Gleichstellungsaspekte beim Lohnsteuerkartenverfahren
Gleichstellungsaspekte beim Lohnsteuerkartenverfahren
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Prof. Dr. Gisela Färber<br />
<strong>Gleichstellungsaspekte</strong> <strong>beim</strong><br />
<strong>Lohnsteuerkartenverfahren</strong><br />
Vortrag im Rahmen der Tagung<br />
„Gleichstellungsorientierte Folgenabschätzung und<br />
Wirkungsanalysen – Beispiele und Erfahrungen“<br />
des GenderKompetenzZentrums<br />
der Humboldt- Universität zu Berlin<br />
am 10.4.2008<br />
1
Gliederung:<br />
2. Einleitung<br />
3. Quellenabzug bei der Einkommensteuer und<br />
<strong>Lohnsteuerkartenverfahren</strong><br />
4. Alternativen zum <strong>Lohnsteuerkartenverfahren</strong><br />
5. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen<br />
Gisela Färber 2008 2
2. Quellenabzug und<br />
<strong>Lohnsteuerkartenverfahren</strong><br />
Zielsetzung des Verfahrens:<br />
Lohnsteuerabzug von zusammen veranlagten Ehepartnern<br />
Interesse des Fiskus an sicherem und stabilen<br />
Steueraufkommen<br />
Berücksichtigung des Splittingvorteils (St.Kl. III ggü. St.Kl. I) bei<br />
verheirateten Alleinverdienern<br />
„Aufholung“ des Splittingvorteils bei zweitem verheirateten<br />
Erwerbstätigen durch St.Kl. V: kein Grundfreibetrag, Anstieg des<br />
Grenzsteuersatzes auf Spitzensteuersatz nach<br />
Existenzminimum, „handgestrickter“ Tarifteil für kleinere<br />
Einkommen, Spitzensteuersatz ab ca. 25 Tsd. €<br />
„pauschale“, ziemlich willkürliche Tarifierung der Steuerklasse V<br />
empirisch: systematische Unterzahlung der Einkommensteuer<br />
bei Steuerklassen III/V und Überzahlung bei Steuerklassen IV/IV<br />
Gisela Färber 2008 3
Grenzsteuersätze der Steuerklassen<br />
50%<br />
Grenzsteuersatz<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
1.200<br />
7.200<br />
13.200<br />
19.200<br />
25.200<br />
31.200<br />
37.200<br />
43.200<br />
49.200<br />
55.200<br />
61.200<br />
67.200<br />
73.200<br />
79.200<br />
85.200<br />
91.200<br />
97.200<br />
103.200<br />
109.200<br />
115.200<br />
121.200<br />
127.200<br />
Individualeinkommen<br />
StKl III StKl V StKl IV<br />
Gisela Färber 2008 4
Lohnsteuer im Quellenabzugsverfahren<br />
nach Steuerklassen<br />
60<br />
50<br />
Steuerschuld<br />
Tausend<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1.200<br />
9.200<br />
17.200<br />
25.200<br />
33.200<br />
41.200<br />
49.200<br />
57.200<br />
65.200<br />
73.200<br />
81.200<br />
89.200<br />
97.200<br />
105.200<br />
113.200<br />
121.200<br />
129.200<br />
Individualeinkommen<br />
Steuerklasse III Steuerklasse V Steuerklasse IV<br />
Gisela Färber 2008 5
Externe und interne „Fehlbesteuerung“<br />
Personenbezogene Betrachtung bei gleichen Einkommen der<br />
Ehepartner<br />
Ehepartner haften als Gesamtschuldner gegenüber Finanzamt.<br />
Interner Aufteilungsschlüssel der Steuerschuld:<br />
– Anteil am Einkommen oder<br />
– Verhältnis der beiden Steuerschuldbeträge nach Grundtabelle<br />
Steuerklasse III zahlt zu wenig an den Fiskus, Steuerklasse V zu<br />
viel.<br />
Paarintern hat V zusätzlich einen Ausgleichsanspruch an III<br />
Gisela Färber 2008 6
Probleme des Steuerkartenverfahrens<br />
„Treffsicherheit“ bzgl. Steuerschuld: rein zufällig<br />
hohe Bürokratiekosten für Einkommensteuererklärungen<br />
(Informationspflichten!)<br />
Vorteil im Lohnsteuerverfahren abhängig von<br />
– Einkommenshöhe und<br />
– Spreizung der Einkommen beider Ehepartner<br />
Belohnung der „patriarchalischen“ Ehe<br />
Grenzsteuersätze (und zusätzlich hohe Grenzbelastungen durch<br />
Sozialversicherungsbeiträge) starke Anreize gegen Arbeitsaufnahme in<br />
sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung<br />
Interner Ausgleichanspruch weitgehend unbekannt, damit auch<br />
praktisch nicht real existierend<br />
Fortsetzung der Nachteile im Sozialrecht (AlG I, Elterngeld,<br />
Altersteilzeit) bzw. rechtlich zulässige Manipulation der<br />
Steuerklassenwahl für höhere Sozialtransfers (Verletzung des<br />
Gleichheitsgrundsatzes?!)<br />
Gisela Färber 2008 8
Splittingvorteile III/V in Abhängigkeit der<br />
Einkommensspreizung der Ehepartner<br />
1.200<br />
3.500<br />
6<br />
1 0<br />
100%<br />
100%<br />
100%<br />
1 0 0<br />
EURO<br />
1.000<br />
800<br />
EURO<br />
600<br />
400<br />
200<br />
3.000<br />
2.500<br />
2.000<br />
1.500<br />
1.000<br />
500<br />
EURO<br />
Tausend<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
EURO<br />
Tausend<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
8 0 %<br />
6 0 %<br />
4 0 %<br />
2 0 %<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0%<br />
0%<br />
0%<br />
0 %<br />
15.000<br />
24.000<br />
33.000<br />
12.500<br />
42.000<br />
20.000<br />
51.000<br />
27.500<br />
60.000 11.000<br />
35.000<br />
69.000 17.600<br />
42.500<br />
78.000 24.200<br />
50.000<br />
87.000 30.800<br />
57.500<br />
96.000 37.400<br />
65.000<br />
105.000 44.000<br />
72.500<br />
114.000 50.600<br />
12.500 80.000<br />
123.000 57.200<br />
20.000 87.500<br />
132.000 63.800<br />
27.500 95.000<br />
141.000 70.400<br />
102.500 35.000<br />
150.000 77.000<br />
110.000 42.500<br />
159.000<br />
83.600<br />
117.500<br />
50.000<br />
168.000<br />
90.200<br />
125.000<br />
57.500<br />
177.000 96.800<br />
65.000<br />
103.400 132.500<br />
186.000 72.500<br />
110.000<br />
140.000<br />
195.000 80.000<br />
116.600<br />
147.500<br />
87.500<br />
123.200 155.000<br />
95.000<br />
129.800 162.500<br />
102.500<br />
136.400<br />
110.000<br />
143.000<br />
117.500<br />
125.000<br />
132.500<br />
140.000<br />
147.500<br />
155.000<br />
162.500<br />
Bruttoeinkommen Bruttoeinkommen Bruttoeinkommen beider Ehepartner beider BEhepartner beider - r Verhältnis uEhepartner t - tVerhältnis o 2:1e - Verhältnis i n4:1k o10:1<br />
m m e n A l l e<br />
Splittingvorteil Splittingvorteil absolut Splittingvorteil absolut S p Splittingvorteil absolut l i t t Splittingvorteil i n gin Splittingvorteil % vder o Sin Steuerschuld r% tp der e in lSteuerschuld i% tl der t StKl ai Steuerschuld n bIV<br />
g sStKl voIV<br />
o lStKl ur t IV te i l i n %<br />
Gisela Färber 2008 9
Teilzeitquoten nach Geschlecht<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />
Frauen<br />
Männer<br />
Gisela Färber 2008 10
Geringfügig beschäftigte Frauen und Männer<br />
Anteil an den Erwerbstätigen<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
15-19 J. 20-24 J. 25-29 J. 30-34 J. 35.39 J. 40-44 J. 45-49 J. 50-54 J. 55-59 J. 60-64 J. über 64<br />
J.<br />
Frauen<br />
Männer<br />
Gisela Färber 2008 11
Zwischenresumée<br />
<strong>Lohnsteuerkartenverfahren</strong> antiquiert<br />
verursacht durch die verschiedenen Steuerklassen hohe<br />
Bürokratiekosten (mehrere Steuerklassen, Kosten des<br />
Steuerklassenwechsels)<br />
führt zu systematisch unrichtigem Steuerabzug und damit zu<br />
überflüssigen Steuerveranlagungsfällen<br />
behandelt Paare mit gleichem Gesamteinkommen sehr<br />
ungleich<br />
benachteiligt Frauen systematisch<br />
schafft Ungleichheit <strong>beim</strong> Transferbezug, wo dieser an<br />
Nettoeinkommen anknüpft<br />
Gisela Färber 2008 12
Alternativen zum<br />
<strong>Lohnsteuerkartenverfahren</strong><br />
1. Das Anteilsverfahren:<br />
<br />
Auf Lohnsteuerkarte/Steuerausweis (ggf. elektronisch<br />
signaturfähig) wird der Anteil des jeweiligen Ehepartners am<br />
lohnsteuerpflichtigen Haushaltseinkommen vermerkt. Lohnsteuer<br />
wird nach einer (neuen) Splittingtabelle berechnet und mit<br />
Anteilswert berechnet<br />
2. Begünstigungsverfahren:<br />
<br />
Auf Lohnsteuerkarte/Steuerausweis (ggf. elektronisch<br />
signaturfähig und für zusammenveranlagte Paare mit im<br />
Finanzamt verknüpfbarer etin ausgestattet) wird ein Faktor<br />
eingetragen, der den Gesamtsplittingvorteil des Paares im<br />
letzten Jahr in Prozent ausdrückt. Lohnsteuer wird nach StKl I<br />
errechnet und um den Begünstigungsfaktor bereinigt.<br />
Gisela Färber 2008 13
Vor- und Nachteile d. Anteilsverfahrens<br />
für den Arbeitgeber einfaches Verfahren<br />
senkt die Zahl der erforderlichen Steuerklassen auf 2 ab<br />
führt auch bei Veränderung der Anteile der Ehepartner zu<br />
relativ treffsicheren Steuerabzügen<br />
Senkt den internen Ausgleichsbedarf, schafft ihn aber nicht ab!<br />
erhebliche Datenschutzprobleme: Arbeitgeber kennt das<br />
Einkommen des anderen Ehepartners!!!!<br />
Gisela Färber 2008 14
Grenzsteuerbelastungen des<br />
Anteilsverfahrens im Vergleich<br />
60<br />
50<br />
Grenzsteuersatz<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
15.000<br />
24.000<br />
33.000<br />
42.000<br />
51.000<br />
60.000<br />
69.000<br />
78.000<br />
87.000<br />
96.000<br />
105.000<br />
114.000<br />
123.000<br />
132.000<br />
141.000<br />
150.000<br />
159.000<br />
168.000<br />
177.000<br />
186.000<br />
195.000<br />
Bruttoeinkommen beider Ehepartner - Verhältnis 2:1<br />
P1 AV = P2 AV<br />
Grenzsteuersatz P1 real<br />
Grenzsteuersatz P2 real<br />
StKl IV P1<br />
StKl IV P2<br />
Gisela Färber 2008 15
Vor- und Nachteile d.<br />
Begünstigungsverfahrens<br />
führt direkt zur extern und intern korrekten Belastung der<br />
Ehepartner mit Lohnsteuer<br />
leicht schlechtere Ergebnisse bei Veränderung der<br />
Einkommenshöhe eines oder beider Ehepartner als AV, aber<br />
immer noch deutlich besser als <strong>Lohnsteuerkartenverfahren</strong><br />
nur noch eine einzige Lohnsteuerklasse erforderlich<br />
auch geeignet für Menschen mit mehreren Arbeitsverhältnissen<br />
(Faktor > 1! – statt Steuerklasse VI)<br />
ggf. vorgezogener automatischer Lohnsteuerjahresausgleich<br />
senkt die Grenzsteuersätze für den zweiten Ehepartner deutlich<br />
und reduziert die Fehlanreize für die offizielle Arbeitsaufnahme<br />
erheblich<br />
dürfte im Sozialrecht erhebliche Einsparungen nach sich ziehen<br />
schafft Transparenz über tatsächlichen Splittingvorteil<br />
Gisela Färber 2008 16
Grenzsteuerbelastungen des<br />
Begünstigungsverfahrens im Vergleich<br />
50<br />
Grenzsteuersatz<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
15.000<br />
24.000<br />
33.000<br />
42.000<br />
51.000<br />
60.000<br />
69.000<br />
78.000<br />
87.000<br />
96.000<br />
105.000<br />
114.000<br />
123.000<br />
132.000<br />
141.000<br />
150.000<br />
159.000<br />
168.000<br />
177.000<br />
186.000<br />
195.000<br />
Bruttoeinkommen beider Ehepartner - Verhältnis 2:1<br />
Grenststeuersatz P1 BV<br />
Grenzsteuersatz P2 BV<br />
Grenzsteuersatz P1 StKl III<br />
Grenzsteuersatz P2 StKl V<br />
StKl IV P1<br />
StKl IV P2<br />
Gisela Färber 2008 17
4. Zusammenfassung und<br />
Schlußfolgerungen<br />
<strong>Lohnsteuerkartenverfahren</strong> technisch überholt, patriarchalisch,<br />
noch ungerechter als Ehegattensplitting als solches<br />
Reformbedarf bei Bundesregierung anerkannt, dürfte sich für den<br />
Fall eines Familiensplitting noch potenzieren!!<br />
Anteilsverfahren in Koalitionsvereinbarung, Bestandteil des<br />
Entwurfs des Jahressteuergesetzes 2008, im parlamentarischen<br />
Verfahren „eliminiert“<br />
Begünstigungsverfahren bis jetzt nicht ernsthaft als Alternative<br />
geprüft<br />
Handlungsbedarf wächst, wenn Frauen auf dem Arbeitsmarkt<br />
benötigt werden<br />
bessere und gender-neutrale Anreize für eigene Erwerbsbiographie<br />
und kontinuierlichen (Alters-)Vermögenserwerb<br />
Ermöglicht tranparente Diskussion des Ehegattensplitting<br />
Gisela Färber 2008 18