Deutsche Expeditionen zum Kaiserin Augusta Fluss - Golf Dornseif
Deutsche Expeditionen zum Kaiserin Augusta Fluss - Golf Dornseif
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<strong>Deutsche</strong> <strong>Expeditionen</strong> <strong>zum</strong> <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong><br />
von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />
Im Jahr 1885 entdeckte der deutsche Naturforscher Dr. Friedrich Hermann Otto Finsch<br />
den längsten Strom des damaligen Kaiser Wilhelm Landes (später Teil von Deutsch-<br />
Neuguinea als Schutzgebiet) und benannte ihn <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong> (1000 km Verlauf)<br />
zu Ehren der gebürtigen <strong>Augusta</strong> von Sachsen-Weimar-Eisenach, seit Juni 1829 verheiratet<br />
mit dem Prinzen von Preußen, später Kaiser Wilhelm I. Die Taufpatin verstarb 1890<br />
in Berlin.<br />
Dr. Finsch wagte sich als Entdecker nur etwa 50 km ab <strong>Fluss</strong>mündung stromaufwärts.<br />
1886 und 1887 unternahmen mehrere deutsche <strong>Expeditionen</strong> weitere Vorstöße mit<br />
Dampfschiffen und erkundeten mehr als 600 km Strecke. Die letzte größere Expedition<br />
vor Kriegsausbruch 1914 fand 1912 und 1913 statt, unterstützt vom Reichskolonialamt<br />
und dem Preußischen Unterrichtsministerium, dem auch die Berliner Museen unterstanden.<br />
Die bedeutendste Expedition auf dem <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong>, auch Sepik genannt, startete am 8.<br />
Februar 1912 und legte etwa 400 km flussaufwärts beim Dorf Malu ihr Hauptlager an, um von dort aus<br />
ihre Forschungsarbeit zu organisieren. Sie verfügte über einen kleinen Dampfer, die KOLONIALGE-<br />
SELLSCHAFT, sowie mehrere Motorboote.<br />
Auf Bitten des Gouverneurs von Deutsch-Neuguinea lichtete am 3. Dezember 1912 ein der Australischen<br />
Station zugewiesenes Kriegsschiff der Kaiserlichen Marine, die SMS CONDOR, unter Korvettenkapitän<br />
Conrad Mommsen ihre Anker, um mit den Naturforschern Verbindung aufzunehmen. Die<br />
CONDOR fuhr den Sepik flussaufwärts und erreichte das Expeditionslager am 11. Dezember 1912.<br />
Nach zwei Tagen Aufenthalt traf die CONDOR am 18. Dezember 1912 wieder in Matupi vor Rabaul<br />
ein.<br />
Aus dem Inhalt<br />
SMS CONDOR und das Marine-Kabinett<br />
Lebhafter Tauschhandel mit Eisen<br />
Zweifel an wirtschaftlicher Nutzung<br />
Entdeckungsreisen durch Jahrhunderte<br />
Deutsch-niederländische Grenzkommission<br />
Körperbemalung und Deformationen<br />
Aus dem Logbuch der PEIHO<br />
Bericht an das Kaiserliche Marine-Kabinett<br />
Rabaul, am 19. Januar 1913 – Militärpolitischer Bericht Euerer Majestät Schiff Condor über die Fahrt<br />
auf dem <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong> vom 3. bis 18. Dezember 1912 wie folgt;<br />
Bereits im September hatte der Kaiserliche Gouverneur an mich die Requisition gestellt, Ende November<br />
oder Anfang Dezember eine Fahrt nach und auf dem <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong> zu unternehmen,<br />
um mit der am Oberlauf tätigen Expedition in ihrem Lager bei Malu, ca. 246 Seemeilen von der Mündung<br />
entfernt, in Verbindung zu treten.
Camp Malu mit Condor im <strong>Fluss</strong>bett vor Anker<br />
Diese Expedition ist ausgerüstet vom Reichskolonialamt, dem Preußischen Unterrichtsministerium<br />
und der Kolonialgesellschaft und hat <strong>zum</strong> Ziel die wissenschaftliche und wirtschaftliche Erforschung<br />
des <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong>es (Sepik). Diese Sepik-Expedition besteht aus dem Leiter, Bezirksamtmann<br />
Dr. Stolle (Berg-Assessor), der bereits im Jahr 1909 und 1910 an einer <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong> Expedition<br />
teilgenommen hat, einem Ethnologen, einem Geographen, einem Zoologen (zugleich Arzt) und<br />
einem Botaniker. Ein Polizeimeister und ein Heilgehilfe sowie Polizeisoldaten und Träger sind vom<br />
Gouvernement in Rabaul gestellt worden. Zur Beförderung auf dem <strong>Fluss</strong> dienen der Dampfer „Kolonialgesellschaft“<br />
und drei Motorboote.<br />
Condor auf dem <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong> mit Volldampf
Die Vereinbarung über den Beginn der Fahrt konnte erst jetzt, nachdem ich in Anbetracht der besonderen<br />
an das Schiff zu stellenden Aufgabe die Genehmigung hierzu erbeten und erhalten hatte, getroffen<br />
werden. Als Tag der Abreise wurde der 3. Dezember festgelegt. In Vertretung des Gouverneurs<br />
schiffte sich der Erste Referent, Geheimer Regierungsrat Dr. Osswald, ein.<br />
Nachdem Euerer Majestät Schiff „Condor“ zunächst Friedrich Wilhelms Hafen angelaufen hatte, um<br />
Proviant und Vorräte für die Expedition an Bord zu nehmen, wurde am 6. Dezember um sechs Uhr<br />
früh die Mündung des <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong>es erreicht. Der <strong>Fluss</strong> ist an der Mündung 700 bis 800<br />
Meter breit, verjüngt sich im Unterlauf auf 600 Meter und hat im übrigen eine Durchschnittsweite von<br />
etwa 450 Meter bis er bei Malu mit 180 Meter seine schmalste Stelle erreicht. Auf einzelnen Strecken<br />
erweitert er sich allerdings bis auf 1400 und 1600 Meter.<br />
In unzähligen Krümmungen windet er sich durch die weite Ebene. Sie verleihen ihm auf 100 Seemeilen<br />
Luftlinie eine Länge von 250 Seemeilen. Diese Krümmungen können beim Beschauer den Eindruck<br />
erwecken, unendlich zu sein, wenn nicht am Horizont einzelne in Grau gehüllte Bergkuppen<br />
oder Bergketten sichtbar wären. Die Ufer sind am Unterlauf auf etwa 20 Seemeilen mit hohem Urwald<br />
bestanden, dann wird bis ca. 50 Seemeilen der Wald dürftiger. Er begleitet den <strong>Fluss</strong> oft nur an einer<br />
Seite in einer Breite von 50 bis 100 Meter und hört später ganz auf.<br />
Es beginnt eine weite Sumpfgrasebene, die zuweilen unterbrochen wird durch Gruppen von Laubbäumen<br />
und Sago-Palmen. Das Gedeihen von Laubbäumen zeigt festen Boden an. Deshalb sind hier<br />
auch einzelne Dörfer, mehrere Kokos- und Betelpalmen sowie Pflanzungen von Eingeborenen (Jam,<br />
Zuckerrohr, Taro) zu finden. Diesen Charakter behält die Gegend bei, bis auf etwa 180 Seemeilen der<br />
Wald wieder beginnt, das Land allmählich ansteigt, kurz vor Malu hügelig wird und in der Hügelkette<br />
mit dem 600 Meter hohen Peilungsberg oberhalb Malu die Vorberge <strong>zum</strong> „Hunstein“-Gebirge bildet.<br />
Die Fahrt auf einem solchen <strong>Fluss</strong> könnte auf den ersten Blick eintönig erscheinen, doch bietet sich<br />
für den aufmerksamen Beobachter reiche Abwechslung. Bald sind es Hunderte von großen weißen<br />
und kleinen blauen Reihern, die auf einer der zahlreichen Lagunen der Öde Leben Verleihen, bald<br />
lässt eine Waldlandschaft den Wunsch aufkommen das Schiff zu stoppen, um sich des Anblicks noch<br />
etwas länger zu erfreuen.<br />
Erschrecken über die Condor-Dampfpfeife
Jedes Dorf bietet etwas Neues. In langen schmalen Kanus, im Gegensatz zu denen der Küstenbewohner<br />
ohne Ausleger, kommen die Eingeborenen stehend mit langstieligen Paddeln das Fahrzeug<br />
vorwärts bewegend, an das Schiff heran, um Sachen <strong>zum</strong> Tausch anzubieten. Das sind in einem Dorf<br />
besonders Tanzmasken, einen Fisch, Kasuar-Vogel oder dergleichen darstellend, anderenorts Tongefäße,<br />
bemalt oder mit Ornamenten verziert, die <strong>zum</strong> Teil vollkommen europäischem Geschmack<br />
entsprechen. Zunächst pflegt ein Kanu allein zu kommen, dann ein zweites, danach immer mehr, bis<br />
schließlich alle Vertrauen gefasst haben. Zuweilen kentert ein Boot. Mit fabelhafter Geschwindigkeit<br />
ergreifen die Insassen wieder ihr Kanu, schöpfen stromabwärts treibend mit den Händen das Wasser<br />
und schlüpfen dann wieder hinein. Andere Kanus fischen unterdessen die dahin treibenden Tauschartikel<br />
wieder auf.<br />
Lebhafter Tauschhandel mit Eisen<br />
Die Kleidung der Männer, die am Unterlauf aus einem „Durchzieh-Lawalawa“ (ein durch die Beine<br />
durchgezogenes und dann um die Hüften geschlungenes Tuch) besteht, wird weiter stromaufwärts<br />
einfacher. Man begnügt sich mit einem Armring oder Nasenpfeil. Frauen tragen im allgemeinen einen<br />
Bastschurz oder <strong>zum</strong>indest das Blatt eines Brotfruchtbaums. In der Regel werden die Frauen überhaupt<br />
nicht vorgezeigt, sondern bei der Annäherung eines Schiffs verborgen gehalten.<br />
Näher mit den Bewohnern des Landes in Verbindung zu treten fand ich Gelegenheit durch das liebenswürdige<br />
Entgegenkommen der Expeditions-Mitglieder. Sie waren mit der „Kolonialgesellschaft“<br />
Euerer Majestät Schiff „Condor“ entgegen gefahren und trafen etwa 120 Seemeilen vor der Sepik-<br />
Mündung mit dem Schiff zusammen. Nachdem die Forscher an Bord gekommen waren, wurde die<br />
Reise fortgesetzt.<br />
Der Expeditionsleiter sprach sich befriedigt über das bisher Erreichte aus. Die Tätigkeit der Expedition<br />
sei bisher ohne Zwischenfälle mit den Eingeborenen vonstatten gegangen, doch dürfe deswegen nicht<br />
die Vorsicht unbeachtet bleiben, denn ein zu weit reichendes Vertrauen sei nicht angebracht. Der Expeditionsleiter<br />
sprach die Hoffnung aus, dass inzwischen wieder Geldbeträge flüssig gemacht worden<br />
seien, damit die Expedition noch über die eingangs festgesetzte Zeitspanne von einem Jahr (bis <strong>zum</strong><br />
März 1912) ihre Arbeit fortsetzen dürfe. Es eröffneten sich ständig neue Gebiete für die einzelnen<br />
Forschungszweige unterwegs.<br />
Aktuelles Luftbild vom Sepik
Vor einem der größten Dörfer des <strong>Fluss</strong>es, Timbunke genannt, das etwa 100 Hütten zählte, wurde<br />
geankert. Hier hatte ich mit den Offizieren der „Condor“ Gelegenheit, unter Führung des Ethnologen,<br />
der diese Siedlung schon mehrfach besucht hatte, ein Volk kennen zu lernen, das gerade anfängt<br />
durch die Expedition mit europäischer Kultur in Verbindung zu treten. Ich glaube, die Eingeborenen<br />
hatten den Eindruck gewonnen, jeder Weiße müsse ein Sammler sein! Als wir mit dem Boot landeten,<br />
standen die Männer schon mit allen möglichen Erzeugnissen bereit, um dafür von uns Gegenstände<br />
einzutauschen. Vielfach war von dem Ethnologen für ein wertvolles Sammelobjekt ein Hobeleisen<br />
oder ein Beil <strong>zum</strong> Tausch gegeben worden. Dies hatte bewirkt, den Eingeborenen die Überlegenheit<br />
des Eisens gegenüber ihren bisherigen Steinwerkzeugen klar<strong>zum</strong>achen. Deshalb war jetzt Eisen das<br />
am meisten geschätzte Tauschobjekt.<br />
Beliebtes Sammlerobjekt 1912: Totenschädel
Im Versammlungshaus drängten sich die Leute, brachten Tanzmasken, Waffen, aus Kasuar(vogel)knochen<br />
hergestellte Dolche, Tongefäße, ihre Steinäxte und anderes mehr. Jeder wusste,<br />
sobald Eisen gezeigt wurde, mit beschwörender Aufdringlichkeit sein eigenes Tauschobjekt als das<br />
reizvollste anzupreisen.<br />
Die Hütten der Siedlung liegen unregelmäßig zwischen den Bäumen verstreut, lassen aber allesamt<br />
den gleichen Charakter erkennen. Auf einem etwa zwei Meter hohen Pfahlrost erhebt sich eine Plattform,<br />
mit einem geschwungenen Dach überdeckt und mit einer Leiter erreichbar. Diese hohen Pfahlbauten<br />
berücksichtigen die häufigen Überschwemmungen des <strong>Fluss</strong>es.<br />
Bei einem von den Eingeborenen nur widerwillig gewährten Einblick in ein Wohnhaus waren mehrere<br />
Netze <strong>zum</strong> Fischen sowie Schilde, Speere, kleine Holzhocker und Tongefäße, reich verziert, zu sehen<br />
neben größeren Mengen Tabakblättern, <strong>zum</strong> Trocknen aufgehängt. Die Anwohner des <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong><br />
<strong>Fluss</strong>es (Sepik) zählen, wie überall im Kaiser Wilhelms Land, zu den Papuas.<br />
Wegen der ausgedehnten Sumpfstrecken gibt es am <strong>Fluss</strong> noch keinerlei weiße Besiedelung. Die<br />
Eingeborenen sind mit Weißen nur durch wenige <strong>Expeditionen</strong>, bisher fünf, oder vereinzelte Erkundungsfahrten<br />
von Regierungsschiffen bzw. Missionsschiffen in Berührung gekommen. So haben sich<br />
die Eingeborenen ihre Eigenart bisher vollkommen bewahrt. Nur am Unterlauf des <strong>Fluss</strong>es sah man<br />
vereinzelte Lawas (Lendentücher) bei den Männern, die im Dienst der Polizeitruppe standen oder für<br />
die Neuguinea Compagnie arbeiteten. Im übrigen gingen die Eingeborenen meist nackt. Einige hatten<br />
schmale Rindenstreifen zwischen ihren Beinen durchgezogen und dann um den Leib geschlungen.<br />
Die Frauen, welche sich nur selten zeigten, trugen Grasschurze um ihre Hüften. Schmuck sah man<br />
bei Männern wie Frauen nur vereinzelt. Manche Männer trugen Halsschmuck aus schönen großen<br />
Eberzähnen oder eine Muschelkette. Typisch war oft ein Armring aus Bastgeflecht, verbunden mit<br />
einem Knochendolch, meist aus Kasuar(vogel)bein gefertigt. Die Köpfe zierten vielfach (am Unterlauf<br />
des<br />
Wissenschaftler der Expedition
Sepik) etwa 20 Zentimeter hohe Bastgeflechte mit Muschelschmuck und Baumbärenfellen umwickelt.<br />
Am Oberlauf des Stroms hatten sie überwiegend kurz geschnittenes Haar, manchmal aber auch bis<br />
zu 20 Zentimeter langes Haar, mit Lehm zu Zotteln verklebt. Sogar Vollbärte wurden am Unter- und<br />
Oberlauf wiederholt angetroffen! Gesichter, Oberkörper oder ganze Körper wurden oft mit weißem,<br />
gelbem oder rotem Ton bzw. mit Kienruß bemalt.<br />
Hoch entwickelt ist die Kunstfertigkeit der Eingeborenen, die bisher nur auf den Gebrauch der Steinäxte<br />
oder Fischgräten angewiesen waren. Vor allem die Tongefäße zeigten farbige Ornamente, die<br />
dem europäischen Geschmack entsprechen. Genau so reizvoll waren die Schnitzereien an den großen<br />
Holztrommeln, Schilden, Speeren und Kanus. Sie liefen meist in einen Krokodilkopf aus. Es war<br />
aufschlussreich zu beobachten, worauf die Leute im Verlauf des <strong>Fluss</strong>es besonderen Wert legten<br />
beim Tauschhandel.<br />
Maskenträger am Sepik <strong>Fluss</strong>
An einer Landungsstelle standen kleine Glasringe oder leere Flaschen hoch im Kurs, woanders<br />
schätzte man vor allem kleine Küchenmesser, Buschmesser oder Hobeleisen. Beim Tauschen ging es<br />
stets um „Stück für Stück“. Zu den „beliebtesten Handelsobjekten“ gehörten häufig „echte Menschenschädel“<br />
mit Gesichtszügen in Nachbildungen aus Ton. An Musikinstrumenten gab es neben den großen<br />
Trommeln einfache, mit Federn verzierte Bambusflöten ähnlich den griechischen Pan-Flöten.<br />
Die Bevölkerung ernährt sich mit Sago, Jam, Brotfrucht, Bananen, Kokosnüssen und Fischen, vereinzelt<br />
auch mit Hausschweinen und Hühnern. Über Kannibalismus war nichts zu erfahren. Tabak und<br />
Betelnuss sind beliebt. Das Fischen besorgen vor allem die Frauen mit bis zu zwei Meter großen<br />
Handnetzen oder Reusen aus Weidengeflecht. Die Männer erlegen größere Fische mit ihren Wurfspeeren.<br />
Sehr gewandt bewegen sich die Eingeborenen in ihren schlanken Einbäumen, die bis zu 20 Männer<br />
aufnehmen können. Gerudert wird stehend mit langen zweispitzigen oder rhombenförmigen Paddeln.<br />
Frauen sitzen in den Booten und nutzen nur kurze Paddel.<br />
Noch am gleichen Tag wurde die Fahrt der „Condor“ fortgesetzt und am 11. Dezember abends oberhalb<br />
des Dorfes Malu gegenüber vom Lager der Expedition geankert. Somit hatte Euerer Majestät<br />
Schiff den höchsten Punkt erreicht, den bisher ein Kriegsschiff bzw. ein größeres Schiff registrierte am<br />
Sepik. Nach Ansicht des Kapitäns der „Kolonialgesellschaft“ wäre es für ein Schiff von der Größe der<br />
„Condor“ nur noch möglich, ca. sechs Seemeilen weiter stromaufwärts zu fahren. Dort sei der <strong>Fluss</strong><br />
durch zwei im Fahrwasser liegende Felsen für größere Fahrzeuge blockiert.<br />
Übermodellierte Schädel als Tauschartikel
Zweifel an wirtschaftlicher Nutzung<br />
Nach zweitägigem Aufenthalt, der zu Ausflügen und ergiebigen Jagdpartien genutzt wurde, trat Euerer<br />
Majestät Schiff „Condor“ wieder die Talfahrt an, stand am 16. mittags vor der <strong>Fluss</strong>mündung und ankerte<br />
am 18. wieder im Hafen von Matupi. Kreuzer der Condor-Klasse werden den <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong><br />
<strong>Fluss</strong> ohne Schwierigkeit befahren können, wenn der Wasserstand nicht außergewöhnlich niedrig ist.<br />
Bestimmte Jahreszeiten, in denen dies der Fall ist, lassen sich anhand des vorliegenden Materials<br />
noch nicht angeben. Auch während der sogenannten Regenzeit, in der man mit Hochwasser rechnet,<br />
kann die Fahrt unmöglich sein. Das Bewältigen der scharfen Kurven bietet bei sorgsamer Aufmerksamkeit<br />
keine besonderen Schwierigkeiten, doch muss hohe Fahrt gelaufen werden.<br />
Die Moskitoplage, gegen die Vorkehrungen getroffen worden waren, soweit möglich, blieb während<br />
der Bergfahrt wider Erwarten gering. Nach einem mehrstündigen starken Regen setzte sie aber am<br />
Morgen der Talfahrt ziemlich lebhaft ein, und die Schutzmittel erwiesen sich als unwirksam. Trotz<br />
regelmäßig durchgeführter Chinin-Prophylaxe kam es innerhalb von 14 Tagen nach Verlassen des<br />
<strong>Fluss</strong>gebiets zu neun Malaria-Erkrankungen, allerdings leichterer Art. Zur Zeit befindet sich noch ein<br />
Mann in Behandlung.<br />
Über die wirtschaftliche Bedeutung des <strong>Fluss</strong>gebiets ein Urteil abzugeben, ist vorläufig kaum möglich.<br />
Die ausgedehnte Sumpfniederung, die der <strong>Fluss</strong> durchzieht, erweckt beim ersten Anblick wenig Hoffnungen,<br />
selbst dort, wo festes Erdreich, von Laubbäumen bestanden, den Sepik begrenzt. Es handelt<br />
Typisches Geisterhaus der Ahnen
sich dabei nur um einen schmalen Gürtel, der wenig kulturfähiges Land abgibt. Im Unterlauf ist bisher<br />
nur ein Nebenfluss bekannt, der sogenannte Südfluß, allein für sehr flach gehende Fahrzeuge schiffbar.<br />
Ob es möglich sein wird, in das Land zu beiden Seiten des <strong>Fluss</strong>es mit Überwindung des Sumpfgebiets<br />
vorzudringen, und ob dann anbaufähiger Boden mit den erforderlichen Arbeitskräften entdeckt<br />
werden kann, muss der künftigen Erforschung vorbehalten bleiben. Auch als Anwerbegebiet wird die<br />
<strong>Augusta</strong>-<strong>Fluss</strong>-Ebene nur in beschränktem Maß in Frage kommen. Sachverständige schätzen die zur<br />
Zeit erreichbare Bevölkerung auf etwa 10.000 Köpfe. Es muss dabei festgehalten werden, dass nicht<br />
mehr als 10 Prozent der arbeitsfähigen männlichen Bevölkerung angeworben werden sollte, um die<br />
Eingeborenenstämme nicht in ihrer Substanz zu schädigen. Die tatsächlich mögliche Zahl von Anzuwerbenden<br />
ist also sehr klein.<br />
Die Ergebnisse der Sepik-Expedition werden auch diese in erster Linie wirtschaftliche Frage der Lösung<br />
näher bringen können, vor allem dann, wenn die Tätigkeit der Forscher über den Februar dieses<br />
Jahres hinaus ausgedehnt wird und damit auch dem Unterlauf des <strong>Fluss</strong>es zwischen Malu und Mündung<br />
eine intensive Erforschung zugewandt werden kann.<br />
Gezeichnet MOMMSEN<br />
An Seine Majestät den Kaiser und König, Berlin.<br />
(Vorlage: Abschrift im Auszug)<br />
(Anmerkung: Zunächst führte zur frühen Kolonialzeit der beschriebene Strom ab 1885 deutscherseits<br />
den „Taufnamen“ <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong>. Der schon damals „Sepik“ genannte <strong>Fluss</strong>, 1126 km lang,<br />
hatte jedoch bis in die jüngere Vergangenheit keinen einheitlichen Namen von der Quelle bis zur<br />
Mündung. Jedes Dorf am Ufer benutzte – auf Teilstrecken seiner Umgebung – einen anderen Ausdruck<br />
seiner Wahl. Um 1912 waren am Unterlauf mindestens vier unterschiedliche <strong>Fluss</strong>bezeichnungen<br />
üblich, beispielsweise Sepik, Abschima, auch Azimar.)<br />
Expeditionsschiff PEIHO auf dem Sepik
Entdeckungsreisen durch die Jahrhunderte<br />
Der erste Europäer, der die Nordküste von Kaiser Wilhelms Land erblickte, war ein Spanier, Ynigo<br />
Ortiz de Retes. Im Jahr 1545 wurde unter seinem Befehl das Kriegsschiff SAN JUAN von Tidor abgeschickt,<br />
um zu untersuchen, ob nicht auf südlicherem Kurs die Windströmungen für die Reise nach<br />
Neu Spanien günstiger seien. Seinerzeit sichtete der kühne Seefahrer die Küste eines ausgedehnten<br />
Landes und nannte sie „Nueva Guinea“. Er soll am 9. August 1545 bis in die Nähe der Insel Bam<br />
(Lesson) gekommen sein, ohne etwas von der Mündung des Sepik (<strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong>) zu bemerken.<br />
Die erste zuverlässige Nachricht darüber, dass in der Nähe der jetzigen Broken Water Bay ein großer<br />
Strom das Meer erreichen müsse, überbrachten die niederländischen Weltumsegler Le Maire und<br />
Schouten. Am 7. Juli 1616 fanden sie küstenwärts der von ihnen entdeckten Insel Vulcanus (Manam)<br />
das Meer weithin trübe gefärbt und mit umher treibenden Baumstämmen sowie Zweigen bedeckt. Sie<br />
vermuteten scharfsinnig die unmittelbare Nachbarschaft eines großen <strong>Fluss</strong>es, der in der Nähe münden<br />
müsse.<br />
Taufpatin <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong>
Trotz der damit verbundenen Gefahr, vor allem Untiefen und Riffe, wagten sich die Niederländer, weil<br />
sie dringend Frischwasser und Lebensmittel benötigten, mit ihrem Schiff DE EENDRACHT in das<br />
riskante Fahrwasser, gingen bei einem Dorf vor Anker und organisierten, ohne an Land zu gehen,<br />
lebhaften Tauschhandel mit den freundlichen Eingeborenen.<br />
Von den Seefahrern, die im Verlauf der folgenden Jahrhunderte an der Nordküste Neu-Guineas entlang<br />
segelten, hat sich keiner in der Gegend des durch die <strong>Fluss</strong>trübung verfärbten Wassers der<br />
Küste genähert, weder Tasman (1643) noch Urville (1826 bis 1829).<br />
Erst der deutsche Naturforscher Dr. Otto Finsch entdeckte 1885 mit Kapitän Dallmann an Bord der<br />
SAMOA die Mündung des <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong>es und „taufte“ den Strom dementsprechend zu<br />
Ehren der Herrscherin. Zwei Jahre später, im Jahr 1887, fand der damalige Landeshauptmann Freiherr<br />
von Schleinitz auch die Mündung eines zweiten etwas kleineren <strong>Fluss</strong>es, des Ramu, und gab ihm<br />
den Namen Ottilien-<strong>Fluss</strong>. Dr. Finsch drang 1885 nur mit einem Boot bis in die Mündung des Sepik<br />
vor und urteilte optimistisch, dass dieser Strom auch für größere Dampfer befahrbar sein dürfte.<br />
Anno 1886 wurde der <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong> zweimal besucht. Im April fuhr Kapitän Dallmann von<br />
der SAMOA mit seiner Barkasse einige Seemeilen stromaufwärts bis <strong>zum</strong> Dorf Singrin. Im gleichen<br />
Jahr gelang es dem Freiherrn von Schleinitz mit der OTTILIE vom 19. Juli bis <strong>zum</strong> 10. August ungewöhnlich<br />
weit vorzudringen. Mit seinem Dampfer erreichte er beinahe die Stelle, an der das Gewässer<br />
das Hunstein Gebirge durchbricht. In einer seeartigen Ausdehnung geriet die OTTILIE am 1. August<br />
auf Grund. Am folgenden Tag fuhr man mit der Barkasse weiter und erreichte am 4. August den<br />
Schlusspunkt der Expedition, etwa 150 Seemeilen in der Luftlinie von der <strong>Fluss</strong>mündung entfernt.<br />
Modellierter Henkelkrug
1887 rüstete die Neu-Guinea Compagnie ebenfalls eine Expedition aus zur geographischen und wirtschaftlichen<br />
Erkundung des Schutzgebiets. Teilnehmer waren die Herren Dr. Schrader, Dr. Hollrung,<br />
Dr. Schneider und Hunstein. Zwei Angehörige der Rheinischen Mission, die Herren Thomas und Eich,<br />
schlossen sich an. Am 28. Juni um neun Uhr früh navigierte die SAMOA an der Sepik-Mündung und<br />
bewältigte in acht Tagen etwa 380 britische Seemeilen unter sehr günstigen Strömungsverhältnissen.<br />
Das waren 80 englische Seemeilen mehr als Schleinitz im Vorjahr mit seiner Barkasse bewältigte. Die<br />
Reise flussaufwärts ging mühelos unter Volldampf vonstatten und bot weniger Schwierigkeiten als der<br />
Kurs der OTTILIE zuvor.<br />
Am 8. Juli schlug man an einer unter 142 Grad und sieben Minuten östlicher Länge sowie vier Grad<br />
18 Minuten südlicher Breite liegenden Stelle, wo die Ausläufer einer längeren etwa 300 Meter hohen<br />
Gebirgskette mit steilen Abfall an den Strom treten, auf einem 25 Meter hohen Hügel ein Lager auf.<br />
Das benachbarte Dorf hieß Tzenab. Während die Forscher am Ort verblieben, verließ der Dampfer mit<br />
Kapitän Rasch am 10. Juli die Station Kurs Sepik-Mündung, wo er am 13. Juli einlief.<br />
Am 20. August verließ die Expedition auf Anordnung des Landeshauptmanns ihr Camp und schiffte<br />
sich wieder auf der SAMOA ein, um weiter flussabwärts die Untersuchung des Gebirges aufzunehmen.<br />
Es fanden Landungen an mehreren Stellen statt, und ein neues Zeltlager entstand zwei Seemeilen<br />
nördlich des großen Dorfes Malu. Diese Station begann ab dem 22. August mit ihren Forschungsarbeiten,<br />
während die SAMOA am 24. August Kurs auf Finschhafen nahm.<br />
Ziernarben der Eingeborenen
Zurück blieben vier Weiße, 12 Malaien und vier Melanesier im Stützpunkt. Die Wissenschaftler Dr.<br />
Schrader und Dr. Hollerung besuchten am 13. September erstmals das Dorf Malu und es ergaben<br />
sich zunächst recht freundliche Kontakte mit den Eingeborenen. Dann schlug die Stimmung um, weil<br />
die Ureinwohner immer mehr Gegenstände aus dem Besitz der Forscher stahlen und nicht zurückgeben<br />
wollten. Die Beziehungen mussten abgebrochen werden.<br />
Obwohl das Lager etwa 10 Wochen lang unterhalten wurde, zeigten sich die Forscher unzufrieden mit<br />
den Resultaten ihrer Bemühungen bei den Eingeborenen. Notgedrungen beschränkte man sich auf<br />
botanische und klimatische Untersuchungen. Am 7. November 1887 brach die Expedition das Lager<br />
Malu ab und kehrte an Bord der OTTIIE nach Finschhafen zurück. Erst 1901 rückten die nächsten<br />
Weißen vor und errichteten in dem an der Mündungslagune gelegenen Dorf Watam eine Handelsniederlassung<br />
der Neu-Guinea Compagnie ein, ständig mit einem Chinesen besetzt. Es wurden häufig<br />
Ethnologica angekauft, die großes Interesse bei europäischen Museen fanden.<br />
1908 besuchte im August Administrator Heine von der Neu-Guinea Compagnie mit dem Dampfer<br />
SIAR und Kapitän Vogt den Unterlauf des Sepik bis <strong>zum</strong> Dorf Pagem. An dieser Exkursion nahm auch<br />
der Amerikaner Dorsay aus Chicago teil, der zahlreiche Kunstobjekte zu überhöhten Preisen im<br />
Tausch erwarb. Vom 20. Bis 26. November 1908 reiste im Auftrag des Gouvernements der Dampfer<br />
LANGEOOG (Norddeutscher Lloyd) mit Bezirksamtmann Dr. Full und dem Ethnographen Dr. Friederici<br />
den <strong>Fluss</strong> ungefähr 335 km hinauf (Luftlinie 155 km ab Mündung). Es fehlten jedoch nützliche Dolmetscher<br />
an Bord.<br />
Armbänder der Eingeborenen am Sepik
Deutsch-niederländische Grenzkommission<br />
Das Jahr 1909 registrierte zunächst eine kurze Fahrt der SIAR, die im Januar Singrin ansteuerte, und<br />
später die Erschließung des Stroms durch die Südsee-Expedition der Hamburgischen Wissenschaftlichen<br />
Stiftung auf dem Dampfer PEIHO vom 23. Mai bis 5. Juni bis <strong>zum</strong> Dorf Malu. Der zurückgelegte<br />
Wasserweg betrug 436 km. Alle seitherigen Sepik-<strong>Expeditionen</strong> dienten vornehmlich geographischen<br />
und wirtschaftlichen Zwecken, während sie nur zwei Ethnographen als Fahrgäste (Dorsay und<br />
Friederici) mitnahmen.<br />
Ebenfalls 1909 wurde der Strom noch zweimal befahren, zuerst vom 30. Juli bis 6. August durch den<br />
Dampfer SIAR mit Kapitän Haug im Auftrag der Neu-Guinea Compagnie. Man bewältigte damit 346<br />
km flussaufwärts, lief auf Grund und musste umkehren. An Bord befanden sich die Herren Heine, Dr.<br />
Schlechter, Dr. Schlaginhaufen, Dr. Scholz, Dr. Hoffmann und Professor Neuhauss. Da jeder Wissenschaftler<br />
auch Sammler war, konnte innerhalb von acht Reisetagen reichlich ethnographisches<br />
Material beschafft werden, das für die Museen in Stuttgart, Dresden und Berlin großen Wert besaß.<br />
1910 folgten geographisch erfolgreiche <strong>Expeditionen</strong>, die sich sehen lassen konnten. Eine deutschniederländische<br />
Grenz-Expedition, die von der Nordküste in der Gegend des 141. Meridians – der<br />
damals provisorischen Grenzlinie – nach Süden vordrang, kam landeinwärts nicht allzu weit und beschloss<br />
deshalb, lieber auf dem <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> Strom ihr Glück zu versuchen. Man vermutete, dass<br />
der <strong>Fluss</strong> auf niederländischem Kolonialgebiet entspringen müsste.<br />
Die niederländische Teilnehmergruppe übernahm zunächst die Aufgabe, als Vorausabteilung sowohl<br />
Fahrwasser als auch Richtung des Oberlaufs zu erkunden. Unter Führung des Leutnants zur See<br />
Rambonet, Kommandant des Kanonenboots EDI, wurde vom 2. Juli bis 3. August Umschau gehalten.<br />
Zur Verfügung standen der kleine Dampfer PIONIER, eine Dampfschaluppe und mehrere Kähne mit<br />
Eingeborenen aus Holländisch-Neuguinea. EDI blieb vor der Mündung des <strong>Fluss</strong>es liegen. Sechs<br />
Tage lang reiste die Expedition ohne Zwischenfälle flussaufwärts, doch am 8. August begannen die<br />
Schwierigkeiten. Plötzlich teilte sich der Sepik in mehrere Arme mit niedrigem Wasserstand, und der<br />
Dampfer stieß auf Grund. Notgedrungen musste jetzt mit der Schaluppe weitergefahren werden, unterstützt<br />
von den Kähnen. Am 16. Juli wurde der Grenzmeridian überschritten, doch tags darauf blieb<br />
auch die Dampfschaluppe im Niedrigwasser stecken. Am 19. Juli war die Rückfahrt fällig.<br />
Grimmige Männer vor der Kamera
Die vereinigte deutsch-niederländische Grenzexpedition entschloss sich aufgrund der gesicherten<br />
Erkundungen im Herbst stromaufwärts vorzustoßen im Rahmen des Möglichen. Die Leitung hatte auf<br />
deutscher Seite Professor Schultze, auf niederländischer Seite Kapitän Luymes. Weitere Teilnehmer<br />
waren die Holländer Sachse, Gjellerup, Dalhuisen und Hubrecht sowie die <strong>Deutsche</strong>n Kopp, Stolle<br />
und Völz. Zur Beförderung dienten die Dampfer EDI, JAVA und PELIKAN neben den Dampfbooten<br />
PIONIER und GRENZJÄGER. Man reiste vom 10. September bis <strong>zum</strong> 26. November.<br />
Am 13. September wurde das Dorf Tschessbandai erreicht, wo Niedrigwasser die Dampfschiffe festhielt.<br />
Regierungsdampfer PELIKAN ging in Warteposition, während EDI und JAVA zur <strong>Fluss</strong>mündung<br />
hin umkehrten. Jetzt traten die kleinen und wendigen Dampfboote PIONIER und GRENZJÄGER in<br />
Aktion, zuvor im Schlepptau mitgezogen. Da die PIONIER bereits am 19. September wegen Niedrigwasser<br />
umkehren musste, schleppte man die dicht besetzten Boote, soweit sie nicht mit Ruderern<br />
bemannt waren, mit dem kleinen GRENZJÄGER voran. Am 3. Oktober schien es angebracht, am<br />
Ufer ein Lager aufzuschlagen.<br />
Am 20. Oktober passierte die Expedition den Eintritt des <strong>Fluss</strong>es in das Gebirgsland, eine enge Felspforte,<br />
durch die sich das strömende Wasser über eine etwa anderthalb Meter hohe Stufe den Weg<br />
geschnitten hatte. In den flach gehenden Booten der Eingeborenen konnte die Reise fortgesetzt werden,<br />
bis man schließlich am 30. Oktober den Rückweg einschlug, weil die Stromschnellen im engen<br />
<strong>Fluss</strong>bett zu dicht und zu reißend drohten. Die auf dem Sepik insgesamt bewältigte Strecke umfasste<br />
960 Kilometer. Am 23. November erreichten die Forscher das Dorf Tschessbandai, wo der deutsche<br />
Dampfer DELPHIN und die JAVA der Niederländer (als Ablösung für die PELIKAN) <strong>zum</strong> Empfang<br />
ankerten. Die <strong>Fluss</strong>mündung tauchte am 26. November am Horizont auf.
1911 fand der Sepik nur zweimal das Interesse der Wissenschaftler im unmittelbaren Mündungsgebiet<br />
sowie am Unterlauf. Im Oktober fuhr die MADANG der Neu-Guinea Compagnie unter Kapitän Voogdt<br />
70 Seemeilen weit hinauf, und im November erschien das deutsche Vermessungsschiff PLANET. Im<br />
Januar 1912 erreichte die MADANG einen Punkt 120 Seemeilen flussaufwärts und suchte das Dorf<br />
Kambrini auf. Ende Februar organisierte Berg-Assessor Dr. Stolle seine geographische Expedition mit<br />
der KOMET bis Malu.<br />
Körperbemalung und Deformationen<br />
Im Gebiet der <strong>Fluss</strong>mündung – so berichteten die Wissenschaftler – schien man sich, abgesehen von<br />
festlichen Gelegenheiten, weder Körper noch Gesichter zu färben. Häufiger kommt dies im Mittellauf<br />
des Stroms vor. Schon die erste Expedition 1886 dokumentierte: „Bunte Bemalung, vor allem des<br />
Oberkörpers, mit rotem Lehm oder schwarzer Farbe sahen wir wiederholt, desgleichen fast in jedem<br />
Dorf eine oder zwei Personen, meist Frauen, welche den ganzen Körper mit schmutzig weißer Farbe,<br />
offenbar Asche oder Kalk, bemalt hatten. Über die Bedeutung dieser Sitte konnten wir keinen Aufschluss<br />
erhalten“.
Der Forscher Hollerung notierte: „In Malu lieben sie es sehr, Gesicht und andere Körperteile bunt zu<br />
bemalen. Man verwendet Holzkohle sowie roten, gelben und weißen Ton. Viele Männer waren vollkommen<br />
schwarz angestrichen! Häufig ist die Nase mit hellgrauem Ton bestrichen, während das übrige<br />
Gesicht schwarz glänzt, manchmal auch rot. Ein Mann hatte seine Beine in ihrer ganzen Länge<br />
khakigelb gefärbt, sodass es aussah, als ob er gelbe Hosen trage ...“<br />
Im Mündungsgebiet des Sepik schnürten die Männer ihre Taillen eng ein mit einem geflochtenen<br />
Gürtel, mehrmals um den Leib geschlungen (als Folge der Mannbarkeitszeremonien) Beispielsweise<br />
hatte ein dreißigjähriger Mann eine Taillenweite von 67 cm, ein anderer sogar nur 61 cm! Die unter<br />
dem eigenartigen Schnürgürtel liegende Haut macht infolge des stetigen Drucks einen schlaffen und<br />
welken Eindruck.<br />
Drei Totenschädel, die den Expeditionsteilnehmern von Eingeborenen im Tauschhandel angeboten<br />
wurden, wiesen deutliche Deformationen auf. Sie stammten von erschlagenen und anschließend verzehrten<br />
Stammesfeinden, doch waren keine weiteren Einzelheiten zu erfahren. Alle drei Schädel hatten<br />
ein mit Kerbschnitzerei verziertes Stirnbein.<br />
Begüterte Männer leisten sich mehrere Frauen, doch leben die meisten monogam. Frauen schienen<br />
am Mittellauf des Sepik eine relativ selbständige gesellschaftliche Stellung zu besitzen, denn sie besaßen<br />
Privateigentum zur freien Verfügung. Intensiver Handel war dort Frauensache: sie verkauften<br />
auf eigene Rechnung Töpfe, Schürzen, Schmucksachen usw. Auch der Fischfang liegt meist allein in<br />
ihren Händen. Und was leisten die Männer? Sie bauen die Boote, fertigen ihre Waffen, schlagen die<br />
Sagobäume und vermeiden jede größere Anstrengung...<br />
Die Feier zur Aufnahme der Knaben in die Reihe der Männer, so berichten die Expeditionsforscher,<br />
unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von den Sitten und Gebräuchen in den anderen Regionen<br />
Neu-Guineas: es findet in den Dörfern längs des Sepiks keine Beschneidung statt. Wie fast überall<br />
scheint man auch am <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong> den Uneingeweihten, also Frauen und Kindern, vorzuspiegeln,<br />
dass ein Geist erscheine und die Knaben verschlinge, damit sie anschließend als Wiedergeborene zu<br />
neuem Leben mit Männerwürde erwachen.<br />
Die Zeremonialhäuser im Mündungsgebiet des Sepik enthalten zahlreiche Rohr- und Bambusflöten,<br />
mit deren Hilfe Geisterstimmen nachgeahmt werden. Auch sogenannte Schwirrhölzer dienen dazu die<br />
Stimmen der Geister zu symbolisieren. Sie werden geschwungen und geben dabei Laute von sich.<br />
Uneinig waren sich die Forscher darüber, welche Verhaltensweisen der Eingeborenen man als Begrüßung<br />
interpretieren durfte oder als rätselhaft ohne Deutungsmöglichkeit. In einem Dorf wurde beispielsweise<br />
(zur Begrüßung?) ein Hund totgeschlagen. Woanders schoben die Eingeborenen den<br />
Fremden eine Roulade aus Sagokuchen in den Mund, wobei der Chor der Neugierigen stakkatoartig<br />
„a-a-a-a-a-äää“ hervorstieß. Tabakblätter in kleinen Büscheln konnte man mit Sicherheit als Freundschaftszeichen<br />
ansehen.<br />
In einem <strong>Fluss</strong>abschnitt näherte sich kein Kanu dem Expeditionsdampfer, ohne dass die Ruderer kurz<br />
anhielten. Dann fassten die Männer an den Bauchnabel und führten mit der Hand eine drehende Bewegung<br />
aus. Sobald die Forscher an Bord ihre Jackenknöpfe berührten und eine ähnliche Drehbewegung<br />
demonstrierten zur Erwiderung, paddelten die Einheimischen vertrauensvoll näher und der<br />
Tauschhandel konnte beginnen. In der Gegend von Malu ließ sich eine seltsame Variante beobachten:<br />
dort berührten die Kanufahrer nicht ihren Nabel zur Begrüßung der Europäer, sondern versetzten<br />
ihren unverhüllten Penis in eine kreisende Bewegung wie Propeller. Dies passierte nur bei Booten, die<br />
näher kamen, niemals an Land.<br />
Im Mündungsgebiet des <strong>Kaiserin</strong> <strong>Augusta</strong> <strong>Fluss</strong>es begrub man die Angehörigen am Weg und errichtete<br />
eine kleine Hütte über dem Grab. War die Verwesung nach einiger Zeit fortgeschritten, grub man<br />
den Schädel mitsamt dem Unterkiefer wieder aus und bewahrte ihn in der familiären Hütte auf. Einige<br />
Knochen aus dem Skelett des Toten dienen oft zur Anfertigung von Amuletten.
Im Dorf Angoram stand auf einer leicht überdachten Plattform eine große hölzerne Schüssel <strong>zum</strong> Waschen<br />
von Sago, fest mit Rinde umwickelt. Darin lag eine Frauenleiche im Zustand der Verwesung,<br />
noch mit der typischen Grasschürze bekleidet. Der Boden des Gefäßes hatte ein Bohrloch, und ein<br />
dickes Bambusrohr mit Armdurchmesser führte <strong>zum</strong> Boden, um die Flüssigkeit der Verwesung in die<br />
Erde abzuleiten. Die Knochen der verfaulten Leichen wurden in den Wohnhütten aufbewahrt.<br />
Aus dem Logbuch der PEIHO<br />
Die PEIHO kam von Potsdamhafen und erreichte am 22. Mai 1909 gegen 17 Uhr die <strong>Fluss</strong>mündung<br />
des Sepik, unter der nautischen Leitung von Kapitän Vahsel. Neben der Besatzung waren an Bord die<br />
Herren Dr. Dunker, Dr. Reche, Dr. Müller und Hellwig.<br />
Am folgenden Tag besuchten wir flussaufwärts ein etwas seitlich im Busch gelegenes und nur auf<br />
Sumpfwegen erreichbares Dorf namens Kopar, vor allem deshalb, um einen empfohlenen Dolmetscher<br />
anzuwerben. Der Mann war nicht aufzufinden, und so schickten wir am Nachmittag die Barkasse<br />
unter Führung des zweiten Offiziers Schirlitz nach dem an der Lagunen-Mündung gelegenen<br />
Watam, um von dem dort ansässigen chinesischen Händler einige Dolmetscher auszuleihen, was<br />
glücklicherweise gelang.
Das Dorf Kopar hatte so viel des Neuen und Interessanten geboten, dass wir am nächsten Tag mit<br />
hochgespannten Erwartungen weiter flussaufwärts reisten. Wir fanden zunächst am rechten Ufer eine<br />
Stelle, wo nebeneinander ein Pfad und ein schmaler, aber tiefer Kanal ins Land hinein führten. Dann<br />
erreichten wir über den Weg nach 45 Minuten, beschwerlich watend durch übel riechenden Schlamm,<br />
das Dorf Singrin. Der gesuchte Dolmetscher wurde durch Trommelsprache herbei gerufen, hatte aber<br />
keine Lust für uns tätig zu werden.<br />
Mit Sonnenaufgang fuhr die PEIHO weiter, musste dann bald wieder vor Anker gehen, weil plötzlich<br />
eine dichte Nebelbank auf dem <strong>Fluss</strong> lagerte, Jetzt gelangten wir in eine seeartige Erweiterung, an der<br />
am rechten Ufer das Dorf Imbanton lag. Wir wurden keineswegs liebenswürdig aufgenommen, denn<br />
die Bewohner besaßen bereits zahlreiche Eisenmesser und Äxte und zeigten wenig Interesse am<br />
Tauschhandel.<br />
Am 3. Juni gegen 14 Uhr erreichten wir ein großes Dorf. Fülleborn, Müller und Reche fuhren im Boot<br />
an Land, wo uns die Leute freundlich und scheu begrüßten. Wir wurden zunächst in ein kleines und<br />
mit niedriger Plattform versehenes Haus geführt, das einen eigenartigen Schmuck aufwies, nämlich<br />
10 auf eine Liane gereihte Schädel. Bald war der Handel in voller Blüte, weil die Eingeborenen großes<br />
Verlangen nach Messern zeigten, vor allem nach den langen Haumessern.<br />
Obwohl die Leute mit Eisen vertraut waren, schienen wir die ersten Weißen als Besucher zu sein.<br />
Man betastete uns, wunderte sich über die weiße Hautfarbe, die trotz eifrigen Reibens „waschecht“<br />
blieb, und ergötzte sich an unserem Blondhaar. Wir kamen uns vor die Darsteller einer Völkerschau in<br />
einem europäischen Zoologischen Garten;<br />
Während des ganzen Abends bis tief in die Nacht umschwärmten uns zahllose Boote, deren Insassen<br />
nach Beute vom weißen Man Ausschau hielten. Um die Leute los zu werden und um unseren Schlaf<br />
zu sichern, ließ der Kapitän zwei Raketen abfeuern. Zunächst ruderten die dicht am Schiff lauernden<br />
Männer hastig ein paar Meter davon, kehrten aber rasch zurück, weil ihnen offensichtlich kein Unheil<br />
drohte. Die zweite Rakete erregte nur noch unbändige Heiterkeit. Auch Dampfpfeife, Sirene und<br />
Schiffsglocke wurden als Volksbelustigung angesehen. Schließlich ließ der ratlose Kapitän gefüllte<br />
Wassereimer über die Köpfe der lästigen Eingeborenen auskippen, was sie endlich <strong>zum</strong> Rückzug<br />
veranlasste.<br />
Am folgenden Morgen vor Sonnenaufgang drängelten die Eingeborenen schon wieder mit ihren Booten<br />
dicht am Dampfer. Sie erhielten nochmals heftige Wassergüsse zur Abwehr und wurden diesmal<br />
wütend. Plötzlich sausten einige Wurfspeere auf Deck. Dann flogen immer mehr Speere in dichtem<br />
Schwarm, meist zu weit und über das Schiff hinweg. Warnschüsse blieben erfolglos, gezielte Schüsse<br />
aus den Gewehren machten jedoch bald Eindruck. Etwa 30 Patronen wurden verschossen bis zur<br />
beschleunigten Weiterreise.<br />
Quellen<br />
Reche, O.: Der <strong>Kaiserin</strong>-<strong>Augusta</strong>-<strong>Fluss</strong> 1908 bis 1910<br />
(Hamburg 1913)<br />
Behrmann, W.: Im Stromgebiet des Sepik<br />
(Berlin 1922)<br />
Neuhauss, R.: Deutsch-Neuguinea (3 Bände)<br />
(Berlin 1911)<br />
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