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Sommer 2011 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen

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laufen waren. Jedes Mal kam er ganz<br />

verzweifelt zurück, weil er uns nicht<br />

gefunden hatte. Ich weiß nur noch,<br />

dass wir alle drei gebadet hatten und<br />

völlig mitgenommen ins Bett fielen.<br />

Erst am späten Abend wachten wir<br />

wieder auf. Wir wussten nach den<br />

vielen Ereignissen nicht mehr, wo wir<br />

uns befanden. Inzwischen war Opa<br />

von seiner Suchtour wieder zurück.<br />

Obwohl er sich vor Freude kaum beherrschen<br />

konnte, ließ er uns erst<br />

ausschlafen, bevor er die Oma, Günter<br />

und mich in die Arme schloss. Wir<br />

war alle wieder beisammen und<br />

überglücklich.<br />

Durch die Trennung auf dem Eis waren<br />

meine Mutter und Klaus-Werner<br />

allein auf sich gestellt. Es gab unterwegs<br />

viele versprengte Soldaten, die<br />

sich alle auf der Nehrung bei einer<br />

Kommandantur melden mussten. Ein<br />

Soldat mit dickem Kopfverband<br />

schloss sich meiner Mutter an. Nach<br />

einer gewissen Strecke merkten beide,<br />

dass sie langsam vom festen Eis<br />

abtrieben und sich auf einer großen<br />

Scholle befanden. Der Soldat war<br />

ganz gefasst, beruhigte meine Mutter<br />

und sagte, wenn eine Scholle abtreibt,<br />

treibt sie auch meistens wieder<br />

zurück. So geschah es auch. Sie<br />

mussten beim Andocken der Scholle<br />

schnell, inklusive Kinderwagen, auf<br />

das feste Eis übersetzen. Das war<br />

sehr risikoreich!<br />

In Kahlberg ging der Soldat noch mit<br />

Klaus-Werner und meiner Mutter bis<br />

zum Hafen. Er wollte versuchen, Sie<br />

mit dem Kinderwagen auf einem<br />

Schiff unterzubringen. Er selbst musste<br />

ja zur Meldestelle. Vor dem Abschied<br />

gab er meiner Mutter noch<br />

seine Heimatanschrift in Thüringen<br />

mit. Er war erst jung verheiratet.<br />

Nach der Ankunft in Dänemark, sowie<br />

später in Oldenburg/Oldenburg<br />

hatte meine Mutter jeweils das Rote<br />

Kreuz angeschrieben und die Anschrift<br />

mitgeteilt. Sie bekam aber nie<br />

eine Antwort. Vielleicht durfte seine<br />

Frau nicht aus der russischen Besatzungszone<br />

in den Westen schreiben.<br />

Meine Mutter hatte großes Glück. Sie<br />

konnte mit Klaus-Werner noch am<br />

selben Tag von Kahlberg auf einem<br />

Frachter nach Gotenhafen abfahren.<br />

In Danzig hielten wir uns noch mehrere<br />

Tage auf, bis es dann so weit<br />

war, dass alle mit dem Frachter RO<br />

22 in den frühen Morgenstunden im<br />

Konvoi, es war ein prächtiges Bild,<br />

von Gotenhafen ausliefen. Das Ziel<br />

war unbekannt, denn die deutschen<br />

Häfen nahmen uns nicht mehr an.<br />

Sie waren voller Schiffe und es gab<br />

auch keinen Platz mehr, weitere<br />

Menschen aufzunehmen.<br />

Während der Zeit in Danzig hatten<br />

wir noch einen sehr schweren Bombenangriff<br />

miterleben müssen. Wir<br />

saßen die halbe Nacht im Keller und<br />

in der Nähe gab es schwere Einschläge.<br />

Hinterher war die Straße<br />

‚Am Schwarzen Meer’ nicht mehr<br />

wiederzuerkennen. Unser Haus war<br />

ziemlich beschädigt. Im Luftschutzkeller<br />

kam niemand zu Schaden.<br />

Noch vor dem Angriff, an einem ruhigen<br />

Tag, haben wir ungewollt unsere<br />

Mütter in Angst und Schrecken versetzt.<br />

Meine älteste Cousine Gertrud,<br />

damals 14 Jahre, ihr Bruder Reinhold<br />

12 Jahre, schlugen dem Günter und<br />

mir vor, sich in Ruhe Danzig anzuschauen.<br />

Die Stadt war reich, stolz<br />

und erhaben. Wir sahen viele schöne<br />

und nennenswerte Sehenswürdigkeiten<br />

und waren vollauf begeistert. Wie<br />

Kinder so sind, haben wir uns über<br />

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