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Lesen - Golf Dornseif

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Ostafrikanisches Militärstrafrecht für Askari Soldaten<br />

von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />

Wenige Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, am 1. Mai 1914; trat eine neue Verordnung<br />

des Reichskanzlers in Kraft „betreffend die strafrechtlichen und Disziplinarverhältnisse<br />

der farbigen Angehörigen der kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika“,<br />

was man zeitlich als Zufall bezeichnen kann. Die Einzelheiten veranschaulichen zahlreiche<br />

Gesichtspunkte von erheblicher sozialer Bedeutung. „Weitgehende Milde“ wird ausdrücklich<br />

empfohlen!<br />

Paragraph 1. Das strafgerichtliche Verfahren gegen farbige Angehörige der Schutztruppe richtet sich<br />

nach den sinngemäß anzuwendenden Grundsätzen<br />

1. der Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898 sowie der Kaiserlichen Verordnung betreffend<br />

das strafgerichtliche Verfahren gegen Militärpersonen der Kaiserlichen Schutztruppen vom<br />

2. November 1909<br />

2. des Militärstrafgesetzbuchs vom 20. Juni 1872 und des Einführungsgesetzes zu demselben vom<br />

20. Juni 1872<br />

3. der Verfügung des Reichskanzlers wegen Ausübung der Strafgerichtsbarkeit und der Disziplinargewalt<br />

gegenüber Eingeborenen in den deutschen Schutzgebieten von Ostafrika, Kamerun<br />

und Togo vom 22. April 1896.<br />

Aus dem Inhalt<br />

Militärstrafrecht ohne Verteidiger<br />

Nur Mannschaften riskierten Prügel<br />

Gab es 1914 noch farbige Offiziere?<br />

Meutereien und nachsichtige Vorgesetzte<br />

Aufstand der Dahomey Söldner<br />

Bilanz des Ersten Weltkriegs<br />

Paragraph 2. Die strafbaren Handlungen sind den Verhältnissen des Schutzgebiets gemäß derartig zu<br />

beurteilen, dass die freieste Auffassung der gesetzlichen Bestimmungen Platz greift. Vor allem wird<br />

bei zahlreichen durch das Militärstrafgesetzbuch mit Strafe bedrohten Handlungen eine weitgehende<br />

Milde anzuwenden sein, weil die strengen, auf den heimischen Voraussetzungen einer entwickelten<br />

Soldatenehre und Untertanentreue beruhenden Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuchs auf den<br />

Farbigen nur sehr bedingt übertragbar sind.<br />

Paragraph 3. Die zulässigen gerichtlichen Strafen im Sinn dieser Verordnung sind:<br />

a) Todesstrafe<br />

b) Freiheitsstrafe, und zwar:<br />

1. wenn ihre Dauer mehr als sechs Wochen beträgt, Kettenstrafe<br />

2. bei kürzerer Dauer, Arrest<br />

3. Prügelstrafe bis zu zweimal 25 Hieben gegen farbige Angehörige<br />

(Mannschaften) ohne Dienstgrad.


Bei der Strafzumessung dient als Anhalt, dass acht Monate Kettenstrafe einem Jahr Gefängnis, zwei<br />

Monate Kettenstrafe sechs Monaten Festungshaft und bei Gefängnis bis zu sechs Wochen sowie bei<br />

Haft ein Tag mittlerer Arrest einem Tag Gefängnis bzw. Haft entsprechen.<br />

Wo die allgemeinen Strafgesetze Geldstrafe androhen, tritt an deren Stelle Arrest oder Prügelstrafe.<br />

Paragraph 4. Neben Kettenstrafe kann auf Entfernung aus der Truppe erkannt werden. Neben der<br />

Arreststrafe kann vom Kommandeur der Schutztruppe die Entfernung vom Dienstgrad verfügt werden.<br />

Paragraph 5. Neben Freiheitsstrafe kann auf Prügelstrafe bis zu zweimal 25 Hieben erkannt werden.<br />

Paragraph 6. Unter Offizieren im Sinne dieser Verordnung sind auch Sanitätsoffiziere und obere<br />

Militärbeamte, unter Unteroffizieren auch Sanitätsunteroffiziere zu verstehen.<br />

Paragraph 7. Sobald der nächste mit Disziplinarstrafgewalt ausgestattete Befehlshaber durch eine<br />

Anzeige oder auf anderem Weg von dem Verdacht einer militärgerichtlich zu verfolgenden strafbaren<br />

Handlung Kenntnis erhält, so hat er, soweit nötig, durch ein Ermittlungsverfahren den Tatbestand<br />

festzustellen. Der Befehlshaber hat das Ermittlungsverfahren selbst vorzunehmen. Nötigenfalls kann<br />

er eine ihm unterstellte deutsche Militärperson mit dem Ermittlungsverfahren beauftragen.<br />

Typische Kettensträflinge<br />

in Deutsch-Ostafrika mit<br />

Vorhängeschlössern am Hals.<br />

Askari mit Kettenstrafen<br />

mussten getrennt von den<br />

normalen Kettensträflingen<br />

untergebracht werden.


Ob die Ermittlungen schriftlich oder mündlich vorzunehmen sind, bleibt dem Ermessen des das<br />

Ermittlungsverfahren Führenden überlassen. Bildet eine mit dem Tod, mit Zuchthaus oder mit einer<br />

anderen Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung den Gegenstand der Untersuchung<br />

oder ist der die Ermittlungen führende Befehlshaber kein Offizier, so sind die Ermittlungen<br />

schriftlich vorzunehmen.<br />

Paragraph 8. Die Ermittlungen sind nach Schluss dem Kompanieführer des Beschuldigten zu<br />

übersenden oder zu melden.<br />

Dieser bestimmt:<br />

1. ob das Verfahren einzustellen ist, oder<br />

2. ob die strafbare Handlung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen im<br />

Disziplinarweg geahndet werden soll, oder<br />

3. ob ein gerichtliches Verfahren anzuordnen ist.<br />

Betrifft die Beschuldigung lediglich eine Übertretung, so kann nach vorausgegangenem Ermittlungsverfahren<br />

der Kompanieführer in den Grenzen der ihm zustehenden Disziplinarstrafgewalt durch<br />

schriftliche Strafverfügung Arrest oder Prügelstrafe festsetzen. Ein Einspruchsrecht gegen diese Strafverfügung<br />

steht dem Beschuldigten nicht zu.<br />

Die vorstehend dem Führer einer Kompanie zustehenden Rechte kann dieser für eine selbständige<br />

Abteilung der Kompanie dem diese befehligenden Offiziere übertragen. Letzterer darf Strafverfügungen<br />

nur innerhalb der Grenzen der ihm zustehenden Disziplinarstrafgewalt festsetzen.<br />

Paragraph 9. Bei jeder Kompanie und bei jeder selbständigen, durch einen Offizier befehligten<br />

Abteilung wird ein Gericht gebildet. Dieses Gericht ist zuständig für alle Farbigen des Befehlsbereichs<br />

mit Ausnahme der Effendi (farbige Offiziere). Letztere unterstehen einem vom Kommando der Schutztruppe<br />

besonders zu bestellenden Gericht.<br />

Dokumentarische Aufnahme oder Fälschung? Dieses historische Foto zeigt angeblich „Prügelstrafe<br />

durch einen afrikanischen Unteroffizier in DOA um 1914“. Die vom Fotografen erfasste Darstellung<br />

weckt Misstrauen, weil sie nicht den üblichen Vollzugsvorschriften entspricht, sodass hier eine<br />

„Inszenierung mit Statisterie“ denkbar ist.


Paragraph 10. Ordnet der Befehlshaber ein gerichtliches Verfahren an, so hat er dem Beschuldigten<br />

hiervon Kenntnis zu geben und ihn aufzufordern, etwaige Verteidigungs- oder Beweisanträge mit Angabe<br />

der Beweismittel (Zeugen usw.) zu stellen. Danach befiehlt der Befehlshaber den Zusammentritt<br />

des Gerichts zur Hauptverhandlung und beraumt diese an.<br />

Paragraph 11. Das Gericht besteht aus folgenden Richtern:<br />

1. dem ‚Befehlshaber als vorsitzendem Richter<br />

2. zwei deutschen Offizieren oder Unteroffizieren<br />

3. drei farbigen Soldaten, unter ihnen der höchste anwesende Dienstgrad und möglichst ein Angehöriger<br />

der Rangklasse des Angeschuldigten (als beisitzende Richter).<br />

Im Notfall genügt die Beiziehung eines deutschen beisitzenden Richters neben den farbigen beisitzenden<br />

Richtern. Farbige, die in der Strafsache als Zeugen auftreten oder durch die Straftat verletzt<br />

sind oder die Straftat zur Anzeige gebracht haben, dürfen als beisitzende Richter nicht verwendet werden.<br />

Auch bei Deutschen ist dies möglichst zu vermeiden.<br />

Paragraph 12. Die Hauptverhandlung erfolgt vor dem vorschriftsmäßig besetzten Gericht und in nicht<br />

unterbrochener Gegenwart des Angeklagten und der in Paragraph 11 genannten Personen. In der<br />

Hauptverhandlung hat der Befehlshaber den Vorsitz und er leitet die Verhandlung. Zunächst werden<br />

die Personalien des Angeklagten festgestellt, und es wird ihm eröffnet, welcher strafbaren Handlung<br />

er beschuldigt sei. Dann erfolgt die Vernehmung des Angeklagten zur Sache.<br />

Danach findet durch Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen die Beweisaufnahme statt. Es<br />

unterliegt dem freien Ermessen des Gerichts, ob eine Vereidigung von farbigen Zeugen und Sachverständigen<br />

stattzufinden hat oder nicht. Aussagen abwesender, kommissarisch vernommener<br />

Zeugen, deren Erscheinen vor Gericht besonders erschwert ist, können verlesen werden. Desgleichen<br />

Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke. Das gleiche gilt für Gutachten abwesender<br />

Sachverständiger, deren Erscheinen vor Gericht besonders erschwert ist.<br />

Der sudanesische Feldwebel Mohamed Achmed um 1910 in Deutsch-Ostafrika, umgeben von<br />

mehreren Ehefrauen und Kindern. Dank seines guten Solds konnte er sich als Muslim mehr als nur<br />

eine Frau leisten.


Nach jeder Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen, nach jeder Verlesung der Aussage<br />

solcher Personen oder einer Urkunde oder von anderen als Beweismittel dienenden Schriftstücken ist<br />

der Angeklagte zu befragen, ob er hierzu etwas anzuführen habe. Nach dem Schluss der Beweisaufnahme<br />

ist der Angeklagte zu befragen, ob er zu seiner Verteidigung oder zur Sache noch etwas<br />

anzuführen habe. Der Angeklagte hat das letzte Wort.<br />

Nach Abführung des Angeklagten, nach Abtreten der Zeugen und der Sachverständigen und nach<br />

Entfernung der Zuhörer trägt der Vorsitzende das Ergebnis der Verhandlung, vor allem den nach<br />

seiner Ansicht für erwiesen zu erachtenden Tatbestand vor und verliest die einschlägigen<br />

gesetzlichen Vorschriften.<br />

Die farbigen Mitglieder des Gerichts haben insgesamt nur eine Stimme, über die sie unter einander<br />

abstimmen. Sie geben zuerst ihre Stimme ab. Hinsichtlich der deutschen Richter richtet sich die<br />

Reihenfolge der Abstimmung nach dem Dienstrang. Der Jüngste im Rang stimmt zuerst. Der<br />

Vorsitzende leitet die Urteilsberatung und sammelt die Stimmen. Bei Stimmengleichheit gibt die<br />

Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.<br />

Paragraph 13. Über die Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Die Niederschrift erfolgt entweder<br />

durch den Vorsitzenden oder nach seinem Diktat durch einen der deutschen Beisitzer.<br />

Das Protokoll muss enthalten:<br />

1. Ort und Tag der Verhandlung<br />

2. Namen des Angeklagten mit Angabe des Dienstgrades, der Nummer seiner Erkennungsmarke,<br />

der Kompanie und der Führung<br />

3. Namen der vernommenen Zeugen, Sachverständigen usw.<br />

4. Gang der Hauptverhandlung, ihre wesentlichen Ergebnisse, vor allem die Aussagen der<br />

vernommenen Zeugen usw. und die Urteilsformel<br />

5. Am Schluss die Unterschriften des vorsitzenden Richters und der beisitzenden Richter.<br />

Paragraph 14. Von jedem Urteil ist ein Erkenntnis anzufertigen. Dieses muss enthalten:<br />

1. Als Kopf den Namen des Gerichts<br />

2. Namen des Angeschuldigten usw.<br />

3. Urteilsformel, in der die Straftat, die einschlägigen Gesetzesparagraphen und im Fall der Verurteilung<br />

die Art und Dauer der Strafe anzugeben ist. Ist auf Freisprechung erkannt, so ist dies anzugeben.<br />

4. Gründe des Urteils<br />

5. Als Unterschrift Namen des Vorsitzenden des Gerichts<br />

Paragraph 15. Findet eine Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte wegen einer und derselben<br />

strafbaren Handlung statt, so ist im Protokoll und im Erkenntnis jeder einzelne namentlich zu<br />

erwähnen, auch die Verhandlung, soweit wie nötig, für jeden einzelnen getrennt zu führen.<br />

Paragraph 16. Das Urteil wird sofort rechtskräftig, wenn auf Freisprechung erkannt ist oder wenn bei<br />

Gemeinen (Mannschaften) die Strafe sechs Monate Kettenstrafe nicht übersteigt. Bei Strafe über<br />

sechs Monate sowie bei Verhängung von Kettenstrafe über Dienstgrade bedarf das Urteil der<br />

Bestätigung durch den Kommandeur. Versagt der Kommandeur die Bestätigung, so hat er das Urteil<br />

aufzuheben oder ein anderes Gericht mit erneuter Aburteilung zu beauftragen. Im Fall der Bestätigung<br />

kann der Kommandeur die erkannte Freiheitsstrafe (Kettenstrafe bis auf 43 Tage, Arrest bis auf einen<br />

Tag) mildern. Eine Änderung der Strafart der Freiheitsstrafe steht ihm nicht zu.


Die Vollstreckung von Freiheitsstrafen erleidet durch Einholung der Bestätigung keinen Aufschub. Die<br />

Kettenstrafe über Dienstgrade wird bis zum Eintreffen der Bestätigung als „Mittlerer Arrest“ vollstreckt.<br />

Die so verbüßte Arreststrafe ist ohne weiteres auf die verhängte Strafe anzurechnen, wobei ein Tag<br />

Arrest einen Tag Kette gleich gilt. Während dieser Zeit stehen außer der ortsüblichen Kettenverpflegung<br />

keinerlei Gebührnisse zu.<br />

Die Vollstreckung eines auf Todesstrafe lautenden Urteils bedarf der Bestätigung durch den<br />

Gouverneur. Die Herbeiführung der Bestätigung der Todesstrafe hat durch Vermittlung des Kommandos<br />

zu erfolgen. Wird die Bestätigung des Todesurteils durch den Gouverneur versagt, so hat der<br />

Kommandeur entweder die Todesstrafe in Kettenstrafe umzuwandeln oder das Urteil aufzuheben und<br />

dasselbe oder ein anderes Gericht mit erneuter Aburteilung der Sache zu beauftragen.<br />

Lässt sich auf einem im Landesinnern gelegenen Standort oder auf einer militärischen Dienstreise aus<br />

zwingenden Gründen die sofortige Vollstreckung eines Todesurteils nicht vermeiden, so darf der<br />

Vorsitzende zur sofortigen Vollstreckung des Todesurteils schreiten. Die nachträgliche Einreichung<br />

des Todesurteils an den Gouverneur ist von dem betreffenden Befehlshaber durch Vermittlung des<br />

Kommandos umgehend zu bewirken.<br />

Paragraph 17. Über jedes gerichtliche Urteil sind dem Kommando sofort einzureichen: 1. das Protokoll<br />

der Hauptverhandlung und 2. das Erkenntnis. Auf dem Erkenntnis ist durch den Vorsitzenden zu<br />

vermerken, ob das Urteil rechtskräftig geworden und wann die Strafe angetreten ist bzw. an welchem<br />

Tag eine noch zu bestätigenden Freiheitsstrafe vorläufig vollstreckt worden ist.<br />

Paragraph 18. Bedurfte das Urteil der Bestätigung, so wird diese durch den Kommandeur bzw. den<br />

Gouverneur auf das Erkenntnis gesetzt und dieses zur Bekanntgabe und Vollstreckung der betreffenden<br />

Kompanie zurückgesandt.<br />

Paragraph 19. Liegen gegen einen Abwesenden die Voraussetzungen der Fahnenflucht vor, so kann<br />

durch einen vom Kompanieführer zu erlassenden Beschluss der Abwesende für fahnenflüchtig erklärt<br />

und sein Guthaben mit Beschlag belegt werden. Als abwesend gilt ein Beschuldigter, wenn sein<br />

Unteroffizier der Askari Truppe<br />

mit Ehrenzeichen an der Brust in<br />

Ausgeh-Uniform.


Aufenthalt unbekannt ist oder wenn er sich in außerdeutschem Gebiet aufhält und seine Gestellung<br />

vor das zuständige Gericht nicht ausführbar erscheint. Mit Beschlag belegte Guthaben für fahnenflüchtig<br />

erklärter Farbiger sind nach Ablauf von drei Monaten durch Beschluss des Kompanieführers<br />

abzuerkennen.<br />

Paragraph 20. Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens kann jederzeit<br />

durch den Kommandeur verfügt werden. Es ist hierbei besonders zu bestimmen, ob dasselbe Gericht<br />

erneut oder ein anderes zu urteilen hat.<br />

Paragraph 21. Über die gerichtlichen Urteile führt das Kommando ein Strafbuch.<br />

Paragraph 22. Der Zutritt zu den Gerichtsverhandlungen kann jedem im Besitz der bürgerlichen<br />

Ehrenrechte befindlichen Deutschen gestattet werden. Farbigen ist er nicht erlaubt.<br />

Abschnitt II. - Disziplinarstrafordnung<br />

Es können verhängen:<br />

I. der Kommandeur<br />

1. Gegen Offiziere (Effendi):<br />

a) Strafdienst<br />

b) gelinden Arrest bis zu drei Wochen<br />

c) mittleren Arrest bis zu 14 Tagen<br />

d) Entfernung vom Dienstgrad<br />

Askari üben an der Kletterwand


2. Gegen Unteroffiziere und Gefreite<br />

a) Strafdienst<br />

b) mittleren Arrest bis zu vier Wochen<br />

c) strengen Arrest bis zu drei Wochen<br />

d) Entfernung aus der Truppe<br />

e) Prügelstrafe bis zu zweimal 25 Hieben<br />

3. gegen Gemeine<br />

a) Strafdienst<br />

b) mittleren Arrest bis zu sechs Wochen<br />

c) strengen Arrest bis zu vier Wochen<br />

d) Entfernung aus der Truppe<br />

e) Prügelstrafe bis zu zweimal 25 Hieben<br />

II. der Kompanieführer bzw. der vom Kommando mit seiner Vertretung beauftragte Offizier<br />

1. Gegen Effendi<br />

a) Strafdienst<br />

b) gelinden Arrest bis zu drei Tagen<br />

2. Gegen Unteroffiziere und Gefreite:<br />

a) Strafdienst<br />

b) mittleren Arrest bis zu drei Wochen<br />

c) strengen Arrest bis zu 10 Tagen<br />

3. Gegen Gemeine<br />

a) Strafdienst<br />

b) mittleren Arrest bis zu drei Wochen<br />

c) strengen Arrest bis zu 14 Tagen<br />

c) Prügelstrafe bis zu zweimal 25 Hieben<br />

III. Der vorübergehend eine Kompanie führende Offizier bzw. der Führer einer selbständigen Abteilung<br />

auch auf Dienstreisen und Märschen<br />

1. Gegen Effendi: Strafdienst<br />

2. Gegen Unteroffiziere und Gefreite:<br />

a) Strafdienst<br />

b) mittleren Arrest bis zu 14 Tagen<br />

3. Gegen Gemeine:<br />

a) Strafdienst<br />

b) mittleren Arrest bis zu 14 Tagen<br />

c) strengen Arrest bis zu 10 Tagen<br />

d) Prügelstrafe bis zu zweimal 25 Hieben


IV. Der Unteroffizier als Führer einer selbständigen Abteilung auch auf Dienstreisen und Märschen<br />

1. Gegen Unteroffiziere und Gefreite:<br />

a) Strafdienst<br />

b) mittleren Arrest bis zu drei Tagen<br />

2. Gegen Gemeine<br />

a) Strafdienst<br />

b) mittleren Arrest bis zu fünf Tagen<br />

c) Prügelstrafe bis zu 25 Hieben<br />

Die Prügelstrafe kann auch als Zusatzstrafe zu Arreststrafen verhängt werden<br />

Abschnitt III. - Strafvollstreckungsvorschrift<br />

I. Todesstrafe<br />

a) Wegen eines militärischen Verbrechens<br />

Die Vollstreckung geschieht unter sinngemäßer Anwendung der Militärstrafvollstreckungsvorschrift<br />

vom 19. März 1909 durch Erschießen.<br />

b) Wegen eines gemeinen Verbrechens<br />

Der Verurteilte wird nach Entfernung aus der Truppe der nächsten Verwaltungsstelle zur<br />

Hinrichtung durch den Strang überwiesen. In den Fällen, wo eine solche Überweisung nicht<br />

durchführbar ist, erfolgt die Vollstreckung durch Erschießen. Der Vollstreckung hat möglichst<br />

ein Sanitätsoffizier oder Sanitätsunteroffizier beizuwohnen. Vom Urteilsspruch bis zur Vollstreckung<br />

wird der Verurteilte als Kettengefangener behandelt.<br />

II. Freiheitsstrafe<br />

A. Kettenstrafe<br />

a) Im Standort<br />

Bei gleichzeitig ausgesprochener Entfernung aus der Truppe wird der Mann der nächsten nicht am Ort<br />

befindlichen Verwaltungsstelle zur Vollstreckung der Strafe überwiesen. Die Überweisung erfolgt mit<br />

allen dem Bestraften noch etwa zustehenden Gebührnissen und unter Beifügung des Urteils zur


Askari mit<br />

Kopftarnung<br />

um 1916 als<br />

Spähtrupp.<br />

Kenntnisnahme. Ist nicht auf Entfernung aus der Truppe erkannt, so erfolgt die Vollstreckung bei der<br />

Kompanie als Einzelkette ohne Dienstbekleidung. Bei der Vorlage des Erkenntnisses kann beantragt<br />

werden, dass die Kettenstrafe bei der nächstgelegenen Kompanie zu vollstrecken ist, wenn es im<br />

Interesse der Disziplin geboten erscheint.<br />

b) Auf Dienstreisen<br />

Der Verurteilte wird gegebenenfalls aus der Truppe entfernt. Auf dem Marsch geht er an der Kette und<br />

im Lager ist er gefesselt bei der Wache. Sobald wie möglich ist der Verurteilte einer Verwaltungsstelle<br />

zur Strafvollstreckung zu überweisen.<br />

Hat in den Fällen zu a) und zu b) der Verurteilte als Landfremder (Sudanese) Anspruch auf freie<br />

Rückbeförderung in seine Heimat, so ist er mit nächster Gelegenheit dem Kommando zur weiteren<br />

Überweisung an das Bezirksamt Dar-es-Salaam zuzuführen. Falls die Strafe noch nicht verbüßt ist,<br />

erfolgt der Abmarsch zur Küste an der Kette unter Anrechnung des Marsches auf die Strafzeit. Im<br />

übrigen verbüßt der Verurteilte die Strafe bei der Verwaltungsstelle und wird sodann an Ort und Stelle<br />

entlassen.<br />

B. Arreststrafe<br />

Der Arrest ist stets als Einzelhaft und in einem geschlossenen Raum zu verbüßen. Er zerfällt in<br />

gelinden, mittleren und strengen Arrest. Der strenge und mittlere Arrest kann gegen Unteroffiziere,<br />

Gefreite und Gemeine, der gelinde Arrest nur gegen Effendi (Offiziere) verhängt werden. Allen<br />

Arrestaten ist das Rauchen und der Genuss geistiger Getränke verboten. Bei Tag kann der Arrestat zu<br />

Arbeiten unter Aufsicht und zum Exerzierdienst herangezogen werden. Auf dem Marsch, auf<br />

Dienstreisen usw. und überall, wo kein geeignetes Arrestlokal vorhanden ist, verrichtet der Arrestat<br />

den Exerzierdienst der übrigen Leute, hat sich aber während der dienstfreien Zeit auf der Wache<br />

aufzuhalten.<br />

Farbige Unteroffiziere mit deutschen Vorgesetzten


Hiermit ist verbunden:<br />

a) bei mittlerem Arrest: Die Heranziehung zu beschwerlichen Dienstverrichtungen außer der<br />

Reihe<br />

b) bei strengem Arrest: Anbinden täglich zwei Stunden. Hierbei ist alles zu vermeiden, was die<br />

Strafe als grausam erscheinen lassen könnte. Der Arrestat wird in aufrechter Haltung, den<br />

Rücken nach einer Wand oder einem Baum gekehrt, dergestalt angebunden, dass er sich<br />

weder setzen noch legen kann. Das Anbinden geschieht auf eine seiner Gesundheit nicht<br />

nachteiligen Weise nach Paragraph 129 Militärstrafrecht.<br />

In Standorten wird verbüßt:<br />

a) strenger Arrest in einer dunklen Zelle<br />

b) mittlerer und gelinder Arrest in einer hellen Zelle.<br />

Je nach den klimatischen Verhältnissen kann der Garnison-Älteste bzw. Abteilungsführer die Nutzung<br />

einer Matte zum Liegen und einer oder zweier Decken gestatten. Die Arrestaten haben ihre Verpflegung<br />

selbst zu beschaffen.<br />

C. Untersuchungshaft<br />

Die Untersuchungshaft entspricht dem gelinden Arrest. In schweren Fällen kann der Untersuchungsgefangene<br />

an die Kette gelegt oder gefesselt werden. Auf dem Marsch gehen Untersuchungsgefangene<br />

unter Aufsicht und halten sich im Lager bei der Wache auf. Der Abteilungsführer<br />

bestimmt, ob der Mann an der Kette gehen oder gefesselt werden soll. Soldaten in Uniform dürfen niemals<br />

mit anderen Gefangenen gemeinsam an der Kette geführt werden.<br />

III. Prügelstrafe<br />

Die Vollstreckung der Prügelstrafe erfolgt gemäß der Verfügung des Reichskanzlers vom 22. April<br />

1896 unter Ausschluss der Öffentlichkeit möglichst an einem den Blicken Unbefugter entzogenen Ort<br />

vor der Truppe in Gegenwart des Kompanie- oder Abteilungsführers. Die Prügelstrafe wird mit der vorgeschriebenen<br />

Peitsche vollstreckt. Vor der Vollstreckung ist der zu Bestrafende auf seinen körperlichen<br />

Zustand zu untersuchen, möglichst durch einen Sanitätsoffizier oder Sanitätsunteroffizier, der<br />

auch der Strafvollstreckung beizuwohnen und die Pflicht hat, gegen die Vollstreckung oder den<br />

weiteren Vollzug der Prügelstrafe Einspruch zu erheben, falls der Gesundheitszustand des Bestraften<br />

dies geboten erscheinen lässt. Diese Verpflichtung geht auf den die Vollstreckung Leitenden über,<br />

falls keine Sanitätsperson zugegen ist.<br />

IV. Ehrenstrafen<br />

Bei Entfernung vom Dienstgrad werden die Abzeichen in Gegenwart der Kompanie durch den ältesten<br />

farbigen Dienstgrad entfernt. Die Entfernung aus der Truppe hat den Verlust des Dienstgrades und<br />

der Ehrenzeichen zur Folge. Die abgenommenen Ehrenzeichen sind dem Kommando zu übersenden.<br />

Der Bestrafte erhält einen Entlassungsschein, auf dem der Entlassungsgrund anzugeben ist.<br />

Landfremde (Sudanesn) werden durch das Kommando dem Bezirksamt Dar-es-Salaam überwiesen.<br />

V. Strafdienst<br />

Beim Strafdienst ist darauf zu achten, dass durch ihn die Disziplin nicht geschädigt wird. Als<br />

Strafdienst eignen sich besonders Strafwachen und Beaufsichtigung von Arbeitsdienst außer der<br />

Reihe, Aufenthalt auf der Wache während der freien Zeit, Strafexerzieren, Strafrapporte, Arbeitsdienst.


Farbige Offiziere der Schutztruppe: eine Fehlanzeige?<br />

Das revidierte Militärstrafrecht für farbige Angehörige der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika –<br />

wirksam ab Mai 1914 – stützte sich unter anderem auf die Militärstrafgerichtsordnung vom Dezember<br />

1898 und November 1909 abgesehen von ähnlichen Regelungen des Jahres 1896 (Disziplinargewalt<br />

gegenüber Eingeborenen).<br />

Der Paragraph 9 erwähnt „Effendi, also farbige Offiziere, die einem vom Kommando der Schutztruppe<br />

besonders zu bestellenden Gericht unterstehen“. Die Disziplinarstrafordnung wiederum bezieht sich<br />

ebenfalls gesondert auf „Offiziere bzw. Effendi“ mit Strafdienst, Arrest und Entfernung vom Dienstgrad<br />

(Degradierung).<br />

Es verwundert bei kritischer Betrachtung, dass ein im Mai 1914 realisiertes deutsches Militärstrafrecht<br />

für farbige Angehörige der Schutztruppe Ostafrikas unter anderem einen Personenkreis aufführt, den<br />

es damals nicht (mehr) gegeben hat, nämlich schwarze Offiziere.<br />

Um die komplizierten Zusammenhänge besser zu verstehen, sei auf das Standardwerk von<br />

Hauptmann Ernst Nigmann verwiesen, das 1911 in Berlin unter dem Titel „Geschichte der<br />

Kaiserlichen Schutztruppe für DOA“ erschienen ist. In den Gründerjahren der Schutztruppe Ostafrikas<br />

bildeten vor allem angeworbene Sudanesen und Ägypter das Rückgrat der Einheiten mit hervorragenden<br />

Unteroffizieren, bevor einheimische (ostafrikanische) Rekruten hinzu stießen. Allerdings<br />

entschied sich die Schutztruppe nur selten farbige Offiziere auszubilden.<br />

Die Ernannten behielten jedoch ihre Positionen bis zum Ruhestand und wechselten zumeist in den<br />

Polizeidienst. Deutsche Unteroffiziere weigerten sich häufig, Befehle von farbigen Offizieren entgegen<br />

zu nehmen.<br />

Dieses Foto entstand 1889 in Kairo, wo Reichskommissar Hermann Wissmann (vorn links sitzend)<br />

sudanesische Söldner für die Schutztruppe in DOA rekrutierte. Rechts außen mit Säbel ein Effendi<br />

(Offizier). Alle Interessenten tragen ägyptische Uniformen.


Wenige Namen und Schicksale farbiger Offiziere der Schutztruppe sind überliefert: Miram Effendi<br />

(Hauptmann der Landespolizei) sowie Mursai ab del Hadi (Zweite Kompanie) und Murgan. Sie<br />

unterstützten vorbildlich Leutnant von Tettenborn beim Sammeln und Zurückführen der aufgeriebenen<br />

Zelewski-Expedition. Mihram Effendi fiel im Kampf gegen eingeborene Angreifer heldenhaft. Nach den<br />

Angaben Nigmanns zählte die Schutztruppe Ostafrikas (kurze Zeit) 12 farbige Offiziere während der<br />

Gründerjahre. Ihre Ränge. Hauptmann, Premier-Leutnant, Seconde-Leutnant.<br />

Zu Wissmanns großer Enttäuschung (beim Aufbau der Schutztruppe in DOA) erwiesen sich fast alle<br />

farbigen Offiziere aus Ägypten als unfähig, schwerfällig und faul, sodass sie repatriiert werden<br />

mussten. Jede Kompanie erhielt dann nur noch einen farbigen Offizier zugeteilt als „Mittelsmann“<br />

zwischen den farbigen Mannschaften und deutschen Offizieren. Schwarze (meist sudanesische)<br />

Unteroffiziere wurden auf die Kompanien verteilt und folgten im Rang nach den deutschen<br />

Unteroffizieren. Fiel der deutsche Kompanieführer im Gefecht aus, ohne dass ein weißer Ersatzoffizier<br />

greifbar war, übernahm jeweils der älteste deutsche Unteroffizier die Befehlsgewalt. Man vermied<br />

grundsätzlich, einen farbigen Offizier einem deutschen Unteroffizier zu unterstellen.<br />

Hauptmann Miram Effendi, ein gebildeter Mann armenischer Abstammung, wurde von der Schutztruppe<br />

als „Farbiger“ klassifiziert und eingesetzt, ebenso Achmed Fahim Effendi (aus Griechenland<br />

stammend). Beide erhielten hohe Auszeichnungen nach dem Sudan-Feldzug wegen hervorragender<br />

Tapferkeit unter britischem Oberbefehl (Fotos unten).<br />

Es ist aus heutiger Sicht unverständlich, warum die beiden Europäer (weißer Hautfarbe) vom Kommando<br />

der Schutztruppe nicht als Weiße anerkannt wurden.<br />

Nicht zuletzt ist noch bemerkenswert, dass die Verordnung vom Mai 1914 keinen Rechtsbeistand<br />

(Pflichtverteidiger) vorsieht für Militärgerichtsverfahren der Schutztruppe mit Farbigen als Angeklagten.<br />

Meutereien und nachsichtige Vorgesetzte<br />

Meutereien waren eine Form des Protestes von Söldnern, wenn sich der Dienstherr nicht an seine<br />

Verpflichtungen hielt, wie die erste überlieferte Meuterei von Askari in Deutsch-Ostafrika zeigte. Im<br />

Juni 1892 unternahm Leutnant Tom von Prince mit seiner in Kilossa stationierten Kompanie eine<br />

Strafexpedition gegen mehrere Dörfer des Stamms der Hehe, obwohl die ihm unterstellten Askari vom<br />

Volk der Shangaan immer wieder drängten nach Hause entlassen zu werden, weil ihre dreijährige<br />

Dienstverpflichtung bereits termingerecht abgelaufen war. Die Freistellung dieser Männer verzögerte<br />

sich jedoch, weil bei der Schutztruppe großer Mangel an neuen farbigen Rekruten herrschte.


Als die Shangaan Askari während des Marschs das Ziel der Mission erfuhren, weigerten sie sich<br />

erbost weiter zu gehorchen. Die an sich gutwilligen Söldner sahen nicht ein, warum sie jetzt noch an<br />

einer lebensgefährlichen Expedition teilnehmen sollten. Nachdem Strafandrohungen die Meuterer<br />

nicht umstimmen konnten, ließ der Leutnant die übrigen (aus dem Sudan stammenden) Askari mit<br />

ihren Gewehren auf die Meuterer anlegen, um sie einzuschüchtern, Daraufhin warfen die Rebellen<br />

ihre eigenen Waffen weg und flüchteten in den Busch.<br />

Unter solchen Umständen war an eine Fortsetzung des Feldzugs nicht zu denken. Immerhin fanden<br />

sich die Shangaan nach und nach wieder in ihrer Garnison Kilossa ein und erklärten den deutschen<br />

Vorgesetzten nicht kämpfen zu wollen, weil sie sich nicht weiter als Dienstverpflichtete betrachteten.<br />

Diese fundierte Rechtsauffassung löste im deutschen Offizierskorps einige Bestürzung aus, und niemand<br />

wurde bestraft. Tatsächlich kam es zur korrekten Entlassung der Männer in ihre Heimatdörfer,<br />

nachdem Ablösung eingetroffen war.<br />

Auch eine langfristig schlechte Behandlung durch Vorgesetzte inspirierte Askari zur Meuterei. Im Oktober<br />

1894 verweigerte die nur aus Sudanesen zusammengesetzte 6. Kompanie auf dem<br />

Rückmarsch von einem Feldzug den Gehorsam. Ihrem verdutzten Kommandeur Paul Fromm<br />

erklärten die Suda-nesen keck, dass er zu streng sei. Deshalb wollten die Männer geschlossen in<br />

eigener Regie (ohne den Kompanie-Chef) nach Dar-es-Salaam marschieren und vom Gouverneur<br />

einen anderen Chef der Truppe erbitten!<br />

Fromm hatte bis dato geglaubt, bei seinen Untergebenen beliebt zu sein, stets gerecht handelnd und<br />

verständnisvoll für die Nöte seiner Leute. In der so plötzlich entstandenen Zwangslage wusste sich<br />

Fromm nicht anders zu helfen als allein zur Küste zurück zu kehren, während die Meuterer auf<br />

anderen Dschungelpfaden das gleiche Ziel im Auge hatten. Gouverneur Friedrich von Schele empfing<br />

die Kompanie außerhalb der Stadt so unauffällig wie möglich und erlaubte einer Delegation der<br />

Unzufriedenen ihre Klagen im einzelnen ihm vorzutragen. Sergeant Weinberger bestätigte die Beschwerden<br />

weitgehend und räumte vor allem ein, dass die Sudanesen-Kompanie im Vergleich zu den<br />

übrigen Einheiten häufiger mit der Prügelstrafe konfrontiert wurde. Im übrigen habe Fromm „die Standesehre<br />

der Söldner einmal dadurch verletzt, dass er einen zu mehreren Monaten Kettenhaft verurteilten<br />

Askari mit gemeinen Verbrechern zusammenschließen ließ“<br />

Leutnant Prince mit Zulu-Söldnern


Der Gouverneur sah schließlich die Forderungen der Askari als berechtigt an, und sie erhielten einen<br />

neuen Kompanieführer zugeteilt. Hauptmann Fromm wurde in eine andere Kompanie strafversetzt,<br />

und die Meuterer blieben ungeschoren. Im Februar 1895, nachdem sich die Gemüter wieder beruhigt<br />

hatten, beschloss der Gouverneur allerdings, einige „Unruhestifter“ vorzeitig aus ihren Dienstverträgen<br />

zu entlassen und nach Ägypten abzuschieben.<br />

Es dauerte danach nur wenige Monate, bevor die Sudanesen der in Mpapua stationierten 3. Kompanie<br />

gleichfalls eine Meuterei anzettelten. Diesmal schien die Geduld des Gouverneurs erschöpft: Er<br />

ließ einen sudanesischen Unteroffizier und vier Askari gleicher Herkunft vor ein Militärgericht stellen<br />

und zum Tod durch Erschießen verurteilen am 4. August 1895 (mit Vollzug). Lothar von Trotha, damaliger<br />

Kommandeur der Schutztruppe, macht in seinen Aufzeichnungen die Hintergründe der Ereignisse<br />

aktenkundig: „Unangemessene Behandlung der Askari durch Vorgesetzte, Gleichgültigkeit gegenüber<br />

der Mentalität fremder Völker und das Fehlen des unumgänglichen Bindemittels, nämlich des<br />

tüchtigen schwarzen Offiziers bei der Truppe!“<br />

Hauptmann Fromm<br />

(links im Bild)<br />

stand einer Meuterei<br />

hilflos gegenüber<br />

und blamierte sich<br />

bei seinen Vorgesetzten<br />

Aufstand der Dahomey Söldner in Kamerun<br />

Die einzige Meuterei der deutschen Kolonialgeschichte, die mit Waffengewalt niedergeschlagen werden<br />

musste, ist als Aufstand der Dahomey Söldner Dezember 1893 in Kamerun überliefert. Die Täter<br />

zählten zu den 370 Sklavinnen und Sklaven, die Hauptmann Karl von Gravenreuth im Sommer 1891<br />

dem König Behanzin von Dahomey abgekauft hatte, Die freigelassenen Sklaven mussten sich vertraglich<br />

verpflichten, jeweils fünf Jahre als Söldner, Lastenträger oder Plantagenarbeiter für das Gouvernement<br />

von Kamerun zu arbeiten. Lohn hatte man anfangs nicht zu erwarten, weil sie zunächst die<br />

für ihren Freikauf bezahlten 320 Reichsmark abarbeiten sollten.<br />

55 ehemalige Sklaven dienten in der im Oktober 1891 geschaffenen Polizeitruppe, wo sie sich rasch<br />

als tüchtige Untergebene bewährten. Die neuen Dienstherren würdigten den Eifer allerdings nicht wie<br />

erhofft. So mussten die frisch gebackenen Dschungel-Polizisten alle während eines Feldzugs gegen<br />

das Volk der Abo geplünderten Gegenstände beim Gouvernement (ohne Beute-Anteil wie üblich)


abliefern. Überdies bezogen die Ex-Sklaven häufig Prügel, während ihre normal besoldeten Kollegen<br />

bei gleichen Missetaten nur mit geringen Geldbußen rechneten.<br />

Aus diesen Gründen ließ der Söldner Mamadu I. am 6. März 1893 durch den Duala-Stammesangehörigen<br />

Alfred Bell ein Schreiben in deutscher Sprache aufsetzen, in dem er den stellvertretenden<br />

Gouverneur Heinrich Leist um ein Taschengeld für sich und seine Gefährten bat. Der als jähzornig<br />

und launenhaft bekannte Leist reagierte auf die in seinen Augen unverschämte Forderung mit<br />

einer Kürzung der Verpflegung für sämtliche Dahomey Leute.<br />

Die ehemaligen Sklaven begegneten diesem Affront mit passiven Widerstand: Bis dato ordentliche<br />

und saubere Söldner vernachlässigten ihre Uniformen und Ausrüstungsgegenstände, ließen Befehle<br />

unbeachtet usw. Im Gouvernement versuchte man die schlechte Stimmung „durch unentgeltliche Gewähr<br />

von Weibern“ aufzubessern. Außerdem empfahl der neue Chef der Polizeitruppe, Oberleutnant<br />

Häring, 33 Dahomey Söldnern endlich einen Monatslohn von drei bis fünf Mark zu bewilligen. Leist<br />

genehmigte die Zahlung einer kleineren Summe an nur 14 Männer, weil das Gouvernement knapp bei<br />

Kasse sei. Die Männer machten ihrem Zorn bald Luft.<br />

Als den vollständig angetretenen Söldnern die kleinen Beträge ausgezahlt werden sollten, warfen sie<br />

das Geld belustigt auf einen Haufen und wollten es durch einen Kameraden wieder zurückbringen<br />

lassen. Dazu fand sich aber aus Furcht vor Strafe niemand bereit. Kurz darauf ließ Leist mehrere<br />

Ehefrauen von Söldnern, die nicht zur Gartenarbeit erschienen waren, vor den Augen ihrer Männer<br />

auspeitschen!<br />

Abends am 15. Dezember brachen 47 Dahomey Leute, unterstützt von 43 mutigen Frauen, die Waffenkammer<br />

der Schutztruppe auf und nahmen 600 Gewehre, fast alle Munitionsvorräte sowie die vier<br />

dort abgestellten Geschütze an sich. Dann griffen sie die beim Abendessen sitzenden deutschen Beamten<br />

an und töteten einen der Herren „irrtümlich, weil er mit einem gefürchteten Peiniger verwechselt<br />

wurde“ (wie sich später herausstellte). Die Überlebenden sowie die loyal gebliebenen afri-kanischen<br />

Söldner flüchteten ins Umland und versteckten sich dort. Erst mit dem Eingreifen eines<br />

Landungskorps des deutschen Kanonenboots HYÄNE konnten die ehemaligen Sklaven überwältigt<br />

werden.<br />

17 Männer und 39 Frauen wurden schließlich zur Zwangsarbeit auf Stationen der Schutztruppe im<br />

Landesinneren deportiert, während alle übrigen Meuterer ihr Leben am Galgen beendeten (ohne<br />

Gerichtsverfahren).


Revolten von Askari Söldnern aus politischen Motiven sind in der deutschen Kolonialgeschichte nicht<br />

überliefert. Nur einmal – im Jahr 1905 – entstand der verschwommene Eindruck, als würden Teile<br />

einer farbigen Kompanie der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika mit Aufständischen eine Verschwörung<br />

vorbereiten. Sudanesische Unteroffiziere einer in Mwanza am Viktoria See stationierten Einheit<br />

beobachteten argwöhnisch Treffen von Sukuma Askari mit ihren in der Umgebung lebenden Landsleuten,<br />

die einen konspirativen Charakter zu haben schienen. Außerdem meldeten die Beobachter ihren<br />

deutschen Vorgesetzten, dass sich die Sukuma von den Söldnern anderer Volksgruppen auffällig<br />

absonderten.<br />

Der Kompanie-Chef befürchtete eine breit gefächerte Aufstandsbewegung in naher Zukunft und bat<br />

Gouverneur von Götzen um Verstärkung durch zuverlässiges Militär. Am 21. September 1905 forderte<br />

von Götzen bei der Kolonialabteilung in Berlin ein Marine-Detachement an, das in Mwanza stationiert<br />

werden sollte „wegen Unzuverlässigkeit der dortigen Askari Kompanie“. Die Marine-Infanteristen<br />

machten kurzen Prozess nach ihrem Eintreffen und nahmen den Farbigen alle Patronen weg. Anschließend<br />

rückte die Kompanie mit der Uganda Bahn zur Küste ab und wurde dort mit anderen Aufgaben<br />

betraut. Es gab keine neuen Probleme im Einsatz<br />

Eine Bilanz des Ersten Weltkriegs<br />

Von 1914 bis 1918 verloren ungefähr 5.000 Askari Söldner ihr Leben im Dienst der deutschen<br />

Schutztruppe sowohl im Gefecht als auch durch tödlich verlaufende Erkrankungen. Eine der<br />

wichtigsten Erfahrungen für die farbigen Kämpfer in diesem Krieg war die ausdrückliche Erlaubnis<br />

bzw. Befehlsbeschaffenheit, ab sofort „Weiße töten zu dürfen und zu müssen...“ Zu Kriegsbeginn bereitete<br />

diese „innere Umstellung“ vielen Schwarzen noch erhebliches Kopfzerbrechen.<br />

Im September 1914 wurden die Askari der 4. und 13. Feldkompanie vor einem Gefecht von ihren<br />

deutschen Offizieren eindringlich ermahnt auch auf Weiße beim Gegner zu schießen, weil viele<br />

Söldner dies während früherer Feindberührungen mit Briten trotz wiederholter Aufforderung nicht gewagt<br />

hatten. Aber nicht nur die deutsche Seite mit ihren Söldner-Streitkräften geriet in Gewis-<br />

Zweite Feldkompanie 1903 in Südwestafrika


senskonflikte. Es ist überliefert, dass Unteroffizier Eleija-Kimu, Angehöriger der britischen Kolonialtruppe<br />

King´s African Rifles, nachts nicht mehr schlafen konnte nachdem er einen Deutschen im<br />

Gefecht totgeschossen hatte. Der Tod von Afrikanern ließ ihn dagegen gleichgültig, wie er einem Militärarzt<br />

anvertraute.<br />

Das Selbstvertrauen der Askari bei Freund und Feind stieg jedoch Jahr um Jahr erheblich und sie<br />

fühlten sich später sogar den Weißen ebenbürtig. Festzustellen ist andererseits, dass nur ein Teil der<br />

Söldner bis zum Ende des Krieges loyal blieb. Von den 15.000 bis 18.000 Afrikanern, die während des<br />

Ersten Weltkriegs in Deutsch-Ostafrika dienten, desertierten nach deutschen Quellen 2847 Askari. Unter<br />

den offiziell 4510 vermissten Askari befanden sich ohne Zweifel ebenfalls zahlreiche Fahnenflüchtige.<br />

Eidesformel für christliche Nama-Söldner<br />

Am 26. Mai 1897 meldete Ludwig von Estorff, Bezirkshauptmann in Outjo, Deutsch-Südwestafrika,<br />

nach Windhuk: „In Fransfontein habe ich junge Hottentotten (Nama Volk) als Soldaten auf ein Jahr<br />

angeworben und unter Beisein des Volkes mit Feierlichkeit in der Kirche den Fahneneid schwören lassen.<br />

Die Formel des Eids liegt bei...<br />

Ich betrachte diesen Vorgang als die Einleitung des Wehrvertrages, welcher uns die nötigen eingeborenen<br />

Soldaten in Zukunft liefern wird“.<br />

Der Fahneneid lautete: „Ich schwöre einen Eid zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass ich<br />

ein getreuer Soldat will sein dem deutschen Kaiser Wilhelm II., meinem Allergnädigsten Herrn. Ich will<br />

ihm treu sein in allen Vorfällen, in Kriegs- und in Friedenszeiten und an jedem Ort. Seinen Nutzen und<br />

sein Bestes will ich fördern, Schaden aber und Nachteil will ich von ihm abwenden. Ich will ihm treu<br />

sein bis in den Tod...<br />

So will ich auch treu sein dem Landeshauptmann, seinem Stellvertreter. Ich will gehorsam sein meinen<br />

Vorgesetzen und ihre Befehle genau befolgen. Ich will mich so betragen, wie es einem rechtschaffenen,<br />

tapferen und ehrbaren Soldaten gebührt. So wahr mir Gott helfe, durch Jesus Christus zur<br />

Seligkeit“.<br />

Dieser Text fand Leutweins Zustimmung mit folgendem Kommentar: „Den von Hauptmann von Estorff<br />

eingeführten Fahneneid finde ich bei den christlichen Eingeborenen durchaus zweckentsprechend.<br />

Allein schon die Feierlichkeit macht auf Eingeborene einen inspirierenden Eindruck. Ich werde<br />

Ermittlungen anstellen über den Nutzen des christlichen Fahneneids und dessen Einführung auch bei<br />

unseren übrigen eingeborenen Soldaten erwägen“.<br />

(Anmerkung: Für die farbigen Askari in Deutsch-Ostafrika kam eine christlich fundierte Eidesformel<br />

nicht in Frage, weil sie vielfach Muslime waren oder sich an Natur-Religionen orientierten).<br />

Quellen<br />

Deutsches Kolonialblatt<br />

(Berlin 1914)<br />

Nigmann E.: Geschichte der Kaiserlichen Schutztruppe für DOA<br />

Morlang, T.: Farbige Söldner in den deutschen Kolonien<br />

(Berlin 2009)<br />

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