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Zur<br />

Geschichte<br />

des Anwesens der<br />

Familie Werner Haase<br />

in Reudnitz<br />

VON<br />

CHRISTOPH OTTO<br />

1998<br />

Herausgegeben<br />

vom Heimat- und Geschichtsverein <strong>Mohlsdorf</strong> e.V.<br />

2012


Zur<br />

Geschichte<br />

des Anwesens der<br />

Familie Werner Haase<br />

in Reudnitz<br />

Christoph Otto<br />

1998


Impressum<br />

2012<br />

© Christoph Otto<br />

1998 als Manuskript veröffentlicht.<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Nachdruck und Kopien - auch auszugsweise – nur mit Erlaubnis der Autoren.<br />

Alle Urheberrechte, besonders das Recht der öffentlichen Wiedergabe, der<br />

digitalen oder Copy/Drucktechnischen Verbreitung, der kommerziellen Nutzung<br />

liegen bei dem Autor und dem HGV-<strong>Mohlsdorf</strong>.<br />

Design und Satz: HGV-<strong>Mohlsdorf</strong>


Inhalt<br />

1. Das Herrenhaus des Rittergutes Ober — Reudnitz<br />

und der Kretzschmar zu Reudnitz 1551 -1820 5<br />

2. Die Grund- und Lehnsherren des Rittergutes Ober — Reudnitz 10<br />

3. Der Gutsherrenhof und seine Nutzung 1898 — 1952 14<br />

4. Das Anwesen im Eigentum der Familie Werner Haase 20<br />

Litheraturverzeichnis 25<br />

Danksagung<br />

Ich schulde besonderen Dank Frau Sieglinde Beutler, Herrn Hubert Risch und der<br />

Familie Haase dafür, daß sie mir in ihrem Besitz befindliche Materialien für diese<br />

Arbeit bereitwillig zur Verfügung gestellt haben.<br />

3


1. Das Herrenhaus des Rittergutes Ober — Reudnitz<br />

und der Kretzschmar zu Reudnitz<br />

1551 -1820<br />

Das Gebäude, das heute Eigentum der Familie Werner und Erika Haase ist, war<br />

einmal das Herrenhaus des Rittergutes Ober — Reudnitz. Seine Geschichte beginnt<br />

in den Jahren 1550/51 - die des Grundbesitzes, auf dem es errichtet wurde, reicht<br />

dagegen bis in das 13. Jahrhunderts zurück, in jene Zeit, in der die Herren von<br />

Rudenice als Dienstmannen der Vögte von Plauen begannen, im sorbischen Dorf<br />

Rudenicz deutsche Bauern anzusiedeln.<br />

Zwei Gründe haben 1551 zum Bau des Herrenhauses geführt.<br />

1. Seit 1462 waren die Herren von Volgkstedt mit Gut und Dorf Reudnitz sowie<br />

mit allen dazu gehörigen Rechten und Freiheiten belehnt. Als es 1550 unter den<br />

Volgkstedts zu einer Erbteilung kam, erhielt Rudolph von Volkstedt das<br />

Vorwerk Herrmannnsgrün und den „Kretzschmar tzu Reudenitz mit seinen<br />

Hauß und Hofe, samptt tzu gehörenden Eckern, Wiesen und Höltzer. neben den<br />

Gerichten, oberst und Niederst in gemeltem Hause...“. Außerdem wurde<br />

festgelegt „...daß wir beyde Bruder, uns bei der Herrschaft dermaßen bemühen<br />

1<br />

sollen, domit solcher kretzschmar tzu Ritterdinst gemacht werden mochtt...“<br />

So entstand 1550 neben dem alten Hauptrittergut, fortan Unter - Reudnitz<br />

genannt, das Rittergut Ober - Reudnitz. Die Belehnung Rudolphs erfolgte<br />

durch den „Burggrafen Heinrich zu Meißen, Graffen zu Hartenstein Herrn zu<br />

2<br />

Plauen und Gera mit dem Lehnbrief de 18ten Sept: 1551" . Weil die<br />

Erbteilungen vor allem wegen der dem Einzelnen zustehenden Einkünfte<br />

erfolgte, wäre an sich nicht notwendigerweise der Umzug aus dem elterlichen<br />

Volgkstedtsche Haus damit verbunden gewesen. Nun trat jedoch ein Umstand<br />

ein, der dazu führte, daß das neugegründeten Ober - Reudnitzer Rittergut sehr<br />

schnell auch ein eigenes herrschaftliches Wohnhaus erhielt.<br />

3<br />

2. Darüber berichtet Heyderich „Ao. 1551. Ist das zum HauptRitterguht gehörig<br />

gewesene Volkstettische Wohnhaus, samt allen Hof-Gebäuden abgebrannt,<br />

1<br />

„Theil Zettel zwischen Rudolf und Michell gebrüdern vom volgstett de dato Sonnabent nach Viti Ao.<br />

1550“; in: A. v. Geldern Crispendorf,. Mitteilungen über das Patrieziergeschlecht Neefe und die<br />

Ahnen der Franziska v. Geldern- Crispendorf geb. Neefe, Anlage II.<br />

2<br />

H. Hillemann, “Die Geschichte der Rittergüter in Reuß Ältere Linie“, S. 324.<br />

3<br />

Sowohl v. Geldern als auch Hillemann stützen sich bei ihren Aussagen auf die „Nachrichten von<br />

Reudnitz, gesammelt und aufgesetzt von Thomas Heyderich, ehemaliger Adeliger Trützschlerischer<br />

Gerichts Verwalter zu Ober - Reudnitz, nachherigen Gräfl. ReuB. Plaui. Regierungs Rath zu<br />

Untergreiz“, die sich im Besitz von A. v. Geldern befanden. Während Hillemann darauf hinweist und<br />

Heyderich stets zitiert, vermisst man bei v. Geldern die Angabe dieses Bezuges.<br />

4


welches dazumal auf dem Bergk gegen den Röhren-Acker gleich übern<br />

DorfTeich gestanden, nachhero aber ‚ wo iezo das Ober - Reudnitzer Hauß<br />

stehet, gebauet, und nachdem man zu solcher Zeit aus dem ausgekaufften<br />

Kretzschmar und BauerGüthern ein besonderes Ritterguth gemachet, diees<br />

Hauß dazugeschlagen, hingegen zum HauptGuth ein neues hauß gleich unterm<br />

1<br />

BrauTeich auf einer Höhe gebauet worden“ .<br />

Damit wird belegt, daß mit dem Bau der Herrenhäuser sowohl des unteren als auch<br />

des oberen Reudnitzer Rittergutes im Jahre 1551 begonnen wurde. Der Ort „wo jetzt<br />

das Ober - Reudnitzer Haus steht“ (Heyderich) ist identisch mit dem Standort des<br />

Wohnhauses der Familie Haase. Sein Gründungsjahr ist damit eindeutig das Jahr<br />

1551.<br />

Die mehr als 2 Meter starken Grundmauern des heutigen Gebäudes sind ohne<br />

Zweifel noch diejenigen, die bereits das alte Herrenhaus Ober - Reudnitz getragen<br />

haben. Sie bestehen aus relativ widerstandsfähigem, blaugrauem karbonischen<br />

Schiefer, der möglicherweise aus dem Steinbruch am Fuße des „Berges“ stammt.<br />

Die Anlage der Kellerräume, ebenfalls aus der Gründungszeit stammend, zeugen<br />

von einem beachtlichen handwerklichen Geschick. Sie sind, ebenfalls aus Schiefer<br />

gefügt, teils als Tonnengewölbe teils als Kreuzrippengewölbe ausgebildet. Eines<br />

der Kreuzgewölbe wird noch heute von einer Säule getragen, deren Basis, Schaft<br />

und Kapitell aus Kirchberger Granit geformt sind.<br />

Weil es mir bisher nicht möglich war, Innenaufnahmen dieser Räume anzufertigen,<br />

füge ich, um dem Leser wenigstens eine ungefähre Vorstellung zu vermitteln, einige<br />

schematische Abbildungen zu den Gewölbeformen bei.<br />

Tonnengewölbe<br />

Kreuzrippengewölbe<br />

1<br />

H. Hillemann, a. a. 0., S. 325.<br />

5


Beispiel eines Kreuzgewölbes<br />

Das Herrenhaus Ober - Reudnitz wurde „auf dem Kretzschmar“ errichtet, d. h.<br />

nichts anderes, als auf dessen Grund und Boden. Das altslawische bzw. sorbische<br />

Wort „Kretscham“ oder „Kretschem“ bedeutet Schänke, Gaststätte. „Kretzschmar“<br />

1<br />

ist die davon abgeleitete ostmitteldeutsche Bezeichnung für einen Gastwirt . Dieser<br />

Name wurde dann als Bezeichnung auch auf die Schänke übertragen.<br />

Die Existenz des „Kretzschmar zu Reudnitz“, die Größe seines Grundbesitzes<br />

sowie das mit ihm verbundene Schank- und Braurecht dokumentieren Mehrfaches:<br />

Die Übernahme des sorbischen Wortes in den Sprachschatz der deutschen<br />

Bauern belegt, daß diese Schänke zu einer Zeit entstanden ist, als in Reudnitz<br />

neben den sich hier ansiedelnden deutschen Bauern noch Sorben lebten.<br />

Für das Anwerben von Siedlern. bedienten sich die adligen Grundherren oft<br />

eines Mittelsmannes, des „locator“. Der Lokator, ritterlicher oder bäuerlicher<br />

Herkunft, erhielt für seine Dienste ein größeres Landlos. Oft bekam er auch<br />

zusätzlich das Schank- und Brauereirecht. Ganz offenbar handelte es sich bei<br />

dem Anwesen des Kretzschmar zu Reudnitz um den Hof eines solchen<br />

Mittelsmannes, mit dessen Hilfe die Herren von Rudnicze in ihrem von den<br />

Vögten zu Plauen verliehenen Lehnsgebiet deutsche Kolonisten ansässig<br />

machten.<br />

Daraus folgt: Die Entstehungszeit des Kretzschmar fällt in die Zeit der frühen<br />

bäuerlichen deutschen Ansiedlung in Reudnitz, d. h. nach dem bisherigen<br />

Kenntnissstand zumindest in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts.<br />

1 So gibt es noch heute im benachbarten Reuth die Familie Getschmann (abgeleitet von Kretzschmar),<br />

die über viele Jahre den Gasthof Reuth bewirtschaftete.<br />

6


1<br />

Die Ausführungen einiger Autoren., so etwa von PFEIFER oder dem Verfasser<br />

2<br />

eines Artikels über „Die Brauerei in Reudnitz“ , machen leider nicht deutlich, daß<br />

es sich bei dem Kretzschmar und dem Wohngebäude des Ober - Reudnitzer Gutes<br />

um zwei ganz verschiedene Objekte handelte und auch, daß das Gebäude, in dem<br />

sich im 19. Jahrhundert die Brauerei des Ober - Reudnitzer Rittergutes befunden<br />

hat, weder mit dem des Kretzschmar noch mit dem des Wohnhauses gleichzusetzen<br />

ist. Das führte zu manchen irrigen Ansichten, die sich bis heute erhalten haben.<br />

Der Kretzschmar war nachweisbar noch 1749 ein selbständiges Gebäude.<br />

Am 14. Dezember 1749 schickte Graf Heinrich III. ‚Reuß Ältere Linie, „nachdem<br />

verlautet, daß Johann Friedrich Trützschler, auf Ober- und Unter Reudnitz, wo<br />

nicht bereits verstorben, doch seinem Ende nahe sey; uns aber auf diesen Fall die<br />

helfte von dem ihm von uns verliehenen RitterMannLehn Gut Ober Reudnitz samt<br />

dem dazu gehörigen Wirthshauß und allen anderen appertinentien ohnstrittig ...<br />

3<br />

heimgefallen...“ , eine Kommission nach Ober - Reudnitz, um „von dieser uns<br />

4<br />

angefallenen Helfte sothanen obern Guts Possess nehmen zulaßen“ . In ihrem<br />

Bericht über die Besitzergreifung (=PossesesNehmung C. 0.) ist zu lesen.“ Da nun<br />

auch die besondere PossseNehmung des zum Ritter-Gut Ober-Reudnitz gehörigen<br />

Wirths-Haußes nach Maasgebung öffters berührten gnädigsten Reqvisitions-<br />

Schreiben geschehen sollen, und wir eben auf dem Rückwege von nur gedachten<br />

Feldern,“ (beym Cahmer Weg C. 0.) „auch nur bemelten (= genannten C.0.) Wirths-<br />

Hauße nahe waren: So haben wir uns so fort dahinein begeben, und darinnen in der<br />

Küche auf dem Heerde Feuer angezündet und ausgelöschet, uns sodann in die<br />

WohnStuhe verfüget, und darinnen niedergesezet, auch unsere Hüte, Müzen und<br />

Stöcke aufgehangen und angelehnet, wie nicht weniger in dem dazu gehörigen<br />

Gärtgen ein Stück Rasen ausgestochen und von einem darinnen stehenden<br />

Pflaumen-Baum einen Ast abgehieben, und hierauf unseren Rückweg nach den<br />

5<br />

Adel. Hofe zu Ober - Reudnitz herunter genommen, ...“.<br />

Der genaue Standort des alten Kretzschmar ist nicht mehr feststellbar. Weil sich<br />

neben der Schankstätte mit einiger Sicherheit das „Brauhause tzu Reudnitz“<br />

befunden haben dürfte, kann man annehmen, daß er sich am Weg, der von Obernach<br />

Unter - Reudnitz führte und in der Nähe des künstlich angelegten<br />

„Breuteiches“ befunden hat. Nach dem oben zitierten Bericht muß die<br />

Gastwirtschaft ein ganzes Stück vom eigentlichen Ober -Reudnitzer Gut entfernt<br />

gewesen sein.<br />

1 M. Pfeifer, „Die Ortsgeschichte von Reudnitz“; in: Festschrift zur 50 Jahrfeier des Turnvereins „Concordia“<br />

e. V., Reudnitz. Reudnitz 27. -29. Juni 1931, S.12.<br />

2 „Die Brauerei in Reudnitz“; in : Volkswacht, 17.Oktober 1953.<br />

3 H. Hillemann, a. a. 0., S. 398.<br />

Siehe dazu auf S.7 die Bemerkung zu der Besitzzeit des Herrn von Braun.<br />

4 H. Hillemann, a. a. 0, S. 399<br />

5 Ebenda, S. 400. (Hervorhebungen erfolgten durch den Autor.)<br />

7


Bier gehörte in jener Zeit zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Die Abgaben,<br />

die sowohl für das Brauen und die dabei benötigten Rohstoffe als auch für den<br />

Verkauf erhoben wurden, garantierten beträchtliche und gesicherte Einkünfte.<br />

Deswegen werden die Herren von Rudenicz, die sicher, wie alle kleinen Adligen im<br />

14. und 15. Jahrhunderts, gleichermaßen an ständiger Geldnot litten, schon bald ein<br />

Auge auf den Kretzschmar geworfen haben. Auf welche Weise sie sich in den<br />

direkten Lehnsbesitz des Kretzschmar und seines Grundbesitzes gebracht haben, ist<br />

ungewiß. Mögliche Gründe sind der Heimfall oder der Auskauf des Besitzes. Es<br />

sind jedoch auch ökonomische oder außerökonomische Zwänge denkbar, die die<br />

Grundherren im Gefolge der Agrarkrise des 15. Jahrhunderts in solchen Fällen<br />

anwandten. Wie dem auch sei, als gesichert kann man ansehen, daß es den Herren<br />

von Rudnicze spätestens im Laufe des 15. Jahrhunderts gelang, selbst mit dem<br />

Kretzschmar belehnt zu werden. In jedem neuen Lehnsbrief haben sich<br />

beispielsweise die von Volgkstedt seit 1462 das immer wieder ausdrücklich<br />

bestätigen lassen. So wurden Michel von Volgkstedt, sein Bruder und zwei Vettern<br />

im Lehnbrief von Sonntag Cantate 1483 (27. April 1483) mit „Sitz, Dorf und<br />

1<br />

Vorwerk zu Reudnitz und dem Kretzschmar daselbst....“belehnt. Das gleiche ist in<br />

der Belehnungsurkunde für Michel von Volgstädt (dem Enkel des obengenannten<br />

Michel von V.), die am Donnerstag nach Mauritius 1507 (23. September 1507) von<br />

Heinrich Reuß von Plauen d. J., Herr zu Kranichfelde und Greiz ausgestellt wurde,<br />

2<br />

zu lesen. In dieser Urkunde findet sich zugleich der Beweis, daß eine solche<br />

Belehnung bereits in dem Lehnbrief Heinrich Reuss von Plauen für Hans von<br />

Volgkstedt, vom Montag nach Exaudi ao. 1462 (31. Mai 1462) erfolgt sein muß. Es<br />

heißt dort: „vndt (lies: v = u. C. O.)Hansen von Volgstett seligen vndt seinen Erben<br />

von den Wohlgeborenen edelen Herren Heinrichen Reußen von Plauen p. löblicher<br />

gedechtnüs vnsern lieben Vatter, laut eines versiegleten Lehenbriffs, den vns<br />

gedachter Volgstett vbbereicht, gnediglich vndt vor seine Dienst gegeben undt<br />

3<br />

vollzogen.“<br />

Das 1550 neu gebildete Rittergut Ober Reudnitz erhielt durch den Erbvertrag<br />

zusammen mit dem Braurecht die alleinige Schankgerechtigkeit. Allerdings sollte<br />

nach diesem Übereinkommen jeder der beiden Brüder,,in dm Brauhause tzu<br />

4<br />

Reudnitz“ „soviel jeder vermag und auf seine Kosten“ brauen dürfen, und „das<br />

Braugerät neben den Pfannen gemeindsam unterhalten“ werden. Doch nur Rudolf<br />

erhielt das Recht „mein gebrawen Bier uffn kretzschmar nach meyner gelegenheitt,<br />

austzuschenken habe, unnd keine Newe Schenckstatt ober mich aufgerichtet<br />

5<br />

werden soll...“.<br />

1 A. von Geldern — Crispendorf, „Reudnitz und seine Lehn- und Gerichtsherren, Teil 1.“; in:<br />

Heimatgeschichtliche Beilage „Vergangenheit und Gegenwart“ der Greizer Zeitung, Jahrg. 1931, Nr. 6.<br />

2 Hillemann, a. a. 0., S. 323.<br />

3 Am gleichen Ort..<br />

4 „Theil Zettel zwischen Rudolf und Michell gebrüdern vonn volgstett de dato Sonnabent nach Viti Ao.<br />

1550“; in: A. v. Geldern Crispendorf, „Mitteilungen...“, a. a. 0., Anlage 11<br />

5Ebenda.<br />

8


Seitdem gehörte es zu den Rechten des Ober - Reudnitzer Rittergutes, den alten<br />

Erbkretzschmar“ oder wie er später genannt wurde, die „Erbschenke“, zu<br />

betreiben, dort „Bier zu brauen und Branntwein zu brennen sowie Bier, Branntwein<br />

1<br />

und Wein zu verschenken und Salz, Brot und Fleisch zu verkaufen“. Aus dieser<br />

Gerechtsamkeit folgte, daß in allen Gast- und Schankwirtschaften der Ortschaften,<br />

die unter Ober- und Unter -Reudnitzer Gerichtsbarkeit standen, nur das in Ober —<br />

Reudnitz gebraute Bier ausgeschenkt werden durfte. Gegen dieses Biermonopol<br />

lehnten sich seit 1688 die Reudnitzer Einwohner, besonders solche die in ihren<br />

Häusern „Reihenschankberechtigt“ geworden waren, immer häufiger auf. Es kam<br />

zum sogenannten „Reudnitzer Bierkrieg“ und einer Reihe von Prozessen.<br />

Schließlich erhielten 1771 die Unter - Reudnitzer Bierschankberechtigten von<br />

Heinrich XI. eine Konzessionsurkunde, wonach sie auch Untergreizer Bier<br />

verzapfen durften.<br />

Über die äußere Form und das Innere des Herrenhauses des Oberen Rittergutes ist<br />

kaum etwas bekannt. Über das Innere erfahren wir lediglich aus dem oben schon<br />

einmal genannten Kommissionsbericht einige Einzelheiten. Es heißt dort, daß sich<br />

die Kommission zum Zwecke der Besitzergreifung des Lehnsanteils „in das Adel.<br />

Wohnhauß zu Ober-Reudniz und zwar in des dasigen Vieh-Pachters, Mstr. Heinrich<br />

Gottfried Straußen, Schneiders und Häußlers zu UReudeniz, WohnStube begeben“<br />

hat und „in der Küche des Adel. WohnHaußes, in welchem wir uns<br />

voererwehntermaßen schon gegenwärtig befanden, auf dem Heerde Feuer<br />

anzündeten und solches wieder auslöschten, in der untern WohnStube beym<br />

Eingang des Haußes, lincker Hand so wohin als auf dem Saal 2 Treppen hoch, uns<br />

niedersezten. und unsere Hüte und Stöcke aufhängten und anlehnten, den<br />

Hauptschlüßel des Haußes und den Schlüßel zum untern Hof-Thor von denen<br />

domestiqven Eingangs mentionirten Vieh-Patchters Straußens auf Begehren ausgehändigt<br />

erhielten, und mit dem erstem einige Gesperre (zugeschlossene Räume<br />

C.O.) im Hauße auf und zuschlossen, sodann zum Obern und Untern Hof-Thor<br />

2<br />

einige hiesige Gerichtstunterthanen auf die Wacht stellten“. Am Schluß des<br />

Berichtes wird dann noch angemerkt, „daß die sonstige Gerichts-Stube mit<br />

verschiedenen Eßwaren und wirthschafflichem Hauß-Geräthe besetzt, und<br />

darinnen nicht ein einziges Stück von Gerichts-Büchern und Acten zu befinden<br />

3<br />

gewesen...“ sei.<br />

Die Besitzer des Rittergutes Ober - Reudnitz haben durchaus nicht immer ihr<br />

Herrenhaus selbst bewohnt, wie auch aus dem obigen Bericht hervorgeht. Das war<br />

besonders häufig dann der Fall, wenn sich die beiden Reudnitzer Rittergüter in<br />

einer Hand befanden und die Grundherren dann in Unter — Reudnitz, dem<br />

1 H. Hillemann, S. 398.<br />

2 Ebenda, S. 399<br />

3 Ebenda, S. 403.<br />

9


größeren der beiden Güter, residierten. Es verwundert unter solchen Umständen<br />

und auch in Anbetracht der häufigen Verschuldung der adligen Besitzer nicht, daß<br />

der baulichen Erhaltung des Oberreudnitzer Herrenhauses manchmal nicht die<br />

notwendige Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. So schreibt z. B. die Regierung<br />

am 13. März 1730 wegen des baufälligen Rittergutes Ober - Reudnitz an Hans<br />

Friedrich Trützschler zurück „es werde ihm sicher noch „unentfallen“ sein, wie oft<br />

er nun schon von der Landesherrschaft den Befehl erhalten habe, den „täglich zum<br />

Einfall inclinierenden RitterSitz OberReidniz“ ausbessern zu lassen. Nachdem aber<br />

der „klahre Augenschein zeiget, daß zeithero, wie am Wirtshause auch zu sehen, nur<br />

etwas von Leimen daran zu sammen geklebt, dem Hauptwerk aber dadurch kein<br />

1<br />

Genüge geschehen“, so soll Trützschler endlich die nötigen Vorkehrungen treffen.<br />

Auch zum besseren Verständnis der letzten Bemerkungen, möge eine Übersicht zu<br />

den Grund- und Lehnsherren des Rittergutes Ober — Reudnitz und Besitzern seines<br />

Herrenhauses dienen.<br />

2. Die Grund- und Lehnsherren des Rittergutes<br />

2<br />

Ober — Reudnitz.<br />

1550 - 1588 Rudolf von Volgkstedt Besaß auch das Vorwerk<br />

Herrmannsgrün.<br />

1588 - 1602 Hans Georg von Volgkstedt Besaß ebenfalls das Rittervorwerk<br />

Hermannsgrün.<br />

1602 - 1616 Balthasar Friedrich Trützschler Besaß außerdem Unter -Reudnitz und<br />

das Vorwerk Herrmannsgrün.<br />

1617 - 1633 Georg Vollrath Trützschler Er kaufte 1630 Herrmannsgrün.<br />

Wegen hoher Schulden ging das Gut in<br />

Konkurs.<br />

1633 - 1636 Witwe Georg V. Trützschlers Sie fand für das in Konkurs gegangene<br />

Gut keinen Käufer und mußte es selbst<br />

behalten.<br />

1636 - 1642 Hildebrand Friedrich Trützschler Er besaß Unter – Reudnitz und kaufte<br />

aus der Konkursmasse seines<br />

Stiefbruders Georg Ober —<br />

Reudnitz. Später ging er aber selbst<br />

auch in Konkurs.<br />

1<br />

H. Hillemann, a. a. 0., S. 396.<br />

2<br />

Zusammengestellt nach H. Hillemann, a. a. 0. und A. v. Geldern, a. a. 0.<br />

10


1642 - 1643 Witwe Georg V. Trützschlers Sie mußte Ober - Reudnitz erneut<br />

zurücknehmen<br />

1643 - 1666 Caspar Friedrich Trützschler Er kaufte dazu 1647 Unter -Reudnitz<br />

und übernahm 1651 auch noch Herrmannsgrün.<br />

1667 - 1685 Hans Kaspar Trützschler (gest.<br />

1723)<br />

Er besaß auch Herrmannsgrün. Im<br />

Tausch mit Herrmannsgrün erwarb er<br />

1682 Unter - Reudnitz. Hermannsgrün<br />

blieb seitdem ein selbständiges<br />

Rittergut.<br />

1685 - 1698 Georg Friedrich von Creutz auf Kaufte das Gut, konnte jedoch<br />

Teichwolframsdorf letztlich das Kaufgeld von 4200<br />

Gulden Meißnischer Währung nicht<br />

bezahlen und mußte es an Hans<br />

Kaspar zurückgeben, der es seinem<br />

ältesten Sohn Friedrich Wilhelm für<br />

5500 Gulden käuflich abgab.<br />

1698 — 1713 Friedrich Wilhelm Trützschler<br />

1713 - 1749 Hans Friedrich Trützschler erbte als unmündiger Sohn das<br />

OberReudnitzer Rittergut.<br />

Mit Volljährigkeit wird er 1725 damit<br />

belehnt.<br />

1739 kaufte er für 21000 Gulden<br />

Meißnerischer Währung auch Unter -<br />

Reudnitz.<br />

1749 - 1750 Heimfall des Rittergutes Ober –<br />

Reudnitz an Graf Heinrich III<br />

Heinrich der III ordnete die<br />

Besitzergreifung der Hälfte des an ihn<br />

Heimfallende Ober - Reudnitzer<br />

Rittergutes an. Dabei übernahm er<br />

auch die Hälfte der zwei Mitbelehnten<br />

Christoph Heinrich und Georg<br />

Heinrich Eckebrecht von Braun da sie<br />

notorisch ihres Rechtes verlustig<br />

1750 - 1766 Heinrich Georg Eckebrecht von<br />

Braun<br />

Mit halben Rittergut Ober-Reudnitz<br />

belehnt und erhält Mitlehnschaft an<br />

der heimgefallenen Hälfte des Gutes<br />

Heinrichs III<br />

1766 - 1771 Rudolf Friedrich von der Mosel Kauft das Rittergut Ober-Reudnitz für<br />

9000 fl.<br />

11


1771 - 1778 Heinrich August Erdmann<br />

Wilhelm von Falkenstein auf<br />

Herrmannsgrün<br />

1778 – 1783 Christoph Erdmann von<br />

Beulwitz<br />

Erwirbt bei der Versteigerung das<br />

Rittergut Ober-Reudnitz.<br />

Mitbelehnt waren Christian Heinrich<br />

von Watzdorf auf Schloß Berga und<br />

Hohenölsen, Christian Friedrich<br />

August Trützschler<br />

Kauft das Rittergut Ober-Reudnitz mit<br />

allen Rechten<br />

1783 - 1785 Heinrich Wilhelm Erdmann und<br />

Ferdinand Christian von<br />

Beulwitz<br />

Beide unmündige Söhne erben das<br />

Rittergut.<br />

1785 - 1818 Christian Gottlieb Walther Kauft da Rittergut für 11200 Rtl<br />

1818 - 1823 Christian Ernst Walther Erbt das Rittergut von seinem Vater<br />

Das Rittergut brennt am 19. August<br />

1820 fast gänzlich ab.<br />

1823 – 1837 Johann Gottlieb Albert und<br />

dessen Sohn<br />

Sohn Johann Gottlieb Albert (gleicher<br />

Name wie Vater) zieht aus Rittergut<br />

Ober-Reudnitz.<br />

1829 wird mit dem ganzen Rittergut<br />

belehnt.<br />

1837 - 1876 Franz Leo genannt Raab Ersteigert das Rittergut Ober-Reudnitz<br />

für 14675 Rtl.<br />

1876 - 1881 Gustav Herrmann Neefe Erbt das Rittergut.<br />

1881 – 1962 Arthur von Geldern —<br />

Crispendorf<br />

Sohn der einzigen Tochter<br />

Neefes, die bei seiner Geburt<br />

gestorben war.<br />

Von Geldern erbte 1883<br />

zunächst die eine und nach dem Tode<br />

seiner Großmutter 1893 die andere<br />

Hälfte<br />

des Gutes. 1906 erfolgte die<br />

Allodifizierung des Gutes Ober -<br />

Reudnitz, das seitdem erst freies<br />

Eigentum des Besitzers war.<br />

12


Das Wohnhaus wurde auf den alten Grundmauern und Gewölben neu errichtet und<br />

mit einem kleinen Anbau versehen. Dazu kamen mehrere Wirtschaftsgebäude: 1<br />

Brauhaus mit allem Brauinventar, 1 Fässerschuppen, 1 Schaftstall mit einem<br />

1<br />

Heuboden darüber und 2 Scheunen.<br />

Ausschnitt aus der Karte<br />

zur Reinertragsrechnung von 1869<br />

2<br />

1<br />

Das Rittergut Ober — Reudnitz<br />

1869<br />

1. Gutsherrenhof<br />

1a Anbau<br />

2. Brauhaus<br />

3. Fässerschuppen<br />

4. Schaftstall mit Heuboden<br />

5. Scheune<br />

6. Scheune<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1a<br />

Die vorstehenden Auszüge aus einer Karte, die 1869 als Grundlage für die<br />

Reinertragsrechnung (Grundsteuererhebung) angefertigt wurde, zeigt die<br />

Grundrisse des damaligen Gebäudekomplexes und die (wahrscheinliche) Lage der<br />

einzelnen Gebäude.<br />

1<br />

A. von Geldern - Crispendorf „Lebenserinnerungen“, Manuskript, S. 27.<br />

13


Merkwürdigerweise enthalten die Quellen keine Angaben darüber, ob bei dem<br />

Brand die alte „Erbschenke“ und deren Brauhaus mit vernichtet wurden.<br />

Vermutlich hatte die Schankwirtschaft bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert, im<br />

Zusammenhang mit der 1771 von Heinrich XI. den Unter - Reudnitzer<br />

Bierschankberechtigten erteilten Konzession, auch Untergreizer Bier verzapfen zu<br />

dürfen, ihre Bedeutung verloren.<br />

Entstand nach dem Brand auch kein neues eigenes Wirtshaus mehr, so begann man<br />

doch bald in einem neuen Brauhaus wieder Ober - Reudnitzer Bier zu brauen.<br />

Außerdem wurde hier, wie schon auf Unter - Reudnitz, jetzt auch noch eine<br />

Schnapsbrennerei betrieben.<br />

Weil Leo von Raab, der beide Reudnitzer Güter besaß und selbst bewirtschaftete,<br />

seinen Wohnsitz auf dem Gut Untereudnitz nahm, stand das neu errichtete<br />

Wohnhaus auf Ober - Reudnitz leer. Deshalb wurde in seinen Räumen eine<br />

Schankstätte errichtet. (Der genaue Zeitpunkt ließ sich nicht ermitteln.) Als im<br />

Jahre 1868 mit der Einführung der Gewerbeordnung die Verpflichtung entfiel, daß<br />

sämtliche Schankwirte in den der Ober-und Unter-Reudnitzer Patrimonialgerichtsbarkeit<br />

unterstehenden Ortschaften, nur Bier aus der Ober<br />

Reudnitzer Rittergutsbrauerei auszuschenken hatten, wurden Brauerei und<br />

1 2<br />

Gastwirtschaft an Greizer Brauereien verpachtet .<br />

3. Der Gutsherrenhof und seine Nutzung 1898 - 1952<br />

Wie schon angemerkt, hatte das Herrenhaus 1838, mit der Übernahme des<br />

Rittergutes Ober - Reudnitz durch Franz Leo von Raab, seine eigentliche Funktion<br />

als Wohnsitz der Grundherren verloren. Das wurde, seit 1876 Hermann Gustav<br />

Neefe den Hof erworben hatte, zu einem Dauerzustand. Neefe hatte 1848 den alten<br />

Seydelschen „Ganzen Hof', der an der Werdauer Str. Nr. 10 lag, für 10 000<br />

Reichstaler erworben und durch den Ankauf von zwei „Viertelshöfen“ und weitere<br />

Grundstücke beträchtlich vergrößert. Er erbaute ein Herrenhaus. Von hier aus<br />

verwaltete und bewirtschaftete er, wie später auch A. von Geldern - Crispendorf mit<br />

seinem Landgut das 1876 ererbte Rittergut Ober - Reudnitz gemeinsam. Damit<br />

hatte das alte Herrenhaus des Rittergutes Ober - Reudnitz endgültig seine<br />

eigentliche Aufgabe verloren.<br />

1<br />

A. von Geldern, „Grund- und Lehnsherren“, Teil 1, a. a. 0.<br />

2<br />

Im Übrigen existierte seit dem 17. Jahrhundert in Reudnitz mit dem späteren „Goldenen Löwen“<br />

noch ein weiteres Gasthaus. Im Unterschied zum Kretzschmar gehörte sein Grund und Boden<br />

zunächst keinem der Rittergüter, sondern war Teil der Dorfgemeinde. Von 1690 —1765 gelangte es<br />

durch Kauf in den Besitz des Oberreudnitzer Gutes. Seitdem unterstand es der Gerichtsbarkeit dieses<br />

Gutes und durfte infolgedessen bis 1868 auch nur dessen Bier verschenken.<br />

Vgl. dazu: A. v. Geldern, „Lehnsherren..., Teil III, Heimatgeschichtliche Blätter der Greizer Zeitung,<br />

Jahrgang 1931, Nr. 25.<br />

14


Als am Dienstag dem, 4. April 1898 in der 9. Abendstunde die Brauerei, der<br />

Fässerschuppen, der Schaftstall mit Heuboden und die eine, von einem viereckigen<br />

1<br />

Turm gekrönte Scheune erneut ein Raub der Flammen wurden und nur die<br />

2<br />

Wohngebäude erhalten blieben , verlor das Anwesen auch noch weitgehend seine<br />

ökonomischen Bedeutung. Die Brauerei als solche ist nicht wieder aufgebaut<br />

worden. Die stehengebliebenen Teile baute man zu Wohnungen für 5 Familien<br />

3<br />

aus. Lediglich die erhalten gebliebene Scheune und zeitweise die Kellergewölbe<br />

des Haupthauses dienten noch landwirtschaftlicher Nutzung.<br />

2<br />

1<br />

3<br />

1a<br />

Gebäudekomplex nach dem Brand<br />

von 1898<br />

4<br />

1. Wohnhaus<br />

la. Anbau<br />

2. Wohnungen (ehemalige<br />

Brauerei)<br />

3. Schuppen (?)<br />

4. Scheune<br />

Ansicht des Gebäudekomplexes um 1900<br />

1<br />

Nicht lange zuvor war der dem Brauer dann und wann bei der Arbeit behilfliche „Leinweberfranz“,<br />

der blödsinnige Sohn des Grundstücksmaklers „Agenten“ Richter (genannt der „lange Leinweber“)<br />

in die mit siedendem Wasser gefüllte Braupfanne gefallen und unter qualvollen Schmerzen<br />

verstorben.<br />

A. von Geldern, „Lebenserinnerungen“, a. a. 0., S.27.<br />

2<br />

Ebenda<br />

3<br />

Ebenda<br />

15


Ansicht des Gebäudekomplexes um 1927<br />

In dieser photographischen Aufnahme findet sich noch die Bezeichnung<br />

Herrenhaus. In Wirklichkeit wurde es nach dem Brand von 1897 vor allem als<br />

Gastwirtschaft genutzt. Diese war damals an den Brauer Richard Heinze<br />

,1<br />

verpachtet Ihr Versammlungszimmer diente von 1897— 1905 dem Turnverein<br />

„Concordia Reudnitz“ als Stammlokal. Den 60 qm großen und 3,50 m hohen Saal,<br />

der zur Gastwirtschaft gehörte, nutzte der Verein wohl schon seit seiner Gründung<br />

1<br />

A. von Geldern, „Lebenserinnerungen“, a. a. 0., S.27.<br />

16


1881 als Turnsaal. Bei Umbauarbeiten wurden 1995/96 im Fußboden die ehemalige<br />

Befestigungen für das Reck gefunden und entfernt. Nach dem Bau der eigenen<br />

Turnhalle verlegte der Turnverein seine Aktivitäten dorthin. Die Gastwirtschaft<br />

ging 1917 gegen Ende des ersten Weltkrieges ein.<br />

Nachdem Ostern 1911 in Reudnitz eine dritte Schulstelle eingerichtet werden<br />

konnte, fehlte es an den dafür notwendigen Platz. Zunächst richtete die Schule in<br />

einem Zimmer des Gasthofes „Zum Goldenen Löwen“ einen Unterrichtsraum her.<br />

Dann aber fand der Unterricht, bis zur Einweihung der neuen Schule 1928, im<br />

großen Saal des ehemaligen Herrenhauses statt. Anschließend nutzte die Gemeinde<br />

Reudnitz das Gebäude eine Zeit lang als Gemeindeamt. Als die Schule und dann<br />

auch das Gemeindeamt in neuerbaute Gebäude umzogen, entstanden hier nach<br />

Umbauarbeiten für vier Familien Wohnungen.<br />

In dem kleinen Anbau befanden sich bereits vorher Wohnungen für zwei Familien.<br />

Die mit dem Jahre 1838 einsetzende Umwandlung des Rittergutes Ober - Reudnitz<br />

und seines Herrensitzes, zunächst in eine Brauerei und einen Gaststättenbetrieb und<br />

dann schließlich in einen Mietwohnungskomplex, führte naturgemäß zu einem<br />

Verlust der Bedeutung und damit des gesellschaftlichen Ansehens des ganzen<br />

Anwesens. Dazu beigetragen bat bestimmt auch der Umstand, daß die vorhandenen<br />

landwirtschaftlichen Gebäude gewissermaßen nur noch als Außenstellen, erst des<br />

Rittergutes Unter-Reudnitz und dann des Landgutes an der Werdauer Straße,<br />

Die „Brauerei“<br />

17


Die Inschriften zeigen die vielseitige Nutzung des Gebäudes<br />

Die Zeitläufe, die Inflation am Beginn und die Weltwirtschaftskrise am Ende der<br />

20er Jahre sowie der 2. Weltkrieg, blieben für den Gutsbesitzer nicht ohne<br />

Auswirkungen. Vor diesem Hintergrund ist es zu erklären, warum der Gutsbesitzer<br />

damals kaum noch etwas für die Erhaltung der Gebäude seines Oberreudnitzer<br />

Gutes aufwendete. Die Folge war ein andauernder Substanzverlust.<br />

Das marode Nebengebäude.<br />

18


Nach dem zweiten Weltkrieg verschlechterten sich die ökonomischen und<br />

finanziellen Rahmenbedingungen des nach 1946 verbliebenen Rittergutes Reudnitz<br />

1<br />

rapide. Unter dem ständig wachsenden Druck, den die politischen Verhältnisse in<br />

der Sowjetischen Besatzungszone und der daraus hervorgegangenen DDR auf die<br />

Großgrundbesitzer ausübten, wird Herr von Geldern froh gewesen sein, als es ihm<br />

gelang, das heruntergekommene ehemalige Herrenhaus Ober - Reudnitz und das<br />

dazugehörige Grundstück zu verkaufen. Das ehemalige Brauereigebäude mit<br />

2<br />

seinen Wohnungen und die Scheune kauften die Brüder Heinz und Helmut Feustel.<br />

Das ehemalige Herrenhaus Ober - Reudnitz erwarb 1952 die Familie Werner und<br />

Erika Haase.<br />

2a<br />

2<br />

1<br />

1a<br />

3a<br />

3<br />

Schematische Skizze zur Aufteilung des Grundstückes 1952<br />

1 / la: Ehemaliges Herrenhaus mit Grundstück : Familie Haase<br />

2 / 2a: Wohnhaus des ehemaligen Brauereigebäudes mit Grundstück:<br />

Herr Heinz Feustel<br />

3 / 3a: Scheune mit Grundstück: Herr Helmut Feustel<br />

1<br />

Das Rittergut Unter - Reudnitz wurde durch die Bodenreform enteignet und zerstört. Das Gut, mit<br />

dem das Rittergut Ober- Reudnitz vereinigt worden war, entging nur knapp der drohenden Enteignung.<br />

(Diese war im Übrigen schon einmal ausgesprochen, dann aber wieder zurückgenommen worden.)<br />

2<br />

Die Scheune wurde abgerissen. Hier entstand das Wohnhaus der Familie H. Feustel und ein<br />

Zimmereigeschäft. Die Wohnungen im ehemaligen Brauereigebäude blieben bis 1994 erhalten. Dann<br />

wurden sie zum größten Teil zu einer Pension umgestaltet.<br />

19


4. Das Anwesen im Eigentum der Familie Werner Haase<br />

Nach dem Erwerb des ehemaligen Herrenhauses und eines dazugehörigen<br />

Teilgrundstückes, begann die Familie Haase mit dem Umbau des Gebäudes. Das<br />

Vorhaus wurde abgerissen und das alte Herrenhaus bis auf das Erdgeschoß<br />

abgetragen.. Es erfolgte dann der völlige Neuaufbau eines ersten Stockwerkes. Das<br />

Gebäude erhielt, auch von der Konstruktion her, ein neues Dach. Später erfolgte der<br />

Abputz des gesamten Hauses.<br />

Hinter diesen nüchternen Bemerkungen verbirgt sich der mit Worten gewiß kaum<br />

wiederzugebende aufopferungsvolle, mühsame und mit beträchtlichem<br />

finanziellem Aufwand verbundene Einsatz der neuen Inhaber. Denn: Alle Arbeiten<br />

wurden neben der eigentlichen beruflichen Tätigkeit ausgeführt. Und: Die junge<br />

Familie Haase begründet auf dem erworbenen Grundstück einen selbständigen<br />

Kohlehandel und ein Fuhrgeschäft, die beide für sich allein, besonders unter den<br />

damaligen technischen Bedingungen, bereits den vollen Einsatz ihrer Arbeitskraft<br />

erforderten. Diesem Geschäft war es im Übrigen zu danken, daß unter den<br />

schwierigen ökonomischen Verhältnissen in der DDR die Reudnitzer Bürger mit<br />

der seinerzeit rationierten und lebensnotwendigen Kohle versorgt werden konnten.<br />

Nach dem Umbau: Vorderseitedes Gebäudes<br />

20


Nach dem Umbau: Rückseite des Gebäudes<br />

Rückseite –Teilansicht<br />

Das Nebengebäude diente nach dem Umbau zunächst weiter als Wohnung. Der<br />

Anblick der renovierten Fachwerkfassade auf der Abbildung ist schön anzusehen,<br />

doch er täuscht über die wirklich vorhandene Bausubstanz hinweg. Statt Ende der<br />

60er / Anfang der 70er Jahre den Abriß des Gebäudes zu genehmigen wies der<br />

damalige Bürgermeister H. Schreiber auf kreisliche Anweisung mit staatlichem<br />

Zwang das Gebäude einer kinderreichen Familie als Wohnung zu. So blieb dieses<br />

Gebäude noch eine ganze Zeit bewohnt, bis es schließlich abgerissen werden<br />

konnte.<br />

1995/96 wurde das gesamte Anwesen neu abgeputzt sowie die Wohnungen im<br />

Erdgeschoß völlig saniert.<br />

21


Literaturverzeichnis<br />

Geldern - Crispendorf „Lebenserinnerungen“, Manuskript, 1946. Arthur v.,<br />

Mitteilungen über das Patrieziergeschlecht Neefe und die Ahnen der Franziska v.<br />

Geldern- Crispendorf geb. Neefe, Druck von Gebr. Vogt, Papiermühle S.-A., 1908.<br />

„Reudnitz und seine Lehn- und Gerichtsherren“; in:<br />

„Vergangenheit und Gegenwart“, Heimatgeschichtliche Beilage der Greizer<br />

Zeitung, Jahrgang 1931, Nr. 13, 21 -24, Jahrgang 1933 Nr.6,7,10.<br />

Hillemann, Herbert, Die Geschichte der Rittergüter in Reuß ältere Linie,<br />

Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Thüringens, Herausgegeben vom Verein für<br />

Thüringische Geschichte und Altertumskunde, Band II, Gustav Fischer, Jena, 1939.<br />

NN, Karte zur Reinertragsrechnung von 1869, Fotokopie im Besitz von Frau S.<br />

Beutler.<br />

NN,<br />

1953.<br />

„Die Brauerei in Reudnitz“; in: Tageszeitung Volkswacht, 17.Oktober<br />

Pfeifer, Martin,, „Die Ortsgeschichte von Reudnitz“; in: Festschrift zur 50<br />

Jahrfeier des Turnvereins „Concordia“ e. V., Reudnitz,<br />

Reudnitz27. -29. Juni 1931,<br />

Die Abbildungen sind Photographien und Postkarten entnommen.<br />

23


Lebenslauf<br />

10. 02. 1927 geboren in Zwickau/Sa<br />

1946 - 1947 Geschichtslehrerkursus<br />

in Zwickau/Sa.<br />

1947 - 1948. Lehramtsanwärter an<br />

den Grundschulen in<br />

Neumark und Reuth<br />

1948 - 1952 Studium an der TH<br />

Dresden und Universität<br />

Leipzig<br />

Juli 1952<br />

Universitätsabschlussprüfung<br />

für das Lehramt<br />

an der Oberschule<br />

der deutschen<br />

demokratischen Schule<br />

(Geschichte u. Geographie)<br />

1952 -1957 wissenschaftlicher Assistent und Lehrbeauftragter am<br />

Institut für allgemeine Geschichte der Neuzeit der Karl -<br />

Marx- Universität -Leipzig<br />

seit 1957 Aug. Lehrer an der EOS Greiz<br />

1962 Sept. stellvertretender Direktor an der EOS Greiz<br />

bis 1990<br />

bis zum Vorruhestand 1990 an der EOS in Greiz als stellv.<br />

Direktor angestellt.<br />

2001 Umzug nach Wernigerode<br />

bis 2011 Forschung der Heimatgeschichte<br />

16.09.2011 in Pößneck verstorben<br />

Seine umfassenden geschichtlichen Forschungen über seinen<br />

Heimatort Reudnitz sind von einer tiefgründigen wissenschaftlichen<br />

Art geprägt. Nie hatte er sie als fertig angesehen und<br />

fügte die eine und andere Erkenntnis dazu.<br />

Bescheiden schreibt er im Vorwort zu einer seiner Arbeiten:<br />

„Einen anderen Anspruch, als eine Hommage für mein liebes<br />

Reudnitz zu sein, erheben sie nicht“.

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