechend dem Hinweis des Mitarbeiters <strong>der</strong> Klägerin wandte sich <strong>der</strong> Beklagte an die<br />

A. -Zentrale in H. und bat um Informationen. Dort teilte man ihm mit, er solle sich<br />

an das Büro <strong>der</strong> Klägerin in B. Nord wenden, das vom Büroleiter S. geleitet werde.<br />

Dort finde ein Assessment-Center statt, an dem er teilnehmen können. Im Anschluss<br />

daran werde entschieden, ob <strong>der</strong> Beklagte für die Klägerin tätig werden könne. Nach erfolgreichem<br />

Abschluss des Assessment-Centers im August 2001 o<strong>der</strong> dem Beklagten mitgeteilt,<br />

er könne eine Tätigkeit für die Klägerin aufnehmen. Der Direktionsleiter <strong>der</strong> Klägerin<br />

Sc. wies dem Beklagten das Büro zu, welches vom Mitarbeiter S. geleitet<br />

wurde.<br />

- 5 -


- 5 -<br />

Etwa drei Wochen nach Aufnahme <strong>der</strong> Tätigkeit des Beklagten für die Klägerin übersandte<br />

die Klägerin dem Beklagten und dem Handelsvertretervertrag mit <strong>der</strong> Bitte, diesen zu unterzeichnen<br />

und zurück zusenden.<br />

Im Handelsvertretervertrag wird unter an<strong>der</strong>em folgendes festgelegt:<br />

„…….<br />

2.1 Der Handelsvertreter ist bei <strong>der</strong> Vermittlung von Bauspar-, Versicherungs-<br />

und ähnlichen Verträgen im Nebenberuf gemäß §§ 84 ff., 92<br />

und 92b HGB in Verbindung mit § 43 VVG selbständig tätig….. Der<br />

Handelsvertreter ist nicht Teil <strong>der</strong> Arbeitsorganisation des A. . Er<br />

bedient sich zur Durchführung seiner Administration eigener Arbeitnehmer<br />

und ist Arbeitgeber im Sinne <strong>der</strong> arbeits- und sozialrechtlichen<br />

Vorschriften.<br />

Gegenüber dem A.<br />

ist <strong>der</strong> Handelsvertreter selbständig.<br />

……..<br />

3…..<br />

Bestandteile dieses Vertrages sind – und zwar jeweils in ihrer geltenden<br />

neuesten Fassung – <strong>der</strong> Vergütungsstufen- und Karriereplan, dessen<br />

Erläuterungen und die Provisionsliste (Produktplan) mit <strong>der</strong>en Erläuterungen.<br />

4. Vergütungsansprüche des Handelsvertreters<br />

…….<br />

Dem Handelsvertreter stehen aus seiner Tätigkeit Vergütungsansprüche<br />

nur gegenüber dem A. , nicht aber unmittelbar gegenüber den Partnergesellschaften<br />

des A. , zu.<br />

5. Vergütung (Provision, Superprovision)<br />

5. 1… <strong>der</strong> Handelsvertreter erhält Provision o<strong>der</strong> Superprovision entsprechend<br />

seiner Stufe im Vergütungsstufen- und Karriereplan. Die Höhe<br />

<strong>der</strong> Provision sowie <strong>der</strong> Superprovision und die Einheitenbewertung<br />

werden durch den Vergütungsstufen- und Karriereplan, dessen Erläuterungen<br />

und durch die Provisionsliste (Produktplan) mit <strong>der</strong>en Erläuterung<br />

festgelegt. ... Dem A. bleibt das Recht vorbehalten, den Vergütungsstufen-<br />

und Karriereplan, dessen Erläuterungen und/o<strong>der</strong> die Provisionsliste<br />

(Produktplan) mit <strong>der</strong>en Erläuterungen zu än<strong>der</strong>n. Bereits<br />

entstandene Vergütungsansprüche bleiben davon unberührt....<br />

- 6 -


- 6 -<br />

5.7 Nach erfolgter Kündigung des Handelsvertretervertrages entfällt ungeachtet<br />

<strong>der</strong> Regelung zu Ziff. 5.6 die Vorfinanzierung o<strong>der</strong> Bevorschussung<br />

von Provisionen o<strong>der</strong> Superprovisionen, sofern das Sicherungsbedürfnis<br />

des A. dies rechtfertigt. Die noch nicht fälligen Vergütungen<br />

werden dann in dem Umfang dem Stornoreservekonto (Ziffer 5.9) gutgeschrieben,<br />

in dem das Sicherungsbedürfnis des A. dies erfor<strong>der</strong>t.<br />

5.8 Der Handelsvertreter und <strong>der</strong> A. treffen folgende Abrechnungsvereinbarung:<br />

Die Abrechung erfolgt monatlich im Rahmen eines Kontokorrentkontos. Innerhalb<br />

jenes Kontos werden sämtliche Gutschriften, Belastungen o<strong>der</strong> Zahlungen erfasst.<br />

Der Handelsvertreter weist den A. hiermit an, For<strong>der</strong>ungen des A. ,<br />

gleich aus welchem Rechtsgrunde, ebenfalls auf diesem Konto zu buchen. Weist<br />

das Konto zu Lasten des Handelsvertreters ein Soll-Saldo auf, ist <strong>der</strong> Handelsvertreter<br />

verpflichtet, diesen Soll-Saldo nach Auffor<strong>der</strong>ung durch den A. unverzüglich<br />

auszugleichen. Das Kontokorrentkonto wird auch nach Beendigung des<br />

Vertrages solange fortgeführt, bis alle gegenseitigen For<strong>der</strong>ungen abgerechnet<br />

sind.<br />

5.9 Zur Sicherung <strong>der</strong> vorfinanzierten und/o<strong>der</strong> bevorschussten Vergütung wird von<br />

allen Gutschriften (Ausnahme: linearisierte Provisionsbevorschussung) eine Reserve<br />

einbehalten. Die Höhe <strong>der</strong> Reserve bestimmt <strong>der</strong> A. . Die Reserve darf 30<br />

% <strong>der</strong> Vergütung nicht überschreiten. 15 % <strong>der</strong> Vergütung werden unter <strong>der</strong> Bezeichnung<br />

Stornoreserve einem Stornoreservekonto zugeführt. Weitere bis zu 15<br />

% werden unter <strong>der</strong> Bezeichnung Steuerungsreserve einem Steuerungsreservekonto<br />

gutgeschrieben.<br />

……..<br />

6 Weitere Rechte des Handelsvertreters<br />

6.1 Der Handelsvertreter hat das Recht, innerhalb <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />

ohne Gebietsbegrenzung zu akquirieren und entsprechend diesem Vertrag tätig zu<br />

werden.<br />

6.2 Der Handelsvertreter ist berechtigt, am überregionalen Schulungs- und Seminarangebot<br />

des A. teilzunehmen.<br />

6.3 Der Handelsvertreter ist berechtigt, seine Tätigkeit frei zu gestalten. Eine Weisungsbefugnis<br />

des A. über Ort und Zeit <strong>der</strong> Tätigkeit des Handelsvertreters besteht<br />

nicht, es sei denn, wichtige Gründe machen dies erfor<strong>der</strong>lich. Ebenso wenig<br />

sind die A. -Handelsvertreter untereinan<strong>der</strong>, ungeachtet ihrer Provisionsvergütungsstufen,<br />

weisungsbefugt.<br />

6.4 Der Handelsvertreter kann die Art und Weise seiner Tätigkeit selbst bestimmen.<br />

7 Aufgaben des Handelsvertreters<br />

- 7 -


- 7 -<br />

7.1 Der Handelsvertreter ist verpflichtet, die Interessen des A. nach bestem<br />

Wissen mit <strong>der</strong> Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu wahren. Er vermittelt<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen bestandsfähige<br />

Verträge in eigener Verantwortung. Der Handelsvertreter ist<br />

verpflichtet, den Mandanten sachgemäß aufzuklären und zu beraten. Er hat<br />

in eigener Verantwortung die einschlägigen Regeln des lauteren Wettbewerbs,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Wettbewerbsrichtlinien <strong>der</strong> Versicherungswirtschaft<br />

und <strong>der</strong> privaten Bausparkassen zu beachten.<br />

7.2 Der Handelsvertreter ist nicht berechtigt, für Wettbewerber des A. o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Partnergesellschaften tätig zu werden o<strong>der</strong> sich an einemKonkurrenzunternehmen<br />

direkt o<strong>der</strong> indirekt, mittelbar o<strong>der</strong> unmittelbar zubeteiligen o<strong>der</strong><br />

es sonst in irgendeiner Weise zu unterstützen. Dem Handelsvertreter ist jegliche<br />

Konkurrenztätigkeit untersagt. DasKonkurrenzverbot bezieht sich auf<br />

sämtliche Produkte, die dem A. vertrieben werden, mithin auch auf die<br />

Vermittlung von Immobilien, Krediten und Kapitalanlagen. Dem Handelsvertreter<br />

ist nicht gestattet, Produkte zu vermitteln, die nicht in <strong>der</strong> Provisionsliste<br />

(Produktplan) des A. enthalten sind.<br />

Für jeden Fall <strong>der</strong> Zuwi<strong>der</strong>handlung gegen die vorstehenden Bestimmungen ist <strong>der</strong><br />

Handelsvertreter zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, die vom A. nach<br />

billigem Ermessen festzusetzen ist und DM 15.000,00 nicht übersteigen darf.<br />

Schadensersatzansprüche des A. bleiben hiervon unberührt, wobei <strong>der</strong> A. die<br />

Vertragsstrafe auf Schadensersatzansprüche anrechnet.<br />

……….<br />

7.4 Dem Handelsvertreter ist es nicht gestattet, Anzeigen, Druckstücke und/o<strong>der</strong><br />

sonstige Werbemaßnahmen im Namen des A. o<strong>der</strong> auch im eigenen Namen unter<br />

Hinweis auf den A. in Auftrag zu geben, zu veranlassen o<strong>der</strong> durchzuführen.<br />

……….<br />

7.6 Während <strong>der</strong> Dauer dieses Vertrages ist <strong>der</strong> Handelsvertreter zur ständigen Pflege<br />

seines von ihm vermittelten Bestandes verpflichtet. Unterlässt er diese Bestandspflege<br />

o<strong>der</strong> eine notwendige Nachbearbeitung innerhalb einer ihm vom A. gesetzten<br />

Frist, ermächtigt er hierdurch den A. , an seiner Stelle einen an<strong>der</strong>en<br />

Handelsvertreter mit <strong>der</strong> Bestandspflege zu betrauen. Dieser erhält auch den bis<br />

dahin nicht verdienten Anteil an <strong>der</strong> Provision.<br />

7.7 Zum Erhalt und zur För<strong>der</strong>ung seiner Beratungsqualität wird sich <strong>der</strong> Handelsvertreter<br />

das für die Ausübung seiner Tätigkeit notwendige Wissen aneignen und<br />

sich insoweit weiterbilden. Der A. bietet hierzu Schulungen an.<br />

8 Abrechnung<br />

…..<br />

- 8 -


- 8 -<br />

8.3 Der Handelsvertreter ist verpflichtet, die vom A. erteilten Abrechnungen unverzüglich<br />

auf ihren sachlichen und rechnerischen Inhalt zu prüfen. Beanstandungen<br />

sind binnen eines Monats schriftlich zu erheben. Dabei hat <strong>der</strong> Handelsvertreter<br />

die einzelnen Positionen <strong>der</strong> Abrechnung, mit denen er nicht einverstanden ist,<br />

mitzuteilen, damit dem A. eine zügige Überprüfung möglich ist.“<br />

10 Vertragsdauer/Kündigung/Beendigung des Vertragsverhältnisses<br />

10.1 Das Vertragsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Es kann<br />

von beiden Vertragspartnern im ersten Jahr <strong>der</strong> Vertragsdauer mit einer Frist<br />

von einem Monat, im zweiten Jahr mit einer Frist von zwei Monaten und im<br />

dritten bis fünften Jahr mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.<br />

… Die Kündigung ist jeweils nur für den Schluss eines Kalen<strong>der</strong>monats zulässig.<br />

10.2 Das Recht bei<strong>der</strong> Vertragsparteien zur Kündigung aus wichtigem<br />

Grund bleibt unberührt.<br />

10.3 Ein wichtiger Grund ist insbeson<strong>der</strong>e gegeben,<br />

- Wenn <strong>der</strong> Handelsvertreter …;<br />

- Wenn <strong>der</strong> Handelsvertreter die sich aus diesem Vertrag ergebende<br />

Vermittlungspflicht trotz Abmahnung verletzt;<br />

- Wenn gegen die Pflichten zur Bestandspflege und Nachbearbeitung<br />

o<strong>der</strong> die Ziffern 7.2. 7.3. 7.4. dieses Vertrags verstoßen wird;<br />

- Wenn <strong>der</strong> Handelsvertreter eine eidesstattliche Versicherung nach<br />

den §§ 807 ff ZPO abgegeben hat;<br />

- wenn gegen den Handelsvertreter ein Haftbefehl zur Erzwingung<br />

einer eidesstattlichen Versicherung erlassen wurde;<br />

- Wenn die Storno Quote des Handelsvertreters über 15% liegt.<br />

Am 18.09.2001 unterzeichnete <strong>der</strong> <strong>der</strong> Beklagte, sein Team Leiter und <strong>der</strong> Team Manager<br />

sowie <strong>der</strong> Direktor und die Klägerin einen Vertrag, <strong>der</strong> die Zahlung eines linearen Provisionsvorschuss<br />

betraf. Darin wird festgelegt, dass dem Beklagten ein monatlicher linearer<br />

Provisionsvorschuss in Höhe von 3.500 DM für maximal 12 Monate gewährt wird. Darüber<br />

hinaus wird eine zusätzliche Leistungsanreiz in Höhe von 1,00 DM pro brutto Antragseinheit<br />

gewährt. Im Vertrag heißt es u.a. weiter:<br />

„3. Der lineare Provision Vorschuss und <strong>der</strong> Leistungsantrag jetzt sind ins Vergehen zu<br />

bringen. Wie GK Zahlungen aus dieser <strong>Verein</strong>barung je<strong>der</strong>zeit einstellen.<br />

…<br />

- 9 -


- 9 -<br />

5. Ein Anspruch auf lineare Provision Bevorschussung und Leistungsanteil nach dieser<br />

Rahmenvereinbarung entfällt, sobald das Handelsvertretervertragsverhältnis gekündigt<br />

ist. In diesem Fall ist, ein ggf. noch vorhanden ein Sollsaldo zu 50% zurückzuzahlen.<br />

Die restlichen 50% dass sich auf dem Provision Konto des HV befindlichen<br />

Sollsaldo werden durch die dem HV zugeordneten Führungskräfte anteilig gemäß ihrer<br />

Vergütungs Markenschutz. Diese treten <strong>der</strong> Rahmenvereinbarung bei.“<br />

Die <strong>Verein</strong>barung wurde ebenfalls vom Teamleiter, vom Teammager und vom Direktor<br />

unterzeichnet.<br />

Ebenfalls am 20.09.2001 unterzeichnete <strong>der</strong> Beklagte einen Antrag auf Gewährung einer<br />

Ausbildungsbeihilfe durch die Klägerin (Anlage K 04). In dem dafür von <strong>der</strong> Klägerin gestellten<br />

Vordruck heißt es:<br />

„Präambel<br />

…Mir ist bekannt, dass A. -Mitarbeitern (Handelsvertretern) im Rahmen <strong>der</strong><br />

Fach- und Vertriebsausbildung, <strong>der</strong>en Gesamtkosten sich auf insgesamt ca. DM<br />

27.000,00 belaufen, eine Ausbildungsbeihilfe nach Maßgabe folgen<strong>der</strong> Bedingungen<br />

gewährt wird:<br />

1. A. gewährt Mitarbeitern darlehensweise eine Ausbildungsbeihilfe für die Dauer<br />

von höchstens 12 Monaten bis zur Höhe von max. DM 9.000,00, die inmonatlichen<br />

Teilbeträgen zu je DM 750,00 in die jeweilige Provisionsabrechnung eingestellt<br />

wird. Die erste Auszahlung erfolgt für den Monat, in dem dieAusbildung aufgenommen<br />

wird, frühestens jedoch mit Bewilligung <strong>der</strong> Ausbildungsbeihilfe. Die<br />

darlehensweise gewährte Ausbildungsbeihilfe ist mit 6,5 % p.a. zu verzinsen.<br />

2. Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Ausbildungsbeihilfe ist die Teilnahme<br />

an folgenden Ausbildungsmaßnahmen, Seminaren o<strong>der</strong> Lehrgängen:<br />

a) Grundlagen <strong>der</strong> Wirtschaftsberatung<br />

b) A. -Fachausbildung<br />

c) Wirtschaftsberaterlizenzprüfung<br />

d) Fernstudium bei <strong>der</strong> ILS mit Abschlussprüfung zum Fachberater für Finanzdienstleisungen<br />

…….<br />

6. Endet das Handelsvertretervertragsverhältnis mit A. innerhalb von 2<br />

Jahren nach Eintritt des Mitarbeiters/<strong>der</strong> Mitarbeiterin in ein Vertragsverhältnis<br />

mit A. , gleich aus welchem Grund, wird die noch offen stehende<br />

und zur Rückzahlung fällige Ausbildungsbeihilfe auf einmal zur Rückzahlung<br />

- 10 -


- 10 -<br />

fällig. Die Fälligkeit tritt mit Wirksamwerden <strong>der</strong> Kündigungserklärung –<br />

gleich durch wen sie erfolgt – o<strong>der</strong> einer <strong>Verein</strong>barung über die Aufhebung des<br />

Handelsvertretervertrages ein. Die Erlassregelungen nach Maßgabe <strong>der</strong><br />

Ziffer 7 dieses Antrages entfallen für diesen Fall.“<br />

Die Klägerin kehrte beginnend mit dem Abrechnungszeitraum vom 21.10.2001 bis<br />

17.11.2001 (Provisionsabrechnung 10/2001) unter dem Stichwort „Ausbildungsbeihilfe“<br />

monatlich 750,00 DM bzw. 383,47 EUR bis 19.10.2002 (Provisionsabrechnung 9/ 2002)<br />

also insgesamt 4.601,64 EUR an den Beklagten aus.<br />

Der Beklagte wurde in <strong>der</strong> Folge für die Klägerin tätig. In den monatlichen Provisionsabrechnungen<br />

waren regelmäßig Provisionsvorschüsse enthalten. Die Vergütung richtete sich<br />

nach einem so genannten „Vergütungsstufen- und Karriereplan (Bl. 83 und 84 d.A.)<br />

In den Erläuterungen zum Vergütungsstufen- und Karriereplan zu 3 des Handelsvertretervertrages<br />

wird unter III. "Höhervergütungsregelungen für Handelsvertreter" unter an<strong>der</strong>em<br />

folgendes geregelt:<br />

„ III.1 Handelsvertreter beginnend mit <strong>der</strong> Vergütungsstufen "Teamleiter"<br />

werden für ihre Begleitungs-, Betreuungs- o<strong>der</strong> Schulungstätigkeiten<br />

<strong>der</strong> ihnen zugeordneten selbstständigen Vermittler an <strong>der</strong>en Vermittlungserfolg<br />

mit einer Superprovision entsprechend den Regelungen<br />

dieses Vergütungsstufen- und Karriereplanes beteiligt.<br />

III. 2. Der Handelsvertreter erhält eine Superprovision auf die Koproduktion<br />

<strong>der</strong> ihm zugeordneten Handelsvertreter in Höhe des jeweiligen<br />

Differenzbetrages zum Vergütungsanspruch dieser Handelsvertreter."<br />

…<br />

III. 3.2<br />

Teammanager<br />

Eine Höhervergütung vom Teamleiter zum Teammanager erfolgt bei Erfüllung folgen<strong>der</strong><br />

Voraussetzungen:<br />

a) …<br />

b) dem Teamleiter sind mindestens zwei weitere aktive Teamleiter direkt zugeordnet,<br />

wobei ein Teamleiter durch zwei direkt zugeordnete Wirtschaftsberater<br />

…. ersetzt werden kann.<br />

- 11 -


- 11 -<br />

c) …<br />

d) …<br />

e) bei den für die höhere Vergütung anzurechnenden Einheiten werden aus den<br />

Umsätzen <strong>der</strong> dem Teamleiter zugeordneten Handelsvertreterlinien die beiden umsatzstärksten<br />

zusammen … berücksichtigt.<br />

III. 3. 3. Manager<br />

eine Höhervergütung des Teammanagers zum Manager erfolgt bei Erfüllung folgen<strong>der</strong><br />

Voraussetzungen:<br />

…<br />

d) bei den für die höhere Vergütung anzurechnenden Einheiten werden aus den<br />

Umsätzen <strong>der</strong> dem Teammanager zugeordneten Handelsvertreterlinien die beiden<br />

umsatzstärksten zusammen mit höchstens 70% und die umsatzstärkste einzelne<br />

Handelsvertreterlinien mit höchstens 40% berücksichtigt.<br />

III. 3. 4. Direktor<br />

Eine Höhervergütung des Managers zum Direktor Erfolg bei Erfüllung folgen<strong>der</strong><br />

Voraussetzungen:<br />

….<br />

d) bei denen für die höhere Vergütung anzurechnenden Einheiten werden aus<br />

den Umsätzen <strong>der</strong> Teammanager zugeordneten Handelsvertreterlinien die beiden<br />

umsatzstärksten mit höchstens 70% und die umsatzstärkste einzelne Handelsvertreterlinien<br />

mit höchstens 40% berücksichtigt.<br />

Unter IV. "Aktiv Status" ist geregelt, dass die Einhaltung des Aktivstatus, <strong>der</strong> ein Produktionsminimum<br />

im Produktionsquartal erfor<strong>der</strong>t, den Verbleib in <strong>der</strong> jeweiligen Vergütung<br />

und Karrierestufe sichert. Dabei werden die Eigenproduktion, die Linienproduktionen und<br />

die gesamte Linienproduktionen berücksichtigt. Unter IV. 4. Ist geregelt, dass je<strong>der</strong> Handelsvertreter<br />

auf die seiner Leistung entsprechenden Vergütung- und Karrierestufen zurückgestuft<br />

werden kann, wenn die Erfor<strong>der</strong>nisse seines Aktivstatus in den letzten drei<br />

Produktionsmonaten nicht mehr erfüllt wurden. In diesen Fällen entscheidet die Geschäftsführung<br />

<strong>der</strong> Klägerin. Die vorherige Vergütungsstufe kann wie<strong>der</strong> erreicht werden, wenn<br />

die Höherevergütungskriterien für die vorherige Stufe erneut erfüllt werden.<br />

Auf den Anmeldungen zur Wirtschaftberater-Lizenzprüfung für den 23. und 24.05. 2002<br />

bzw. vom 02. und 03.08.2002 bevollmächtigte <strong>der</strong> Beklagte die Klägerin je 128,00 € Ta-<br />

- 12 -


- 12 -<br />

gungspauschale von seinem Provisionskonto abzubuchen (Anlage K 08, Bl. 7 u. 8). Für ein<br />

Assessment-Center am 27.10.2002 erfolgte ebenfalls ein Abbuchungsauftrag im Umfang<br />

von 128,00 € (Anlage K 08, Bl. 9).<br />

Am 24.09.2001 vereinbarten die Parteien in einem Vertrag zur Hard- und Softwareüberlassung<br />

(Notebook), dass die Klägerin dem Beklagten ein näher beschriebenes Notebook zur<br />

Nutzung überlässt (Bl. 190-193 d.A.). Der Vertrag sah eine Laufzeit von 30 Monaten vor.<br />

Als Preis für die Überlassung und Nutzung des Notebooks sowie für die Bereitstellung von<br />

Software und weiterer Dienstleistungen (24-Stunden Austauschservice, Datenübernahme<br />

bei Hardwareaustausch, kompletter Austausch <strong>der</strong> Hardware nach maximal 30 Monaten)<br />

waren monatlich € 132,42 zuzüglich Mehrwertsteuer ab Übergabe des Notebooks zu zahlen.<br />

Dieser Betrag sollte jeweils zu Lasten des Kontokorrentkontos des Beklagten gebucht<br />

werden. Spezielle A. -Software wurde dabei kostenneutral zur Verfügung gestellt.<br />

Der Beklagte wurde nach <strong>der</strong> Unterzeichnung des Vertrages dem Stützpunkt <strong>der</strong> Klägerin<br />

in Bremen-Nord zugeordnet, welches durch den Manager T. S. zur Verfügung gestellt<br />

wurde. Der Beklagte erteilte <strong>der</strong> Klägerin diesbezüglich einen so genannten Abbuchungsauftrag<br />

für „Bürokostenumbuchungen“, mit dem die Klägerin ermächtigt wurde,<br />

das Handelsvertreterkonto des Beklagten um monatlich € 200,00 (unterzeichnet am<br />

30.01.2002), um monatlich 280,00 € (unterzeichnet am 19.03.2002), und um monatlich<br />

464,00 € (unterzeichnet am 06.08.2002) zu belasten und diesen Betrag dem Manager S.<br />

gutzuschreiben (Anlage K 08 ff d.A.).<br />

Im Büro des Managers S. , in welchem auch an<strong>der</strong>e Berater als <strong>der</strong> Beklagte tätig waren,<br />

kursierte unter an<strong>der</strong>em ein auf weißem Briefpapier erstelltes Merkblatt mit <strong>der</strong> Überschrift<br />

„Spielregeln für hauptberufliche Wirtschaftsberater <strong>der</strong> Organisation Sch. “. Dieses<br />

enthält unterschiedliche Punkte, unter an<strong>der</strong>em einen täglichen Telefonkontakt, ein<br />

persönliches Gespräch pro Woche, fünf Kontaktgespräche pro Tag, 12 bis 15 Termine pro<br />

Woche, Klei<strong>der</strong>vorschriften etc. (Bl. 248 d.A.). Außerdem existierte eine flüchtig auf weißem<br />

Papier angefertigte Skizze, welche einen Zeitstrahl darstellt, bei welchem für die Zeit<br />

von 08:00 Uhr bis 17:00 Uhr Seminare, Akquise, Personalgespräche und für die Zeit von<br />

17:00 Uhr bis 23:00 Uhr Mandantengespräche, Kontaktgespräche, Verträge, Datenerhebung,<br />

Stornobearbeitung und Vermittleranwerbung notiert sind (Bl. 249 d.A.).<br />

- 13 -


- 13 -<br />

Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 24.12.2002 den „mit Ihnen geschlossenen Vertrag“<br />

außerordentlich hilfsweise ordentlich zum 28.02.2003 (Anlage K 05, Bl. 4). Die Klägerin<br />

wies mit Schreiben vom 06.01.2003 die fristlose Kündigung als unbegründet zurück,<br />

bestätigte aber die fristgemäße Kündigung zum 28.02.2003. Gleichzeitig wurde <strong>der</strong> Beklagte<br />

über die Salden <strong>der</strong> Konten informiert (Anlage K 06). Mit Schreiben vom<br />

22.01.2003 stellte die Klägerin den Betrag aus <strong>der</strong> Ausbildungsbeihilfe in Höhe von €<br />

4.601,64 zuzüglich 6,5 % Zinsen = € 164,33, also insgesamt 4.765,97 € zur sofortigen<br />

Rückzahlung fällig (Anlage K 10).<br />

Laut Schreiben <strong>der</strong> Klägerin vom 07.04.2003 wies die zuletzt erstellte Provisionsabrechnung<br />

folgende Beträge aus (Anlage K 09 d.A.):<br />

„Kontokorrentkonto:<br />

Stornoreservekonto:<br />

Ausbildungsbeihilfekonto:<br />

20.322,09 EUR Soll<br />

2.058,28 EUR<br />

4.601,64 EUR Soll“<br />

Weiterhin wies die Klägerin in diesem Schreiben darauf hin, dass <strong>der</strong> so genannte „Linearisierungsbetrag<br />

in Höhe von 1.178,18 EUR vollständig, <strong>der</strong> verbleibende Sollsaldo des<br />

Kontokorrentkontos nach Verrechnung des Stornoreservekontos hälftig vom Beklagten zu<br />

erstatten sei und errechnete einen Gesamtsaldo von 14.322,64 EUR zu ihren Gunsten zu<br />

diesem Zeitpunkt.<br />

Am 13.05.2003 wurde durch Amtsgericht Hannover – nach einem Antrag vom gleichen<br />

Tag – ein Mahnbescheid gegen den Beklagten erlassen, <strong>der</strong> am 15.05.2003 zugestellt wurde.<br />

Gegen den darauf basierenden Vollstreckungsbescheid vom 16.06.2003, zugestellt am<br />

19.06.2003, legte <strong>der</strong> Beklagte am 16.06.2003 Wi<strong>der</strong>spruch ein, <strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> Verspätung<br />

als Einspruch angesehen wurde. Die Hauptfor<strong>der</strong>ung einschließlich Nebenfor<strong>der</strong>ung und<br />

Kosten ist mit 14.901,19 € angegeben.<br />

Das danach mit <strong>der</strong> Sache befasste Landgericht Hannover verwies den Rechtsstreit wegen<br />

örtlicher Unzuständigkeit an das Landgericht Bremen. Dieses verneinte den Rechtsweg zu<br />

- 14 -


- 14 -<br />

den ordentlichen Gerichten und verwies den Streit an das Arbeitsgericht Bremen-<br />

Bremerhaven.<br />

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, zu Lasten des Beklagten bestehe insgesamt ein<br />

Sollsaldo in Höhe von 19.668,90 €. Hiervon habe er entsprechend <strong>der</strong> Kontokorrentabrede<br />

in Verbindung mit <strong>der</strong> <strong>Verein</strong>barung zur Linearisierung (Ziff. 4. des Handelsvertretervertrages)<br />

50 %, mithin 9.834,45 € zurückzuerstatten. Diesbezüglich befinde er sich spätestens<br />

seit dem 22.04.2003 mit <strong>der</strong> Rückführung des Provisionskontos in Verzug. Im Übrigen<br />

sei er zur Rückzahlung <strong>der</strong> gewährten Ausbildungsbeihilfe in Höhe von 4.601,64 €<br />

zuzüglich 6,5 % Zinsen p.a. verpflichtet, die mit Schreiben vom 22.01.2003 fällig gestellt<br />

worden sei. Aus diesem Grund ergebe sich eine Pflicht zur Zinszahlung aus diesem Betrag<br />

seit dem 23.01.2003.<br />

Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass er Arbeitnehmer <strong>der</strong> Klägerin gewesen sei.<br />

Diese Auffassung sei we<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Ausgestaltung des Handelsvertretervertrages noch<br />

nach <strong>der</strong> tatsächlichen Vertragsdurchführung zutreffend. Die Handelsvertreter <strong>der</strong> Klägerin<br />

– so auch <strong>der</strong> Beklagte – seien persönlich und wirtschaftlich unabhängig. Eine Weisungsbefugnis<br />

<strong>der</strong> Klägerin gegenüber dem Beklagten habe nicht bestanden. Bei den in Bezug<br />

genommenen Team- bzw. Büroleitern habe es sich nicht um Beschäftigte <strong>der</strong> Klägerin,<br />

son<strong>der</strong>n um ebenfalls um selbständige Handelsvertreter gehandelt. Soweit diese unter<br />

Verwendung des klägerischen Logos Erklärungen abgegeben hätten, sei damit zumindest<br />

keine Stellvertretung verbunden. Die Handelsvertreter erhielten regelmäßig nur die Berechtigung,<br />

ihre Geschäftsräume, ihr Briefpapier und ihre Visitenkarten mit dem Emblem<br />

<strong>der</strong> Klägerin zu versehen. Der für das Notebook zu entrichtete Mietzins sei im Übrigen<br />

auch nicht unangemessen. Es handele sich dabei um ein Businessgerät mit beson<strong>der</strong>er<br />

Ausstattung und mit beson<strong>der</strong>en Serviceleistungen.<br />

Die Klägerin beantragt,<br />

den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hannover vom 16.06.2003<br />

(03-9780115-0-7) aufrecht zu erhalten, soweit <strong>der</strong> Beklagte zur Zahlung<br />

von 14.436,09 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf € 9.834,45<br />

seit dem 16.05.2003 und nebst 6,5 % Zinsen pro Jahr auf 4.601,64 seit<br />

dem 16.05.2003 verurteilt worden ist.<br />

- 15 -


- 15 -<br />

Der Beklagte beantragt,<br />

die Klage abzuweisen.<br />

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, es könne we<strong>der</strong> von einer im Wesentlichen frei<br />

zu gestaltenden Tätigkeit noch von einer freien Bestimmung <strong>der</strong> Arbeitszeit ausgegangen<br />

werden, so dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis vorläge, welches zudem von<br />

einer sittenwidrigen Vergütungsabrede begleitet werde. Trotz großen zeitlichen Arbeitsaufwands<br />

sei es ihm nicht möglich gewesen, eine angemessene Vergütung zu erzielen. Der<br />

Beklagte könne deshalb für die Zeit seiner Tätigkeit eine übliche Vergütung verlangen, die<br />

in Höhe <strong>der</strong> Linearisierungsabrede (€ 1.790,00) zu beziffern und <strong>der</strong> Klägerfor<strong>der</strong>ung im<br />

Wege <strong>der</strong> Aufrechnung gegenüber zu stellen sei.<br />

Durch eine feste Einbindung in eine Struktur, habe <strong>der</strong> Beklagte ganztägig inklusive <strong>der</strong><br />

Abendstunden und <strong>der</strong> Wochenenden auf Grund <strong>der</strong> Weisungen <strong>der</strong> Klägerin tätig werden<br />

müssen. Der Beklagte sei von <strong>der</strong> Klägerin zu den Kunden „geschickt“ und einem immensen<br />

Abschlussdruck ausgesetzt gewesen. Der Linearisierungsvorschuss sei als “Festgehalt“<br />

dargestellt worden.<br />

Die Einbindung in die Organisation werde schon durch das Merkblatt „Spielregeln <strong>der</strong><br />

Organisation Sc. “ und den Tagesablaufplan deutlich. Für den Fall, dass <strong>der</strong> Beklagte<br />

diese Vorgaben nicht einhalte, sei jeweils mit einer Streichung <strong>der</strong> Linearisierung und einer<br />

Pflicht zum Erscheinen am Samstag im Büro gedroht worden. Es sei eine Mindestanzahl<br />

an wöchentlichen Interessentenbesuchen vorgeschrieben gewesen. Eine Arbeit von zu<br />

Hause sei nicht gestattet worden; vielmehr hätte <strong>der</strong> Beklagte ausschließlich vom Büro S.<br />

aus tätig werden dürfen. Dieser Zwang habe daraus resultiert, dass nur in diesem Büro ein<br />

Drucker zum Ausdruck <strong>der</strong> relevanten Daten gestanden hätte. Es habe auch <strong>der</strong> so genannte<br />

„Controllingreport“ im Vertragsverhältnis <strong>der</strong> Parteien Anwendung gefunden, <strong>der</strong> eindeutig<br />

aus <strong>der</strong> Zentrale <strong>der</strong> Klägerin stamme und in dem die Mitarbeiter genauestens über<br />

ihre Tätigkeit berichten mussten. Der als „Teamleiter“ bezeichnete Herr L. sei als<br />

direkter Vorgesetzter des Beklagten anzusehen, Teamleiter L. wie<strong>der</strong>um dem Büroleiter<br />

S. unterstellt gewesen. Erklärungen dieser beiden seien <strong>der</strong> Beklagten zuzurechnen.<br />

- 16 -


- 16 -<br />

Der Beklagte trägt weiter vor, dass zu keinem Zeitpunkt ein Mietvertrag zwischen ihm und<br />

<strong>der</strong> Klägerin o<strong>der</strong> dem Zeugen S. abgeschlossen worden sei. Der Zeuge S. habe<br />

zwar verlangt, dass er sich täglich im Stützpunkt aufhalte. Der Beklagte ist jedoch <strong>der</strong> Auffassung,<br />

dass durch einseitige Anweisung insofern kein Mietverhältnis zustande komme.<br />

Der Beklagte trägt weiter vor, dass die Klägerin zahlreiche in ihren Provisionsabrechnungen<br />

vorgenommene Buchungen zu Unrecht erfolgt seien.<br />

Auch <strong>der</strong> Notebookvertrag sei wegen Wuchers unwirksam, da von dem sich für die Gesamtlaufzeit<br />

ergebenden Mietzins mehrerer dieser Computer hätten angeschafft werden<br />

können.<br />

Der Beklagte ist schließlich <strong>der</strong> Auffassung, dass eine Verrechnung des Stornoreservekontos<br />

nur mit <strong>der</strong> hälftigen For<strong>der</strong>ung aus dem Kontokorrent hätte erfolgen dürfen.<br />

Wegen <strong>der</strong> weiteren Einzelheiten des Vorbringens <strong>der</strong> Parteien in erster Instanz wird auf<br />

den Inhalt <strong>der</strong> dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.<br />

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 07.09.2006 folgendes Urteil verkündet:<br />

1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hannover vom 16.06.2003<br />

(03-9780115-0-7) wird insoweit aufrecht erhalten, soweit <strong>der</strong> Beklagte<br />

verurteilt worden ist, an die Klägerin 14.436,09 € nebst 5 % Zinsen über<br />

dem Basiszinssatz auf € 9.834,45 seit dem 16.05.2003 und nebst 6,5 %<br />

Zinsen pro Jahr auf 4.601,64 seit dem 16.05.2003 zu zahlen.<br />

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.<br />

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.<br />

3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 14.436,09 € festgesetzt.<br />

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, <strong>der</strong> Anspruch <strong>der</strong><br />

Klägerin ergebe sich aus <strong>der</strong> getroffenen Kontokorrentvereinbarung. Der Beklagte sei<br />

Versicherungsvertreter und selbstständiger Handelsvertreter im Sinne des §§ 84 Abs. 1<br />

HGB, § 92 Abs. 1 HGB. Auf den Beklagten sei zwar durch die Zeugen S. und Sch.<br />

- 17 -


- 17 -<br />

ein nicht geringer Druck ausgeübt worden, sich an die "Spielregeln" zu halten. Ob <strong>der</strong>en<br />

Verhalten <strong>der</strong> Klägerin zuzurechnen sei, könne jedoch dahingestellt bleiben. Die von <strong>der</strong><br />

Klägerin gewählte Konstruktion, wonach die übergeordneten Handelsvertreter zu 50% für<br />

die Rückzahlung <strong>der</strong> nicht verdienten Provisionszuschüsse zu haften hätten, sei<br />

möglicherweise wirksamer, als eine Bevollmächtigung <strong>der</strong> Teamleiter und Manager durch<br />

die Klägerin. Von einer unfreien Gestaltung hinsichtlich <strong>der</strong> täglichen Arbeitszeit könne<br />

jedoch schon deswegen nicht die Rede sein, weil <strong>der</strong> Beklagte seinen hierauf bezogenen<br />

Vortrag nicht ausreichend konkretisiert habe. Der Vortrag des Beklagten sei einer<br />

Beweiserhebung nicht zugänglich, eine Beweisaufnahme wäre ein Ausforschungsbeweis.<br />

Die Abzüge für die Zurverfügungstellung eines Notebooks habe <strong>der</strong> Beklagte zu tragen, da<br />

die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, ihm als selbstständig tätigen Handelsvertreter<br />

Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Kostenbeiträge des Beklagten für das Büro<br />

seien an den Zeugen S. geflossen. Die Klägerin sei nicht verpflichtet, den Beklagten<br />

von diesen Kosten freizustellen. Die an ihnen gezahlte "Ausbildungsbeihilfe" sei im<br />

Prinzip ein Provisionsvorschuss. Da er entsprechende Provisionen nicht verdient habe,<br />

müsse <strong>der</strong> Beklagte auch diese Leistung zurückerstatten. Gleiches gelte auch für die<br />

Büromiete.<br />

Wegen <strong>der</strong> weiteren Einzelheiten <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> Entscheidung wird auf die<br />

Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Blatt 944bis 952 <strong>der</strong> Akte) verwiesen.<br />

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wurde dem Beklagten am 29.11.2006<br />

2006 zugestellt. Dessen Berufung ging am 21.12.206, die Berufungsbegründung am<br />

26.01.2007 beim Landesarbeitsgericht Bremen ein.<br />

Der Beklagte greift die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung seines<br />

Sachvortrages mit Rechtsausführungen an. Er beruft sich auf den Beschluss des<br />

Oberlandesgerichts Bremen. Insbeson<strong>der</strong>e ist <strong>der</strong> Beklagte <strong>der</strong> Auffassung, das<br />

Arbeitsgericht hätte vor seiner Entscheidung die von ihm angebotenen Beweise erheben<br />

müssen. Im übrigen ist <strong>der</strong> Beklagte <strong>der</strong> Auffassung, es gelinge nur wenigen Mitarbeitern<br />

<strong>der</strong> Klägerin, Verträge in einer Höhe abzuschließen, dass <strong>der</strong> Provisionsvorschuss durch<br />

Provisionen abgedeckt sei, insbeson<strong>der</strong>e wenn man die Kosten für Miete und Notebook in<br />

Rechnung stelle.<br />

- 18 -


- 18 -<br />

Die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung sei unwirksam, sie sei<br />

sittenwidrig. Der Beklagte habe während des Bestehens des Vertragsverhältnisses<br />

Einkünfte in Höhe von brutto € 5.549,41 erzielt. Daraus ergebe sich ein durchschnittliches<br />

monatliches Einkommen in Höhe von € 616,61. Da die <strong>Verein</strong>barung unwirksam sei, habe<br />

<strong>der</strong> Klägeranspruch auf die übliche Vergütung. Nach dem aktuellen Tarifvertrag, auf den<br />

zurückzugreifen wäre, betrage das Mindesteinkommen für Mitarbeiter im<br />

Versicherungsaußendienst 1.665 EUR.<br />

Der Beklagte beantragt,<br />

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom<br />

07.09.6.2006 (Aktenzeichen: 2 Ca 2292/05) abzuän<strong>der</strong>n und die<br />

Klage abzuweisen;<br />

2. Die Kosten des Rechtsstreits den Berufungsbeklagten aufzuerlegen.<br />

Die Klägerin beantragt,<br />

die Berufung zurückzuweisen.<br />

Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrages<br />

mit Rechtsausführungen. Die mit dem Beklagten getroffenen Absprachen seien<br />

wirksam, da <strong>der</strong> Beklagte kein Arbeitnehmer sei. Von einem strukturellen Ungleichgewicht<br />

<strong>der</strong> Vertragspartner könne nicht die Rede sein. Die Klägerin weist darauf hin, dass<br />

die für sie tätigen Handelsvertreter eine überdurchschnittlich hohe Provision erhalten. Wer<br />

jedoch nicht vermittle, son<strong>der</strong>n allein den ihm gewährten Provisionsvorschuss entgegennehme,<br />

vermöge letzteren alsdann nicht ins Verdienen zu bringen.<br />

Der freie Handelsvertreter Sch. habe die "Spielregeln" wie<strong>der</strong> für verbindlich erklärt,<br />

noch im Falle ihrer Nichtbefolgung Sanktionen angedroht. Der Beklagte habe sich<br />

hieran halten können. Da sie jedoch keineswegs zwingend gewesen sein, habe er dies jedoch<br />

nicht gemusst. Herr Sch. sei als Dozent des Beklagten tätig gewesen und habe<br />

ihn insoweit betreut. Die Einstellung von Liniearisierungszahlungen habe er nicht ange-<br />

- 19 -


- 19 -<br />

droht, dies sei ihm auch gar nicht möglich gewesen, da er dem Beklagten gegenüber nicht<br />

weisungsberechtigt gewesen sei. Dem Beklagten seien auch keine Arbeitszeiten vorgegeben<br />

worden. Er habe aber Herrn Sch. vielfach telefonisch kontaktiert. Ihm seien<br />

lediglich Hilfestellungen gegeben worden, wie er als freier Handelsvertreter seine Prioritäten<br />

richtig setzen müsse, um eigene Umsatzerwartungen erzielen zu können. Zur Abarbeitung<br />

von Stornolisten o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>weitigen Adressenfristen seien nicht verpflichtet worden.<br />

Abmahnungen seien von Herrn Sch. ebenfalls nicht ausgesprochen worden.<br />

Wegen <strong>der</strong> weiteren Einzelheiten des Vorbringens <strong>der</strong> Parteien in zweiter Instanz wird auf<br />

den Inhalt <strong>der</strong> dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.<br />

Gemäß Beschluss vom 06.12.2007 wurde Beweis erhoben durch Vernehmung <strong>der</strong> vom<br />

Beklagten genannten Zeugen und gegenbeweislich <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Klägerin benannten Zeugen.<br />

Wegen des Ergebnisses <strong>der</strong> Beweisaufnahme wird auf die Protokollnie<strong>der</strong>schriften <strong>der</strong><br />

mündlichen Verhandlung vom 05.12.2007 und 06.02.2008 verwiesen.<br />

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :<br />

I.<br />

Die Berufung des Klägers ist nach dem in erster Instanz festgesetzten Streitwert, <strong>der</strong> dem<br />

Beschwerdewert entspricht, statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet<br />

worden und somit insgesamt zulässig.<br />

- 20 -


- 20 -<br />

II.<br />

Der Kläger hat form- und fristgerecht Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid des<br />

Amtsgerichts Hannover eingelegt.<br />

Auf den Einspruch des Klägers hin, war <strong>der</strong> Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts<br />

Hannover aufzuheben. Der Kläger hat dies zwar nicht ausdrücklich beantragt. Sein Antrag<br />

auf Klagabweisung ist aber so auszulegen, dass er die Rechtswirkungen des Vollstreckungsbescheides<br />

beseitigen will.<br />

Unter Abän<strong>der</strong>ung des erstinstanzlichen Urteils war die Klage abzuweisen, da <strong>der</strong> Beklagte<br />

zur Klägerin im Arbeitsverhältnis stand, aus dem eine Anspruchsgrundlage für die For<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Beklagten nicht ableitbar ist.<br />

Dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, ergibt sich bei einer Gesamtschau<br />

<strong>der</strong> vertraglichen Grundlagen zwischen den Parteien, zwischen <strong>der</strong> Klägerin und den<br />

Führungskräften, denen <strong>der</strong> Beklagte zugeordnet war und <strong>der</strong> praktischen Durchführung<br />

<strong>der</strong> Vertragsbeziehungen.<br />

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für die Qualifizierung<br />

<strong>der</strong> Rechtsnatur eines Vertragsverhältnisses nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung<br />

maßgebliche, son<strong>der</strong>n die tatsächliche Vertragsdurchführung (BAG AP Nr. 21 zu § 5<br />

ArbGG 1979; BAG AP Nr. 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e dann,<br />

wenn Verträge nicht frei ausgehandelt werden, son<strong>der</strong>n von einer Partei vorformuliert sind<br />

(ErfK-Preis § 611 BGB Anm. 56 ff.). Es kommt deshalb nicht darauf an, wie die Parteien<br />

das Vertragsverhältnis bezeichnen son<strong>der</strong>n darauf, wie die Rechtsbeziehung nach ihrem<br />

Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Durch eine Parteivereinbarung kann die Bewertung<br />

einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen o<strong>der</strong> Geltungsbereich<br />

des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden. Wird ein Vertrag abweichend<br />

von den vertraglich festgelegten Rechten und Pflichten praktiziert, ist maßgeblich, ob <strong>der</strong><br />

Praxis vertragsän<strong>der</strong>nde Wirkung beizumessen ist und die abweichende Praxis zur konklu-<br />

- 21 -


- 21 -<br />

denten Vertragsän<strong>der</strong>ung führt (vgl. LAG Nürnberg Urteil vom 26.01.1999 - Az: 7 Sa<br />

658/98 - LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 35, bestätigend: BAG, Urteil vom<br />

15.12.1999 - Az: 5 AZR 169/99 - AP Nr. 12 zu § 84 HGB).<br />

Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen freiem Dienstvertrag und Arbeitsvertrag ist nach<br />

<strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ob <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> die Dienste erbringt, von<br />

seinem Vertragspartner persönlich abhängig ist. Wann ein solches persönliches Abhängigkeitsverhältnis<br />

vorliegt, ergibt sich anhand eines Umkehrschlusses aus § 84 HGB. Nach<br />

dieser Bestimmung ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten<br />

und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbstständig und deshalb persönlich abhängig<br />

ist <strong>der</strong>jenige Mitarbeiter, <strong>der</strong> nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine<br />

Arbeitszeit bestimmen kann. Persönliche Abhängigkeit und mit ihr die Arbeitnehmereigenschaft<br />

ist anzunehmen, wenn statt <strong>der</strong> freien Gestaltung <strong>der</strong> Tätigkeit die Einbindung in<br />

eine fremde Arbeitsorganisation vorliegt, die sich im Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich<br />

Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort <strong>der</strong> Tätigkeit zeigt (BAG Nr. 74 zu §<br />

611 BGB Abhängigkeit). In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass auch die<br />

Tätigkeit eines freien Handelsvertreters nicht völlig frei von Weisungen ist. Dies ergibt<br />

sich schon unmittelbar aus dem Wortlaut von § 84 HGB. Sollen Weisungen die freie Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Tätigkeit nicht beeinträchtigen, dürfen sie sich auf Umstände, die mit <strong>der</strong><br />

selbstständigen Stellung des Handelsvertreters nicht vereinbar sind, nicht beziehen: es gilt<br />

mithin <strong>der</strong> Grundsatz, dass die vom Unternehmer erteilten Weisungen die rechtliche<br />

Selbstständigkeit des Handelsvertreters nicht in ihrem Kerngehalt beeinträchtigen dürfen<br />

(vgl. Handbuch des Rechts des Handelsvertreters-Thume, Ziffer 565). Die von Thume für<br />

zulässig gehaltenen Weisungen sind durchaus eher abstrakter Natur und betreffen im wesentlichen<br />

Art und Abwicklung <strong>der</strong> vermittelten Geschäfte (a.a.O. Ziffer 566 ff.). Insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Weisung, detaillierte Berichte über die eigenen Aktivitäten zu geben, sind mit<br />

dem Status eines freien Handelsvertreters nicht vereinbar. Beson<strong>der</strong>e Berichtspflichten<br />

werden allerdings vom BGH akzeptiert, wenn ein erheblicher Umsatzrückgang zu verzeichnen<br />

ist. Der Unternehmer habe dann ein starkes Interesse an häufigen Berichten, um<br />

prüfen zu können, ob <strong>der</strong> Umsatzrückgang hauptsächlich auf die ungünstige Marktlage<br />

o<strong>der</strong> auf ein Nachlassen <strong>der</strong> Tätigkeit des Handelsvertreters zurückzuführen sei. Unproblematisch<br />

sei das Verlangen nach wöchentlichen Besuchsberichten (BGH, BB 1966, 265).<br />

Soweit sich Weisungen aber auf die Bestimmung des Ortes, an dem die Tätigkeit ausgeübt<br />

- 22 -


- 22 -<br />

wird und <strong>der</strong> Zeit, innerhalb <strong>der</strong>er <strong>der</strong> Handelsvertreter tätig werden soll, sind sie nur dann<br />

für die Annahme des Status als freier Handelsvertreter unschädlich, wenn sie eine unwesentliche<br />

Beeinträchtigung <strong>der</strong> Entscheidungsfreiheit des Handelsvertreters darstellen.<br />

Eine statusrelevante Einschränkung <strong>der</strong> selbständigen Bestimmung <strong>der</strong> Arbeitszeit kann<br />

sich auch dann ergeben, wenn ein Verbot jeglicher an<strong>der</strong>er Tätigkeit dazu führt, dass <strong>der</strong><br />

Versicherungsvertreter nicht mehr über die Dauer seiner Arbeitszeit bestimmen kann und<br />

darauf angewiesen ist, seinen Lebensunterhalt allein aus <strong>der</strong> geschuldeten Tätigkeit zu<br />

bestreiten (BAG, Urteil vom 15.02.1999 – Az: 5 AZR 169/99).<br />

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den vorliegenden Rechtsstreit<br />

folgendes:<br />

a) Zunächst ist festzuhalten, dass die Berufungskammer die Auffassung des Oberlandesgerichts<br />

Bremen, wonach sich bereits unmittelbar aus den vertraglichen Regelungen<br />

ergeben soll, dass <strong>der</strong> Beklagte Arbeitnehmer <strong>der</strong> Klägerin ist, nicht teilt. Das Oberlandesgericht<br />

hat allerdings zutreffend festgestellt, dass die vertraglichen Regelungen den Handlungsspielraum<br />

des Beklagten erheblich eingeschränken. Zutreffend stellt das OLG fest,<br />

dass für den Beklagten keine Möglichkeit besteht, seine Arbeitskraft außerhalb <strong>der</strong> Vertragsbeziehungen<br />

zur Klägerin einzusetzen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem weitgefassten<br />

und ungewöhnlich einschneidend formulierten Wettbewerbsverbot, das nach Auffassung<br />

des OLG Schleswig (OLG Schleswig, Beschluss vom 17.05.1999 – Az: 16 W<br />

20/99) ein Gebot, nur für die Klägerin tätig zu werden, darstellt. Die Annahme, das Wettbewerbsverbot<br />

sei so nicht gemeint, (OLG Dresden, Beschluss vom 10.05.2004 – Az: 15<br />

W 0325/04) lässt sich nach Auffassung <strong>der</strong> Berufungskammer we<strong>der</strong> durch den Vertragstext,<br />

noch durch die von <strong>der</strong> Klägerin genannten Umstände rechtfertigen. Die von <strong>der</strong> Klägerin<br />

in ihrem Standardvertrag für Handelsvertreter gewählte Formulierung, <strong>der</strong> Handelsvertreter<br />

dürfe Produkte, die nicht in <strong>der</strong> Provisionsliste <strong>der</strong> Klägerin stünden, nicht vermitteln,<br />

kann vom Handelsvertreter zumindest so verstanden werden, dass ihm eine Tätigkeit<br />

als Handelsvertreter - auch wenn sie nicht in Konkurrenz zur Klägerin steht - untersagt<br />

werden soll. Ein Verständnis, damit solle lediglich verboten werden, für die Beklagte ein<br />

- 23 -


- 23 -<br />

Produkt zu vermitteln, das sie nicht anbietet (OLG Dresden a.a.O.) lässt sich zwar auch aus<br />

dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang des vertraglichen Wettbewerbsverbots gewinnen.<br />

Das macht aber keinen Sinn, weil für ein <strong>der</strong>artiges Verbot kein Bedarf besteht.<br />

Der Handelsvertreter wird für die Klägerin mit Sicherheit keine Produkte vermitteln, für<br />

die die Klägerin keine Provision zahlt.<br />

Die Berufungskammer teilt auch die Auffassung des OLG Bremen, die ausdrückliche Betonung<br />

<strong>der</strong> Verpflichtung zur ständigen Pflege des vom Handelsvertreter vermittelten Bestandes<br />

verstärke die Bindungen des Handelsvertreters an die Klägerin in höherem Maße<br />

als dies üblich sei.<br />

Eine weitere ungewöhnliche Einschränkung sieht <strong>der</strong> Vertrag in 6.3 vor. Dort wird zwar<br />

zunächst die Berechtigung des Handelsvertreters festgehalten, seine Tätigkeit frei zu gestalten.<br />

Dies wird im folgenden Satz allerdings deutlich relativiert. Dieser sagt zwar seinem<br />

Wortlaut entsprechend, dass eine Weisungsbefugnis <strong>der</strong> Klägerin über Ort und Zeit <strong>der</strong><br />

Tätigkeit des Handelsvertreters nicht bestehe, macht aber davon eine Ausnahme für den<br />

Fall, dass wichtige Gründe dies erfor<strong>der</strong>lich machen. Was in diesem Zusammenhang wichtige<br />

Gründe sein können, wird nicht definiert. In diesem Zusammenhang spricht <strong>der</strong> Vertrag<br />

ausdrücklich die A. -Handelsvertreter an, die ungeachtet ihrer Provisionsvergütungsstufen<br />

untereinan<strong>der</strong> nicht weisungsbefugt seien. Die Formulierung dieser Passage und ihre<br />

Stellung im Vertrag kann aber durchaus so verstanden werden, als gelte die „Weisungsfreiheit“<br />

<strong>der</strong> Handelsvertreter mit untergeordnetem Status ebenfalls nur dann, wenn es keine<br />

wichtigen, die Weisungsfreiheit ausschließenden Gründe gäbe.<br />

Diese Passage ist im Zusammenhang mit dem Aufbau <strong>der</strong> Organisation <strong>der</strong> Beklagten zu<br />

sehen, wie er sich im Vergütungs- und Karriere Plan ausdrückt (im Einzelnen: siehe unten).<br />

Diese durch die Formulierung des Handelsvertretervertrages entstanden Grauzone erhält<br />

beson<strong>der</strong>e Bedeutung auch dadurch, dass im Vertrag nach Ziffer 10.3 ein Verstoß gegen<br />

die Vermittlungspflicht und die Pflicht zur Pflege des Bestandes ein wichtiger Grund zur<br />

fristlosen Kündigung sein soll. Diese Bestimmung steht z.T. alternativ zum festgelegten<br />

Recht <strong>der</strong> Klägerin, bei Vernachlässigung <strong>der</strong> Pflege des Bestandes einen an<strong>der</strong>en Handelsvertreter<br />

zu betrauen.<br />

- 24 -


- 24 -<br />

Macht die Formulierung des Handelsvertretervertrages das hierdurch begründete Rechtsverhältnis<br />

allein noch nicht zum Arbeitsverhältnis, so steckt sie jedoch den Rahmen ab,<br />

innerhalb dessen <strong>der</strong> Vertragspartner <strong>der</strong> Klägerin sich dem Risiko ausgesetzt sieht, nicht<br />

zu wissen, ob er Weisungen zu beachten hat und ob <strong>der</strong>en Missachtung nicht als Überschreitung<br />

<strong>der</strong> vertraglichen Abmachungen angesehen werden kann.<br />

b) Für die Berufungskammer kam es daher entscheidend darauf an, ob die von dem Beklagten<br />

geschil<strong>der</strong>te praktische Durchführung des Vertragsverhältnisses zutrifft. Sie hat aus<br />

diesem Grunde die von beiden Parteien angebotenen Zeugen vernommen.<br />

Das Ergebnis <strong>der</strong> Beweisaufnahme überzeugt die Berufungskammer davon, dass die vertraglichen<br />

Beziehungen zwischen den Parteien als Arbeitsverhältnis zu werten sind.<br />

aa) Es konnte zwar nicht festgestellt werden, dass die Klägerin dem Beklagten selbst konkrete<br />

auf Ort und Zeit seiner Tätigkeit und <strong>der</strong>en inhaltliche Ausgestaltung bezogene Weisungen<br />

erteilt hat. Sie hat sich hierzu aber ihrer Handelsvertreter bedient, die als Führungskräfte<br />

das Team, dem <strong>der</strong> Beklagten zugeordnet war, geleitet haben. Die Berufungskammer<br />

ist jedoch davon überzeugt, dass die praktische Durchführung <strong>der</strong> Vertragsbeziehungen<br />

im Alltag des Büro S. dem Willen <strong>der</strong> Klägerin entspricht. Die Teamleiter und<br />

die weiteren übergeordneten Handelsvertreter im Büro S. handelten im Rahmen <strong>der</strong><br />

von <strong>der</strong> Klägerin geschaffenen Organisation. Sie taten dies auch im Geiste des Systems <strong>der</strong><br />

Klägerin.<br />

Die Geschichte <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien zeigt,<br />

dass <strong>der</strong> Beklagte annehmen konnte, sein Vertragspartner - die Klägerin - handle ihm gegenüber<br />

im beruflichen Alltag durch die Führungskräfte des Büro S. . Der Beklagte<br />

hatte den Kontakt zur Klägerin direkt hergestellt. Der weitere Ablauf bis zum Vertragsschluss<br />

lag jedoch in den Händen des Büro S. . Die Eignung des Beklagten wurde im<br />

Auswahltest dort festgestellt. Die Klägerin hat den Beklagten unstreitig dem Büro S.<br />

zugewiesen, dort wurde er dem Team bzw. <strong>der</strong> Organisation Sch. zugeteilt. Die<br />

Tätigkeit hat <strong>der</strong> Beklagte, wie offenbar an<strong>der</strong>e ausgewählte Handelsvertreter auch, im<br />

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- 25 -<br />

Büro S. aufgenommen, bevor man ihm dort den Handelsvertretervertrag zur Unterschrift<br />

vorgelegt hat. Direkten kommunikativen Kontakt hatte <strong>der</strong> Beklagte offenbar nur im<br />

Zusammenhang mit von <strong>der</strong> Beklagten erteilten Abrechnungen und den Schreiben <strong>der</strong> Beklagten<br />

in Vorbereitung Kündigung und <strong>der</strong> Endabrechnung. Mit <strong>der</strong> Zuweisung zum Büro<br />

S. hat die Klägerin auch die Weichen dafür gestellt, dass <strong>der</strong> Beklagte sich denn<br />

dort üblichen Gepflogenheiten untergeordnet hat. Hierzu gehört auch <strong>der</strong> Umstand, dass<br />

Tätigkeit überwiegend in diesem Büro durchgeführt wurde.<br />

bb) Die Berufungskammer hatte den Beweisangeboten des Beklagten nachzugehen,<br />

weil er den alltäglichen Gang <strong>der</strong> Dinge während seiner Vertragsbeziehung zur Klägerin<br />

detailliert geschil<strong>der</strong>t hat. Der Umstand, dass <strong>der</strong> Beklagte sich darauf beschränkt hat, seine<br />

Tätigkeit in Team und die vom Teamleiter vorgenommen praktische Eingriffe in die<br />

Gestaltung seiner Tätigkeit allgemein zu schil<strong>der</strong>n, rechtfertigt es nicht, das Beweisangebot<br />

als Ausforschungsbeweis zu behandeln. In seiner Entscheidung vom 15.12.1999 hat es das<br />

Bundesarbeitsgericht (5 AZR 566/98 - VersR 2000, 1143) zwar für notwendig gehalten,<br />

dass konkrete Angaben darüber, wer wann welche Anweisungen gegeben beziehungsweise<br />

Sanktionen verhängt hat, gemacht werden. Der vom BAG entschiedene Sachverhalt unterschied<br />

sich aber erheblich vom vorliegenden. Dort war das Rechtsverhältnis eines im Außendienst<br />

tätigen Handelsvertreters, <strong>der</strong> sich nur selten in den Räumen seines Vertragspartners<br />

aufhielt, Gegenstand <strong>der</strong> Entscheidung. Zum Beweis für seine Weisungsgebundenheit<br />

gab er an, die Anweisung erhalten zu haben, täglich bestimmte Aufgaben zu erfüllen,<br />

ohne dies näher nach Ort und Zeit zu konkretisieren. Im vorliegenden Fall ist zwischen<br />

den Parteien unstreitig, dass die praktische Durchführung <strong>der</strong> Vertragsbeziehungen bereits<br />

dadurch gekennzeichnet ist, dass <strong>der</strong> Beklagte seine Tätigkeit überwiegend in den Büroräumen<br />

des „Büro S. “ ausübt.<br />

Die vom Beklagten benannten Zeugen haben nach dem Eindruck <strong>der</strong> Berufungskammer<br />

glaubwürdig berichtet, sie seien während ihrer Tätigkeit für die Klägerin in <strong>der</strong> freien Bestimmung<br />

ihrer Arbeitszeit eingeschränkt gewesen.<br />

Die Zeugen F. und K. gaben an, jeweils am Montag ab 9:00 Uhr im Büro zur Berichterstattung<br />

bereitgestanden zu haben. Sie waren ebenso jeweils dienstags am späten<br />

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- 26 -<br />

Nachmittag zur telefonischen Bearbeitung ihrer Vermittlungstätigkeit im Büro. Weiter<br />

berichten sie, am Freitag zur Fortbildung gekommen zu sein, zur Teilnahme hätten Sie sich<br />

verpflichtet gefühlt. Weiter berichteten beide vom Samstag als Termin, an dem eventuell<br />

nachgearbeitet werden sollte. Der Zeuge F. spricht weiter von täglichen telefonischen<br />

Meldungen über laufende Aktivitäten. Beide berichten, ihnen sei bei Fehlen bei "freiwilligen<br />

Pflichtveranstaltungen" - so <strong>der</strong> Zeuge F. - Konsequenzen, etwa im Hinblick auf<br />

den Vorschuss angedroht worden. Der Zeuge K. berichtet, ihm sei gesagt worden, er<br />

müsse er ins Büro kommen, obwohl er gerne zu Hause in Br.<br />

gearbeitet hätte<br />

und die tägliche Fahrt nach B. sehr kostenaufwendig gewesen sei.<br />

Der Zeuge K. hat weiter ausgesagt, er habe einmal einen Besprechungstermin im Büro<br />

nicht wahrgenommen. Für den Wie<strong>der</strong>holungsfall sei ihm angedroht worden, die Linearisierung<br />

werde gestrichen. Ins Büro habe man ohnehin immer deswegen gewusst, um bestimmte<br />

Dokumente, etwa Bilanzen von potenziellen Kunden o<strong>der</strong> von Kunden auszudrucken.<br />

Dies wäre auch zu Hause möglich gewesen, <strong>der</strong> Büroleiter S. habe aber ausdrücklich<br />

erklärt, dass dies nur im Büro geschehen dürfe.<br />

Zu den Seminartagen habe man erscheinen müssen, Fehlen ohne Arztbescheinigung o<strong>der</strong><br />

plausible Erklärung sei als Diusziplinlosigkeit angesehen worden.<br />

Am Samstag habe man erscheinen müssen, um nicht abgearbeitete Terminsvereinbarungen<br />

nachzuholen. Diese zu treffen sei schwer gewesen, weil in <strong>der</strong> Regel sechs bis acht Mitarbeitern<br />

nur ein Telefon zur Verfügung gestanden habe. Am Dienstag seien ca. 20 bis 30<br />

Leute im Haus gewesen und hätten zu entsprechenden Zeit versucht telefonisch Termine<br />

zu organisieren.<br />

Deutlich wurde aus den Aussagen <strong>der</strong> Zeugen F. , was <strong>der</strong> Zeuge Sch. im Verfahren<br />

2 Sa 264/06 bestätigte, dass die Mitarbeiter auf unterster Hierarchiestufe im Büro S.<br />

keinen festen Arbeitsplatz hatten, trotz <strong>der</strong> Zahlung eines Betrages von 400 € monatlich.<br />

Der Zeuge F. spricht davon, dass in einem Zimmer auf dem Dachboden mit jeweils<br />

einem Telefon drei bis vier Mann gesessen und versucht hätten, Terminsabsprachen telefonisch<br />

durchzuführen. Der Zeuge Sch. bestätigt, dass die Arbeitsplätze nach Beendigung<br />

<strong>der</strong> Tätigkeit aufgeräumt werden mussten, man habe sich da nicht häuslich einrichten<br />

können. Der Zeugen F. berichte weiter, dass <strong>der</strong> Büroleiter S. eine Ge-<br />

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- 27 -<br />

sprächskultur pflegte, die offenbar gefürchtet wurde. Der Zeuge H. sagt aus, dass es<br />

Pflichttermine gegeben habe und dass in diesem Zusammenhang wohl auch von Sanktionen<br />

bei Nichterscheinen die Rede war. Er berichtete auch darüber, dass Mitarbeiter verdonnert<br />

worden seien, am Samstag zum Telefontraining zu erscheinen.<br />

Allen Aussagen <strong>der</strong> vom Beklagten benannten Zeugen war allerdings gemein, dass konkret<br />

keine Angaben darüber gemacht werden konnten, wann unter Androhung von Konsequenzen<br />

in welchem Sachzusammenhang Weisungen erteilt wurden. Es war davon die Rede,<br />

dass die Spielregeln <strong>der</strong> Organisation Sch. irgendwann "rübergeschoben" wurden<br />

o<strong>der</strong> sonst irgentwie im Raum standen. Deutlich ist für die Berufungskammer nur geworden,<br />

dass sich Mitarbeiter auf <strong>der</strong> Ebene, auf <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Beklagte befunden hat, gehalten<br />

fühlten, sich an die im Büro kursierenden Spielregeln zu halten. Der Büroleiter S.<br />

drückt dies so aus: Herr Sch. meint, es wäre schön, sich daran zu halten. Die Beweisaufnahme<br />

hat weiter nicht erbracht, dass Abmahnungen in dem im arbeitsrechtlichen<br />

Bereich gebräuchlichen Sinne ausgesprochen worden sind. Der Zeuge Hi. spricht<br />

zwar von Abmahnungen, dies bleibt aber nach Ort, Zeit und handeln<strong>der</strong> Person unbestimmt.<br />

Den Zeugenaussagen ist jedenfalls zu entnehmen, dass Kritik, Hilfsangebote, Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Führungskraft zunehmend als unangenehm und tunlichst zu vermeiden und<br />

damit als verhaltenssteuernd angesehen werden.<br />

Deutlich wurde aber, dass <strong>der</strong> Beklagte befürchtet konnte, seine Bereitschaft, seiner Führungskraft<br />

zu folgen, habe Auswirkungen auf die Bereitschaft <strong>der</strong> Klägerin, ihm weiter<br />

Vorschüsse zu zahlen. Der Zeuge S. betonte, dass bei fehlen<strong>der</strong> Leistung die Linearisierung<br />

in Gefahr sei. Seine Aussage, dass er mit Sanktionen nichts zu tun habe, könne dies<br />

auch gar keine verhängen, weil er nicht Vorgesetzter des Beklagten gewesen sei, ist im<br />

Gesamtzusammenhang <strong>der</strong> Aussagen <strong>der</strong> Zeugen <strong>der</strong> Klägerin durchaus so zu verstehen,<br />

dass es den Führungskräften nicht ungelegen kam, wenn <strong>der</strong> Eindruck entstanden ist, sie<br />

hätten hierauf Einfluss.<br />

Tatsächlich wurde <strong>der</strong> Vorschuss von <strong>der</strong> Klägerin noch Monate nach dem Absacken <strong>der</strong><br />

Erfolgs des Beklagten gezahlt. Sinn macht es eigentlich nicht beziehungsweise nur dann,<br />

wenn man ihm funktionale Bedeutung beimisst (s.u.). Im Übrigen ergibt sich die von den<br />

Handelsvertretern befürchtete Konsequenz <strong>der</strong> Streichung <strong>der</strong> Linearisierung schon unmittelbar<br />

aus <strong>der</strong> <strong>Verein</strong>barung zwischen den Parteien und nicht aus hierauf bezogenen Äuße-<br />

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- 28 -<br />

rungen <strong>der</strong> übergeordneten Handelsvertreter. Deren Hinweis auf die Möglichkeit des Wegfalls<br />

des Vorschusses ist deshalb eher deklaratorische Natur. Gleichwohl ist er aber als<br />

Instrument zur Steuerung des Verhaltens des Handelsvertreters geeignet.<br />

Die Aussagen <strong>der</strong> Zeugen des Beklagten insgesamt haben die Kammer jedoch davon überzeugt,<br />

dass <strong>der</strong> Beklagte sich wie auch an<strong>der</strong>e Handelsvertreter auf seiner Stufe für verpflichtet<br />

gehalten hat, Spielregeln, Auffor<strong>der</strong>ungen zu Gesprächen, Teilnahme an "freiwilligen<br />

Pflichtterminen" und Anregungen zur Nacharbeit am Samstag nachzukommen.<br />

Die Angaben des Beklagten über die Zeiten seiner Anwesenheit im Büro S. haben<br />

sich letztlich auch durch die Aussagen des von <strong>der</strong> Klägerin benannten Zeugen Sch.<br />

im Verfahren 2 Sa 264/06 bestätigt. Ebenso wurde bestätigt, dass im Team, dem <strong>der</strong> Beklagte<br />

angehörte, schriftlich fixierte Spielregeln zumindest als Verhaltensorientierung existierten.<br />

Die Aussagen <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Klägerin benannten Zeugen bestätigen weiter, dass <strong>der</strong><br />

Beklagte sich unter dem Druck fühlen musste, dem Bemühen des Teamleiters, seine Tätigkeit<br />

zu steuern, nachzugeben.<br />

Die Aussagen seines Teamleiters M. und des Büroleiter S. stehen dem nicht entgegen.<br />

Tenor ihrer Aussagen ist im Wesentlichen, ihre auf den Beklagten beziehungsweise<br />

die vergleichbaren Handelsvertreter bezogenen Aktivitäten dienten lediglich <strong>der</strong>en Unterstützung<br />

und seien als Hilfsangebot gedacht. Die Erklärung des Zeuegn S. , Weisungen<br />

könnte er gar nicht aussprechen, zeigt, dass den "Führungskräften" die Problematik,<br />

dass die Vertragsbeziehungen <strong>der</strong> Handelsvertreter zur Klägerin in ein Arbeitsverhältnis<br />

übergehen können, wohl bewusst war. Wobei ein Eingriff durch Weisungen - so <strong>der</strong> Beklagte<br />

- beziehungsweise durch Hilfestellung, an die Hand nehmen - so <strong>der</strong> Zeuge Sch.<br />

und <strong>der</strong> Zeuge M. o<strong>der</strong> wie es <strong>der</strong> Zeuge S. ausdrückte, „auf den rechten Weg<br />

führen“ - zur die Zeugen <strong>der</strong> Klägerin in ihren persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

entscheidend betreffenden Problematik werden kann. Die Führungskraft sieht sich gehalten,<br />

einzugreifen, was aber nicht als Weisung im arbeitsrechtlichen Sinne verstanden werden<br />

soll. Die Führungskraft muss deshalb ihren Eingriff in die autonome Gestaltung <strong>der</strong><br />

Tätigkeit <strong>der</strong> Teammitarbeiter tarnen. Dies erklärt die unterschiedlichen Bewertungen <strong>der</strong><br />

Praxis im Büro S. durch den Beklagten und die Klägerin.<br />

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- 29 -<br />

Die Vernehmung des Zeugen Sch. hat die Berufungskammer jedenfalls davon ü-<br />

berzeugt, dass in seinem Team eine hohe Betreuungsdichte die Regel war. Die Intensität<br />

<strong>der</strong> Betreuung war, so kann aus <strong>der</strong> Aussage des Zeugen Sch. geschlossen werden,<br />

abhängig vom Erfolg <strong>der</strong> dem Team zugeordneten Handelsvertreter. Dies legt den Schluss<br />

nahe, dass eine engmaschige Kontrolle stattfand, da nur das Wissen um die Aktivitäten <strong>der</strong><br />

zugeordneten Handelsvertreter gezieltes Eingreifen ermöglicht.<br />

Offen blieb lediglich, ob <strong>der</strong> Beklagte damit einem unverbindlichen Angebot auf Hilfestellung<br />

seines Teamleiters folgte, o<strong>der</strong> ob <strong>der</strong> Beklagte damit Weisungen befolgt. Ebenso<br />

offen blieb, ob die Spielregeln verbindlich gelten sollten, o<strong>der</strong> ob sie lediglich den Charakter<br />

einer unverbindlichen Leitlinie trugen. Das Ergebnis <strong>der</strong> Beweisaufnahme spiegelt insofern<br />

die im laufenden Verfahren engagiert vorgetragenen unterschiedlichen Bewertungen<br />

<strong>der</strong> Praxis im Büro S. . Die Angebote auf Hilfestellung, die dem Beklagten aus Sicht<br />

<strong>der</strong> Klägerin gegeben worden sind, erscheinen ihm als Weisungen.<br />

Die Zeugenaussagen sind ein getreuliches Spiegelbild des jeweiligen Parteivortrages. Das<br />

hat seinen Grund unter an<strong>der</strong>em sicherlich darin, dass die Zeugen durch eigene Interessen<br />

bestimmt sind. Die Zeugen des Beklagten befinden sich selbst in rechtlicher Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> Klägerin. Deren Zeugen wie<strong>der</strong>um muss daran gelegen sein, ihre Eingriffe<br />

in die Tätigkeit <strong>der</strong> ihnen zugeordneten Handelsvertreter in einem Licht erscheinen zu lassen,<br />

<strong>der</strong> ein Arbeitsverhältnis ausschließe. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die Beklagte<br />

in diesem beziehungsweise einem an<strong>der</strong>en Rechtsstreit mit den von ihr benannten<br />

Zeugen den Streit verkündet hat, mit <strong>der</strong> Begründung, sollten <strong>der</strong>en Praxis den Beklagten<br />

vom Arbeitnehmer machen, und werde dies <strong>der</strong> Klägerin zugerechnet, bestimmten Schadensersatzansprüchen.<br />

cc) Der Schwerpunkt des Streites zwischen den Parteien liegt demnach darin, ob die<br />

unterschiedliche Bewertung <strong>der</strong> festgestellten Praxis - Weisungsgebundenheit versus Annahme<br />

und Unterstützungsangeboten - für die Beurteilung des rechtlichen Status des Beklagten<br />

zutrifft. Letzteres wäre dann <strong>der</strong> Fall, ob <strong>der</strong> Beklagte sich <strong>der</strong> Annahme <strong>der</strong> Hilfsangebote<br />

hat entziehen können, o<strong>der</strong> um bei seiner Bewertung <strong>der</strong> Rolle des Teamleiters zu<br />

bleiben, o<strong>der</strong> ob er Weisungen hat ignorieren können.<br />

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- 30 -<br />

Sich <strong>der</strong> Aufsicht und Kontrolle <strong>der</strong> übergeordneten Handelsvertreter zu entziehen, hat<br />

man die Absicht, weiter für die Klägerin tätig zu werden, ist allein schon deswegen mit<br />

Hin<strong>der</strong>nissen verbunden, weil Präsenz im Büro unter an<strong>der</strong>em auch wegen des nur dort<br />

möglichen Ausdrucks von Kundendaten erfor<strong>der</strong>lich war. Der Umstand, dass eigene Betriebsmittel<br />

nicht zu Verfügung standen in Verbindung mit <strong>der</strong> Beteiligung an <strong>der</strong> Bürogemeinschaft<br />

S. , die monatlich mit 400 € zu Buche schlug und deshalb ökonomisch<br />

sinnvoll war, obwohl damit ein fester Arbeitsplatz nicht verbunden war, verstärkt dies.<br />

Bereits das Fehlen eines festen Arbeitsplatz im "gemeinsamen" Büro ist ein Indiz dafür,<br />

dass <strong>der</strong> Beklagte in seinen Entscheidungen, wann und wo er arbeiten will, nicht frei war,<br />

da es bereits die Organisation <strong>der</strong> Arbeitsmöglichkeiten im Büro Planungen notwendig<br />

machte, die einzuhalten waren, wenn den Umsatzerwartungen <strong>der</strong> Klägerin genügt werden<br />

sollte.<br />

Bei einer Gesamtschau <strong>der</strong> durch die Beweisaufnahme deutlich gewordenen Praxis im Alltag<br />

des Beklagten, <strong>der</strong> vertraglichen Grundlagen <strong>der</strong> Rechtsbeziehungen zwischen den<br />

Parteien und dem Vergütungs- und Ausbildungssystem <strong>der</strong> Klägerin für ihre Handelsvertreter,<br />

ergibt sich nach Auffassung <strong>der</strong> Berufungskammer, dass die rechtliche Beurteilung<br />

des Beklagten, er sei weisungsabhängig gewesen, zutrifft.<br />

Zunächst ist festzuhalten, dass <strong>der</strong> von den Zeugen geschil<strong>der</strong>te Ablauf <strong>der</strong> alltäglichen<br />

Arbeit sicherlich zur Phase <strong>der</strong> Ausbildung und Einarbeitung passt. Das Gericht hatte deshalb<br />

<strong>der</strong> Klägerin mit Beschluss vom 11.07.2007 aufgegeben, dazu vorzutragen, ob die<br />

vom Beklagten geschil<strong>der</strong>te Vertragspraxis über die gesamte Dauer <strong>der</strong> Vertragsbeziehung<br />

geübt worden sei o<strong>der</strong> nur für die vorgesehenen Ausbildungsphasen und ob ggf. eine eingeschränkte<br />

Geltung <strong>der</strong> Spielregeln gegenüber dem Beklagten deutlich gemacht worden<br />

sei. Die Klägerin hat sich hierzu jedoch nicht detailliert geäußert. Das Gericht hatte demnach<br />

davon auszugehen, dass die oben dargestellte Form <strong>der</strong> Begleitung und Steuerung <strong>der</strong><br />

zugeordneten Handelsvertreter durch die Teamleiter die gesamte Vertragsbeziehung zwischen<br />

dem Parteien charakterisiert.<br />

Unstreitig ist, dass die Beklagte selbst keinerlei direkte Weisungen dem Kläger erteilt hat.<br />

Die Steuerung <strong>der</strong> Tätigkeit des Beklagten erfolgte vielmehr indirekt über die von <strong>der</strong> Klägerin<br />

geschaffenen Organisationsstruktur und <strong>der</strong> durch den Vergütungs- und Karriereplan<br />

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geschaffenen Struktur wechselseitige Abhängigkeiten. Das Verhalten ihrer dem Beklagten<br />

übergeordneten Handelsvertreter ist ihr demnach zuzurechnen.<br />

Die Vergütungsbedingungen (Karriereplan) stellen sich zunächst als typische und rechtlich<br />

unproblematische Form <strong>der</strong> Einflussnahme <strong>der</strong> Klägerin auf ihre Handelsvertreter dar. Allerdings<br />

ist nicht zu verkennen, dass über das Vergütungssystem selbst eine hierarchische<br />

Struktur geschaffen wird, in <strong>der</strong> ein Handelsvertreter, <strong>der</strong> eine höhere Stufe erklommen<br />

hat, in seinen Verdienstmöglichkeiten im hohen Maße vom wirtschaftlichen Erfolg <strong>der</strong> ihm<br />

zugeordneten, einer geringeren Stufe angehörigen Handelsvertreter abhängt. Der Teamleiter,<br />

als auf nächsthöherer Karrierestufe stehende, erhält für jede Bewertungseinheit bis zu<br />

80% dessen, was dem Teammitglied zusteht. Dieser Effekt wird über die Vorschussvereinbarung<br />

noch verstärkt. Über den sogenannten linearen Provisionsvorschuss sahen sich die<br />

Neueinsteiger zunächst finanziell abgesichert. Diese finanzielle Absicherung hat aber eine<br />

über die Ausbildungsphase hinausreichende Funktion. Sie dient <strong>der</strong> Stabilisierung <strong>der</strong> Ü-<br />

ber- Unterordnungsverhältnisse über die Ausbildungsphase hinaus und zwar für den Fall,<br />

dass <strong>der</strong> Handelsvertreter <strong>der</strong> unteren Stuf hinter dem durch den linearen Provisionsvorschuss<br />

markierten Plansoll zurückbleibt. Nach <strong>der</strong> Vorschussvereinbarung ist dieser zu<br />

verdienen. Gelingt dies nicht, ist im Falle des Ausscheidens die Hälfte zurückzuzahlen. Für<br />

den Negativsaldo hat allerdings nicht nur Handelsvertreter einzustehen, die auf <strong>der</strong> höheren<br />

Stufe angesiedelten Handelsvertreter <strong>der</strong> Klägerin werden ebenfalls zu 50 % zu dessen<br />

Abdeckung herangezogen. Darüber hinaus sind die Handelsvertreter <strong>der</strong> eben genannten<br />

Hierarchiestufen am "Produktionsergebnis"<strong>der</strong> ihnen zugeordneten Handelsvertreter unmittelbar<br />

positiv o<strong>der</strong> negativ über den Karriereplan beteiligt. Die übergeordneten Handelsvertreter<br />

können auch die erreichte Vergütungsstufe verlieren, wenn die für den Erhalt<br />

ihres Status vorgesehenen Einheiten <strong>der</strong> ihnen zugeordneten Handelsvertreter und -linien<br />

beziehungsweise Gesamtlinien nicht erreicht werden. Diese direkte Beteiligung <strong>der</strong> Handelsvertreter,<br />

denen <strong>der</strong> Beklagte zugeordnet war, am positiven Erfolg als auch die Haftung<br />

für Misserfolg bzw. Schlechtleistung erzeugt einen wirksamen Druck, in die Tätigkeit <strong>der</strong><br />

in Teams organisierten Handelsvertreter steuernd einzugreifen. Für diejenigen, die im Plan<br />

soll liegen beziehungsweise darüber hinaus Provisionen verdienen, besteht wie oben dargelegt<br />

kein Handlungsbedarf.<br />

Der vom hierarchischen Aufbau ausgehende Druck wird verstärkt durch die oben unter<br />

Ziffer II. 2. a) festgestellte Grauzone, die die Regelungen des Handelsvertretervertrages in<br />

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- 32 -<br />

Bezug auf Weisungsabhängigkeit schaffen. Danach können sich die übergeordneten Handelsvertreter<br />

- Teamleiter, Teammanager, Manager, Direktoren - auch nach Einarbeitungsbzw.<br />

Ausbildungszeiten zum Eingreifen veranlasst sehen, wenn die Vermittlungsbemühungen<br />

des Handelsvertreters und dessen Ergebnisse aus <strong>der</strong> Bestandspflege unbefriedigend<br />

sind. Der Handelsvertreter auf <strong>der</strong> untersten Stufe wie<strong>der</strong>um kann annehmen, dass die<br />

Beklagte auf diese Weise von ihrem in Ziffer 6.3 des Handelsvertretervertrages vorbehaltenen<br />

Recht Gebrauch macht, Weisungen aus wichtigem Grund zu erteilen.<br />

Der "Einstieg" in das von den Zeugen geschil<strong>der</strong>te Subordinationsverhältnis wird durch<br />

den für Handelsvertreter <strong>der</strong> Klägerin offenbar typischem Umstand begünstigt, dass es sich<br />

überwiegend um Berufsfremde handelt, die bislang im Arbeitsverhältnis standen. Ihnen<br />

fehlen sowohl das geschäftliche Know-how als auch die eigenen Betriebsmittel. Beides<br />

wird den "Neueinsteigern" unter dem Dach <strong>der</strong> Klägerin geboten. Sie veranstaltet Schulungen,<br />

führt die Neuhinzugekommenen gezielt in ihre Produktpalette ein, bietet Arbeitsmittel<br />

(Laptop) und über das Büro, dem <strong>der</strong> Handelsvertreter zugewiesen wird, eine stabile<br />

organisatorische Struktur, die die Gewähr zu bieten verspricht, kompetent in <strong>der</strong> Einarbeitungsphase<br />

unterstützend begleitet zu werden.<br />

Die Berufungskammer hat durchaus den Eindruck, dass die Neueinsteiger diese Anfangsund<br />

Einarbeitungsphase als hilfreich für ihren Einstieg in eine selbstständige Tätigkeit<br />

empfinden. Dies verwun<strong>der</strong>t nicht, weil <strong>der</strong> Beklagte erfor<strong>der</strong>liche Kenntnisse und Techniken<br />

für die erfolgreiche Durchführung <strong>der</strong> übernommenen Aufgabe nicht mitbringt, er mithin<br />

auf Hilfestellung angewiesen war. An <strong>der</strong> steuernden und kontrollierenden Präsenz <strong>der</strong><br />

übergeordneten Handelsvertreter hat sich jedoch nach <strong>der</strong> Einarbeitungsphase offenbar<br />

nichts Wesentliches geän<strong>der</strong>t.<br />

In diese von <strong>der</strong> Klägerin geschaffene, in <strong>der</strong> Praxis zu streng hierarchischen Verhältnissen<br />

führende Struktur wurde <strong>der</strong> Beklagte offenbar wie an<strong>der</strong>e auch durch diese eingewiesen.<br />

Der Beklagte hat unwi<strong>der</strong>sprochen vorgetragen, dass im Büro S. für sie die Eingangstests<br />

durchgeführt wurden. Er hat weiter vorgetragen, dass <strong>der</strong> Beklagte diesem Büro zugewiesen<br />

wurde. Dort wie<strong>der</strong>um wurde er dem Team beziehungsweise <strong>der</strong> Organisation<br />

Sch. zugeteilt.<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten:<br />

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Die Klägerin hat über ihre Provisionsvereinbarungen und den Karriereplan unter Einbeziehung<br />

<strong>der</strong> Vorschussregelung eine Struktur geschaffen, die hierarchische Verhältnisse erzeugt,<br />

welche ein zielgerichtetes Eingreifen in die Tätigkeit <strong>der</strong> Handelsvertreter bei Bedarf<br />

ermöglichen. Sie hat den Handelsvertretervertrag so ausgestaltet, dass ihre Vertragspartner<br />

die Steuerung ihrer Tätigkeit durch die übergeordneten Handelsvertreter als vertragskonform<br />

angesehen konnte. Diese Struktur, die zum Konflikt zwischen den Parteien<br />

geführt hat, ist offenbar von <strong>der</strong> Klägerin bewusst konstruiert worden. Dies zeigen die<br />

zahlreichen Verfahren <strong>der</strong> Klägerin gegen ausgeschiedene Handelsvertreter, <strong>der</strong>en Ergebnisse<br />

sie dem Gericht vorgelegt hat.<br />

Dem Umstand, dass <strong>der</strong> Beklagte sich in <strong>der</strong> Anfangsphase als Selbstständige gefühlt hat,<br />

misst die Berufungskammer keine rechtliche Relevanz bei. Ihm kann schwerlich entgegengehalten<br />

werden, er besinne sich auf die Möglichkeit, Arbeitnehmer zu sein, erst nachdem<br />

sich seine Erfolglosigkeit im Vertriebs- und Verdienstsystem <strong>der</strong> Klägerin heraus gestellt<br />

und diese hieraus die vertraglich fixierten Konsequenzen gezogen habe. Die Erkenntnis, in<br />

Abhängigkeit tätig sein zu müssen, dürfte mit zunehmen<strong>der</strong> Erfahrung in <strong>der</strong> Rechtsbeziehung<br />

gewachsen sein. Eine Berufung auf den Arbeitnehmerstatus während <strong>der</strong> Vertragsbeziehungen<br />

hätte im übrigen <strong>der</strong>en Fortbestand gefährdet.<br />

3. Aus <strong>der</strong> oben festgestellten Arbeitnehmereigenschaft ergeben sich für die<br />

geltend gemachten Ansprüche <strong>der</strong> Klägerin folgende Konsequenzen:<br />

Das Vergütungssystem <strong>der</strong> Klägerin ist auf im Arbeitsverhältnis stehende Mitarbeiter nicht<br />

anwendbar. Es ist unwirksam, weil es einer Kontrolle nach den Regeln des BGB über Allgemeine<br />

Geschäftsbedingungen nicht standhält. Es ist nicht transparent und benachteiligt<br />

die abhängig Beschäftigten unangemessen.<br />

Die Berufungskammer ist <strong>der</strong> Auffassung, dass die Vergütungsregelungen im Handelsvertretervertrag,<br />

<strong>der</strong> auf den Vergütungsstufen- und Karriereplan verweist, die <strong>Verein</strong>barung<br />

über die Kosten <strong>der</strong> Ausbildung, über die Notebookleihe und die Bürokosten als Einheit zu<br />

sehen sind. Letztere sind deshalb miteinzubeziehen und <strong>der</strong> Klägerin zuzuordnen, weil die<br />

Kosten für das Büro Teil <strong>der</strong> Gesamtkonzeption <strong>der</strong> Klägerin sind, ihre Handelsvertreter<br />

<strong>der</strong> untersten Stufe vertraglich und organisatorisch so einzubinden, dass ihr effektive Mög-<br />

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lichkeiten gegeben sind, <strong>der</strong>en Tätigkeit bei Bedarf genauso intensiv zu steuern, wie dies<br />

bei Arbeitnehmern möglich ist (s.o. Zi II.2.b)cc)).<br />

Ob das Vergütungssystem unter Einbeziehung <strong>der</strong> <strong>Verein</strong>barungen über vom Beklagten zu<br />

erstatten<strong>der</strong> Kosten gegen § 138 BGB verstößt, kann dahingestellt bleiben. Die <strong>Verein</strong>barungen<br />

<strong>der</strong> Klägerin mit dem Beklagten in ihrer Gesamtheit benachteiligen den Beklagten<br />

jedenfalls entsprechend § 307 Abs. 2 BGB, weil sie insgesamt vom wesentlichen Grundgedanken<br />

<strong>der</strong> gesetzlichen Regelung eines im Arbeitsverhältnis stehenden Handelsvertreters,<br />

wie sie in durch das Arbeitnehmerschutzrecht modifizierter Weise in den §§ 59 und<br />

65 HGB zum Ausdruck kommt, abweichen. Die Regelungen sind darüber hinaus in ihrer<br />

Gesamtheit nicht transparent und verstoßen deshalb auch gegen § 307 Abs. 1 BGB.<br />

Auch für das Arbeitsverhältnis eines Handlungsgehilfen nach §§ 59 ff. HGB gilt <strong>der</strong><br />

Grundsatz, dass <strong>der</strong> Arbeitgeber das Unternehmerrisiko nicht ohne weiteres vollständig auf<br />

den Arbeitnehmer überwälzen kann. Der Arbeitgeber hat auch die durch die Tätigkeit des<br />

Arbeitnehmers entstehenden Kosten zu tragen.<br />

Das Vertragssystem <strong>der</strong> Klägerin trägt dem nicht Rechnung. Es benachteiligt vor allem<br />

Mitarbeiter, die in dem Tätigkeitsbereich, in dem sie eingesetzt sind, zum Teil wenig o<strong>der</strong><br />

keinerlei berufliche Erfahrung haben. Bei dieser Personengruppe, zu <strong>der</strong> <strong>der</strong> Beklagte gehört,<br />

ist das Risiko, letztlich erfolglos zu bleiben, hoch. Diese Personengruppe wird aber<br />

für den Fall <strong>der</strong> Erfolglosigkeit und <strong>der</strong> damit verbundenen Kündigung mit den Kosten, die<br />

sie durch ihre Tätigkeit und den notwendigen Erwerb von Branchenkenntnissen und -<br />

techniken verursacht haben, vollständig belastet. Diese können insgesamt höher als <strong>der</strong><br />

Betrag, den <strong>der</strong> Beklagte nach Kündigung aus <strong>der</strong> Vorschussvereinbarung behalten darf.<br />

Diese Personengruppe trägt insofern nicht nur das Risiko nichts zu verdienen, sie finanziert<br />

auf eigenes Risiko den Versuch, festzustellen, ob sie für die Tätigkeit bei <strong>der</strong> Beklagten auf<br />

Dauer geeignet ist.<br />

Die Regelungen insgesamt sind darüber hinaus nicht transparent. Die <strong>Verein</strong>barungen über<br />

die Vergütung einerseits und über Ausbildung, Bürokosten, Arbeitsmittel und Arbeitsunterlagen<br />

an<strong>der</strong>seits werden allesamt verknüpft durch die Regelungen in Ziffer. 5 des Handelsvertretervertrages.<br />

Die entsprechenden <strong>Verein</strong>barungen sind allesamt nach Aufnahme<br />

<strong>der</strong> Tätigkeit des Beklagten im Büro S. erfolgt. Die Berufungskammer sieht nicht,<br />

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dass bei Unterzeichnung des Handelsvertretervertrages die tatsächliche Belastung für den<br />

Beklagten kalkulierbar war.<br />

Da die <strong>Verein</strong>barungen über Vergütung und Kosten unwirksam ist, hat <strong>der</strong> Beklagte Anspruch<br />

nach § 59 HGB auf die ortsübliche Vergütung für seine Tätigkeit. Diese übersteigt<br />

unter Berücksichtigung des Betrages, <strong>der</strong> dem Kläger tatsächlich zugeflossen ist, die in<br />

diesem Verfahren geltend gemachten Ansprüche <strong>der</strong> Klägerin.<br />

Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil abzuän<strong>der</strong>n und die Klage abzuweisen.<br />

III.<br />

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Berufungskammer hat die Revision<br />

wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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