Leseprobe - Hogrefe
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Kapitel 2<br />
Behinderungsprofil – Kognitive Funktionseinschränkungen,<br />
Beeinträchtigung der sozialen Kognition und der Emotionalität<br />
Trotz der großen Fortschritte durch die Entwicklung<br />
von Antipsychotika der zweiten Generation<br />
mit wesentlich günstigeren Wirkungs-/Nebenwirkungsprofilen<br />
(Keefe, Silva, Perkins & Lieberman,<br />
1999; Meltzer & McGurk, 1999) und der zahlreichen<br />
neuen nicht nur störungs-, sondern auch<br />
problemfokussierten kognitiv-verhaltenstherapeutischen<br />
Ansätzen in der Behandlung schizophrener<br />
Störungen (Heinssen, Liberman & Kopelowicz,<br />
2000; Lehman et al., 2003; Penn, Waldheter, Perkins,<br />
Mueser & Lieberman, 2005) ist nach wie<br />
vor das Ausmaß an funktionaler Restitution („recovery“)<br />
sehr begrenzt. So zeigte eine neuere prospektive<br />
Längsschnittstudie über fünf Jahre (Robinson,<br />
Woerner, McMeniman, Mendelowitz &<br />
Bilder, 2004), dass in einer repräsentativen Stichprobe<br />
von Patienten mit schizophrenen und schizoaffektiven<br />
Störungen nach einer ersten Krankheitsepisode,<br />
doch immerhin ca. 50 % der Patienten<br />
mindestens über zwei Jahre nahezu vollständig remittiert<br />
sind (remission, symptomatic recovery);<br />
weiter konnte gezeigt werden, dass nur ca. 25 %<br />
einer Berufstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt<br />
nachgehen (functional recovery) und beides lediglich<br />
2,5 % der Patienten erreichen (full recovery).<br />
Rollenfunktionsdefizite im Alltag (Cook &<br />
Razzano, 2000; Green, Kern, Braff & Mintz,<br />
2000; Green & Nuechterlein, 1999) konnten als<br />
weitgehend unabhängig von der Remission der<br />
Positivsymptomatik nachgewiesen werden (Penn,<br />
Corrigan, Bentall, Racenstein & Newman, 1997).<br />
Daher hat man im letzten Jahrzehnt damit begonnen,<br />
Hindernisse für eine möglichst weitgehende<br />
funktionale Restitution („recovery“) und eine<br />
erfolgreiche Behandlung und Rehabilitation zu<br />
identifizieren. Eine zunehmende Anzahl von<br />
Übersichtsarbeiten belegt empirisch, dass sowohl<br />
kognitive Funktionsstörungen, wie auch Defizite<br />
im Bereich der Motivation (Antrieb, Initiative bei<br />
Negativsymptomatik) als auch Störungen im Bereich<br />
der sozialen Kognitionen (Interpretieren und<br />
Auffassen sozialer Stimuli) einen wesentlich größeren<br />
Einfluss auf die soziale und berufliche Integration<br />
von Menschen mit schizophrenen Störungen<br />
haben als die Positivsymptomatik (Green,<br />
1996; Green et al., 2000; Green et al., 1999; Vauth,<br />
Rüsch, Wirtz & Corrigan, 2004). Die therapeutische<br />
Fokussierung von Störungen der Kognitionen,<br />
der sozialen Kognitionen und der Emotionalität<br />
ist aber mit der Hoffnung verbunden, das<br />
Rehabilitationspotenzial der Patienten auszuweiten,<br />
ja auch an Vulnerabilitätsaspekten der Störung<br />
selbst rezidivprophylaktisch anzusetzen. Vor<br />
allem kognitive Defizite wie Beeinträchtigung in<br />
Vigilanz, Gedächtnis und exekutiven Leistungen<br />
(Hypothesenbildung und -testung, Arbeitsgedächtnis)<br />
und die Negativsymptome haben sich hier<br />
als Haupthindernisse identifizieren lassen (Green,<br />
1996; Green et al., 2000; Green et al., 1999). Diese<br />
Forschungsergebnisse haben die Frage aufgeworfen,<br />
auf welche Weise kognitive Funktionsdefizite<br />
mit möglichst weitgehender funktionaler Restitution<br />
und dem Ansprechen auf psychosoziale Interventionen<br />
verbunden sind.<br />
2.1 Beeinträchtigungen der<br />
Kognition als Behandlungshindernisse<br />
Kognitive Funktionsstörungen sind bei schizophrenen<br />
Erkrankungen sehr häufig (Bilder et al.,<br />
1995; Heaton, McAdams & Ku, 1994; Palmer,<br />
Heaton & Paulsen, 1997; Velligan & Bow-Thomas,<br />
1999). Sie bestehen relativ früh im Krankheitsverlauf,<br />
sind relativ stabil über die Zeit und<br />
unabhängig von der Positivsymptomatik (Gold &<br />
Harvey, 1993; Sharma & Harvey, 2000). Besonders<br />
akzentuierte kognitive Defizite finden sich in den<br />
Bereichen der verbalen Merkfähigkeit, der selektiven<br />
Aufmerksamkeit (Ablenkbarkeit: Unterscheiden<br />
von Wichtigem und Unwichtigem) und der<br />
Daueraufmerksamkeit (den Spannungsbogen auch<br />
über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten<br />
können) sowie der Handlungsplanung und -organisation.<br />
Kognitive Funktionsstörungen sind die<br />
wohl stärksten Negativprädiktoren für eine erfolgreiche<br />
soziale (Partnerschaft; Freundeskreis) und<br />
berufliche Integration (Anstellung auf dem ersten<br />
Arbeitsmarkt) sowie auch für das Ansprechen auf<br />
psychosoziale Interventionen wie berufliche Rehabilitation,<br />
Symptommanagement und soziales<br />
Kompetenztraining (Green, 1996; Green et al.,